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Vereinfachung versus Beliebigkeit

Vereinfachung versus Beliebigkeit

Die jüngsten Redesigns, wie zuletzt bei Microsoft und eBay, haben auf eindrückliche Weise klar gemacht: der Trend in Richtung Vereinfachung war nie offensichtlicher als jetzt. Exklusiv im dt werden 20 Logo-Redesigns vorgestellt, die wir in den nächsten fünf Jahren sehen werden. Ein paar Gedanken zum Thema Reduktion.

Wenn globale Marken aktuell zu einem Rebranding ansetzen, bleibt vom bisherigen Markenauftritt nur noch wenig übrig. Diesen Eindruck kann man jedenfalls mit Blick auf die vergangenen Redesigns gewinnen. Als Gestalter ist man hin und her gerissen, weiß man doch um die Bedeutung einer simplen und zugleich ausgefeilten Formensprache. Denn erst die Reduktion als wesentliche, wenn nicht sogar wesentlichste Leistung innerhalb des Designprozesses verleiht einem Erscheinungsbild, einem Produkt, einem Logo Prägnanz. Der grundsätzliche Ansatz, schmückende Elemente zu vermeiden, um sich stattdessen auf den Kern der Marke zu konzentrieren, ist zweifellos begrüßenswert. Mit jedem weiteren, hier im dt besprochenen Redesign entsteht allerdings der Eindruck, dass solch eine „Weniger-ist-mehr“-Philosophie mittlerweile arg strapaziert ist, ja vielleicht sogar zu einer Art Masche droht zu werden.

Revolution oder Strohfeuer?

Wer die letzten Redesigns bei USA TODAY, Microsoft, Yves Saint Laurent und eBay verfolgt hat, wird sich vielleicht das ein oder andere mal gefragt haben, ob sich tatsächlich im jeweils neuen Logo die zentralen Wesenszüge der entsprechenden Marke ausreichend wiederfinden. Zumindest mich beschäftigt diese Frage. Evolutionäre Anpassungsschritte scheinen aktuell mehr denn je verpönt. Stattdessen folgt eine Designrevolution auf die nächste. Rechtfertigen allerdings die Umstellungen im Unternehmen, um einmal beim Beispiel eBay zu bleiben, die verhältnismäßig große Veränderung, die das Logo vollzieht? Mal abgesehen von der Farbigkeit ist vom bisherigen Erkennungszeichen von eBay nicht viel übrig geblieben. Nachvollziehbar wäre dieser Schritt, wenn eBay fortan kein Internetauktionshaus und -Marktplatz mehr wäre, sondern meinetwegen zu einem Musik-Dienst konvertierte, was allerdings nicht der Fall ist. Eine Revolution ohne Substanz ohne Sinnhaftigkeit ist nichts anderes als ein Strohfeuer.

Ein Redesign verdichtet das visuelle Erscheinungsbild einer Marke oder eines Unternehmens auf seine wesentlichen Merkmale und Leistungen. Je mehr Merkmale sich im Laufe der Zeit verändert haben, desto größer kann der Umfang des Redesign ausfallen. Auf diese Formel könnte man es runterbrechen. Ändert sich das Leistungsspektrum nur geringfügig, das Design hingegen massiv, kann es zu einem Vertrauensverlust auf Seiten des Kunden kommen, der sich berechtigterweise fragt, weshalb Marke X trotz nahezu unveränderter Leistung sich nun ein komplett neues Erscheinungsbild zugelegt hat.

Design schafft Vertrauen

Die hüpfenden Buchstaben im Schriftzug von eBay transportieren ebenso wie die Eleganz einer handschriftlichen Type bei Yves Saint Laurent auf prägnante Weise die wesentlichen Eigenschaften der jeweiligen Marke. Eine solche Charakteristik aufzugeben, bedeutet, unabhängig von der Qualität des neuen Designs, einen solchen Vertrauensverlust bewusst in Kauf zu nehmen, was wiederum das Design generell in Frage stellt, soll es doch das genaue Gegenteil erreichen, nämlich Vertrauen stiften.

