Skip to content

Grafenschild statt „Bubbles“ – Oldenburg präsentiert sich mit neuem Stadtlogo

Stadt Oldenburg Logo, Quelle: Stadt Oldenburg
Stadt Oldenburg Logo, Quelle: Stadt Oldenburg

Die Stadt Oldenburg hat sich ein neues Stadtlogo zugelegt. Das dem heraldischen Stadtwappen entnommene Schild mit rot-gelben Streifen vereine Tradition und Zuversicht, so die Stadtverwaltung. Nicht nur im Umfeld von Social Media sorgt der Wechsel und die Gestaltung für Unverständnis, bisweilen für Entsetzen.

Nach vierzehn Jahren bekommt Oldenburg ein neues Logo. „Mit der neuen Marke wollen wir gestärkt in die Zukunft gehen“, so Oberbürgermeister Jürgen Krogmann anlässlich der Vorstellung des neuen Logos. Krogmann ist seit 2014 Oberbürgermeister von Oldenburg, somit aktuell einer der am längsten amtierenden Bürgermeister einer deutschen Großstadt. Oldenburg ist nach Hannover und Braunschweig die drittgrößte Stadt Niedersachsens. Um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bürger zur Stadt zu stärken, will die Stadtverwaltung ein Zeichen des Zusammenhalts setzen. Das neue Logo diene als Symbol für das „Team Stadt Oldenburg“, wie es im Rahmen der offiziellen Pressemeldung erklärend heißt. Vorausgegangen ist dem Redesign ein Markenprozess, der bereits vor einigen Jahren angestoßen wurde.

Auszug der Pressemeldung

Tradition und Zuversicht – diese beiden Elemente vereint das neue Logo der Stadt Oldenburg. „Mit der neuen Marke wollen wir gestärkt in die Zukunft gehen“, sagt Oberbürgermeister Jürgen Krogmann. Das Logo betont die historischen Wurzeln der Oldenburgerinnen und Oldenburger. Das Motiv – ein Schild in Gelb mit zwei dunkelroten Streifen – findet sich bereits im Oldenburger Stadtwappen. Es symbolisiert den Mut und die Entschlossenheit des jungen Grafen Friedrich, der sogar gegen einen Löwen kämpfte, um die Ehre seines Vaters zu retten. „Heute kämpfen wir natürlich nicht mehr gegen Löwen, aber auch wir stehen vor großen Herausforderungen. Der Klimawandel, die Transformation unserer Energieversorgung, der demografische Wandel, Fachkräftemangel und nicht zu vergessen, die Digitalisierung – all das und mehr fordern uns jetzt. Diese Aufgaben können wir am besten mit einem deutlichen Zeichen des Zusammenhalts und mit Teamgeist meistern“, betont Oberbürgermeister Krogmann.

Stadt Oldenburg Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Stadt Oldenburg, Bildmontage: dt
Stadt Oldenburg Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Stadt Oldenburg, Bildmontage: dt

Das neue Logo besteht aus einem Schild mit gelb-roten Streifen als Bildmarke sowie einer rechtsseitig davon angeordneten Wortmarke. Das Schild ist um 34˚Grad zur linken Seite geneigt und in dieser Form auch im Oldenburger Stadtwappen enthalten. Die zweizeiligen Wortmarke „Stadt Oldenburg“ ist in einer vergleichsweise neutralen Schrift gesetzt, und zwar in der Myriad, einer 1992 von Robert Slimbach und Carol Twombly für Adobe Systems gezeichneten humanistischen Grotesk-Schrift. Die Oldenburg Tourismus und Marketing GmbH (OTM), eine städtische Tochtergesellschaft, nutzt die Schild-Bildmarke in ähnlicher Weise bereits seit Anfang 2021. Seitens der städtischen Verwaltung wird das neue Stadtlogo als minimalistisch und zeitlos beschrieben.

Das mit orange-farbenen Kreisflächen („Bubbles“) ausgestattete bisherige Logo wurde 2009 eingeführt. Die Stadt wollte auf diese Weise das sogenannte „Übermorgenstadt“-Konzept sowie eine damit einhergehende Positionierung als „Stadt der Wissenschaft“ unterstreichen, (dt berichtete). Nun werden die „Bubbles“ sukzessive verschwinden.

