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Wurstdesign: oder warum „Design“ einem nicht vollkommen Wurst sein sollte

Sprache und Design haben gemein, dass sie, vorausgesetzt der Ausdruck beziehungsweise die Form stimmen, Dinge größer und bedeutender erscheinen lassen können als sie tatsächlich sind. Das ist übrigens ein Grund, weshalb Politiker ein so komisches Deutsch sprechen, das immer weniger Menschen verstehen. Wer Lügen wohlklingend und formschön verpackt, der braucht sich nicht wundern, wenn Menschen sich abwenden.

Die politische Sprache ist gespickt mit bedeutungsvoll klingenden Wörtern, die nicht selten als Vehikel dafür dienen, inhaltliche Leere zu überdecken. Staatstragend wird wortreich vorgetragen, was in zwei kurzen, schlichten Sätze hätte gesagt werden können. Die Krönung sprachlicher Verschleierung wird alljährlich zum Unwort des Jahres gewählt. Mein ganz spezielles, zeitlich nicht limitiertes Unwort lautet „Wurstdesign“. Neben Unwörtern wie „Sozialtourismus“ und „Opfer-Abo“ wirkt es freilich, weil ihm rein gar nichts Menschenverachtendes anhaftet, harmlos, was nichts daran ändert, dass „Wurstdesign“ ähnlich konstruiert ist. Gleiches gilt für „Naildesign“ oder „Hairdesign“. Alle Begriffe beschreiben etwas, was es gar nicht gibt. Und wenn abertausende Treffer bei Google scheinbar Gegenteiliges bezeugen, ist dies nur (ein weiterer) Beleg dafür, wie kaputt das Internet ist.

Die Arbeitsagentur, ehemals Arbeitsamt (» Sprachlenkung durch den Staat), denkt sich allerlei Berufsnamen aus etwa Nageldesigner/in, was genauso lächerlich, weil aufgesetzt und aufgebläht klingt wie „Facility Manager“. Dass letztgenannter nur noch selten „Hausmeister“ heißt, liegt daran, dass immer mehr Unternehmen den Eindruck erwecken wollen, selbst „niedere Dienste“, wie etwa das Auf- und Abschließen von Türen, würden im Unternehmen von hochqualifizierten Mitarbeitern verrichtet. Excellence angefangen im Keller bis hinauf in die Chefetage. Wobei in vielen Fällen nicht einmal diese sich darüber bewusst ist, mit welch Wortungetümen und -hülsen ihr Unternehmen Corporate Branding betreibt.

Jeder möchte einen guten Eindruck machen, gerade auch im Corporate Design ist dieser von großer Bedeutung. Ebenso wie die Sprache, die seit der Antike eine maßgebliche Rolle in meinungsbildenden Prozessen spielt, kann auch Design Menschen beeinflussen, etwa in der Einschätzung hinsichtlich einer Marke, eines Unternehmens oder einer Institution. Oftmals es ist das visuelle Erscheinungsbild, das für den ersten und sprichwörtlich so entscheidenden Eindruck sorgt.

George Orwell hat die Mechanismen der Sprachlenkung in zahlreichen Essays beschrieben. Zweifellos lassen sich Menschen auch mit Design lenken, sei es vor dem Hintergrund einer diktatorischen Herrschaft, wie sie Orwell in „1984“ beschrieb und wie sie im Erscheinungsbild der Nationalsozialisten zum Ausdruck kommt, wie auch rein wirtschaftliche Interessen die erhoffte Einflussnahme begründen. Wir Konsumenten lassen uns gerne beim Kauf „beraten“ respektive beeinflussen, zuweilen auch einlullen. Wir lesen Bewertungen und Rezensionen, recherchieren nach Testergebnissen, schauen uns Werbespots und -anzeigen an oder wir lassen eben das Produkt für sich selbst sprechen. Das ist, was Produkt Design und Verpackungsdesign leisten muss. Es muss sich von anderen Produkten abheben und sich im Zweifel selbst verkaufen können. Allerlei Tricks, manche an der Grenze zur Legalität, lassen sich die Hersteller hierfür einfallen.

Wie in der Politik haben auch im Design Lügen kurze Beine. Unterscheidet sich die Darstellung etwa auf einer Verpackung signifikant vom Inhalt, wird man das Produkt kein zweites mal kaufen. Was dem Handel der Etikettenschwindel, ist dem politischen Betrieb der Wortbruch. Wortbruch, beziehungsweise dessen Aufdeckung, gilt es mit aller Macht zu vermeiden. Und ja, natürlich geht es um Macht, die Ausübung von Macht mit Hilfe der Sprache. Die Versprechen im Wahlkampf zur Europawahl werden so weich und unkonkret wie nur möglich verpackt. „Für ein Europa, in dem niemand untergeht“, heißt es etwa auf einem der Plakate. Sicher. Wer mag da widersprechen.