Ein gutes Markenzeichen ist idealerweise so flexibel, dass es beispielsweise eine Farbveränderung oder Namensergänzung mitmacht, ohne dabei an Charakter und Kraft zu verlieren. Die Frage ist:

Bis zu welchem Grad lässt sich ein Markenzeichen reduzieren, ohne dass dabei wesentliche, identitätsstiftende Gestaltungsmerkmale geopfert werden?

Die oben aufgeführten 20 Redesigns verstehen sich als Anregung, der Frage nachzugehen, wie weit sich ein Markenzeichen reduzieren lässt. Natürlich sind die vorgestellten „Redesigns“ reine Fuktion. Alle 20 Wortmarken sind in der Myriad Pro regular gesetzt, einer ziemlich feinen und betont sachlichen Schrift, die auf der Frutiger basiert und ebenso wie ihr Vorbild ihre Stärken im Bereich längerer Texte ausspielt. Als Wortmarke innerhalb eines Logos ist sie aus meiner Sicht ebenso ungeeignet, wie die Segoe, die bei Microsoft nun in allen Logos zum Einsatz kommt und die darüber hinaus eine wesentliche Stütze der Designsprache Modern UI darstellt.

Sicherlich darf man nicht den Fehler machen und die oben genannten Marken über einen Kamm scheren. Bei Microsoft findet derzeit der größte Umstellungsprozess in der Geschichte des Unternehmens statt, vielleicht sogar in der Geschichte des Designs. USA TODAY wiederum demonstriert mit dem Relaunch des Webauftritts auf beeindruckende Weise, dass sie die digitalen Medien für sich völlig neu definiert haben. Der neue Webauftritt (usatoday.com) ist in der Tat ein revolutionärer Schritt, der ebenso revolutionäre Veränderungen am Markenauftritt, nachvollziehbar erscheinen lässt. Ob sie einem persönlich zusagen, ist eine andere Frage.

Nur in wenigen Ausnahmen rechtfertigt eine strategische bzw. unternehmenspolitische Entscheidung, die Modifizierung eines Logos bis hin zur Unkenntlichkeit. Der Wechsel von der WestLB hin zu Portigon wäre ein Beispiel hierfür. Die Amtseinführung eines neuen Marketing-Leiters, Geschäftsführers oder Intendanten eines Schauspiel- oder Opernhauses rechtfertigt eine solche Kehrtwende allerdings nicht. Gerade letztgenannte Gruppe ist dafür bekannt, einen über Jahrzehnte hinweg gewachsenen und bei den Konsumenten vertrauten Markenauftritt über Nacht auf den Kopf zu stellen. Was zuweilen als das Abschneiden alter Zöpfe und als Neubeginn verkauft wird, ist nicht selten der Verlust der gesamten Corporate Identity.

Wider der Gleichmacherei

Das Ergebnis des Redesigns bei eBay ist, dass sich das Markenzeichen nun weniger stark von anderen großen Marken unterscheidet als bislang. Den hüpfenden Buchstaben im bisherigen eBay-Logo war es zu verdanken, dass Assoziationen zu Unternehmen wie Microsoft und Google ausblieben. Auf einer gemeinsamen Grundlinie gesetzt, wirkt das eBay-Logo nun wie ein Google-Klon. Die Eigenständigkeit ist dahin. Gleiches gilt für Yves Saint Laurent, dessen kreativer Kopf Hedi Slimane die Einzigartigkeit der Wortmarke zugunsten eines generischen, in der Helvetica gesetzten Schriftzugs opferte. Wer hätte gedacht, dass man die französische Modemarke nun in einem Atemzug mit BASF und Tupperware nennen kann – beide Logos sind ebenfalls in der Helvetica gesetzt.

