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Frankreich führt Kennzeichnungssystem „Nutri-Score“ für Lebensmittel ein

In Frankreich bekommen es Verbraucher seit April mit einem neuen Lebensmittelkennzeichen zu tun. Damit ist Frankreich nach Großbritannien das zweite Land in Europa, in dem die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit Hilfe einer einfachen Farbskala von der Regierung empfohlen wird.

Allzu gerne hätte die französische Gesundheitsministerin Marisol Touraine das neue Kennzeichnungssystem verbindlich vorgeschrieben, wie sie gegenüber der Pariser Boulevardzeitung Le Parisien betont. Die seit Ende 2014 geltende EU-Lebensmittelinformationsverordnung ließ dies jedoch nicht zu. Touraine zählt auf die Konsumenten, die mit ihrer Kaufentscheidung Druck auf die Hersteller ausüben könnten, gesunde Lebensmittel auf den Markt zu bringen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wertet die Einführung der Lebensmittelkennzeichnung in Frankreich als einen wichtigen Erfolg für die Ernährung in der europäischen Region.

Test von Nährwertkennzeichnungen in Frankreich

Vor Einführung des Kennzeichnungssystems wurde die Darstellung des Labels, das im Gegensatz zum britischen Modell fünf statt drei Farben beinhaltet, in einem mehrwöchigen Versuch in 60 Supermarktfilialen getestet (Abb. oben). Zuvor wurde im Rahmen einer Befragung die Darstellung der Farbkennzeichnung, dem sogenannten „5-Colour Nutrition Label“, mit Hilfe drei unterschiedlicher Logovarianten untersucht (Abb. unten).

Nutri-Score Logovarianten, Quelle: Gesundheitsministerium Frankreich

Noch vor Durchführung des Versuchs in den Supermärkten hatte der Franzose Eric Delannoy eine Petition verfasst, mit der er sich an Gesundheitsministerin Touraine richtete, um der aus seiner Sicht besten Darstellungsform für die Lebensmittelkennzeichnung Nachdruck zu verleihen. Die Petition, die von 251.496 Personen unterstützt wurde, war erfolgreich. Vor wenigen Tagen stellte die französische Regierung eben jenes Farblogo der Öffentlichkeit vor, das auch von den Unterstützern der Petition favorisiert wurde. Nach Auffassung der französischen Regierung versetze die neue Farbkennzeichnung Verbraucher in die Lage, die Qualität von Lebensmitteln besser und schneller zu erkennen. Ziel der neuen Kennzeichnung ist es, den Verkauf von jenen Produkten zu fördern, die weniger Fett, Salz und Zucker enthalten.

In Deutschland setzen sich Verbraucherzentralen seit vielen Jahren für die Einführung einer solchen Farbkennzeichnung für Lebensmittel ein. Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordert beispielsweise seit langem eine EU-weit verpflichtende Nährwertkennzeichnung in Ampelfarben auf der Verpackungsvorderseite. Aus Sicht der Verbände ist die auf der Vorderseite von Lebensmitteln dargestellte Nähwertampel die beste Lösung. Die auf der Rückseite eines Produktes abgebildete Nährwerttabelle, seit Ende 2016 EU-weit vorgeschrieben, reiche nicht aus, unter anderem da die Schriftgröße hierbei oftmals unzureichend sei. Wichtige Informationen blieben auch weiterhin für Verbraucher versteckt.

Hersteller von Lebensmitteln halten die Farbkennzeichnung für falsch. Verbände wie etwa der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) argumentieren, die farbliche Bewertung erfolge willkürlich. Die derzeitige Bundesregierung hält die Farbkennzeichnung für eine „unzulässige Vereinfachung, die nur scheinbar über den gesundheitlichen Wert des Lebensmittels aufklärt“, so Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt kürzlich in einer Stellungnahme. DIE GRÜNEN, die die Einführung einer solchen Farbkennzeichnung bereits 2008 im Bundestag beantragt hatten, vertreten die Auffassung, dass hierzulande Lobbyisten die Ampelkennzeichnung für Lebensmittel verhinderten.

