In Australien regt sich Widerstand gegen die von der Regierung geplante Nation Brand. Das Logo der nationalen Marke ist an die Öffentlichkeit gelangt und wird von der lokalen Presse verrissen. Dabei sind die zugrundeliegenden Ideen und markenstrategischen Ansätze nachvollziehbar und schlüssig.
Australien – spontan assoziieren wir mit dem „fünften“ Kontinent Kängurus, Ayers Rock, auf Eukalyptusbäumen sitzende Koalabären, das Opernhaus in Sydney oder das Great Barrier Reef. Die Darstellung eines Kängurus ist gerade im Tourismussektor seit Jahrzehnten das Erkennungszeichen Australiens. Zuletzt wurde das offizielle Tourismuslogo Australiens vor neun Jahren überarbeitet. Das Känguru ist, wie auch der Emu, Wappentier des Landes und Bestandteil des Landeswappen Australiens. Auch Qantas, die nationale Fluggesellschaft Australiens, nutzt seit je her ein Känguru in ihrem Logo.
Was Australien bis dato fehlt, ist eine über alle Wirtschaftszweige hinaus geltende Marke, die, im Sinne eines ganzheitlich konzipierten Nation Brandings, auch andere zentralen Merkmale des Staates repräsentiert, etwa die Menschen, deren Kultur, auch das politische System sowie die Geographie des Landes. Immer mehr Staaten haben in den letzten Jahren diesbezüglich Anstrengungen unternommen, auch um sich im Wettbewerb mit anderen Ländern einen Vorteil zu verschaffen. Ähnlich wie beim Branding für ein Unternehmen erhoffen sich Staaten auf diese Weise, ihr Image zu verbessern. Länder wie die Vereinigten Staaten, Paraguay oder zuletzt die Niederlande haben sich diesbezüglich als Marke positioniert und entsprechend visuell aufgestellt.
Bereits vor zwei Jahren wurde auch in Australien unter der Administration des ehemaligen Ministerpräsidenten Malcolm Turnbull ein entsprechender Prozess zur Entwicklung und Implementierung einer Nation Brand auf den Weg gebracht. Im Sommer 2018 wurde als Koordinationsstelle der sogenannte Australia’s Nation Brand Advisory Council gegründet, in dem sowohl Chefs führender Unternehmen wie auch Marken- und Designexperten vertreten sind. Ziel des australischen Nation-Brand-Prozesses ist es, „eine stärkere und einheitlichere nationale Marke zu entwickeln, um Australien besser zu positionieren und die globale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern“, so die offizielle Erklärung. Im Januar 2019 gab der Rat bekannt, dass nach einem umfangreichen und weltweiten Auswahlverfahren die Agentur Clemenger BBDO (Sydney) ausgewählt und mit der Markenentwicklung beauftragt wurde. Für die Kreation/Entwicklung wurde ein Budget in Höhe von umgerechnet 1.8 Millionen Euro bereitgestellt (Quelle).
Seitdem war es still um Australiens Nation Brand, bis vor wenigen Tagen das Ergebnis der Beratungen, Konsultationen und Entwurfsarbeiten den Weg in die australische Presse fand. Umso lauter ist nun der Aufschrei, denn in dem Logo der nationalen Marke ist nicht etwa, wie viele Beobachter offenbar erwartet hatten, ein Känguru in einer weiteren Form abgebildet, sondern eine abstrahierte Darstellung der Gold-Akazie (engl. „wattle“, siehe Abb. links). Die Verantwortlichen sehen sich nun dem Vorwurf ausgesetzt, die für den Nation-Brand-Prozess aufgewendeten Millionen seien rausgeschmissenes Geld. Zudem sehe das aus vielen Punkten bestehende, kreisrunde Logo aus wie ein Virus.
Bereits im Dezember 2019 hatte der Nation-Brand-Rat sein Ergebnis dem für das Projekt zuständigen Wirtschaftsministerium vorgelegt. In einem 23-seitigem Dokument (PDF) spricht sich der Rat für die Einführung des goldfarbenen Wattle-Logos aus, da es nach Ansicht der Ratsmitglieder die an eine einheitliche nationale Marke Australiens geknüpften Ziele und Werte in idealer Weise verkörpere. Das vorgestellte Symbol sei „einzigartig australisch, ist bereits in der nationalen Ikonographie verwurzelt und repräsentiert unseren Optimismus“. Jeder Punkt repräsentiere „Individuen und das Zusammentreffen von Vielfalt“. Die Gold-Akazie ist das nationale Blumensymbol Australiens und als solches Bestandteil des Landeswappens. Bei der Farbwahl orientierte sich der Rat und die mit der Kreation betraute Agentur Clemenger BBDO an den Nationalfarben Gold/Gelb und Grün. Australische Nationalmannschaften, wie etwa das Rugby-Team („Wallabies“), sind seit je mit gelb-grünen Trikots ausgestattet.