Vereinfachung darf nicht auf Kosten der Individualität gehen. Designer und Auftraggeber erweisen sich und ihren Kunden einen Bärendienst, wenn die Reduktion der Formensprache zum Selbstzweck, zur Masche wird. Ich kann mich momentan nicht des Eindrucks erwehren, dass hinter einigen der auf Reduktion beruhenden aktuellen Designlösungen mehr Berechnung steckt als Sinn und mehr Verkaufsargument, denn schlüssiges Designkonzept.

„Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse“, so beschrieb Steve Jobs die Designphilosophie hinter den Produkten von Apple (auch da Vinci wird dieser Satz an verschiedenen Stellen zugesprochen). So schlecht kann es also nicht sein, sich an einem Genie zu orientieren. Ganz so einfach sollte man es sich allerdings nicht machen, denn was bei Apple über Jahrzehnte hinweg erfolgreich lief, muss noch lange nicht bei anderen Unternehmen funktionieren. Konsumenten sind nicht dumm. Sie merken schnell, ob eine Marke auf einer soliden Basis, einer glaubhaften Philosophie beruht oder ob sie ähnlich einer Hollywood-Kulisse reine Fassade ist. Corporate Design ist so viel mehr als ein Farbanstrich.

Ecken und Kanten

Logos sind zuweilen wie Menschen. Erst ihre Ecken und Kanten machen sie auffällig, erst ihre Eigenarten machen sie zur Marke. Ästhetik wird oftmals überschätzt, vor allem von uns Designern. Ohne all die schrulligen und skurrilen Gestaltungslösungen wäre die Designwelt nur halb so interessant. Gerade die Unangepasstheit und Hässlichkeit des Olympia-2012-Logos zeichnet es aus. Zugegeben, es hat fünf Jahre gedauert, bis ich zu dieser Erkenntnis gelangt bin, aber besser spät als nie.

Technisch gut umgesetzt und praktikabel mag das neue eBay-Logo schon sein, nur leblos und steril ist es. Keine Spur mehr von Dynamik und Vitalität, die die tanzenden Buchstaben bislang versprühten. Genau dies machte die Marke aus visueller Sicht attraktiv und anziehend. Seelen- und charakterlose Logos wie die neuen von eBay, Saint Laurent oder, um auch einmal ein etwas älteres Beispiel zu nehmen, das von Triumph, dessen Redesign ich nach wie vor bedauere, sind Kopfgeburten, die mit dem, was eine Marke ausmacht, wofür sie steht und wie sie vor allem auch von außen aufgefasst wird, nichts zu tun haben.

Das Verlangen nach Veränderung

Die allergrößte Herausforderung, die sich einem Designer in seinem Leben stellen kann, ist womöglich die, dem Verlangen nach Veränderung zu widerstehen. Gleiches ließe sich über Marketing-Leiter in Unternehmen sagen. Mit Weiter-wie-bisher lässt sich schwerlich eine Duftmarke setzen, gerade dann, wenn man diesen Posten frisch übernommen hat. Agenturen, die ihren Kunden empfehlen, nichts oder nur wenig am Erscheinungsbild zu verändern, sind rar gesät. Wer von großen Umstellungen abrät, läuft Gefahr, bei der Auftragsvergabe leer auszugehen. Bedient Agentur A nicht die Vorstellungen des Auftraggebers, machts halt Agentur B. So läuft das Spiel.

Gegen Beratungsresistenz ist zudem kein Kraut gewachsen. Unzählige Unternehmen werden vor die Wand gefahren, weil ihr Führungspersonal zu spät oder gar nicht die von außen gestellten Signale erkennt. Wohl dem, der Kunden betreut, die Design als strategische Beratungsleistung begreifen und nicht als ausführende Tätigkeit.