Auch in der Werbung wird gerne übertrieben, werden die positiven Aspekte überschwänglich hervorgehoben, während die negativen kaschiert werden. So lange es bei der Übertreibung bleibt, werden die Meisten wohl ein Auge zu drücken. Mit Werbeversprechen, wie „nichts wäscht so weiß“, haben wir über die Jahrzehnte gelernt umzugehen. Eine ähnliche Grundskepsis legen wir mittlerweile an den Tag, wenn Sportler oder Politiker auf kurzfristig anberaumten Presseterminen davon sprechen, ein reines Gewissen zu haben.

Greenwashing ist eine besonders perfide Form der Schönfärberei, bei der auch das visuelle Erscheinungsbild eines Unternehmens ein Versprechen abgibt, das es über seine Produkte oder Leistungen jedoch nicht einhalten kann. Anders allerdings als die Lüge eines Bundesministers dulden wir offenbar die Lüge, die in einem Design formuliert wird, denken wir als Beispiel an das grüngelbe, floral anmutende Logo von BP, das den Anschein erweckt, es repräsentiere ein Bio-Unternehmen. Auch nach der Ölpest im Golf von Mexiko verleiht der grüne Mantel des Designs dem Ölkonzern den Anschein des Ökologischen, des grünen Gewissens. Nur die Wenigsten allerdings scheinen sich explizit daran zu stören, entweder weil sie die Kluft zwischen Schein und Sein im Kontext von Kommunikationsdesign nicht erkennen oder aber, was nachdenklich stimmen sollte, weil sie nichts Störendes daran empfinden, wenn Unternehmen Etikettenschwindel in dieser Art und Weise betreiben.

Gerade Corporate Design verfolgt das Ziel, den Kern eines Unternehmens, einer Marke sichtbar zu machen, das Wesen einer Identität freizulegen. Es ist dies ein meist über viele Monate, nicht selten Jahre hinweg andauernder Prozess. Eben diese Prozesshaftigkeit ist es, die Design ausmacht. Wer „Design“ sagt, ohne dass der Kreation ein solcher Findungsprozess vorausgegangen ist, meint im Grunde „Gestaltung, vielleicht „Dekoration“, in vielen Fällen auch einfach nur „Styling“.

Nur weil eine Arbeit kreatives Handeln beinhaltet, ist sie nicht automatisch eine Designleistung oder eine künstlerische. Wer etwa seine Wohnung selbst gestaltet und einrichtet, beweist zwar Kreativität, ein Innenarchitekt ist er deshalb allerdings nicht. Wer leidenschaftlich Familie und Freunde bekocht, ist nicht automatisch Koch. Und wer Fingernägel ideenreich lackiert oder würzige Wurstprodukte kreiert, produziert sicherlich kein Design, egal welch verkaufsfördernde Bezeichnung er sich dafür hat einfallen lassen.

Wurstdesign
Wurstdesign-Lieferwagen, Foto: Schaffrinna

Nicht jede Gestaltung ist automatisch Design. „Gestaltung“ ist wertneutral. „Design“ hingegen impliziert Wertigkeit und Qualität. Ob einem das jeweilige Design gefällt, ob es funktioniert, ist allerdings ein anderer Punkt. Design ist essentieller Bestandteil der Wertschöpfungskette vieler Unternehmen, zumindest der erfolgreichen. GROHE, Festo und DEDON sind gute Beispiele €“ hier ist Design nicht „nice to have“, sondern Garant des Erfolges. Wenn BMW, Volvo und andere Markenhersteller mit dem Wort „Designed“ in ihren Anzeigen werben, dann machen sie dies aus dem gleichen Grund wie zum Beispiel eine hannoversche Metzgerei, deren Lieferwagen mit „Wurstdesign“ beklebt sind (siehe Abb. oben). Es soll jeweils der Eindruck vermittelt werden, die Produkte seien von besonderer Qualität, sie seien nicht nur produziert, sondern eben designt worden, womit auch die korrekte Schreibweise im Deutschen genannt wäre. Automobile unterliegen einem Designprozess, Fleischwaren, egal wie raffiniert die Rezeptur vielleicht sein mag, nicht.

