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NSCI – Das Erscheinungsbild der Nationalsozialisten

NSCI - Das Erscheinungsbild der Nationalsozialisten

Heute vor 71 Jahren zerstörten die Nationalsozialisten hierzulande die Synagogen und Einrichtungen jüdischer Mitbürger. Während der Novemberpogrome wurden etwa 400 Menschen umgebracht. Mit den Pogromen endete die Zeit der Diskriminierung und es begann die systematische Verfolgung durch die Nationalsozialisten.

Dieser Tage lese ich das Buch “NSCI (typografie.de)” von Andreas Koop, das bereits im letzten Jahr veröffentlicht wurde. Ich kann gleich sagen, es ist ungemein spannend. Spannend, weil es die Verquickung zweier Themen und zweier Begriffe bildet, die zunächst einmal in Kombination befremdlich erscheinen. Der Begriff “Corporate Identity” wurde ja erst in den 1960er Jahren populär und beschreibt vereinfacht die Identität eines Unternehmens. Hierbei geht es um die Herausbildung der Persönlichkeit, der Werte sowie der Kultur des Unternehmens. Begriffe, die man sicherlich nicht mit dem Hitler-Regime in Verbindung bringen würde. Umso interessanter ist es, die Charakteristika des NS-Apparates einmal aus eben diesem Ansatz heraus zu betrachten.

Ein weiteres Spannungsfeld besteht darin, die Zeit vor dem ersten Weltkrieg einmal in Bezug auf die Gestaltung umfassend zu beleuchten. Denn auf diese Weise wird deutlich, welch große Rolle der Gestaltung in der Propaganda und bei der Manipulation der Menschen zufiel. Nicht nur das Design und die Typografie werden von Andreas Koop untersucht auch die Symbolik, die Heraldik, die “Logos” sowie die Sprache.

“Wie konnte es soweit kommen?”, eine Frage, die auch im Geschichtsunterricht gestellt wird. An eine Antwort, die auch das Thema Design berücksichtigt, kann zumindest ich mich nicht erinnern. Der Umstand, dass auch die Bildsprache, die Gestaltung und auch die Typografie ihren Anteil an dem Verlauf der Geschichte hatten, denn dies führt uns das Buch vor Augen, belegt die Wirksamkeit des NS-Erscheinungsbildes und hilft dabei die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten begreiflich zu machen.

Hier die Basisdaten zum Buch:
NSCI – Andreas Koop
Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten 1925 – 1945
152 Seiten mit ca. 300 meist farbigen Abbildungen
Verlag Hermann Schmidt
ISBN 978-3-87439-768-1
29,80 EUR

Dieser Beitrag hat 36 Kommentare

  1. Könntest du dann das Buch – nachdem du es gelesen hast – hier an mich verlosen…???
    Dann hätte auch ich die Möglichkeit einen sinnvollen Kommentar zu diesem Thema abzugeben.

    Danke

  2. Da habe ich auch schon so einiges von gehört. Ich denke auch, das ist sicherlich sehr interessant und spannend. Die Faszination sollte man aber mit nicht zu viel Euphorie genießen.

    Für alle, die gebrochene Schriften noch als “Nazi-Schrift” abstempeln, empfehle ich gleich auch die Liebeserklärung an die Fraktur: Fraktur mon Amour aus dem gleichen Hause.

  3. …. und als sinnvolle Ergänzung zu diesem Buch sei “LTI – lingua tertii imperii” von Victor Klemperer empfohlen. Denn gerade die Sprache, die von den Nationalsozialisten verwendet wurde ist das Grundgerüst ihres Erscheinungsbildes.

  4. Mein Design-Theorie Dozent wollte damals so gerne das Thema in einer Vorlesung angehen, hatte aber immer Angst das man das falsch verstehen könnte.

    Um so schöner das es nun endlich ein Fachbuch dazu gibt!

  5. Schmaler Grat – fachlich interessant, moralisch grenzwertig. Wie immer – werde es mir aber ebenfalls mal besorgen, wobei natürlich wie von Stefen Picco bereits gesagt, immer die Gefahr besteht, im Bekannten- und Kollegenkreis missverstanden zu werden oder gar gleich als NS-Sympathisant abgestempelt zu werden.

  6. Wenn ich ehrlich bin hatte ich auch schon mal den Gedanken das das Hitler-Regime “Marketing-Technisch” sehr weit war, aber so ein Thema anzusprechen ist ja in der heutigen Zeit sehr schwierig.
    Das Buch klingt sehr interessant, werd es mir evtl. holen oder schenken lasse.