Jetzt habe ich mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte und als vielleicht auch empfehlenswert gewesen wäre. Wer zu viel sagt oder schreibt, verpasst die Chance, auf den Punkt zu kommen. Ähnliches gilt für die Kreation eines Logos. Reduktion will gelernt sein. Mal gelingt es und mal weniger, auch mir geht das so.

Ein Loblied

Noch einmal in aller Kürze: Vereinfachung, so essentiell sie auch ist, darf nicht dazu führen, dass ein Design beliebig wird. Wenn dieser Artikel eine Botschaft hat, dann die, dass das Bizarre, Schräge und Nicht-Perfekte ebenso von Bedeutung ist wie die pure Ästhetik. Ein Loblied auf die Ecken und Kanten dieser Welt. Darüber hinaus darf der Artikel natürlich gerne Anstoß dafür sein, sich mit so ur-konservativen (und für Manchen langweiligen) Werten wie Kontinuität und Beständigkeit zu beschäftigen, nicht, weil sie in jedem Fall heilsbringend sind, sondern weil sie trotz verständlicher Begeisterung für alles Neue gerne schon einmal als erste von der Rampe fallen.

Hier die Originallogos der oben gezeigten „Redesigns“ nicht immer schön, dafür typographisch eigenständig, auffällig und merkfähig.

global brands

Dieser Beitrag hat 44 Kommentare

  1. Oh und ich dachte schon ich bin der einzige der so denkt und fragte mich ernsthaft ob das so in Ordnung ist, dass Logos derart reduziert werden bis sie ihren kompletten Charakter verlieren aber anscheinend fällt nicht nur mir zum Glück dieser Trend auf. Ich hoffe die Designer die diesen Beitrag hier lesen werden mal wachgerüttelt und geben sich ein wenig mehr Mühe als Kreise zu malen und den Firmennamen in Helvetica abzutippen.

    Minimalismus ist zwar gut aber dann bitte auch mit Charakter und Erkennungswert, denn wenn man sowas schafft, dann kann man sich wirklich einen guten Designer nennen.

  2. Sehr gute Argumentation für mehr Charakter,
    danke Achim.

    Trend überall: Die Gleichmacherei, wo es doch auf Individualität ankommen sollte, kann man sehr schön in der Schönheitsbranche sehen: Jeder will die Kidman-Nase. Oder die Jolie-Schlauchbootlippen. Dass Chirurgen da mitmachen und schlecht beraten, kann nur bedeuten, dass sie das Geld mehr lieben als Ihre Kunden.

    “Wohl dem, der Kunden betreut, die Design als strategische Beratungsleistung begreifen und nicht als ausführende Tätigkeit.”

    Das trifft es auf dem Punkt.

  3. Toller Artikel, in dem du die Thematik der letzten Wochen sehr gut auf den Punkt bringst.

    Was den Satz „Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse“ angeht … ich lege ihn so aus, dass die Reduktion den höchsten Grad an Raffinesse vom Gestalter verlangt. Es bedarf also eines hervorragenden Designers und eines ausführlichen Prozesses, eine wirklich gute, schlichte Wortmarke zu entwickeln. Mangelt es an Zeit oder Talent, sollte man lieber die Finder davon lassen ;)

  4. Ich stimme Dir voll zu Achim! Dein Artikel bringt es wirklich auf den Punkt, was auch ich mir schon seit einiger Zeit denke. Mit jedem neuen minimalisierten Logo hoffe ich, das es nicht wirklich zum Trend wird. Als regelrecht wohltuend habe ich dann auch das Senseo Redesign empfunden – ein Hoffnungsschimmer im Wald der Beliebigkeit.

    Und natürlich spielt der angesprochenen wirtschaftliche Faktor eine große Rolle. Aber genau deshalb ist es mutig nichts zu verändern und das seinem Kunden auch so zu verkaufen.