Zugegeben, „Design“ ist, gleichfalls wie Form Follows Function, ein Wortschwamm, der alles in sich aufzunehmen vermag. Die meisten Menschen werden „Design“ mit etwas Schönem assoziieren, mit Ästhetik. Designer sind also gemeinhin die, die Dinge schön machen. Das wohl auch, aber so monothematisch, wie es in weiten Teilen der Gesellschaft wahrgenommen wird, ist Design mitnichten. Steve Wozniak beispielsweise, der Schöpfer des ersten Apple-Computers, verstand unter „board design“ beziehungsweise „hardware design“ etwas ganz anderes, nämlich die Entwicklung eines Computers. Ästhetik spielte hierbei, das wird mit einem Blick auf den fertigen Apple I deutlich, zunächst keine Rolle. Es ging darum, Hardware-Komponenten, Schaltkreise und Mikrochips so zu konzipieren und zu montieren, dass im Ergebnis ein möglichst erschwinglicher Personal-Computer entsteht. Wie man sich vorstellen kann, brauchte es hierfür mehr als einen Anlauf, bedurfte es eines Prozesses aus Versuch, Irrtum und Verbesserung. Genau das ist es, was Design ausmacht. Insofern beschreibt „designen“ auch sehr treffend, was der Digital-Freak Wozniak Mitte der Siebziger Jahre tat.

Programmierer sprechen beim Entwerfen einer Software von „Softwaredesign“, womit nicht die Oberfläche der Anwendung, das Interface, gemeint ist, sondern die Planung komplexer Regeln, die der Entwicklungsarbeit an einem Programm zugrunde liegen. „Softwaredesign“ beschreibt sehr gut den konzeptionellen Aspekt von Design. Ohne Konzept, kein Design. „Design“ ist sprachlich stark mit „planen“ konnotiert. Das lateinische Wort „designare“, von dem sich „Design“ ableitet, übersetzen wir mit „bezeichnen“, „ordnen“ und „planen“. Nicht zufällig sind Architekten wie Peter Behrens, Marcel Breuer oder Charles Eames, um nur einige zu nennen, auch Designer gewesen.

Auch Kreationisten, was wohlgemerkt nicht mit „Kreativen“ zu verwechseln ist, beherrschen die politische Sprache, indem sie Begriffe wie „intelligent Design“ besetzen. Die Sprache innerhalb von Religionen und Ideologien ist durchtränkt von beschönigenden, euphemistischen Ausdrücken. Es würde das Thema sprengen, darauf weiter einzugehen. Design jedenfalls orientiert sich am Menschen, nicht am Göttlichen.

„Designer“ ist, anders als beispielsweise „Arzt“ oder „Rechtsanwalt“, keine geschützte Berufsbezeichnung, was durchaus einige Designer beklagenswert empfinden, insbesondere diejenigen, die eine mehrjährige akademische Ausbildung absolviert haben. Es gibt kein Gesetz, das den Schutz der Bezeichnung regelt und keine Kammer, kein Berufsverband, die die Gesetzmäßigkeit kontrollieren, und so darf sich „Designer“ nennen, wer will. Neben „Nageldesigner“ wäre zum Beispiel auch das Führen der Berufsbezeichnung „Felddesigner“ (Landwirt), „Rohrdesigner“ (Klempner) oder „Außenfassadendesigner“ (Gebäudereiniger) vorstellbar. Klingt doch gleich viel wertiger, oder? Wer diese Begrifflichkeiten für absurd hält, dem sollten eigentlich auch bei „Hairdesign“ alle Haare zu Berge stehen.

Das Beispiel „Wurstdesign“ macht es einem aufgrund der ungewöhnlichen Wortkonstellation und dem offensichtlich fehlendem Bewusstsein um ästhetische Formgebung vergleichsweise einfach, die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu erkennen. Nicht immer ist es so einfach, Sprachverirrungen als solche auszumachen. Umso wichtiger ist das Benennen von Unwörtern.

Nun sind die dt-Leser gefordert. Sicherlich gibt es noch viele weitere Unwörter (Kontext Design/Gestaltung), die Zusammenhänge unzureichend wiedergeben, die beschönigen oder gar verschleiern. Das Stolpern über derlei Begrifflichkeiten ist ein guter Anlass, um sich damit zu beschäftigen, sich darüber im klaren zu werden, ob beispielsweise „Art Director“ eigentlich die treffende Bezeichnung dafür ist, was man macht. Also her mit den sprachlichen Stolpersteinen!

Dieser Beitrag hat 38 Kommentare

  1. Mir kommt es so vor, als ob der Begriff “Design” so inflationär verwendet wird, dass es einem positiv auffällt, wenn stattdessen “Gestaltung” verwendet wird. Dadurch gewinnt die, wie du schreibst, “wertneutrale” Gestaltung meiner Meinung nach irrwitzigerweise sprachlich an Qualität.

