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Die Plakate zur Landtagswahl 2021 in Baden-Württemberg

Wahlplakate Landtagswahl Baden-Württemberg 2021, Bildquellen: Bündnis90/Die Grünen, CDU, AfD, SPD, FDP, Bildcollage: dt
Wahlplakate Landtagswahl Baden-Württemberg 2021, Bildquellen: Bündnis90/Die Grünen, CDU, AfD, SPD, FDP, Bildcollage: dt

Das Superwahljahr beginnt am 14. März 2021 mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg. Der Wahlkampf wird, auch Corona-bedingt, ein anderer sein als in der Vergangenheit. Im Design Tagebuch werden die Plakate der aktuell im Landtag von Baden-Württemberg vertretenen Parteien vorgestellt und wir schauen uns an, ob es den Parteien gelingt, ihre politischen Themen und Botschaften gekonnt zu kommunizieren.

Die erste Landtagswahl des Jahres steht im Zeichen der Corona-Pandemie. Wahllokale werden am Wahltag öffnen, allerdings unter Auflagen und den dann geltenden Hygienevorschriften. Rund 7,7 Millionen Wahlberechtigte sind dazu aufgerufen ihre Stimme anzugeben. In Baden-Württemberg hoffen insgesamt 21 Parteien in den Wahlkreisen auf die Gunst der Wähler. Es wird damit gerechnet, dass eine große Anzahl von Bürgerïnnen vom Briefwahlrecht Gebrauch machen wird.

Da Veranstaltungen vor Ort nach wie vor nicht stattfinden können, konzentriert sich der Wahlkampf auf die Medien, insbesondere auf die digitalen, die von Kampagnenplanern nicht erst seit Corona mit besonderer Intensität bespielt werden. Ungeachtet dessen lassen es sich die Parteien auch dieses Mal nicht nehmen, Stadtviertel und ganze Landstriche für wenige Wochen mit ihrem Branding zu überziehen. Im Vergleich zur letzten Landtagswahl haben Parteien teilweise sogar doppelt so viele Plakate produziert und aufgehängt. Gelingt es den Parteien ihre Botschaften im Rahmen ihrer Kampagnen rüber zu bringen? Das schauen wir uns in diesem Beitrag anhand der jeweiligen Plakate an.

Schnelleinstieg:

Bündnis 90/Die Grünen

Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 Bündnis 90/Die Grünen – Plakat, Quelle: Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg
Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 Bündnis 90/Die Grünen – Plakat, Quelle: Bündnis 90/Die Grünen Baden-Württemberg

Bündnis 90/Die Grünen wollen sich als stärkste politische Kraft behaupten. Wie bereits 2011 und 2016 ist Winfried Kretschmann auch bei dieser Wahl ihr Spitzenkandidat. Der amtierende Ministerpräsident von Baden-Württemberg weiß, was die Menschen in Baden-Württemberg können, so jedenfalls die Botschaft auf einem der Motive. Wie schon bei der letzten Kampagne wird Kretschmann auf den meisten Motiven umgeben/umringt von Menschen gezeigt. Einer, der gut mit Menschen kann. Ein Mann des Volkes. Einer, der sich kümmert. Das jedenfalls wollen die Bilder einem zu verstehen geben. Im Vergleich zu 2016 sind die Motive heller, farbenfroher, was auch daran liegt, dass das die Sonnenblumen-Bildmarke jeweils mit einem grün-türkisfarbenen Strahlenfächer hinterlegt ist.

Alle Textaussagen, wie etwa „Bewahren heißt verändern“, sind getreu der Corporate-Design-Vorgaben der Grünen in der Arvo Grün gesetzt. Sprachlich auffällig ist dabei, dass in einigen Fällen in der dritten Person von Kretschmann gesprochen wird („Er denkt ans Ganze“, „Er weiß, was wir können“). Was nach einer Predigt in einem US-Gottesdienst klingt, fußt offensichtlich auf der Idee, die Kampagne aus der Perspektive der Wahlberechtigten, der Bevölkerung heraus anzulegen. Am deutlichsten wird dieser Ansatz anhand der Botschaft „Wachsen wir über uns hinaus“. Um diesen Appell der Geschlossenheit an die Bevölkerung zu richten, greift eine Diktion, die die Partei als Teil der Bevölkerung beschreibt und definiert und nicht etwa als Teil der Regierung.