Ausführlich begründet der Rat in den abschließenden Empfehlungen zudem, weshalb man sich gegen ein Känguru als nationales Symbol entscheiden hat: „Wir lieben unser Känguru – es ist derzeit das international bekannteste Erkennungszeichen Australiens. Wir sehen jedoch Bedenken, ob die Einführung eines weiteren Känguru-Logos die Wahrnehmung unserer Nation verändern oder einfach das verstärken würde, was die Menschen bereits über uns wissen.“ Auch der Umstand, dass das Känguru bereits von unzähligen Unternehmen und Marken als Logo verwendet wird und die Gewährleistung von Markenschutz schwierig zu realisieren sei, habe zu der Entscheidung geführt, sich gegen ein Känguru auszusprechen. Im Februar 2020 wurde das Wattle-Logo unter der Nummer 2066448 schon einmal vorsorglich als Markenzeichen registriert. Bis zur Einführung dürfte es noch eine Weile dauern, auch da die finale Verabschiedung durch das australische Wirtschaftsministerium noch aussteht.
Kommentar
Insgesamt präsentiert der Nation-Brand-Rat, so jedenfalls mein Eindruck, ein in sich schlüssiges und nachvollziehbares Konzept, auf dessen Basis eine passende, authentische und zudem ästhetisch anmutende visuelle Entsprechung entstanden ist. Die insbesondere in der lokalen Presse geäußerte Kritik, das Logo wie auch der Prozess als solcher seien reine Steuerverschwendung, halte ich für vorschnell und überzogen. Denn de facto stehen Staaten nun einmal im Wettbewerb untereinander. Eine überzeugende Identität und ein professionelles und konsistentes Corporate Design können Standortvorteile bringen und zu einem besseren Ansehen beitragen.
Womöglich hätte der Nation-Brand-Rat die finalen Schritte des Prozesses transparenter gegenüber Bürgern und der Presse vermitteln können. Das letzte offizielle Update liegt mittlerweile ein halbes Jahr zurück, und das zuvor genannte Empfehlungsdokument des Rates ist nur nach einschlägiger Recherche auffindbar. Wenn in der Presse zu lesen ist, die Regierung verfolge einen geheimen Plan, ist dies sicherlich nicht hilfreich. Bei einem solchen Zeichen, das quasi jedes Individuum des Landes repräsentieren soll, gehen die Emotionen schnell hoch. Auch wenn Bürgerinnen und Bürger nicht unmittelbar am Entstehungsprozess beteiligt sind und über das finale Design entscheiden, was gut ist, da ein solches Design nicht basisdemokratisch ist, sondern vielmehr von den verantwortlichen mit Experten besetzten Gremien bestimmt werden sollte, lohnt die frühzeitige Einbindung und Mitnahme der eigenen Bevölkerung. Das visuelle Erscheinungsbild eines Landes ist kein Etikettendesign einer Flasche, das, um für möglichst viel Aufmerksamkeit/Werbung zu sorgen, in einer Online-Abstimmung gewählt werden sollte. Je besser allerdings die Mitnahme und Teilhabe der Bevölkerung gelingt, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass viele Menschen zu Markenbotschaftern werden und im Sinne der angestrebten Ziele agieren. Denn jede Marke ist nur so gut, wie die Menschen, die unmittelbar zu ihrem Image beitragen.
Ich teile die Auffassung des Rates, dass das neue Logo, sofern es verabschiedet wird, rasch mit dem Land Australien assoziiert werden wird, selbst wenn man um dessen Herleitung und Bedeutung nicht weiß. Das goldschimmernde Wattle-Logo vermittelt Wertigkeit, prosperierende Vielfalt und Offenheit, und zwar ohne dabei abgedroschene Klischees zu bemühen. Das Logo erzählt überdies eine Geschichte, ein Narrativ, das über den logisch abgeleiteten Bezug zu Australien Glaubwürdigkeit vermittelt und auf diese Weise Vertrauen aufbaut. Vertrauen stellt sich freilich nicht über Nacht ein. Markenentwicklung, insbesondere Nation Branding, braucht Zeit und Ausdauer. Ein Anfang ist gemacht. Nicht nur das Logo, auch der Nation-Brand-Prozess als solcher verdient Anerkennung – beides trägt dazu bei, den Blick auf „Down Under“ zu hinterfragen und ihn zu schärfen.