Entwickelt wurde das Logo hausintern und ohne Beteiligung externer Agenturen. Wie in der Lokalpresse berichtetet wird, seien auf diese Weise lediglich 911 Euro an Sachkosten angefallen, zusätzlich zu den Personalkosten. Eigene Mitarbeiter würden über entsprechende Expertise verfügen, so eine Mitarbeiterin der städtischen Pressestelle gegenüber der Nordwest-Zeitung.

Die Umstellung auf das neue Design soll peu à peu erfolgen, wie es heißt. Neue Veröffentlichungen erscheinen ab dem 21. August im neuen Layout, auf allen Internetseiten oder sonstigen Online-Angeboten soll das bisherige Logo bis Ende August ausgetauscht werden.

Im Umfeld von Social Media, etwa auf Facebook wird das neue Logo mehrheitlich negativ kritisiert. Einige Kommentierende bemängeln fehlende Kreativität. Wie bei derlei Logoumstellungen üblich erklärten viele User, die Stadt hätte beim bisherigen Logo bleiben sollen. Eine ortsansässige Agentur, welche dem dt per E-Mail einen entsprechenden Themenvorschlag geschickt hat, sieht in der Umstellung auf das neue Logo eine „fortschreitende Provinzialität und Rückwärtsgewandtheit“ der Stadt.

Kommentar

Logo-Redesigns werden mehrheitlich negativ kritisiert, nicht immer, aber doch meist. Sich an etwas Neues gewöhnen, erfordert Aufwand. Energieaufwand, den es aus Sicht von uns Menschen zu vermeiden gilt. Deshalb hat es das Neue meist sehr schwer. Nicht nur im Umfeld von Social Media fällt die Kritik in aller Regel negativ aus, auch hier in einem Design-Fachblog, was wiederum damit zu tun hat, dass wir als Gestalter/Designer davon überzeugt sind, es besser hätten machen können. Soviel vorweg.

Der Umstand, dass ein Logo nach 14 Jahren ausgewechselt wird, ist wenig kritikwürdig. Oldenburg ist nicht Opel, das in zwanzig Jahren sieben Logos verschlissen hat. 14 Jahre sind ein üblicher, angemessener Zeitrahmen für einen Wechsel. In Oldenburg hat man sich berechtigterweise gefragt, ob das „Bubbles“-Signet noch verkörpert, wofür die Gemeinde steht. Mit einem Schild heraldischen Ursprungs und einer simpel gestalteten Wortmarke fühlen sich die Verantwortlichen auf Seiten der Stadtverwaltung offenbar besser repräsentiert. Inwieweit Bürgerïnnen hier im Vorfeld befragt und eingebunden wurden, entzieht sich meinem Kenntnisstand. Ein einfach gestaltetes, pragmatisches Stadtlogo, flexibel in der Handhabung, für gedruckte Medien ebenso geeignet, wie für den Einsatz in digitalen Medien, überdies kostengünstig in der Entwicklung. Prima Sache! Woher also kommt all die negative Kritik und die schlechte Stimmung? Ein Versuch der Einordnung.

Die breite Ablehnung, auf die das neue Logo (vor Ort) stößt, ist wenig überraschend. Einerseits ist die Gestaltung in der Tat wenig kreativ. Handwerklich fragwürdig und verunstaltet, wie einst das Logo für Cottbus (2009), ist das Oldenburger Logo nicht. Allerdings wirkt es doch völlig uninspiriert und kraftlos. Der Gestaltung fehlt es an Eigenständigkeit. Die Wortmarke, gesetzt in der Myriad, schaut generisch aus. Die Myriad, dies ist hilfreich zu wissen, ist ebenso wie die Minion, mit der die bisherige Wortmarke gesetzt ist, eine Brotschrift, also eine für Mengensatztexte konzipierte und konstruierte Schrift, die vor allem in Büchern und Zeitschriften Verwendung findet. Nicht ganz so populär wie die Helvetica, dennoch gehört die Myriad zu den am meisten verwendeten Schriften unserer Zeit.