  2. Was für ein toller Artikel! Spricht mir aus der Seele!

    Ich erkläre “Design” immer mit “Planung” und “Konzeption”. Die Gestaltung ist das Endprodukt des Designprozesses – gerade da ist die Berufsbezeichnung des “Mediengestalters” ziemlich problematisch – auch wenn hier eher die umsetzende Kraft gelernt wird, als das wirkliche designen.

    Im Allgemeinen ist es in unserer Branche jedoch generell schwierig mit den Berufsbezeichnungen! Ich persönlich, als gelernter Mediengestalter mit einigen Weiterbildungen und mehreren Jahren rein selbstständiger Tätigkeit, kann auf die Frage nach meinem Beruf nur mit einigen Sätzen zur Erläuterung beantworten.

    Unter “Designer” kann sich der Durchschnittsbürger nichts vorstellen – außer maximal “Gestalter”. Da fehlt aber sowohl das planerische, als auch der umsetzende Part, nämlich die Programmierung bei Webprojekten. Fotograf allein trifft es auch nicht, weil dazu wieder die anderen Bereiche vernachlässigt werden und Videograf wird sowieso kaum verstanden. Das Ergebnis wäre nach Schwerpunkten ein Video- und Fotograf-Programmier-Designer. Klingt nach allem und nichts zugleich. Wenn man versucht diese Begriffe zusammen zu fassen, geht man in Richtung “Medien-Designer” oder sogar “Marketing-Referent”. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz, weil sich auch darunter keiner etwas vorstellen kann.

    Ein kompliziertes Thema!

  3. Vielen Dank erstmal für den tollen Artikel :)

    Wie auch den Vorrednern wird mir hier aus der Seele gesprochen. Ich finde es eine Schande wie verwässert und verlottert die Branche, die Bezeichnungen und im Allgemeinen Kommunikation ist und wohl noch wird. Es wird wohl erst wieder in einigen Jahrzehnten, zu Zeiten der starken Automation, geschätzt werden was Originalität ausmacht und worin sie sich von dem ganzen Sch… Sorry, Brei abhebt.

  4. Die deutsche Sprache hat oft Probleme mit Begrifflichkeiten und gerade, weil sie durch die Bildung von Kompositionen so kreativ ist, entstehen immer mehr Unwörter. Außerdem sind Lehnwörter aus dem Englischen ja sehr beliebt. Besonders bei Berufsbezeichnungen und deren Verständnis schlägt sich das nieder.

    Ich studiere Kommunikationsdesign – mit dieser Bezeichnung können Fachfremde meistens nichts anfangen. Wenn ich sage, ich studiere Design, denken die Leute meistens an Mode oder Möbel. Wenn ich sage, ich studiere Kommunikation, dann denken die meisten eher an Kommunikationswissenschaften oder auch Marketing. Was vielen geläufiger ist, ist der Begriff Mediendesign. Was aber ist der Unterschied zwischen Mediendesign und Kommunikationsdesign? Und im Vergleich dazu andere Studiengänge wie Visuelle Kommunikation oder Mediengestaltung? Da fängt es nämlich schon an: zum einen werden über die Jahre neue Begriffe eingeführt. Zum anderen sind die Anhänger der ein oder anderen Disziplin auch nicht bereit, sich mit anderen zusammenzutun. Kommunikationsdesigner beharren darauf, solche zu sein und dürfen nicht verwechselt werden mit Webdesignern oder Mediengestaltern.

    Zur inflationären Verwendung des Begriffs tragen aber auch die Designer selbst bei, wenn sie postulieren, alle Gestaltung sei Design (also auch soziales Handeln, etc.). Dadurch entstehen Begriffe wie service design, urban design, social design – von denen die Designer erwarten, dass sie in der Gesellschaft akzeptiert werden. Gleichermaßen regen sie sich auf, wenn sich andere den hippen Begriff Design auch zu eigen machen. Man soll also den Begriff akzeptieren, aber auch nur dann, wenn er von den Richtigen eingesetzt wird.

    Das Problem mit dem Wort Design liegt aber auch am falschen Import aus dem Englischen. Im englischen Sprachraum ist Design mit dem Aspekt der Planung und Konzeption, der Entwurfsarbeit, viel stärker konnotiert.

  5. DANKE, toller Artikel!
    Mir geht es ähnlich wie den Vorrednern. Daher heißt es bei mir “Studio für Gestaltung”.
    Ich hatte lange zwischen “Design” und “Gestaltung” hin und her überlegt (siehe die oben genannten Gründe)
    und mich schließlich für “Gestaltung” entschieden – auch mit etwas Bauchschmerzen.

