Skip to content

Links, rechts, vorwärts, rückwärts, positiv, negativ – über die Wahrnehmung von Zeichen und Logos

Marken wollen – in aller Regel – als sympathisch, positiv und fortschrittlich wahrgenommen werden. Keinesfalls möchten Unternehmen und Organisationen rückwärtsgewandt und rückständig wirken. Unsere vom technischen Fortschritt geprägte Welt ist voll von Zeichen und visuellen Botschaften, über die gezielt positive Eigenschaften übermittelt werden sollen. Das funktioniert allerdings nur, sofern bei der Gestaltung grundlegende Aspekte der visuellen Wahrnehmung berücksichtigt werden. Denn was heißt eigentlich bei einem Logo „positiv“?

Kommunikationsdesign, so eine mögliche Definition, ist die Übersetzung von Botschaften, verbalen wie non-verbalen, in Formensprache. Kommunikationsdesigner fungieren demnach also als eine Art Übersetzer. Tagtäglich kommunizieren wir, teils unbewusst, mit hunderten Marken, Unternehmen und Organisationen, die über ihr jeweiliges visuelles Erscheinungsbild bestimmte Signale senden. Signale, die den Absender im besten Fall positiv bzw. attraktiv erscheinen lassen. Je positiver der Gesamteindruck von der Marke, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem (passiven) Rezipienten ein (aktiver) Konsument, ein Kunde wird. Also sollte ein Gestalter, bevor er die Botschaften einer Marke in entsprechende Formensprache übersetzen kann, mit der Bedeutung von Zeichen und Symbolen wie auch der Wirkung von Farben vertraut sein. Guter Geschmack alleine reicht da nicht.

Weil Design ein komplexer Bereich ist, gibt es unzählige Gestaltungsregeln. So wissen wir etwa, dass dunkle Farben Räume kleiner erscheinen lassen, dass symmetrische Zeichen harmonisch wirken oder auch dass die optische Mitte nicht gleich der geometrischen Mitte ist. Einige der in der Gestaltungslehre verankerten Regeln, etwa die des Goldenen Schnitts, dem idealen Prinzip ästhetischer Proportionierung, sind seit der Renaissance bekannt. Die Geschichte der Zeichen ist eine sehr viel ältere, anschaulich erklärt unter anderem im Buch „Der Mensch und seine Zeichen“ von Adrian Frutiger. Je weiter man zurückblickt, umso deutlicher wird: die meisten Gestaltungsregeln sind keine neuzeitliche Erfindung oder modische Erscheinung.

Schreibrichtung bedingt Blickrichtung

Der Einfluss der Schreib- und Leserichtung auf die Wahrnehmung wurde vielfach erforscht, auch in jüngerer Vergangenheit. Unter anderem konnte Usability-Pabst Jakob Nielsen nachweisen, dass Nutzer Webseiten von links nach rechts erfassen und dass diese mehr als zwei Drittel ihrer Zeit damit verbringen auf die linke Hälfte einer Webseite zu schauen. Beim Schreiben beginnen wir stets auf der linken Seite, so auch beim Lesen bzw. Überfliegen von Webseiten. Auf die gleiche Art und Weise erfassen wir, die wir im westlichen Kulturkreis leben, Bilder und Gemälde. Anhand eines Beispiels soll dies verdeutlicht werden.

Raffael - Madonna Sixtina
Raffael – Madonna Sixtina

Raffael schuf mit der Sixtinischen Madonna (Abb. links) eines der bekanntesten Bilder der Renaissance. Ein Werk, dessen Komposition eine ganz bestimmte Blickführung geradezu erzwingt. Das Auge des Betrachters beginnt beim heiligen Sixtus (links mittig), wandert hinauf zur Madonna (zentral oben), weiter zur heiligen Barbara (rechts mittig), um schließlich bei den beiden Engelsknaben (zentral unten) anzukommen. Der Blick vom heiligen Sixtus hinauf zur Himmelskönigin beschreibt dabei eine von links unten nach rechts oben ansteigende Diagonale. Dank der Bildkomposition stehen alle Figuren im Dialog miteinander, wohlgemerkt ohne sich dabei zu unterhalten. In dem Begriff „Sacra Conversazione“, mit dem man ein solches Marienbildnis nebst Heiligen bezeichnet, wird eben jene Kommunikation, die sich zwischen den Figuren abspielt, treffend beschrieben.

Gemälde wie die Sixtina dürften einen entscheidenden Einfluss darauf gehabt haben, wie wir bestimmte Formen wahrnehmen und deuten. Gestaltungsprinzipien, mit denen sich Designer und Architekten heutzutage auseinandersetzen dürfen, sind dabei weniger physikalisches oder mathematisches Gesetz, als vielmehr ein Gesetz der Erfahrung.

