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Die Stadt Wien bekommt ein einheitliches Erscheinungsbild

Stadt Wien Logo, Quelle: Stadtverwaltung Wien
Stadt Wien Logo, Quelle: Stadtverwaltung Wien

Die Stadt Wien ordnet ihr visuelles Erscheinungsbild. Knapp zwanzig Jahre nach Einführung des letzten Corporate Designs will die Stadtverwaltung nun ein neues, nunmehr einheitlich gestaltetes Gesicht zeigen, auch um damit Bemühungen in den Bereichen Digitalisierung und Medienkompetenz zu unterstreichen. Dass der Weg dort hin lang und steinig werden wird, war im Grunde abzusehen. Dennoch dürfte die Stadtverwaltung angesichts der Kritik, die ihr von Teilen der Politik entgegen schlägt, überrascht sein.

Unter dem Motto „Der Mensch in der Mitte“ soll die städtische Kommunikation, die in den letzten zwanzig Jahren zusehends an Klarheit eingebüßt hat, wieder zu mehr Wiedererkennbarkeit finden. Um sowohl gegenüber Bürgern wie auch städtischen Mitarbeitern klar und eindeutig auftreten und kommunizieren zu können, wurde für die Stadt Wien eine neue Markenstrategie und ein darauf aufbauendes Markendesign entwickelt.

„Für den neuen Markenauftritt haben wir uns ein Gesamtpaket überlegt“, so Bürgermeister Ludwig. „Die neue Marke stellt den Mensch in den Mittelpunkt. Das neue Design bietet Wiedererkennbarkeit, schnelle Orientierung für die BürgerInnen und Bürger. Wir haben viele Logos zu einer starken Marke gebündelt.“

Sollen der Vergangenheit angehören – eine Vielzahl von städtischen Logos, Quelle: Stadtverwaltung

Vereinheitlichung, Harmonisierung und die Eindämmung von (Logo)Wildwuchs ist eines der Hauptziele von Corporate Design. Über 70 städtische Logos will man nun aussortieren und an deren Stelle das Stadtwappen mit weißem Kreuz auf rotem Grund als gemeinsamen Absender setzen. Der Wechsel wird nicht über Nacht erfolgen, sondern sukzessive über einen mehrmonatigen Zeitraum. Im Hinblick auf den Wildwuchs, wie er in Wien in den vergangenen Jahren entstanden ist, sollte auch Außenstehenden und Nicht-Designern klar sein, dass dies kein zukunftsfähiges Modell sein kann. Mit der Tourismusmarke Wien gäbe es sicherlich noch ein weiteres Logo, das sich aussortieren ließe.

Stadt Wien – visuelles Erscheinungsbild, Quelle: Stadtverwaltung Wien
Stadt Wien – visuelles Erscheinungsbild, Quelle: Stadtverwaltung Wien

Drei Agenturen haben den Designprozess über ein Jahr lang begleitet und im Zusammenspiel mit städtischen Mitarbeitern erarbeitet. Die Stadtverwaltung plant hierfür Ausgaben in Höhe von rund 600.000 Euro ein. Wie so oft, wenn Steuergelder im Spiel sind, gab es hierfür von einigen Seiten harsche Kritik. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bezeichnete die Höhe der Summe als eine „absurde Größenordnung“. Die Bundesregierung habe für die Vereinheitlichung aller Bundeslogos, so Kurz, lediglich 70.000 Euro ausgegeben. Seiner Ansicht nach gäbe es in Wien viele Möglichkeiten, das Geld besser zu investieren. Johann Gudenus, geschäftsführender Landesparteiobmann der FPÖ-Wien glaubt eine „minimale optische Veränderung des Markenauftritts der Stadt“ zu erkennen. Kurz gedacht, könnte man sagen, denn tatsächlich trägt ein professionelles, einheitliches Corporate Design dazu bei Kosten zu senken. Davon abgesehen gab das ÖVP-geführte Wirtschaftsministerium 2013 für ein unverwirklicht gebliebenes Nation-Branding-Konzept ebenfalls 600.000 Euro aus.

Stadt Wien Corporate Design – Broschüren, Quelle: Stadtverwaltung Wien
Stadt Wien Corporate Design – Broschüren, Quelle: Stadtverwaltung Wien

Um ein neues Erscheinungsbild einer Stadt (oder eines großen Unternehmens) möglich zu machen, bedarf es fast immer auch struktureller und zum Teil personeller Änderungen. Mit einem neuen visuellen Auftritt und dem in diesem Zuge erarbeiteten Selbstverständnis geht oftmals eine erhöhte Sensibilität für Sprache sowie ein veränderter Umgang der Mitarbeiter miteinander einher, was wiederum neue Kräfte freisetzt, Stichwort Motivation. Dieser Faktor wird von Kritikern meist übersehen. Der Aufwand, ein ins Kraut geschossenes Erscheinungsbild weiter „zu pflegen“, auch dieser Umstand bleibt in der Kritik über zu hohe Kosten meist außen vor, ist jedenfalls weit größer, als die Einführung und Umstellung auf ein einheitliches Gestaltungssystem.