    Der Wurstwagen ist große Klasse!

  6. wirklich guter artikel – danke.
    ich musste loslachen, weil ich mich hier und da wiederfand. jahre her, da saß ich im nüchternen büro der arbeitsagentur (dank unseren kurzsichtigen vorgesetzten…) und musste mit der sachbearbeiterin ein profil definieren. “was sind sie denn jetzt genau? mediengestalter oder grafiker oder designer? was soll ich denn nun schreiben?” schließlich kam es dazu, dass ich 5 profile hatte, mit versch. bezeichnungen in der überschrift aber den exakt selben inhalten. OK, das war für mich sogar ein plus – es blieben mehr interessenten hängen. ein bekannter, der mich auf dem laufenden hält, bestätigte mir, dass die agentur das aber noch immer nicht auf die reihe bekommt. es ist alles (vermeintlich) exakt definiert seitens der arbeitsagentur (man kann das auch nachlesen ohne zugang) aber die anwendung ist gleich null.

  7. Ich habe neulich einen gut gelaunten Trupp Bauarbeiter vor mir her gehen sehen, die hatten auf ihren schicken Arbeits-Westen “Bau+Design” stehen (Jeder darf raten, in welcher Schrift “Design” gesetzt war, Tipp: “Z…..o”). Fand ich lustig!
    Mich berührt der inflationäre Begriff von Design eher wenig, wenn ich sagen soll was ich tue, sage ich “Grafik-Design” und damit kann jeder etwas anfangen, wenn ich anschliessend die Nachfrage “Ah, Werbung und so” eher verneine, gibt es größere Fragezeichen…
    Die Tatsache dass in den Feuilletons und vor allem Magazinen dieser Welt “Design” grundsätzlich auf Nippes wie Lampen oder seltsame Sitzmöbel reduziert wird, nervt mich da viel mehr.

    PS: Im Nachbarort gibt es tatsächlich einen “Axel Hair-Design”! Großes Kino!

  8. Gerade Corporate Design verfolgt das Ziel, den Kern eines Unternehmens, einer Marke sichtbar zu machen, das Wesen einer Identität freizulegen. Es ist dies ein meist über viele Monate, nicht selten Jahre hinweg andauernder Prozess. Eben diese Prozesshaftigkeit ist es, die Design ausmacht. Wer „Design“ sagt, ohne dass der Kreation ein solcher Findungsprozess vorausgegangen ist, meint im Grunde „Gestaltung, vielleicht „Dekoration“, in vielen Fällen auch einfach nur „Styling“.

    Schöner Absatz, der die Problematik treffend auf den Punkt bringt. Ich finde es aber relativ überflüssig, zu diskutieren, ob nun ein “Wurstdesigner” die Bezeichnung zu recht trägt oder nicht. Mit den oben formulierten Gedanken ist diese Frage eigentlich zur Genüge beantwortet.

    Interessanter ist doch wohl die Frage, ob es nicht zu viele “(Medien-)Designer” gibt, die sich zu unrecht so nennen. Selten sieht man gestalterische Werke, die eine Systematik im Denken des Designers transportieren. Viele Designer müsste man treffenderweise eher als Dekorateure bezeichnen, da es diesen meistens um die Erschaffung einer schönen Hülle geht. Die optische Manifestation eines Gestaltungskonzept ist nur die Spitze des Eisberges. Gestaltung ist eine intellektuelle Arbeit und keine dekorative: Sie besteht unter anderem aus Analyse, Reflexion, Diskussion, Historik und Abstraktion. Bleibt es nur bei visueller Gestaltung ist es – wie gesagt – Dekoration und im schlechtesten Fall Imitation.

  9. Ein super Artikel Achim!
    Heut Zutage ist doch wirklich alles “Design”. Seih es wie schon angesprochen der Friseur mit seinem “Hair-Design”, die zahlreichen Designermöbel oder Landschaftsgärtner die sich um das “Gartendesign” kümmern.

  10. Zu sprachlichem Schönkleister und sprachlicher Bedeutungsumformung:
    Das ist nicht neu, sondern hat lange Tradition. Warum soll die Allzweck-Verwendung des Wortes “Design” eine Ausnahme bilden.

    Schon Jacques Séguéla sagte vor Unzeiten: “Erzählt meiner Mutter nicht, dass ich in der Werbung arbeite, sie denkt, ich bin Pianist in einem Bordell.”