Kommentar

Es ist begrüßenswert, dass die Franzosen sich für die Einführung einer Farbskala für Lebensmittel entschieden haben. Fünf statt nur drei Farben scheint mir ein faireres Modell zu sein, als die von vielen Verbänden bevorzugte Ampelfarben-Variante. Gerade weil die Farbkennzeichnung eine freiwillige Angabe ist, kann sie in Frankreich ein Erfolgsmodell werden.

Hersteller etwa von Schokoriegeln, Chips und Softdrinks werden den Nutri-Score vermutlich nicht einsetzen. Zu groß ist aus ihrer Sicht die Gefahr, vom Kunden abgestraft zu werden. Insofern dürfte die neue Farbkennzeichnung in erster Linie bei jenen Lebensmitteln Anwendung finden, deren Nährwertgehalt von Fett, Salz und Zucker eher gering ist und die Produkte somit einen Nutri-Score von A (dunkelgrün) bzw. B (hellgrün) aufweisen. Lebensmittel, die gut für einen sind, werden sich anhand des Nutri-Score-Labels identifizieren lassen. Jene Lebensmittel, die man eher in geringen Mengen zu sich nehmen sollte, da diese nicht zu einer gesunden Ernährung beitragen, werden wohl ohne die Farbskala auskommen.

Ähnlich wie bei der Energieverbrauchskennzeichnung von Produkten, die seit 2010 EU-weit gilt, ist auch die Kennzeichnung von Lebensmitteln eine zusätzliche und, wie ich meine, sehr praktische Information. Wer argumentiert, eine solche Farbskala sei eine unzulässige Simplifizierung, verkennt den Umstand, dass Nährwertangaben in der Tat auf Produkten schwer auffindbar und oftmals viel zu klein platziert werden. Minutenlang vor einem Regal zu stehen, um beispielsweise ein Produkt mit möglichst niedrigem Zuckergehalt ausfindig zu machen, ist zeitaufwendig. Eine zusätzliche(!), leicht erkennbare Information, anhand dessen sich der Nährwertgehalt schnell ablesen lässt, ist also unbedingt sinnvoll.

Die Farbkennzeichnung bewertet die in der Nähwerttabelle enthaltenen Angaben. Klar, dass sich viele Hersteller einer solchen Bewertung entziehen möchten. Als mündiger Konsument wünsche ich mir allerdings eine bessere Unterstützung beim Kauf von Lebensmitteln. Eine Art visuelles Leitsystem, das mir als grobe Richtschnur dient. Hersteller und Lobbyisten argumentieren gerne so, als würde mit einer Farbskala Konsumenten die freie Kaufentscheidung abgenommen, was natürlich nicht der Fall ist. Abgesehen davon: was sich bei Autos, Elektrogroßgeräten und auch Häusern bewährt hat und überaus praktisch ist, soll bei Lebensmitteln unzulässig sein? Nun sind dt-Leser gefragt.

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Dieser Beitrag hat 23 Kommentare

  1. Wärs nicht auch sinnvoller, neben der Nährwertampel auch eine für künstliche Zusätze einzubauen, bzw. das Ergebnis aus zwei Kategorien aufzubauen? Dann wäre das angesprochene Problem mit dem salz/kalorien/fettarmen Produkt voller Chemie und trotzdem Stufe A nicht da.

  2. Wieso wurde in Frankreich die Bezeichnung “Nutri-Score” gewählt? Klingt irgendwie englisch. Der Begriff wird aber m.W. in Großbritannien so nicht verwendet. “Score” hat aber auch etwas sportliches. Nur die fittesten Lebensmittel erhalten einen hohen Score!

    Wieder ein Vorurteil wenig, dass einem durchs Leben hilft:
    Selbst die Franzosen schaffen trotz aller Bemühungen nicht, ihre Sprache vor schlechtem Englisch zu schützen. Selbst bei ihrem wichtigsten Thema (Vorurteil?) nicht, dem Essen!

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