    Danke für den Tipp

  7. Thematisch bestimmt interessant, aber sicher auch problematisch.

    Letzlich wird so ein Buch – auch wenn ich es nicht kenne – nie nur rein dokumentarisch sein können. Es ist immer auch die Suche nach Qualität. Und was, wenn diese gefunden wird? Dann überträgt sich diese Qualität auf diese Zeit und das Regime. Sicher, man kann deshalb nicht einfach den Deckel drauf machen und so tun als hätte es die Zeit nicht gegeben, aber mir missfällt da in diesem Fall schon der Titel und sei er auch noch so angebracht. Und: Ist es angebracht diese Zeit nicht mit den Augen eines Marketing-Experten bewerten? Ich glaube nicht.

  8. Ich kann das Buch nur empfehlen. Sehr gute und fundierte Arbeit. Schön und interessant.

    @ d.sign: Warum ist es nicht angebracht eine Bewertung mit den Augen eines Marketing-Experetn vorzunehmen? Nenne doch bitte einen vernünftigen Grund? Mit welchen Augen wäre es “besser”? Und zu welcher Zeit denn dann?

  9. @ d.sign: Äh, jetzt mal ohne Scheiß, glaubst du im Ernst, dass dieses Buch Leute zum Nazitum verführt oder die NS-Zeit verherrlicht? Es ist eine Dokumentation wie jede andere über diese Zeit auch. Was ist denn mit Guido Knopp, der zeigt Bilder von Paraden mit bombastischer Musik, auf Spiegel TV sieht man ohne Ende Farbbilder von NS-Objekten (Hakenkreuz, Fahnen etc.) in der Anwendung und original Propagandamaterial.
    Das Ganze dokumentiert doch viel mehr in welcher perfiden Perfektion und Kalkulation die Lenkung der Volksmeinung durch die Medien (Kino, Zeitung, Radio) und durch das “erweiterte CI” (Fahnen, Farben, Gebäude etc.) geplant und durchgeführt wurde.

  10. @ Pascal: Wer heute noch glaubt, die Fraktur sei eine ‘Nazi-Schrift’ übersieht eine damalige Wendung bei dem Umgang mit Typografie:

    Die gebrochenen Schriften wurden zwar erst noch als ‘deutsch’ angesehen und es wurde jüdischen Verlagen verboten diese zu benutzen. Doch später änderte man seine Ansicht und man ‘erkannte’ die gotische Schrift als jüdisch (“Schwabacher Judenlettern”). Somit sollten ab 1941 nur noch Antiqua-Schriften (“Normal-Schrift”) benutzt und gelehrt werden. Die Nazis und die Fraktur

    Dieser Umstand lässt mich heute noch schmunzeln, wenn man Druckerzeugnisse der Neo-Nazis sieht, die wie selbstverständlich und wahrscheinlich voller Stolz gebrochene Schriften einsetzen.

    Leider habe ich das Buch noch nicht gelesen, aber ich denke (hoffe), dass dieser Sachverhalt erläutert wird. Vielleicht auch ein schlagendes Argument für alle, die gerne mit der Fraktur arbeiten (möchten) und dafür angegriffen werden.

  11. Endlich traut sich jemand, diesen eigentlich logischen Ansatz als Erklärungsmuster für die damalige Popularität des Nationalsozialismus heran zu ziehen. Ich selbst hatte einmal die Idee, in einer Diplom- oder Doktorarbeit die Ikonographien des Nationalsozialismus und des Kommunismus aus dem CI-Ansatz heraus gegenüber zu stellen. Da ließen sich erstaunlich viele Parallelen finden. Ich habe mir mal im Staatsbürgerkunde-Unterricht (Oktober ’89) gewagt zu behaupten, zwischen FDJ und HJ gäbe es mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Damit habe ich von der ganzen Klasse heftige Protestreaktionen eingehandelt – daran musste ich bei meinen Diplomarbeitsüberlegungen denken und entschied mich letztendlich für ein wesentlich harmloseres Thema.

    Ich glaube, die 30 EUR sind es wert, investiert zu werden.

  12. Sehr geehrter Herr Schaffrina,

    ich erinnere mich an einen Briefwechsel mit Ihnen im Januar 2008, in dem Sie eine Veröffentlichung eines unserer Projekte im Designtagebuch ablehnten. In unserem Projekt “1000 Pixel Design” ging es darum, dass in Form von Webbannern auf Schlüsselfunktionen von Design aufmerksam gemacht wird. Da haben wir u.a. darauf hingewiesen, dass ja auch schon die Nazis ein CI hatten. Aussage war: “Design kann Identität stiften.”