    Was bedeutet, dass Werbung für die Bürger schon immer ein Synonym war für Lüge, Schönhuberey und Verdrehung. Und nie besonders goutiert wurde. Mittlerweile gehört sie aber selbst zum bürgerlichen Sprachwerkzeugkasten. (Beispiel: ausufernde, peinliche Bewerbungsanschreiben)

    Sagt einiges über die Entwicklung von Zeitgeist und Sprache.

    Kann jedoch sein, dass im Moment eine subtile Umkehr stattfindet (“Gestaltung” bevorzugen statt “Design”). Bei Leuten, die darauf sensibel sind. Zwar ist dann die wichtige Planung nicht mehr implizit im Wort enthalten. Aber hey, auch beim Wort “Design” versteht ungefähr jeder zweite Normalbürger und mindestens jeder dritte Marketingleiter, hier hüstel, auch nur den schönen Schein, aber auf keinen Fall Planung. Läster ; – )
    scnr

  11. In unseren Nachbarländern ist der Begriff Design viel weniger schwammig umrissen, sodass die dortigen Designer auch weniger Stress haben, sich als Designer zu bezeichnen. Ich beobachte, dass deutsche Designer da eher Hemmungen haben, sich unter das Designerschild zu stellen. Der Name für mein eigenes Büro kommt auch aus dieser Denkweise. Würde ich heute mein Büro gründen, sähe ich klar einen Vorteil darin, Design möglichst eindeutig zu besetzen. Die einzelnen Binnendifferenzierung der Branche können und müssen Auftraggeber eh nicht nachvollziehen.

  12. Wirklich ein hervorragender Artikel.
    Ich entschuldige mich jetzt schonmal, wenn ich Aussagen vorheriger Kommentatoren wiederhole.

    Ich bin selbst kein Designer (akademisch gesprochen) und habe mich seinerzeit allein schon aus Respekt den Dipl. Designern gegenüber dagegen entschieden das Wort Design in meinem Firmennamen zu verwenden – geschweige denn von meiner Arbeit hochtrabend als Design zu sprechen. Ich gestalte visuelle Kommunikation oder erbringe eine Gestaltungsleistung. Punkt.
    Die Art und Weise, wie gerade in meinem geografischen Umfeld von vielen Mitbewerbern “Design” im Firmennamen zu Schau gestellt wird – und der direkte Vergleich mit dem, was an “Design” so aus diesen Häusern kommt, hat bei mir dazu geführt, dass dieser Begriff für mich auch immer mehr zu einem Anti-Qualitätsbegriff verkam – quasi ein ausgelutschtes Modewort für jeden, der etwas mit Gestaltung macht und toll wirken will.

    Dieses Schicksal teilt mittlerweile ja auch gerne immer häufiger das Wort Manufaktur. Z.B. Radmanufaktur, Haarmanufaktur, Teemanufaktur, Fleischmanufaktur, etc.

    Ich teile die Auffassung, dass Design ein genauso geschützter Begriff sein sollte wie Architekt, Arzt oder Meisterbetrieb – auch wenn ich selbst kein Designer bin. Vielleicht würde ich dann auch wieder hinter einer Firma mit dem Namen XXX Design wertige Arbeit, anstatt 0815-selbstbeigebrachtes-Arbeiten-mit-einem-Satzprogramm-und-das-aussieht-wie-die-Spielereien-meiner-Nichte zu vermuten.

  13. Wo ist denn die Grenzziehung in der Zeitachse zusetzen?
    Der Hairdesigner will ja wohl kundtun daß er sich das Ausgangsprodukt Frisur anschaut, im Dialog mit dem Kunden neue Ideen entwickelt und zum Endprodukt Frisur entwickelt. Bei manchen Menschen die man so rumlaufen sieht ein lupenreiner Designvorgang in kürzester Zeit.

    Gerade weil hier ja schon öfters Beispiele gezeigt wurden bei denen mit viel Zeit, Überlegungen und wohl auch Geld großer Mist “designt” wurde halte ich die Abgrenzung zwischen Dekoration und Design für schwierig.

    Für mich zählt dann letztendlich nur ob mir das Ergebnis gefällt jeden ich eine geistige Leistung darin erkennen kann…
    und da haben mir als vollkommenem Laien das Designtagebuch und die Kommentare schon oft hilfreiche Erkenntnisse gegeben. Dafür vielen Dank.