  5. Sehr schön beobachtet. Marken dürfen sich nicht nur einem elitären Kreis erschließen.

    Was z. B. »Coca Cola« oder »ebay« geritten hat, Ihre Ikonen aufzugeben, wird mir ein Rätsel bleiben. Wahrscheinlich werden diese Konzerne aber, genau wie z. B. »adidias« vor vielen Jahren, sehr schnell merken, dass auch Tradition in der Identifikation mit einer Marke eine wesentliche Rolle spielt und zumindest in Teilen zurückrudern.

    Einen positiven Aspekt bringt es wohl vor allem – volle Auftragsbücher für die angeschlossenen Designbüros, die diese Fehler in ein paar Jahren wieder korrigieren ;)

  6. Ich finde interessant, dass Du u.a. das ebay-Redesign als Beispiel für den Schritt in die Beliebigkeit nennst. Mir gefällt diese Reduktion nämlich ausgesprochen gut. Die Farben wurden erhalten (bzw. dabei sogar noch verbessert) und die sonderbar gestauchten Buchstaben sind weg. Ich hätte die Buchstaben vielleicht noch leicht überlappen lassen, aber sei’s drum.

    Viele der Designs, die überarbeitet werden sind ja nicht unbedingt besser oder schlechter als die neuen Designs. Sie sind einfach nur gelernter, bekannter. Und da der Mensch gerne eher auf Veränderung verzichtet, wird neuem Design oft unterstellt, dass es schlechter ist als altes, nur weil man sich dran gewöhnen muss und es eine Umstellung erfordert.

    Microsoft ist da für mich ein weiteres Beispiel. Ich finde das neue Logo nicht schlechter als das alte, im Prinzip sogar noch besser, weil klarer. Und ich bin mir sicher, dass wenn dieses Logo schon immer das Microsoft-Logo gewesen wäre und das alte jetzt als Neues präsentiert würde, würde ein ähnlicher Aufschrei durch die Gestalter-Riege gehen.

  7. „Logos sind zuweilen wie Menschen. Erst ihre Ecken und Kanten machen sie auffällig, erst ihre Eigenarten machen sie zur „Marke“. Ästhetik wird oftmals überschätzt, vor allem von uns Designern. Ohne all die schrulligen und skurrilen Gestaltungslösungen wäre die Designwelt nur halb so interessant.“

    Wunderbar treffend auf den Punkt gebracht.

  8. Wenn ich mir die “Redesigns” so angucke muss ich zugeben, dass viele Logos allein durch die Kombination “Farbe + Name” extrem gut funktionieren und für mich immer noch einen unglaublich großen Wiedererkennungswert haben. Viele der hier gezeigten “Redesigns” sind in meinen Augen sogar gute Beispiele dafür, dass die Reduktion sehr wohl funktionieren kann ohne die Identität zu zerstören.

    Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Logos, die eben nicht nur aus “Name + Farbe” bestehen. Und gerade bei diesen leidet der Wiedererkennungswert extrem. Besonders gute Beispiele sind IKEA, NIVEA und Pirelli. Lustigerweise funktioniert Samsung bei mir auch im “Redesign”, obwohl das echte Logo völlig anders ist.

    Was bei mir auch nicht funktioniert hat, ist UBS, was ich spontan auf die fehlenden Serifen zurückführe.