Mit der Myriad im Logo ein wiedererkennbares und eigenständiges Markenlogo zu entwickeln, ist in etwa so, als wollte man allein mit Salz als Zutat ein unverwechselbar würzig schmeckendes Gericht zubereiten. Hier im dt wurde die Myriad schon einmal, ihrer limitierten Mittel wegen, Identität zu stiften, im Sinne einer Persiflage verwendet. Um den Trend hin zu betont schlicht gehaltenen Typologos (Ebay, Microsoft, u.a.) zu thematisieren, hatte ich 2012 Logos bekannter Marken allesamt in der Myriad gesetzt, um so deren Austauschbarkeit und Beliebigkeit zu verdeutlichen. Das Besondere ist nicht ihr Ding.

Daher stimmt der Eindruck: die Wortmarke im neuen Oldenburger Stadtlogo schaut beliebig, generisch, austauschbar aus. Da Typographie nicht nur der reinen Übermittlung von Textinformationen dient, sondern darüber hinaus – selbstverständlich – auch Charaktereigenschaften und Wesensmerkmale transportiert, fragt man sich gerade in Oldenburg schon, inwieweit die Wortmarke das Wesen der Stadt und ihrer Bürger beschreibt. Die Wortmarke – die pure Tristesse. Wenn denn wenigstens die Bildmarke ein wenig anspruchsvoller gestaltet wäre.

Stadtlogos mit Schild und mit Bezug zum Stadtwappen
Stadtlogos mit Schild und mit Bezug zum Stadtwappen

Ein Logo mit Bezug zum Stadtwappen und mit Schild als Bildmarke lässt sich auch so gestalten, dass es optisch ansprechend, eigenständig und wiedererkennbar ist, wie Freising, Uppsala, Wien oder die Uni Gdansk zeigen (Abb. links). Eine „goldene Regel“ lautet: ist die Bildmarke vergleichsweise einfach gehalten, können die Lettern der Wortmarke, wie bei Wien, stärker auf Besonderheit und Einzigartigkeit ausgerichtet werden. Ist die Bildmarke hingegen vergleichsweise aufwendig gestaltet, wie bei Freising, sorgt eine im Verhältnis dazu dezentere Schriftart dafür, dass das Logo insgesamt ausgewogen und harmonisch wirkt.

Im Fall Oldenburg ist sowohl die Wortmarke wie auch die Bildmarke maximal schlicht. Ein Bemühen, eines der beiden Elemente zu etwas Besonderem zu machen, ist nicht zu erkennen. Als Außenstehender frage auch ich mich, welch langjähriger Markenprozess dem Redesign vorausgegangen sein mag, wenn dies das Ergebnis ist. Losgelöst von seiner Geschichte betrachtet, erweckt die Bildmarke in Schildform den Eindruck, als kippe diese zur linken Seite. Von der assoziativen Ebene her sind umkippen/umfallen, zumal nach links und damit nach hinten, denkbar ungünstige Attribute. Gerade bei einem Stadtlogo mit stark repräsentierendem Charakter ist die gewählte Darstellung unvorteilhaft, vorsichtig formuliert. Corporate Design / Branding hat immer auch eine politische Dimension. Oldenburg scheint stark nach links zu driften.

Die heraldische Vorlage eins zu eins aus dem Stadtwappen zu übernehmen, halte ich für problematisch. Oldenburg ist heute eine andere Stadt, als sie es vor 100, 200 oder 300 Jahren gewesen ist. Einen geschichtlichen Bezug im visuellen Erscheinungsbild herzustellen, ist absolut sinnvoll. Was in diesem Fall jedoch offensichtlich fehlt, ist eine Überführung traditioneller Formensprache in die Gegenwart! Sodass die Gestaltung zeitgemäß wirkt, statt antiquiert. Es findet keinerlei Transfer/Überführung auf visuell-sprachlicher Ebene statt. Zweifellos benötigt eine Stadt, ein Unternehmen nicht zwingend externe Partner, um etwas Kreatives auf die Beine zu stellen. Eine beratende externe Agentur hätte jedoch auf das Fehlen dieses Transfers hinweisen können. Es braucht nicht nur eine geschichtliche Verankerung, wie sie Oberbürgermeister Krogmann im Presse-Statement beschwört, es bedarf, wie ich meine, vor allem einen nach vorne und in die Zukunft gerichteten Blick. Oldenburg jedoch kippt nach hinten.