Über die Jahrhunderte hinweg wurden non-verbale Aussagen in ihrer visuellen Umsetzung monosemiert. Unterschiedliche Darstellungen für eine bestimmte Aussage wurden bei diesem Prozess auf nur eine Darstellungsart verdichtet. Eine Synthese, wie sie im übrigen vor etwa 3.000 Jahren schon bei den geschriebenen Sprachen stattfand. Es ist dies ein für den Menschen überaus sinnvoller Vorgang, da die auf diese Weise entstandene standardisierte Formgebung die Verständigung erleichtert. Ähnlich wie Farben, die in der Natur ganz wesentliche Funktionen übernehmen, wo sie für Pflanze, Tier und Mensch Teil der Überlebensstrategie sind (schrill gelb = giftig, braun = verdorben, etc.), erfahren und erlernen wir auch Zeichen, Symbole und Logos. Im Unterschied zu den Farben scheint der Lernprozess in Bezug auf Logos offensichtlich noch nicht abgeschlossen zu sein. Logos sind, bezogen auf die Evolutionsgeschichte des Menschen, eine äußert junge Erscheinungsform. So ist es auch wenig verwunderlich, dass derlei Zeichen, zumal sie abstrakte Formen verkörpern, oftmals ganz unterschiedlich interpretiert werden.

Universale Gültigkeit von Gestaltungsprinzipien dank Globalisierung

Tiwaz, Rune. Dem Himmels- und Kriegsgott Tyr zugeordnet.
Tiwaz, Rune. Dem Himmels- und Kriegsgott Tyr zugeordnet.

Zu diesem Prozess visueller Determination beigetragen haben ganz sicherlich auch geschriebenen Sprachen, deren Schriftzeichen sich aus Symbolen entwickelt haben. Tiwaz, die siebzehnte Rune des Futhark-Alphabets (Abb. rechts), ist dem Himmels- und Kriegsgott Tyr zugeordnet. Dass das Zeichen nach oben weist, erscheint logisch. Himmel und Hölle, himmlische und irdische Sphäre, spielten und spielen nicht nur in der christlich-abendländischen Kultur eine zentrale Rolle. Insbesondere jedoch in dem von der katholischen Kirche verbreiteten Weltbild sind „oben“ als visuelle Entsprechung für das Gute und „unten“ als Synonym für das Böse positiv bzw. negativ konnotiert. Im Zug der Globalisierung und des Digitalen Wandels sowie der dadurch gestiegenen Bedeutung der englischen Sprache, scheinen diese in erster Linie im westlichen Kulturkreis entstandenen Gestaltungsprinzipien zunehmend universale Gültigkeit zu erlangen. Das Internet hat die interkulturelle Kommunikation spürbar vereinfacht und befördert diese Entwicklung.

Deutsche Bank Logo

Nicht von ungefähr verläuft die Diagonale im Logo der Deutschen Bank, Anfang der 1970er Jahre von Anton Stankowski entworfenen, von links unten nach rechts oben. Dabei beschreibt das Logo, das Stankowski übrigens ursprünglich für den Flughafen Stuttgart entwarf, den positiven Chartverlauf eines Aktienwertes. Wie bereits angeführt, lässt sich beobachten, dass im Zuge der Globalisierung eine Angleichung der Formensprache stattzufinden scheint. So hat nicht nur die Deutsche Börse ein Logo mit einer ebenfalls von links unten nach rechts oben ansteigenden Linie, auch das der Japan Exchange Group vollzieht seit dem letzten Redesign (2014) diese Bewegung. Und dass obwohl Japanisch bekanntermaßen, im übrigen auch Chinesisch und Koreanisch, primär von oben nach unten gelesen wird. Auf diese Weise festigt sich zunehmend auch in anderen Kulturkreisen der Eindruck, dass eine im Logo vollzogene Links-rechts-Bewegung als visuelle Entsprechung für „vorwärts“ gewertet wird.

Nike LogoWeltweit agierende Marken wie Nike und FIFA beeinflussen mit ihrer Präsenz wiederum andere Marken und ihre Macher rund um den Globus. Die Bewegung nach rechts symbolisiert demnach „vorwärts“ und damit Fortschritt, wohingegen eine nach links weisende Bewegung gemeinhin als „rückwärts“ bzw. Rückschritt angesehen wird. Im Rahmen der nationalsozialistischen Propaganda wurde dieses Prinzip konsequent angewandt, etwa in Wochenschauen, in denen die Angriffe der deutschen Soldaten stets von links nach rechts gezeigt wurden und gegnerische Soldaten auf der Flucht folgerichtig immer entgegengesetzt von rechts nach links gingen.