Deutschland gehört übrigens zu den Ländern, die bislang über keine ganzheitlich angelegte Nation Brand verfügen. Nichtsdestoweniger belegt Deutschland im sogenannten Nation-Branding-Index (NBI) im dritten Jahr in Folge Rang 1. Wer nun schlussfolgert, für Deutschland bestehe demnach keinerlei Notwendigkeit, sich in diesem Bereich stärker zu engagieren, liegt jedoch falsch. Deutschland präsentiert sich, markentechnisch wie visuell, als ein schlecht gewebter Flickenteppich bestehend u.a. aus dem touristischen Marketing-Angebot germany.travel, dessen spiralförmiges, undefinierbares Logo schon längst aussortiert gehört, dem für das Standortmarketing der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Dienst Germany Trade and Invest sowie einer 2017 relaunchten Deutschland.de-Plattform, welche in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt betrieben wird. Mehr Einheitlichkeit und Qualität in Bezug auf den visuellen Auftritt würde auch Deutschland gut tun.
Erinnert sehr stark an die Darstellung des Coronavirus, oder? Schon nur deshalb misslungen.
Trotz der schieren Masse an Corona-Nachrichten und -Illustrationen habe ich überhaupt nicht an ein Virus gedacht, sondern direkt an eine Pflanze. Ich finde die Farbgebung wunderschön, stimmig und wertig und mag auch die Schrift mit der kleinen Eigenart am “R” (schön, denn gäbe es mehr als eins, hätte mich das gestört). Das “AU” in der Bildmarke hätte auch aus der unteren Schrift entnommen werden können.
Aber insgesamt: Klar, ungünstige Zeit für diese Symbolik, denn die Virus-Assoziation verstehe ich natürlich und auch die Kommunikation hätte wohl besser laufen können, aber ich wäre als Australierin stolz, so repräsentiert zu werden.
Ich finde die Idee und die Argumentation dazu sehr gut. Allerdings finde ich die Umsetzung nicht ganz optimal – obwohl es mir ästhetisch zusagt. Sie ist mir etwas zu filigran und optisch schwer verständlich.
@Peter: Von “misslungen” kann keine Rede sein. Als die ersten Entwürfe gemacht wurden, wusste noch niemand, dass es einen Coronavirus gibt und wie dieser dargestellt wird.
Wer kennt sie nicht, die Pusteblume.
Ganz offensichtlich ist Kommunikation und eine teilweise öffentliche Entwicklung essentiell bei einem Logo, durch das sich viele Menschen repräsentiert fühlen sollen. Ich denke, man muss die Öffentlichkeit schon früh mit Logokonzepten (den Ideen hinter einer späteren grafischen Ausführung) bekannt machen, verschiedene Schritte auf dem Weg zum finalen Design offenlegen und immer begründen, warum welche grafischen Mittel gewählt wurden. Dann wird es sicherlich noch immer Unzufriedene geben, jedoch ist besser verständlich, wie der Designprozess abläuft, wer beteiligt ist, welche Fachkenntnis diejenigen besitzen und warum die Entwicklung mehr als 150 € kostet.
Vor allem: Wenn schon längst bekannt ist, welche Idee hinter einem Logo steht, wird niemand mehr so schnell darin einen Virus, eine Pusteblume, ein Pfauenrad, einen Vulkan von oben, einen Strohschirm, versammelte Fliegenschisse, die Sonne oder eine aufgeschnittene Goldkiwi sehen. Jedes einigermaßen abstrakte Zeichen ist „anfällig“ für Missinterpretationen. Meiner Meinung nach sollte das Konzept lange vor dem finalen Logo kommuniziert werden.
Ich kann zumindest dem goldenen Sägeblatt leider nichts abgewinnen.
Gefällt mir gut, wobei es das AU in der Gold-Akazie m.E. gar nicht gebraucht hätte.
Übrigens: der Vogelstrauß im Wappen ist ein Emu.
Besten Dank Andre! Ist korrigiert.
Ich finde es genial, denn es ist gewissermaßen eine Anspielung auf das chemisches Element mit dem Elementsymbol Au (lateinisch aurum) und der Ordnungszahl 79: Gold.
Ich dachte zuerst an eine Pusteblume.
Finde es immer erfrischend wenn Länder wie Australien mal auf das typische Känguru verzichten.
Genauso wie ich das Ahornblatt für Canada für überstrapaziert ansehen.
Deswegen Daumen hoch schon allein für den Mut mal einen anderen Weg zu gehen.