An der Gestaltung der Plakate gibt es handwerklich kaum etwas auszusetzen. Im Vergleich zu den Motiven von SPD und FDP wirken die Motive der Grünen fast konservativ. Keine Spur von schrillem Grün-Magenta-Kontrast, wie er bei der Bundestagswahl 2017 noch vorherrschend gewesen ist. Woran sich sehr schön ablesen lässt, dass sich mit Erlangung von Regierungsverantwortung auch die Kommunikation neu ausrichtet. Wer regiert, schlägt mildere Töne an, kommuniziert gesetzter, auch auf der visuellen Ebene.

Betreut werden Bündnis 90/Die Grünen in Sachen Gestaltung/Kommunikation von der Agentur Wigwam. Die Fotos von Winfried Kretschmann hat Dennis Williamson gemacht.

CDU

Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 CDU – Plakat, Quelle: CDU Baden-Württemberg
Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 CDU – Plakat, Quelle: CDU Baden-Württemberg

Noch vor zehn Jahren trat die CDU BW ganz anders auf. Die Farbe Blau prägte damals das Erscheinungsbild der Partei, was der CDU den Look einer öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendung verlieh. Orange, ehemals Akzentfarbe, ist schon länger die dominierende Farbe der CDU. Auf Bundesebene setzt die CDU hingegen nunmehr auf die Nationalfarben Schwarz, Rot, Gold/Gelb. Dieses Farbspektrum erlaubt stärkere Kontraste und eine plakativere Gestaltung. Die Plakatmotive der CDU BW hingegen lassen, bezogen auf die fotografischen Motive, ausreichend Kontrast und Prägnanz vermissen. Der Name der Spitzenkandidatin und Ministerin Susanne Eisenmann sowie Wahlsprüche wie „CDU, weil wir uns überall so sicher fühlen wollen“ sind in einem aprikosenfarben Ton auf cremefarbenem Grund gesetzt. Die Lesbarkeit, gerade aus der Entfernung, ist deshalb denkbar schlecht, auch da ausschließlich Großbuchstaben zum Einsatz kommen. Denn merke: TEXTE IN VERSALSCHREIBUNG LASSEN SICH SCHLECHTER LESEN ALS TEXTE IN GEMISCHTER GROSS- UND KLEINSCHREIBUNG. Wer leserlich.info kennt, weiß das.

Das Motiv „CDU wählen, weil wir Verbrecher von heute mit der Ausrüstung von morgen jagen“ sorgte im Umfeld von Social Media für Spott. Die CDU hält ungeachtet der Kritik an dem Motiv fest, da eine solche Diskussion eben Sinn einer Kampagne sei, so Spitzenkandidatin Eisenmann. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die CDU im Rahmen ihrer Kampagne auf gendersensible Sprache verzichtet, siehe „Meister“, „Macher“ und „Verbrecher“. Die Pressestelle der CDU BW ließ die Frage unbeantwortete, ob gendersensible Sprache bei der Kampagnenplanung thematisiert wurde. Bei den Plakatmotiven der anderen Parteien wird diese Thematik, bedingt durch die unterschiedliche sprachliche Ausrichtung umschifft, bzw. tritt diese nicht in den Vordergrund.

Auf hochformatigen Themenplakaten werden Texte ohne jegliches Schmuckwerk zentriert gesetzt. Das schaut roh und erschreckend einfallslos aus, gehört jedoch zum Konzept: „Wir fokussieren uns auf reine Textbotschaften“, so eine Erklärung im Rahmen der Kampagnenpräsentation. Zumindest die Sprüche dieser Plakate lassen sich auch beim Vorbeifahren lesen. Insgesamt ein Design von nur geringer Gestaltungsqualität, welches die Schwächen des CDU’schen orangen Farbkonzepts offen legt.

Lead-Agentur der CDU BW, die auch für die Gestaltung der Plakate verantwortlich ist, ist Römer Wildberger (Berlin).

AfD

Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 AfD – Plakat, Quelle: AfD Baden-Württemberg
Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 AfD – Plakat, Quelle: AfD Baden-Württemberg

Bei der letzten Landtagswahl in Baden-Württemberg erreichte die AfD 15,1 % der Stimmen und wurde damit vor der SPD zur drittstärkste Kraft im Landesparlament. Die ursprünglich aus 23 Mandaten bestehende Fraktion verfügt aufgrund von Streitereien nurmehr 15 Sitze. Erst Anfang Februar hat die AfD-Basis Bernd Gögel zum Spitzenkandidaten der Partei gekürt. In ihrer Wahlkampagne setzt die AfD auf ein breites Themenspektrum und auf eine, im Vergleich zu 2016, deutlich veränderte Gestaltung.