Stadt Oldenburg Wappen, Quelle: Wikipedia
Stadt Oldenburg Wappen, Quelle: Wikipedia

Problematisch erscheint mir die Eins-zu-Eins-Übernahme des Schildes aus dem Stadtwappen (Abb. rechts) auch deshalb, da die damit verbundene Erzählung/Sage des Löwenkampfs Graf Friedrichs kaum etwas mit den heute in der Stadt lebenden Menschen zu tun hat. Die in diesem Zusammenhang von der Stadtverwaltung verwendete Sprache, „blutrünstige Bestie“ als Beschreibung für einen Löwen, war zudem schon unpassend, lange bevor Wokeness zum Erregungsthema wurde. Der Erzählung folgend zeigt das neue Oldenburg-Logo demnach ein Schild mit zwei roten Streifen aus „frischem Löwenblut“. Bon Appétit. Dies sind also die Zutaten, mit denen Oldenburg im 21. Jahrhundert die städtische Marke anreichert.

Stadt Oldenburg – Visual zum „neuen Layout“, Quelle: Stadt Oldenburg, Foto: ilietus/Fotolia
Stadt Oldenburg – Visual zum „neuen Layout“, Quelle: Stadt Oldenburg, Foto: ilietus/Fotolia

Das Logo ist mehr Symptom, denn das eigentliche Problem. Verdeutlicht wird dies auch anhand des im Rahmen der Präsentation von der Stadtverwaltung verwendeten Stockart-Bildmotivs mit Katze, welches zigfach an anderer Stelle Verwendung findet. Das Problem ist vielmehr, dass eine Strategie in Bezug auf zeitgemäße Kommunikation nicht zu erkennen ist. Eine eigenständige, wiedererkennbare Stadtmarke, mit der sich auch die Bürger identifizieren können, lässt sich so schwerlich aufbauen.

Es stimmt schon: es wirkt provinziell, wie sich Oldenburg aktuell präsentiert, und zwar nicht nur im Logo. Dabei finden sich durchaus interessante gestalterische Ansätze, wie etwa das in unterschiedlicher Form und unterschiedlichen Kontexten verwendete O-Motiv (karriere.oldenburg.de, oldenburger-portal.de). Auch um ein Zeichen in Richtung Zusammenhalt zu senden, wäre das geschlossene O eine passende visuelle Entsprechung.

Mediengalerie

Weiterführende Links

Dieser Beitrag hat 38 Kommentare

  1. Die Berichterstattung über Oldenburg will nicht abreißen.

    Wie der NDR berichtet, hat die Stadt auf Fahrzeugen im Zuge der Umstellung auf das neue Logo eine Silhouette verwendet, die anstelle des Rathauses im niedersächsischen Oldenburg jenes im schleswig-holsteinischen Oldenburg enthält. Bei der Silhouette handelt es sich, wie auch beim Katzenmotiv, um Stock-Art, in diesem Fall von Adobe.

    NDR-Bericht: Oldenburg Silhouette auf FahrzeugNDR-Bericht: Oldenburg Silhouette auf Fahrzeug, Quelle: ARD Mediathek, NDR

    Einen Tag später greift auch BILD das Thema auf. In dem Artikel dort ist zudem das neue Stadtlogo am Fahrzeug zu sehen. Die Platzierung des Logos wie auch die Gestaltung des Fahrzeugs insgesamt wirkt ziemlich unmotiviert. Ein durchgängiges Gestaltungskonzept ist nicht zu erkennen.

  2. Das ist jetzt der Moment, wo ein Politiker Stärke und Rückgrat zeigen kann, indem er einen Fehler eingesteht und ein neues, professionelles Logo entwickeln lässt, das eine Stadt wie Oldenburg gebührend repräsentiert. Von Menschen, die ihr Handwerk beherrschen und auch gut dafür entlohnt werden dürfen.
    Einen anderen Weg kann es aus grafischer Sicht gar nicht geben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

An den Anfang scrollen