Stadt Wien Logo – vorher und nachher
Stadt Wien Logo – vorher und nachher

Dort wo die Debatte ums Geld hochkocht, ist eine konstruktive Diskussion über Sinn und Zweck der Maßnahme sowie über die Ästhetik der Gestaltung und deren Ausführungsqualität kaum möglich. Was schade ist, denn natürlich ist die Frage, wie Bürger und Mitarbeiter den visuellen Auftritt ihrer Stadt empfinden, wie erstere den Dialog mit der Stadtverwaltung erleben, ebenfalls von hoher Relevanz. Und dabei geht ist nicht nur darum, ob einem das neue Logo zusagt oder nicht. Inhalt des Designprozesses in Wien ist das komplette Spektrum des visuellen Erscheinungsbildes der Stadt. Es geht um das Zusammenwirken von Farben, Formen, Typographie, Raster, Fotografien, Illustrationen, Piktogrammen und Symbolen in allen Anwendungsausprägungen, angefangen bei der Visitenkarte bis hin zur Fahrzeugbeschriftung, analog wie digital, statisch und in Bewegung. Da gebietet es schon der Fairness, dies auch ansatzweise in der Beurteilung mitzuberücksichtigen.

Stadt Wien Corporate Design – Typo, Wiener Melange, Quelle: Stadtverwaltung Wien
Stadt Wien Corporate Design – Typo, Wiener Melange, Quelle: Stadtverwaltung Wien

Widmen wir uns also der eigentlichen Gestaltung. Ein Design, soviel ist sicher, über das sich wunderbar streiten lässt, auch und insbesondere aufgrund der Typographie. Die „Wiener Melange“, wie die neue Hausschrift der Stadt Wien heißt, ist alles andere als gewöhnlich. Der in ihr gesetzte Schriftzug „Stadt Wien“ ist ein Kontrapunkt zu all den gleichförmigen serifenlosen, in Großbuchstaben gesetzten Wortmarken, wie wir sie seit ein paar Jahren zuhauf antreffen. Aufdringlich oder gar exzentrisch ist die Schrift gleichwohl nicht – eigenwillig trifft es da schon eher. Mir gegenüber vermittelt die Schrift Eigenständigkeit und im Zusammenspiel mit den ausgewählten Farben Wärme. Keine aufgesetzte Herzlichkeit, die sich auf klischeehafte Art artikuliert, sondern eine Mischung/Melange aus Freundlichkeit und Verbindlichkeit. Im Kontext einer städtischen Verwaltung sehr passend, wie ich meine.

Mit Abstand betrachtet sehe ich weniger ein seltsam gebogenes „t“ oder ein schiefes „e“, sondern vielmehr ein, soweit sich das anhand der Anwendungsbeispiele sagen lässt, tragendes, in sich schlüssiges Gesamtkonzept. Hand und Fuß hat auch die zugehörige Marken-Website die inhaltlich, technisch wie auch optisch exzellent gemacht ist und die, ebenso wie das Corporate Design, viel Liebe fürs Detail erkennen lässt. Insgesamt sehr fesch. Ich mags. Dass der Designprozess gegen so manchen Widerstand durchgeführt wurde und weiterverfolgt wird, verdient meinen Respekt. Einheitlich wird der Außenauftritt der Stadt Wien allerdings erst sein, wenn auch die langjährige Implementierungsphase erfolgreich gestaltet wird. Angesichts der Professionalität und Seriosität, die die Marken-Website vermittelt, sollte auch dies gelingen. Und nun bin ich gespannt, wie die dt-Leser das Design bewerten..

Erstellt wurde die neue Markenstrategie in Auftrag der Stadtverwaltung von der Agenturgemeinschaft Saffron Brand Consultants, saintstephens und Instant Design.

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Dieser Beitrag hat 25 Kommentare

  1. Ich bin auch begeistert von diesem Projekt. Das Gesamtkonzept, die vielen Details, schönen Elemente, die Schrift. Großartig. Der einzige Dämpfer ist auch für mich das alternative “t” im Logo. Es wirkt fast lächerlich. Auf der Startseite, als ich nur das Logo gesehen habe, dachte ich noch etwas wie “Nanu, ist das deren Ernst? Ich dachte immer, Wiener nehmen sich und ihre Stadt viel ernster”.
    Ich bin mir sicher, bei diesem großartigen Gesamtwerk hat man sich auch bei dem “t” etwas gedacht, allerdings ist es immer doof, wenn davon keiner etwas weiß bzw. wenn Fremde dadurch ebenfalls angesprochen werden sollen.

  2. Schade, dass man im Artikel zuerst nur das Logo sieht. Das hätte mich fast dazu verleitet, ihn nicht zu lesen, weil mich die Typo erstmal abgeschreckt hat. Es lohnt sich aber dranzubleiben und vor allem die Marken-Website anzuschauen: das Konzept und die handwerkliche Umsetzung begeistern mich total. Das ist wirklich ein innovatives und frisches neues Erscheinungsbild bis ins Detail. Inzwischen haben ich mich auch mit der “Wiener Melange” angefreundet, auch wenn ich finde, dass sie im Logo nicht optimal wirkt, aber dazu haben ja bereits einige andere entsprechend kommentiert.

  3. 1. Gedanke: seit wann liegt Wien in der Schweiz?
    Ach nee, ist ja ein schlankes weißes Kreuz.
    2. Gedanke: wieso Dänemark?

    Ja, zugegebenermassen als jemand, der sich weder mit historischen Wappen noch Wiener Geschichte auskennt, aber soll soll ich ein Logo nicht gerade auch für Aussenstehende…?

Kommentare sind geschlossen.

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