Inzwischen verfügt die Partei, die 2013 gegründet wurde, auch über Corporate-Design-Richtlinien (siehe dt-Beitrag). Dementsprechend lässt sich, bezogen auf das visuelle Erscheinungsbild der Partei und deren Kampagnen, eine Professionalisierung beobachten, die sich in den letzten Jahren vollzogen hat. Entgegen allerdings der Gestaltungsvorgaben seitens der Bundespartei nutzt die AfD in Baden-Württemberg einen Kachel-ähnlichen Raster als Aufbau. Jedes Element, seien es das Logo, das Foto oder der jeweilige Wahlspruch, wird innerhalb dieses Rasters ein fester Platz zugewiesen. Das sorgt für Einheitlichkeit und Klarheit. Beim Logo, jeweils rechts unten platziert, handelt es sich um die sogenannte Kurzversion, bestehend lediglich aus den Anfangsbuchstaben des Namens. Die Partei setzt dabei auf den ihrer Ansicht nach mittlerweile „hohen Wiedererkennungswert“ der Abkürzung „AfD“.

Alle Plakate enthalten links unten am Rand eine schwarz-gelbe Fläche. Die Landesfarben von Baden-Württemberg sind „Schwarz-Gold“. Auch die Farbkennung der „Identitären Bewegung“, einer vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Gruppierung, ist Schwarz-Gelb. Gleiches gilt für die Proud Boys. In Thüringen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und in Sachsen wurde die AfD vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft. Die AfD geht gegen die mögliche Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall juristisch vor. AfD-Parteichef Meuten verwies derweil auf die Auflösung des besonders rechtslastigen Landesverbandes der Jungen Alternative im Bundesland Niedersachsen und den Beschluss, auf keinen Fall mit der völkisch orientierten Identitären Bewegung zu kooperieren.

Die für die Gestaltung der Plakate verantwortliche Agentur konnte trotz Nachfrage bei der Pressestelle der AfD BW nicht ermittelt werden.

SPD

Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 SPD – Plakat: Das Wichtige jetzt, Quelle: SPD Baden-Württemberg
Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 SPD – Plakat: Das Wichtige jetzt, Quelle: SPD Baden-Württemberg

Die SPD sieht mit ihrem Spitzenkandidaten und Landes- und Fraktionsvorsitzenden Andreas Stoch die Zeit gekommen, in der Politik aus der Zuschauerrolle raus müsse, so heißt es seitens der baden-württembergische SPD im Rahmen der Kampagnenvorstellung Anfang Januar. „Das Wichtige Jetzt“ lautet das Leitmotto zur Kampagne.

Maximal gekürzte Wahlsprüche wie „Schulen stärken“ werden in weißen, schmal-gestellten (condensed) Großbuchstaben in den fotografischen Hintergrund eingebettet und mit ihm verwoben. Ein Effekt, wie man ihn auch im Kontext On-Air-Design oder im Bereich Produktwerbung findet und für das es mittlerweile zahlreiche Tutorials gibt. Die Lesbarkeit ist trotz der enormen Größe der Lettern zum Teil eingeschränkt. Wer Schrift in dieser Weise verfremdet, dem geht es weniger um Lesbarkeit denn um Aufmerksamkeit. Die Motive wirken modern und dank dieses Stilmittels spielerisch. Auffällig ist der für die Partei sparsame Einsatz der Farbe Rot, der traditionellen Hausfarbe der Sozialdemokraten.

Insgesamt ein für die SPD ungewöhnlicher Look, was auch an dem SPD-Logo samt Rose liegt. Seit dem Parteitag Ende 2019 setzt die SPD verstärkt auf die Symbolik der Rose (siehe auch mein Tweet). Innerhalb der Sozialdemokratie steht die Rose international als Symbol für Solidarität und Frieden. Die Jusos tragen die Rose in ihrem Logo, auch die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Schwedens, ebenso ist sie seit je her das Erkennungszeichen der Sozialistischen Internationale und vielen mit ihr assoziierten Parteien. Die SPD setzt also auf eine Symbolik, welche seit Ende des 19. Jahrhunderts für den Sozialismus steht und heutzutage eine völlig heterogene Sammlung von Parteien und Bewegungen repräsentiert, um damit „die Neue Zeit“ einzuläuten. Ein scharfes, eindeutiges Profil lässt sich meines Erachtens damit kaum aufbauen.

Beraten wird die SPD im Wahlkampf durch die Agentur Richel/Stauss.

