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Die Vereinigten Arabischen Emirate lassen in einer freien Wahl über das Logo der zukünftigen Nation Brand abstimmen

UAE Nation Brand Logos, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logos, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logos, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logos, Quelle: nationbrand.ae

Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate sucht ein Logo, das im Sinne einer Nation Brand das Profil und das Gesicht des autoritär regierten Landes auf positive Weise prägen soll. Der Umstand, dass ausnahmslos Jeder an der Wahl teilnehmen und dadurch obendrein Gutes bewirken kann, ist wohl kalkuliert und bereits Teil der Marketing-Strategie bzw. der Image-Kampagne.

Seit einigen Jahren intensiviert die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate ihre Bemühungen hinsichtlich der Etablierung einer Nation Brand, einer nationalen Marke, die nicht nur im Bereich Tourismus, sondern über alle Wirtschaftszweige hinweg zur Anwendung kommt. In jüngster Zeit wurden entsprechende Initiativen auf den Weg gebracht, die schließlich in einen Designwettbewerb gemündet sind. Die finalen drei Logoentwürfe dieses Wettbewerbs stehen nun zur Wahl. Das Gewinnerlogo, so zumindest die offizielle Verlautbarung, soll dem Land die kommenden 50 Jahre als Nation Brand erhalten bleiben.

Abstimmen dürfen, und das darf man gerade in diesem Fall als Besonderheit bezeichnen, nicht nur die eigenen Bürger des Landes, sondern alle Besucher der entsprechenden Voting-Website. Das Mitmachen lohnt schon allein deshalb, da die Regierung verspricht, für jede Teilnahme einen Baum zu pflanzen. Das könnten sehr sehr viele Bäume werden, denn, wie dt-Leser Guido bemerkt hat, ist die Online-Abstimmung technisch extrem schlecht umgesetzt. Sofern man im Browser Cookies und LocalStorage der Website löscht, kann man beliebig oft abstimmen. Die Regierung könnte am Ende also in der Pflicht stehen, beispielsweise eine Milliarde Bäume pflanzen zu müssen. Die wäre dann tatsächlich mal ein Logowettbewerb, der Gutes bewirkt hätte.

Dies sind die drei zur Wahl stehenden Entwürfe:

UAE Nation Brand Logo „Calligraphy“, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logo „Calligraphy“, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logo „Palm“, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logo „Palm“, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logo „7 Lines“, Quelle: nationbrand.ae
UAE Nation Brand Logo „7 Lines“, Quelle: nationbrand.ae

Kommentar

Ein besonders eindrückliches Beispiel, das die politische Dimension von Design freilegt. Wirtschaftliche und politische Ziele zu erringen und durchzusetzen, ist immanenter Bestandteil von Design. Ob kleiner Handwerksbetrieb, Großunternehmen, Stadtverwaltung, Opernhaus, politische Partei, Sportverein oder eben ein Staat – ein jeder möchte erfolgreich sein und in einem möglichst positiven Lichte dastehen. Werbung wie auch Corporate Design sind Instrumente der visuellen Kommunikation, die darauf abzielen, unsere Einstellung und Haltung in Bezug auf ein Produkt, eine Marke, ein Unternehmen oder eine andere Entität in positiver Weise zu beeinflussen. Als Konsument haben wir über Jahrzehnte gelernt, dass eine optisch ansprechend gestaltete Verpackung oftmals nur wenig mit dem Inhalt gemein hat, siehe Werbung versus Realität. Das ist nebenbei gesagt ein Grund, weshalb Werbefachleuchte einer der am wenigsten angesehenen Berufsgruppe überhaupt ist.

Die Entscheidung der Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate, die Wahl des Logos in dieser Form aufzulegen, ist politisches Kalkül und als solches leicht zu durchschauen. Viel entscheidender als die Frage, welches Logo nun am Ende das Rennen machen wird – nebenbei gesagt überzeugt mich keiner der drei Entwürfe –, ist folgendes: das Voting ist ein Framing, das dazu dient, den Anschein zu erwecken, demokratische Wahlen seien ganz selbstverständlich Bestandteil der Gesellschaft der Emirate. Tatsächlich belegt das Land im sogenannten Demokratieindex Platz 147 von 167 und wird somit als „Autoritäres Regime“ eingestuft. Menschenrechte werden ignoriert, Presse- und Meinungsfreiheit sind eingeschränkt, und Kritiker landen im Gefängnis.