Nachdem ich selbst einige Jahre in Australien gelebt und dort eine Ausbildung zum Grafik Designer gemacht habe, ein Teil meiner Familie dort weiterhin lebt und ich glaube die Mentalität recht gut zu verstehen, kann ich mir den Aufschrei genau vorstellen…obwohl ich persönlich dieses Logo, mit Betrachtung auf dessen Hintergrund, als sehr gelungen ansehe…
Hässlich ist es nicht, wobei Gold nicht unbedingt die beste Wahl ist, was man spätestens bei einem SW-Ausdruck/Kopie oder als App-Icon erkennen wird. Allerdings … würde kein Australia drunterstehen, würde ich das nicht als ein Logo für einen Staat wahrnehmen, eher als ein Logo für eine Videokassettenmarke oder eines Herstellers von Gitarren … Ich glaube, hätten die sich für ein Nationalsymbol entschieden, oder für ein absolut typisch australisches Tier, … naja, es wäre prägender geworden. Aber gut, ist deren Land, deren Brand, deren Sorgen …
Wieso das? Videokassettenmarke?
Das ist auch gar nicht die Aufgabe eines Logos. Das Apple-Logo erklärt nicht, dass das Unternehmen u.a. Smartphones und Computer-Hardware herstellt. Das Mastercard-Logo erklärt nicht, dass das Unternehmen sein Geld mit Finanzdienstleistungen verdient. Und das VW-Logo erklärt nicht, dass das Unternehmen Fahrzeuge baut. Ein Logo ist kein Piktogramm! Es muss gar nicht erklären. Ein Logo muss hingegen mit einem Unternehmen, einer Marke assoziiert werden können. Dafür sollte es einfach und leicht memorierbar sein. Wenn wir wissen, dass der Nike-Swoosh für Sportartikel- und Bekleidung steht, dann deshalb, weil wir über Jahrzehnte über Werbekampagnen, -Anzeigen und TV-Spots gelernt haben, dass zwischen Logo und Produkt eine Verbindung besteht. Und das geschieht über Penetration, nicht etwa in dem das Logo aus sich heraus eine Erklärung lieferte. Es gibt freilich auch Logos, wie etwa das Wollsiegel, die auf bildhafte Weise ZUSÄTZLICH Auskunft über den Zweck eines Unternehmens, einer Marke geben. Aber selbst in solchen Fällen ergibt sich die exakte Bedeutung sowie der Sinn und Zweck erst aus dem jeweiligen Anwendungskontext durch weitere Text- und Bildbotschaften.
Wer sich ein bisschen für Flaggen interessiert, hat sicher schon von der Flaggendebatte in Australien (und Neuseeland) gehört.
Ein populärer Redesign-Entwurf verwendet ebenfalls die Gold-Akazie als zentrales Symbol in Kombination mit dem siebenzackigen Commonwealth Star (das Alleinstellungsmerkmal der austraglischen Flagge gegenüber der neuseeländischen):
https://www.goldenwattleflag.com/
Sehr, sehr schön – eigenständig und elegant (im Vergleich zur NL-Tulpe).
Das Dunkelgrün kennt man ja auch schon von der Fußball-WM.
Sehr ästhetisch, bildsprachlich so garnicht Australisch, außer das schöne R, es wird viel Zeit und Geld kosten, diese Gestaltung in den Köpfen der Weltbevölkerung zu etablieren. Ästhetisch, aber unpraktisch.
Inwiefern unpraktisch?
Eine gewisse Sperrigkeit hat das gute Stück nun schon:
– Die Kleinteiligkeit/Filigranität verhindert eine Reproduktion in bestimmten Materialien/Größen (Prägung auf Medaillien, Pins, etc) oder Reproduktion auf Textilien (Stick/Siebdruck, Flock etc) oder, wohl am entscheidensten, digital im Netz: Damit das Logo scharf bleibt, muss es chon richtig (!) groß abgebildet werden…
– Die Goldfarbe kann eigentlich nur als physische Farbe, als Material richtig wirken. Alles andere muss “Simulation” bleiben
Konzept und Form finde ich aber trotzdem sehr schön!
Das Logo für sich hat mich sofort an die Olympischen Spiele 2012 in London erinnert. Die dort verwendete Form der Fackel gleicht dem hier dargestelltem Symbol. Dies ist schön auf den CD-Covern der Opening und Closing Ceremony zu erkennen.
Die Buchstaben “AU” und die genutzte Outline dazu sind meines Erachtens auch ein Schritt zu viel. Insgesamt überzeugt es mich nicht auf Anhieb. Dies kann sich aber nach ein paar Tagen ändern… :-)
Habe bei dem Logo eher an den Nahen Osten gedacht. Richtung Vereinigte Arabische Emirate, oder so.
Na, da wird einem der Virus auch noch vergoldet ^^ … nicht gerade der passendste Zeitpunkt für ein solches Design.