  9. Zitat: “Technisch gut umgesetzt und praktikabel mag das neue eBay-Logo schon sein, nur leblos und steril ist es.”

    Ich kann die hier beschriebene Meinung nur ansatzweise teilen. Das ausgewählte Zitat oben hat mich sofort an die Begründungen für die Ablehnung des Funktionalismus von den Nationalsozialisten oder auch den DDR-Parteifunktionären, Anfang der 50er Jahre, erinnert (nein, das soll nun kein extremer Vergleich sein, nur eine Erwähnung). Die von diesen als “kalt, glatt und nichts sagend” bezeichneten Produkte wurden von den Gestaltern viel mehr als schlicht und zeitlos gedacht entworfen. Dennoch hört man Begriffe wie “leblos” und “kalt” oft heute auch noch von Laien, die z.B. ihre Wohnung stattdessen lieber “wohnlicher” einrichten möchten: mit buntem Dekor, Styling, Gelsenkirchener Barock gemischt mit 50er-Jahre-Retro und IKEA-Möbeln von heute (Dekor an sich bewerte ich nicht unbedingt als schlecht).
    Ich denke, dass die Wortmarke an sich nicht so schlecht gewählt ist. Die Höhenunterschiede hätten, als prägendes Erkennungsmerkmal, jedoch u.a. miteinbezogen werden sollen – vielleicht auch eine ästhetische Typo, die der alten etwas mehr ähnelt?
    Die Beispiele oben zeigen jedoch gut und deutlich: pure Reduktion auf Farbe und Wort an sich ist meistens zu wenig. Wiedererkennbarkeit ist ebenfalls wichtig. Wenn diese jedoch zeitlos sein soll, muss auch diese auf das nötigste reduziert sein. Ein gutes Beispiel ist hier Braun. Disney und Coca Cola haben durch ihre verwendete Typo alleine schon Wiedererkennbarkeit genug geschaffen. Diese ist bereits sehr weit reduziert. Jeder weitere Schritt wäre zu viel.

    Insgesamt ein sehr lesenswerter und denkwürdiger DT-Beitrag, wie ich finde!

  10. Hier sollten die Worte “Wiedererkennung” und “Identität” nicht verwechselt werden.
    Eine Wiedererkennung haben die neuen reduzierten Logos alle, aber eine eigenständige Identität?
    Ich denke, Nein!

  11. Sehr, sehr guter Artikel! Hut ab, Achim.
    Ich glaube aber nicht alle Kommentatoren haben begriffen, dass es sich bei den meisten Vereinfachungen um hypothetische Logos handelt.

  12. Weil es hier passt und oben “alt” abgebildet ist: Schaut euch mal bei Nivea um – die sind gerade dabei alles umzuflaggen. Das neue Logo ist ein Blaupunkt mit weißem NIVEA-Schriftzug. Soll an die Urform – die Nivea-Dose – erinnern. Mir gefällt es nicht auf den Packungen -sieht billig aus.

  13. was mir besonders auffällt ist das man hier viele wort/bildmarken einfach zu wortmarken gemacht hat. und ja, das macht sie austauchbar. das hat auch nicht mit ablehnung des funktionalismus zu tun, denn selbigem liegt es ja inne das ein logo trotz aller reduktion eben funktionell sein muss. und was ist ein funktionelles logo? was sind die grundfesten eines jeden logos? prägnanz, eigenständigkeit und wiedererkennbarkeit.
    die neuen wortmarken also nicht zu mögen ist keine scheinbare ablehnung des funktionalismus, sondern im grunde das exakte gegenteil.

    der grad zwischen zeitlos und austauchbar ist nämlich ausgesprochen schmal. alleine nurmal nivea und ikea – beides jetzt quasi auf entfernung das selbe in grün, oder besser blau. und dabei weder prägnant noch eigenständig.

    es wird ja immer gerne von “logo soll werte einer marke tragen” gesprochen. das sind schöne designer-floskeln die ich sicherlich auch immer mal verwende, aber weder im alten noch im neuen ikea-logo ist der selbstbaucharakter enthalten. halte ich also für überbewertet.
    aber fakt ist doch, ein logo soll wiedererkennbarkeit haben. das ist eine seiner ureigensten eigenschaften. und wenn langfristig alle logos der welt nurnoch wortmarken in serifenlosen fonts sind, dann kann man sich das wort “design” an der stelle auch sparen. ich hab schon beim redesign der philips-marke schwer mit mir gehadert ob das jetzt das geld wert war, das da reingesteckt wurde, aber wenn das jetzt die neuen wortmarken (logos mag ich diese dinger einfach nicht nennen) sind, dann brauchen wir bald nur noch typographen und keine designer mehr. :D

    also nicht falsch verstehen, ich bin durchaus für redesign, sofern es im zuge der veränderung eines unternehmens oder eben auf grund der veränderten zeiten sinn macht. aber es sollte weiterhin seine aufgabe als logo erfüllen, alles andere ist für mich eher ein rückschritt.