  14. Ich ärgere mich, dass ich es nicht fotografieren konnte: Ein Schild mit der Aufschrift: “Naildisein”
    Und das war keine Absicht im Sinne eines Wortspiels, was man an der restlichen Gestaltung des Schildes sehen konnte. In welcher Schrift? Na klar: Comic Sans.
    Ich denke der “Deisgn-Hype” geht wieder vorüber. Einige der Kommentatoren meinen, mit dem Wort “Gestaltung” könne man sich postitiv von dem infaltionären Wort absetzten. Das dachte ich auch, bis ich den Eindruck gewann, dass auch “Gestaltung” überhand genommen hat. Mein Versicherungsvertreter beispielsweise wollte den Vertrag “gestalten”, auch die Jungs von der Bank “gestalteten” unsere Verträge. Als dann auch der Automechaniker anfing, “die Lösung für das Problem zu gestalten”, beschlich mich der Gedanke: “Design” ist vielleicht doch besser.
    Aber letztlich kommt es auch in unserem Methier nicht auf die Bezeichnung unserer Tätigkeit an, sondern auf das “was hinten raus kommt”, um mit den Worten eines Altbundeskanzlers und Meisters der Worthülsen zu sprechen.

  15. Hervorragend! :-)

    Ehrlich gesagt, ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass irgendjemand das Wort Wurstdesign ernst nehmen könnte. Mein erster Gedanke war: Respekt! Ein Metzger mit Humor, der genau die hier beschriebene Entwicklung aufs Korn nimmt und für seine Werbezwecke nutzt.

    So treffend der Artikel auch ist, der so gern bemühte Verweis auf den Facility Manager hinkt allerdings gewaltig: ein Facility Manger ist kein Hausmeister, sondern in der Regel ein sehr gut ausgebildeter Fachmann mit Hochschulabschluss, der in einigen Organisationen sogar in der Geschäftsleitungsebene angesiedelt ist.
    Dass sich einige One-Man-Hausmeisterdienste gerne “Facility Management” auf ihren Kleinwagen kleben, steht freilich auf einem anderen Blatt.

  16. noch ein bsp (könntet ihr ja mal verfolgen in der zeitung): wenn hotels und restaurants ‘küchentechniker’ suchen, sind das ‘nur spüler’, die dann auch die salate machen müssen…

  17. Wer sich für dieses Thema interessiert, den kann ich nur Herrn Spitz wärmstens weiterempfehlen. Ich würde ihn als Designforscher bezeichnet, der sich seit Jahren mit der Gesichte, Theorie und Praxis des Designbegriffs beschäftigt.
    Auf seiner flickr-Seite befand sich früher noch ein Album, gefüllt mit unterschiedlichen skurrilen Designbezeichnungen auf der ganzen Welt, die er fotografiert hatte. Leider finde ich diesen nicht mehr.
    Nichtsdestotrotz eine empfehlenswerte Leselektüre:
    https://wortbild.de/
    https://www.flickr.com/photos/renespitz/

  18. sobald der Metzger einen produktionsweh und ein rezent für sein erst design vorlegt(was i.d.R. leider so ist) kann man ihm schlechterdings nicht vorwerfen den begriff zu verwursten. selbiges gilt für nageldesigner die einen Ablauf sowie entwürfe die in diesem Ablauf erarbeitet werden, entwickeln. nur zum 11. Absatz. Das der Artikel auch mit 3 Absätzen auskommen könnte ist eine andere Sache, fragt mal den Philosophen was er von dem alltagsgebrach des Wortes moral hält, er braucht nur ein wort. “nix.”

  19. Die Kreativbranche, die naturgemäß gern in anderen Revieren räubert (sich u. a. Namen wie Designfactory, Formwerk gibt, vielleicht auch mal Typodoktor), fühlt sich qualitativ runtergezogen, wenn sich andere Branchen ihrer Begriffe bedienen. Wer hat nicht das Buch “Erste Hilfe in Typografie” im Desigerbücherregal? Darf die Fleischerinnung auch gekränkt sein, wenn sich eine Medienagentur “Glanzwurst” nennt?

    Ist es nicht vielmehr ein Lob der Außenwahrnehmung, wenn sich andere im Licht des Designers sonnen wollen? Den Begriff “Design” mit Schranken zu schützen, steht fundamental gegen die freie Gedankenwelt der Kreativbranche. Weil Musik und alles mit Computern cool ist, ist Sounddesign und Softwaredesign okay? Gut, verrücktbunte Mode darf auch noch dazu gehören (obwohl ich nur anthrazit trage) aber bei Frisuren und unterbezahlten Facharbeitern hört die Freundschaft auf. Molekularküche darf Kunst sein, aber so ein Fleischfachbetrieb ist niemals zu keativem Unternehmertum und planvoller Produktentwicklung fähig (Wurst hat eben keine Form).

    Freunde gebt das Design frei! Und macht gute Arbeit, sonst will Mandy mit ihrem Nagelstudio doch nicht mehr so sein wie Ihr!