    Sie lehnten die Veröffentlichung ab mit der Begründung: “Ich glaube, dass es keine gute Idee ist mit grafischen Elementen des Nationalsozialismus zu arbeiten, um auf das Thema Design aufmerksam zu machen! Das scheint mir doch eher kontraproduktiv zu sein. Der Banner zum Thema “Identität” nimmt Farben und Formen des Dritten Reichs auf. Auch wenn es anders gemeint ist, ist die Gefahr, dies misszuverstehen sehr groß. Ich verzichte daher darauf, auf Eure Aktion im Design Tagebuch hinzuweisen.”

    Ferner schrieben Sie: “Hier begibt man sich meiner Meinung nach eher in eine ungewollte Schmuddelecke, als dass man eine ernsthafte Diskussion zum Thema Design anregt.”

    Und:
    “Warum sollte da der Bezug zur Politik entscheidend sein? Mein Antwort auf Ihre Frage ist ganz klar nein. Die Schnittpunkte zwischen Politik und Design sind doch, wenn überhaupt, nur minimal vorhanden. Mir ist nicht klar warum unter den vielfältigen Themen, die uns Menschen und im speziellen uns Designer beschäftigen ausgerechte hier ein Bezug kommuniziert und transportiert werden sollte.”

    Wir freuen uns aber über Ihre Offenheit, indem Sie das hervorragende Buch besprechen.

    Viele Grüße,
    die Informaten

  13. Übrigens: Beat Schneider widmet dem Thema schon in seinem Buch “Design – Eine Einführung”, erschienen im Birkhäuser Verlag 2005 ein Kapitel: über das “Corporate Design” der Nazis, wenn man es so nennen möchte. Ganz neu ist das Thema also nicht.

    Da gibt es sicherlich noch ganz viel zu entdecken.
    Unter wissenschaftlichen Aspekten muss dies unbedingt möglich sein. Da dürfen allzu moralische Bedenken keinen Riegel vorschieben!!

  14. Hallo Informaten,
    die Wiedergabe der E-Mail ist korrekt. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man sich sehr wohl analytisch mit dem Design der NS-Zeit auseinandersetzen kann und sogar sollte. In Ihrer Aktion ging es jedoch darum, dass mit Hilfe des “NS-Stils” allgemein auf das Thema Design als identitätsstiftender Faktor aufmerksam gemacht wurde bzw. in meinem Blog werden sollte. Darauf aufmerksam zu machen ist ein lobenswertes Ziel. Werbemittel, die mit den Farben und der Symbolik aus der NS-Zeit arbeiten sind jedoch ein Tabubruch. Wer diesen Bruch vollzieht, tut dies mit voller Absicht und aufgrund seiner rechtsextremen Gesinnung, das sollte man berücksichtigen.

    Rechtsextreme Organisationen “schmücken” sich nun einmal weltweit mit den Insignien oder “gestalterischen Interpretationen” aus der NS-Zeit. Auch wenn die Verwendung des Hakenkreuzes hierzulande unter Strafe gestellt ist gibt es noch genügend Erkennungsmerkmale für solch eine Gesinnung.

    Natürlich kann Design Identität stiften. Das steht außer Frage. Man sollte nur nicht mit den Erkennungsmerkmalen “herumspielen”, schon gar nicht in der Werbung. Als Gestalter sollte man die Finger davon lassen. Meine Meinung.

  15. Ist doch nix neues.

    Das die Nazis alles bis in kleinste Detail “gebrandet” haben ist doch augenfällig.
    Die Sprache ist eben nur eine andere. Die Werbeindustrie will ebenfalls “die Massen mobilisieren”
    (nur für einen anderen Zweck).

    Goebbels hat angebl. Edward L. Bernays gelesen.
    Man hat sich also aus den gleichen Quellen bedient …

  16. Rechtsextreme Organisationen “schmücken“ sich nun einmal weltweit mit den Insignien oder “gestalterischen Interpretationen“ aus der NS-Zeit.

    Dieser Gedanke kam wir während des letzten Wahlkampfes eher mit Blick auf das Erscheinungsbild einer linksextremen Partei. Manchmal mußte ich zweimal hinschauen, um festzustellen, ob ich gerade ein Plakat der NPD oder der Linken vor mir habe, zumal auch manche Parolen deutliche Ähnlichkeiten aufwiesen.

    https://p3.focus.de/img/gen/4/l/HB4lcjhN_Pxgen_r_311xA.jpg

  17. Ich habe zu meiner mündlichen Matura einige Plakate der Nationalsozialisten bekommen und diese aufarbeiten sollen (fächerübergreifend: BE – Deutsch [BE = Bildnerische Erziehung]), also im Sinne der Gestaltung und der Aussage.