    aber ich frage mich da immer eher wer sowas zulässt. da wird ein redesign entschieden und die vertreter der marke lassen sich dann eine solche reduktion auf das angeblich wesentliche nicht nur unsummen kosten, nein sie befürworten es auch noch.
    jede der neuen wortmarken hätte sowohl kunden als auch meine professoren von früher zum stirnrunzeln gebracht mit der frage was ich mir denn dabei denken würde.

  14. Wie habe ich mich gefreut, als ich z.B. beim Logo von Carrefour mal entdeckt habe, dass da ein ausgespartes “C” drin ist, oder den “Sinn” vom Amazon-Logo entdeckt habe. Das waren alles kleine Glückerlebnisse, an die ich gerne denke.
    Mit den reduzierten Logos passieren solche Momente nicht mehr. Da fehlt nicht nur die Einzigartigkeit sondern einfach auch der “Clou”, der irgendwie Freude machen kann (Retro-Schriften für Traditionsunternhemen, integrierte Objekte in die Schrift, …).
    Die Logowelt besteht sonst nurnoch auch Serifenlosen Fonts und Farben…wäre doch echt langweilig, oder?

  15. Schöner Artikel. Ich bin der Meinung, dass sich die Global Player solch einen Wechsel wohl erlauben können. Bei dem Werbedruck hat man sich sehr schnell daran gewöhnt. Dass dabei Charakter verloren geht, ist glaube ich kein Trend, sondern eine Sinnkrise der Unternehmen an sich.
    Aber mal abgesehen davon, nur weil große Unternehmen es sich leisten können mit hohem Werbedruck ihre neue “glatte” Identität in die Welt zu blasen, heißt das ja nicht, dass andere Unternehmen, Designer oder Berater diesen Irrsinn nacheifern müssen. Was für den Einen recht und teuer ist, muss für den Anderen noch lange nicht gut und richtig sein. Punkt.
    Es wäre schön, wenn sich weniger Menschen um den Trend scheren würden und mehr Menschen ihre eigenen Wege gehen.

  16. Ich denke aber, man sollte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Es gibt da eine Schere:

    Während einige Global Player sich neuerdings im Zen des Reduzierens bis hin zur Aussagelosgkeit verlieren, bedeutet das “normale” Logogeschäft mit dem Mittelstand meist noch Anreicherung, koste es was es wolle.

    Hier ist es nach wie vor notwendig, auf die bessere Lösung des Reduzierens hinzuweisen. Sowohl Gestalter auf Designportalen als auch zum Logo-Design sich berufen fühlende Mediengestalter tun des Guten oft deutlich zu viel. Wenig sinnstiftende Anreicherung ohne Ende: hier noch ein Element, da noch ein unverständlicher Bogen. Hintergrund ist auch da, wie bei den Global Playern, der Kundenwunsch, hier: nach möglichst viel Aussagen in ein einziges Zeichen gepfropft (weil das restliche Design nur noch eine Nullnummer ist und es wohl auch bleiben soll, meist aus Kostengründen) – und dass der Gestalter es aus welchen Gründen auch immer nicht schafft, seinen Auftraggeber von der besseren, reduzierten Logo-Design-Lösung samt ergänzendem Corporate Design zu überzeugen. Obwohl er sie kennt.