  20. Danke für den guten Artikel. Lediglich bei der zeitlichen Definition des Findungsweg zum Kern der Marke würde ich nachaken wollen. Das kann man meiner Meinung nach falsch verstehen. Oft dauert dieser Prozess je nach Budget des Auftraggebers nur Stunden. Sollte das gute, konzeptionell starke Ergebnis deswegen keine Designleistung sein?

  21. Ich wundere mich, dass hier nicht einer mal “Gebrauchsgrafiker” sein wollte. Wohl alle jünger hier? Das war mal mein Traumberuf, hab dann aber 50 Jahre lang Graphic Design gemacht. Aus all den Gründen, die bereits beschrieben wurden.

  22. „Gebrauchsgrafiker“ ist in der Tat wenig verbreitet, wenngleich mir diese Bezeichnung überaus sympathisch ist, weil sie den Kern von Kommunikationsdesign beschreibt, indem sie den Gebrauch von Grafiken in den Mittelpunkt stellt. Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, eh das Selbstverständnis im Umgang mit digitalen Medien so gereift ist, dass beispielsweise auch Webdesigner sich Gebrauchsgrafiker nennen.

  23. Ist am Ende doch alles Wurst? Die W-Begrifflichkeit ist gerade am Puls der Zeit … und hoffentlich wird es nicht so überstrapaziert wie der Designbegriff. Die Bezeichnung Gebrauchsgrafiker hat wahrlich ihren Reiz, denn Designer ist ja heute quasi jeder. Ein frisches Beispiel von nebenan: https://www.designmadeingermany.de/2013/50923/ “Der Kunde […] darf […] selbst kreativ und zum Designer werden.” Das ist alltäglich und bestimmt nicht neu, persönlich finde ich es aber gerade auf Plattformen wie jener präsentiert, noch erschreckender!

  24. Ich finde deinen Begriff von Sprache ziemlich elitär. Sprache entsteht durch deren Benutzung und verändert sich demnach ständig. Sprachliche Begriffe unterliegen immer menschlichen Assoziationen. Daher darf den Begriff “Design” meiner Meinung nach jeder gern benutzen, wie er möchte.
    Genauso wäre es für mich vermessen zu sagen, dass man einen Stuhl per Gesetz nicht als Kleidungshalter verwenden darf.

    Für mich ist es keine Lösung, die freie Verwendung von Sprache repressiv zu behandeln. Ich kann mir außerdem nicht vorstellen, worin der große Vorteil für uns “Designer” liegen soll, wenn Nageldekorateure und ihre wurstigen Kollegen den Begriff “Design” nicht mehr als den ihren verwenden dürfen. Es hebt uns Akademiker durch unsere ohnehin schon vorhandenen Vorteile nur noch auf ein höheres Ross.

    Ich selbst bezeichne mich als UX/UI Designer. Gebucht werde ich von Kunden, die meine Arbeit schätzen. Und nicht, weil ich durch mein Studium den Anspruch erheben darf, neben meinem akademischen Titel auch noch eine Berufsbezeichnung exklusiv zu führen. Des weiteren würde es absolut nichts bringen, wenn “Designer” eine geschützte Berufsbezeichnung wäre, weil wir ohnehin durch die zunehmende Diversifizierung unsere Disziplin dazu gezwungen sind, genauer zu beschreiben, was wir da eigentlich designen – und wie wir es tun.

    Sprache den Menschen, die sie sprechen – und schreiben. Auf Wurstwagen oder sonstwo.
    Und wer sagt eigentlich, dass die Wurst nicht auch gründlich konzipiert und geplant wurde?

  25. Hm. Wenn “Designen“ – “Eben diese Prozesshaftigkeit ist“ “die es ausmacht“. Dann gibt es durchaus auch “Wurstdesigner“ oder meinetwegen auch “Naildesigner“. Bspw. die Herstellung einer guten Wurst brauch mehrere Prozesse die sich über “Jahre“ perfektionieren und benötigt ggfs. eigene Incredentien die die eine oder andere Wurst “einzigartig“ macht. Das gleiche kann man eventuell auch auf ganz andere Bereiche “umlegen“.
    Den Artikel fand ich sehr gut – meiner Meinung nach kritisiert er aber eher Beliebigkeit bzw. in der Meta-Ebene ggfs. das Fehlen von Leidenschaft.

  26. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass irgendjemand das Wort Wurstdesign ernst nehmen könnte. Mein erster Gedanke war: Respekt! Ein Metzger mit Humor, der genau die hier beschriebene Entwicklung aufs Korn nimmt und für seine Werbezwecke nutzt.

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