    Generell interessiere ich mich sehr für CIs oder CDs, aber das hier ist eine besonders spannende.
    Mal schauen, ob ich mir das Buch mal zulege.

  18. Der “Hof”-Fotograf Hitlers hieß Heinrich Hoffmann. Der hat im Sinne einer propagandaorientierten Fotografie mitgeholfen, den Mythos “Hitler” zu schaffen.

    Zu Hoffmann und seiner Arbeit gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, die zu einer umfangreichen Ausstellung und einem sehr lesenswerten Buch geführt haben. Das beschäftigt sich etwas weniger mit der Ikonografie und dem Grafik-Design und mehr mit der Bildsprache aber auch mit den Hintergründen und der finanziellen Dimension von Hoffmanns Dienstleistungen.

    Man übersieht oft, dass zwar modernes Marketing und seine Begrifflichkeiten erst nach dem 2. Weltkrieg entstanden sind, dass aber die Denke schon viel früher da war. Einen Sinn, das aufzuarbeiten sehe ich durchaus. Die Sache sollte tabulos analysiert und ausgewertet werden. Einem Forensiker wird auch keiner vorwerfen, er sei ein Mörder, weil er Todesursachen feststellt.

    Das Studium solcher Bücher verdeutlicht den politischen Aspekt modernen Kommunikations-Designs und läßt einen Abstand zum eigenen Design-Wirken gewinnen.

  19. Das ist genau das, was man ja eigentlich nicht offen aussprechen mag, aber da hatte ein System genau das, was ein Corporate Design ausmacht: Es wurde nicht diskutiert, es wurde angeordnet. Es war in den Grundfarben einfach und gut zu reproduzieren, die Symbolsprache war bekannt und doch neu in Szene gesetzt.

    Hier hat man ein ganzes Land und jede in ihm lebende Generation einer Gestaltung unterworfen und auch das Ziel jeden Corporate Designs, nämlich die Unterstreichung der CI, konsequent verfolgt: Stärke und Strenge, Macht und Herkunft.

    Was lernt man daraus? Dass es vielleicht doch ganz gut ist, wenn nicht alles “durchgestaltet” ist! Dass es schön ist, eine gestalterische Freiheit außerhalb der Konformität zu spüren und sei es nur, dass mal jemand per Hand auf ein Schild malt “Bin gerade weg!”. Dass es vielleicht gut tut, wenn nicht alle Webseiten heute aussehen wir die von Apple (WEB 2.0) und dass die Diskussion, die man ja ernsthaft vor Jahren geführt hat, nämlich ob Deutschland ein neues Corporate Design braucht, einfach nur Designergerede ist!

    Gerade aber wegen dieser ganzen Gründe halte ich es für sehr wichtig genau dieses Buch zu lesen. Denn nicht nur das Design des NS Regimes auch die Filme einer Leni Riefenstahl oder die Architektur eines Albert Speer – all dies kommt doch immer wieder neu vor, wenn auch in anderen Farben und Formen.

  20. danke für den lesetipp! mal schaun, ob sich daraus ein thema für meine masterarbeit ableiten lässt. vielleicht in bezug auf die verwendung der gleichen elemente usw. noch heute (ich denke mal in unreflektierter art und weise zwar, aber…) mal schaun.

  21. Wer heute noch glaubt, die Fraktur sei eine ’Nazi-Schrift’ übersieht eine damalige Wendung bei dem Umgang mit Typografie
    … Somit sollten ab 1941 nur noch Antiqua-Schriften (“Normal-Schrift“) benutzt und gelehrt werden. …
    Dieser Umstand lässt mich heute noch schmunzeln, wenn man Druckerzeugnisse der Neo-Nazis sieht, die wie selbstverständlich und wahrscheinlich voller Stolz gebrochene Schriften einsetzen.

    Diese Logik verwundert mich immer wieder. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
    Die Ideologisierung der gebrochenen Schriften fand verstärkt seit Ende des 19. Jahrhunderts statt und kulminierte schließlich mit der Machergreifung der Nationalsozialisten. Lediglich zwischen 1941 und und 1945 waren die Schriften nicht mehr von den Nazis erwünscht. (Aber natürlich in der Kürze der Zeit auch gar nicht aus dem Alltag zu verdrängen.)
    Die Assoziation des Schriftstils mit dem typischen Einsatz der Nationalsozialisten kommt also nicht von ungefähr. Wenn diese Assoziation heute noch so aufkommt, ist das verständlich. Der Schriftstil wurde als nationalistisches Symbol gebraucht und dass man die letzte 4 Jahre aus pragmatisch-politischen Gründen dann davon abrückte, macht nicht alle Jahre und Jahrzehnte davon ungeschehen.

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