    Oft fehlt bei den Vorgaben auch Zeit. Gelungene Reduzierung braucht Zeit.
    (Nur weil ein Logo einfach ist, heißt es nicht, dass es in wenigen Klicks entsteht.)
    Neulich einer Einladung zu einer Logo-Design-Ausschreibung gefolgt (freihändige Ausschreibung, öffentliche Hand). Der Auftraggeber hat sich für sein Regionallogo einen Termin von knapp 4 (!) Wochen vorgestellt. Eigentlich darf man von vorneherein bei so etwas gar nicht mitmachen, wenn einem das bekannt ist.
    Das Thüringer-Wald-Logo neulich hatte immerhin 4 Monate Entwicklungszeit auf seinem, inzwischen kantigen, Buckel.

  17. Mir kommt bei dem Thema der Satz von Einstein in den Sinn:
    “Mache die Dinge so einfach wie möglich – aber nicht einfacher.“

    Tatsächlich ist interessant, daß Global Player es sich erlauben die Dinge “einfacher” zu machen. Warum? Meine Hypothese: Vielleicht ist es für sie strategisch vorteilhaft Wortmarken einzusetzen die glatt und austauschbar sind. Die bilden dann unter den Topmarken wieder eine Einheit.

    Noch anzumerken ist, daß es sich beim Corporate Design nicht nur um das Signet oder den Schriftzug handelt. Es kommen ja noch ein Systhem von verschiede Elemente dazu.

    Beispiel: Bei der Entwicklung eines Erscheinungsbildes störte mich die bereits abgesegnete Bildmarke bei manchen Funktionen. So entwarf ich ein System bei dem es funktionierte nur die Wortmarke (Helvetika) einzusetzen. Die Wiedererkennung war durch die übrigen Elemente gegeben und funktionierte hervorragend. Allerdings: der Schriftzug brauchte wenn er alleine stand immer sein Bildzeichen. Ansonsten hätte das gewisse Etwas gefehlt. Er wäre “einfacher” geworden.

    Dazu möchte ich noch erwähnen, daß der Schriftzug natürlich immer und im besonderen, dann, wenn er alleine steht, gut spationiert sein muß. Hier im dt gibt es manchmal grausige Beispiele.

  18. Die Helvetica ist eine sehr gute Schrift. Genial finde ich das Adrian Frutiger sie mal als “Jeansschrift” bezeichnete. Das Problem ist die Einfallslosigkeit derjenigen, die mit ihr umgehen.

  19. Der Versuch auf eine Typoversion umzusteigen ist manchmal gut aber bei allen Logos die du unter den 21 Bildern zeigst handelt es sich um etablierte Marken die uns alle als Brands bekannt sind also das Logo von min. fünf Marken könnten wir zeichnen. Deshalb verstehe ich es nicht auf Typo umzusteigen! Egal eine Frage des persönlichen Geschmacks ob es gefällt. Aber ein Brand sind die Marken auf Grund der gestalterischen Grundsätze für ein Logo geworden…

  20. Robert schrieb: “Minimalismus ist zwar gut aber dann bitte auch mit Charakter und Erkennungswert, denn wenn man sowas schafft, dann kann man sich wirklich einen guten Designer nennen.” dem stimme ich zu!
    btw: ein echt interessanter und gut geschriebener artikel.

  21. Danke, Achim.

    Auch ich bin einfach nur enttäuscht darüber, wie etablierte Marken ihre Erscheinungsbilder zugunsten einer sterilen Wortmarke mehr und mehr aufgeben. Microsoft hat einen sehr konsequenten Weg eingeschlagen – das Gesamtbild stimmt. Aber Ebay beispielsweise ist ein Graus. Bunte Buchstaben, die Frutiger (oder ein Klon), fertig ist das beliebige CD.

    Ich denke, ein komplett neues Redesign können sich nur diejenigen leisten, die vorher ein austauschbares oder wenig prägnantes Design hatten. Und wenn sie schon redesignen, dann bitte nicht mit dem Frutiger-Wortmarke-Einheitsloook, der zurzeit anscheinend hip ist. Und der das Gefühl hinterlässt, dass es keine Gefühle mehr gibt.

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