Logo der Fortschrittspartei (Russische Föderation)
Logo der Fortschrittspartei (Russische Föderation)

Die in einem Zeichen oder einer Wortmarke dargestellte Bewegung von links nach rechts wird also in aller Regel als eine positiv konnotierte Botschaft wahrgenommen. Gefühlt 80% aller Speditions- Bahn- und Logistikunternehmen verfügen über ein Logo, bei dem die Schrift schräg nach rechts geneigt ist. Ein Ausdrucksmittel, das Bewegung/Dynamik vermitteln soll. Meist sind dies wohlgemerkt keine echten Kursivschriften, sondern sogenannte kursivierte Schriftschnitte, also Schriften, die lediglich nachträglich schräg gestellt und dabei oftmals weiter verunstaltet wurden. Ob Deutsche Bank, Nike, DHL oder Russische Fortschrittspartei – in allen Fällen beschreiben deren Logos eine Links-rechts-Bewegung, um so beim Betrachter die gewünschten positiven Assoziationen zu wecken.

Keine Regel ohne Ausnahme

Dass ein sich zur rechten Seite hin bewegendes Zeichen mitunter nicht immer die beste Wahl ist, belegt das kürzlich präsentierte Jubiläumslogo zum Giro d’Italia. Das Logo stellt gängige Wahrnehmungsmuster auf den Kopf, denn die Bewegung des Fahrers erscheint seltsam unharmonisch. Erst durch die Spiegelung des Fahrers entfaltet sich die ganze Dynamik des Zeichens, da der Fahrer nun auf die Spitze zusteuert, anstatt von ihr weg. Obendrein erhält das gesamte Zeichen dadurch eine leichter zu erfassende optische Mitte.

Lufthansa KranichOtto Firle entschied sich im Jahre 1918 aus gutem Grund den von ihm entworfenen Lufthansa-Kranich nach links aufsteigen zu lassen. Der Kranich fliegt keineswegs in die falsche Richtung, wie man denken könnte. Zu jener Zeit wurde der Luftraum in Deutschland von Berlin aus erobert. Die ersten Ziele lagen allesamt westlich von Berlin. Der Flug über den Atlantik galt nach dem ersten Weltkrieg zudem als größte Herausforderung der Luftfahrt. So ist nachvollziehbar, dass auch der Kranich nach Westen weist. Abgesehen davon zeigt der Kopf des Kranichs auf dem Seitenleitwerk der Lufthansa-Flugzeuge stets in die Richtung, in der das Flugzeug fliegt. Somit ist das Signet, egal ob nach links oder rechts weisend, stets korrekt ausgerichtet. Eine „falsche“ Seite gibt es in diesem Zusammenhang also nicht.

Progress of America, von Domenico Tojetti
Progress of America, von Domenico Tojetti

Die Ausrichtung gen Westen als visuelle Entsprechung für Aufbruch und Fortschritt dokumentiert bereits das vom Maler Domenico Tojetti 1875 geschaffene Bild „The Progress of America“ (Abb. rechts), dessen gesamte Komposition auf eine Linksbewegung ausgerichtet ist. Würden sich alle darauf abgebildeten Figuren nach rechts bewegen, wäre die Aussage dieses allegorischen Werkes, eben der Aufbruch in Richtung Westen/Westküste der USA, für den Betrachter unverständlich. Erst die Bewegung nach links veranschaulicht die auch im Titel des Werkes artikulierte Botschaft.

Puma LogoEs ist nicht überliefert, ob der Puma im Logo deshalb nach links springt, weil er die Trennung der Dassler-Brüder „nachahmt“. Denn tatsächlich verließ Rudolf Dassler, als er die kleinere der beiden Schuhfabriken an der Würzburger Straße übernahm, das Stammhaus in Herzogenaurach in westlicher Richtung. In jedem Fall erzeugt das Puma-Logo, das in den Folgejahren einige Male modifiziert worden ist, Aufmerksamkeit. Kein anderes Logo eines namhaften Sportbekleidungsherstellers vollzieht eine solche Linksbewegung.

Quintessenz

Als Designer sollte man Gestaltungsregeln kennen, und man muss wissen, wann es besser ist diese zu brechen. Erst dann erzielt man in bestimmten Fällen das beste Ergebnis. Ein zu dogmatisch ausgelegtes Regelwerk kann die Aussage eines Logos verfälschen. Letztendlich dient selbst eine so grundlegende, in unserer Kultur verankerte Prägung wie die Schreib- und Leserichtung lediglich als Orientierung. Um die Substanz eines Zeichens freizulegen, muss man zuweilen gegen den Strich bürsten.

Dieser Beitrag hat 41 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.

An den Anfang scrollen