In jenem Land, das für sich „Tolerance and openness“ in Anspruch nimmt, müssen beispielsweise Homosexuelle nach wie vor mit der Todesstrafe rechnen. Die Aktion ist schamlos, dreist und widerwärtig. Es gibt kein Werbeverbot für autoritäre Regime. Umso wichtiger ist es, die als demokratische Wahl inszenierte Abstimmung wie auch die zukünftige Nation Brand Vereinigte Arabische Emirate selbst als das zu benennen, was sie sind: Propaganda.

Mediengalerie

Weiterführende Links

Update 14.01.2020: Die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate hat das Siegerlogo bekanntgegeben. Insgesamt seien 10.6 Millionen Stimmen abgegeben worden. Die meisten Stimmen habe das Logo „7 Lines“ erhalten, siehe Pressemeldung: ’Seven Lines’ announced as UAE Nation Brand

Achim Schaffrinna

Achim Schaffrinna ist Designer und Autor. Hier im Design Tagebuch, 2006 von mir gegründet, schreibe ich über die Themen Corporate Identity und Markendesign. Ich konzipiere und entwerfe Kommunikationsdesign-Lösungen und unterstütze Unternehmen innerhalb von Designprozessen. Designanalyse ist Teil meiner Arbeit. Kontakt aufnehmen.

Dieser Beitrag hat 32 Kommentare

  1. Ich habe mitgestimmt und zwar für die palme, in der hoffnung, dass die baumpflanzaktion ernst genommen wird. Schließlich verdeutlicht das auch eine vision, diese ecke der arabischen halbinsel muss nicht zwingend aus wüste und beton bestehen, sie kann auch grün werden.
    Zu den bedenklichen auswirkungen nicht abwählbarer erbmonarchien wurde schon genug gesagt. Wobei ich nicht einmal gegen die monarchie als staatsform etwas habe: wo das königshaus sich aus der tagespolitik zurückhält und diese den gewählten politikern überlässt, kann auch etwas daraus werden (Großbritannien ist zur zeit vielleicht kein gutes beispiel).
    Wenn jeder nur vor der eigenen tür kehrt, lassen wir jene Emiratis im stich, die eine fortentwicklung ihres landes nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in gesellschaftlicher hinsicht anstreben.

  2. Das Baumpflanzen als Belohnerle ist hallo?! wohlfeil. Was bedeutet dieses mittelalterlich klingende Wort https://www.openthesaurus.de/synonyme/wohlfeil

    Hintergrund meiner Kritik: Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten 2014 um die 23,30 Tonnen CO2 pro Kopf ausgestoßen. Und belegen damit um den 6. Platz in der Welt-Topliste der CO2-ausstoßenden Länder. Katar auf Platz 1; von Kuweit, Bahrein und Saudi-Arabien umringt.

    Quelle: https://www.factfish.com/de/statistik-land/vereinigte%20arabische%20emirate/co2%20emissionen%20pro%20kopf Stand 2014

    Zum Vergleich Deutschland 8,89 Tonnen CO2 pro Kopf, Stand 2014.

    Auch kein Ruhmeszeugnis; wir verbrauchen ebenfalls für mindestens 3-4 Erdplaneten, obwohl wir wie alle Länder ztusammen nur einen haben. Da geht noch a bissi was. Doch die Emirate gehen schon steil auf den vordersten Plätzen des Charts mit ihrem CO2-Output.

    Für mich ist das nicht unbedingt vordringlich Democracy-washing (schon auch), sondern es ist astreines verlogenes green washing, was die Emirate mit ihrem Logo-Baumpflanzding betreiben. Hoffentlich pflanzen sie die Bäume wenigstens auch, die man mit seinen listigen “vorher-Cache-löschen”-Klicks bewirkt. Wer prüft das.

    Bäume pflanzen gehen ist toll – deswegen “google” ich immer öfter auf ecosia, der Baumpflanz-Suchmaschine, in der Hoffnung, dass ecosia es denn auch tut.

    Noch viel toller wäre es, wenn die Emirate, wenn alle, ihren verschwenderischen CO2-Ausstoß runterschrauben würden. Die emirate müssen kaum heizen, sie haben außer Ölgewinnung, Aluminiumproduktion (mit Erdgas als Energiebasis), Herstellung von Düngemitteln, Zement und anderen Baustoffen sowie Metallverarbeitung keine Schwerindustrie, auch keine Kohleverstromung wie Polen.

    Fester, flüssiger und gasförmiger Kraftstoffverbrauch machen den meisten CO2-Ausstoß der Emirate aus. Quelle: ebenda.

    Ein frohes Fest euch allen!
    Der Mor

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