FDP

Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 FDP – Plakat, Quelle: FDP Baden-Württemberg
Landtagswahl Baden-Württemberg 2021 FDP – Plakat, Quelle: FDP Baden-Württemberg

Mit Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke bestreitet die FDP ihren Wahlkampf. Mit ihm möchte sie „einen neuen Impuls für das Land setzen“, so das Motto der Liberalen, das sogleich auch grafisch umgesetzt wurde. Konzentrische Ringe rahmen den Spitzenkandidaten ein und erzeugen eine Art psychedelischen Farb- und Formenrausch. Die FDP im Jahre 2021 ist, bezogen auf ihr Erscheinungsbild, zweifellos eine andere Partei als zu Zeiten, in denen Rainer Brüderle ihr Spitzenkandidat gewesen ist. Die ebenfalls von zahlreichen bonbon-farbenen Outlines eingefassten Wahlsprüche wie „Zwischen Familie und Karriere passt kein oder“ sind zwar kaum zu lesen, versprühen dafür jedoch reichlich Candy-Crush-Feeling. Aber bleiben wir bei der FDP.

Die Motive der FDP sind, dank „Impuls-Grafik“, im Stadtbild in jedem Fall ein Hingucker. Aufgrund ihrer auffälligen Machart erfüllen die Plakate ihren Zweck, im Sinne einer Erinnerungsfunktion zu wirken, der vielleicht wichtigsten Funktion eines Wahlplakates. Ob die Gestaltung dazu anregt, sich näher mit den Inhalten der Partei zu beschäftigen, auch dies eine weitere wichtige Funktion eines Wahlplakates, hängt sicherlich davon ab, ob man sich von einer solch knalligen und lauten Aufmachung angesprochen fühlt.

Sowohl auf Bundesebene wie auch in Baden-Württemberg wird die FDP im Rahmen ihrer Wahlkampagne von der Agentur HEIMAT (Berlin) betreut.

Gesamtfazit

Als Ursache für die Politikverdrossenheit vieler Menschen wird unter anderem gerne die Austauschbarkeit politischer Inhalte genannt. Die Plakatkampagnen der hier vorgestellten Parteien sind alles andere als austauschbar. Jede Partei sendet über die Gestaltung der Plakate visuelle Botschaften, die sich eindeutig von denen der Mitbewerber unterscheiden. Ein so klare Zuordnung wünschte man sich als unentschlossener Wähler auch des öfteren auf der inhaltlichen Ebene.

Die Zeiten, in denen Wahlplakate ausschauten, als seien sie während einer Parteisitzung ganz zum Schluss der Agenda entstanden, sind vorbei. Der Aufwand, der im Zusammenhang mit einer solchen Kampagne von den Parteien betrieben wird, wird von Jahr zu Jahr größer. Die Präsentation der Kampagnen werden mittlerweile als Medien-Event inszeniert und in allen digitalen Kanälen gestreut. Umso wichtiger ist es, die über die Plakate gesendeten Botschaften und visuellen Codes zu hinterfragen. Eine gute Möglichkeit sich mit den Inhalten der Parteien zu beschäftigen, bietet der Wahl-O-Mat. Der Wahl-O-Mat zur Landtagswahl in Baden-Württemberg wird am 10. Februar veröffentlicht.

Fußnote: Im Rahmen von Wahlplakatbesprechungen im dt werden Plakate von jenen Parteien berücksichtigt, die bei Wahlen in signifikantem Umfang Stimmen erhalten und/oder innerhalb der Gesellschaft relevant und in den Medien stark vertreten sind und/oder die im Bundestag vertreten sind. Auch Parteien, die zwar nicht in Landtagen und im Bundestag vertreten sind können berücksichtigt werden, sofern, gemessen an Umfrageergebnissen, eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese in ein Parlament einziehen. Ausgehend von bisherigen Wahlergebnissen in Baden-Württemberg sowie unter Berücksichtigung aktuellen Umfragen, bleiben die Plakate von Der Linke in dieser Besprechung unberücksichtigt.

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. Bei Wahlplakaten muss man deutlich zwischen den visuellen Gestaltungselementen und dem Wording, also der Herausarbeitung des »Marken«kerns unterscheiden.

    Die Grünen setzen den, wie ich finde, guten Trend fort und zersäbeln nicht mehr ihre Sonnenblume sondern setzen sie mehr denn je als zentrales Signet ein. Die Slab Serif ist auf jeden Fall bei den sonstigen Sans-Schriften ein guter Kontrast. Bei den Texten hat die Regierungspartei natürlich immer den Vorteil, das man auf die Erfahrung und Würde des Amts setzen kann, wenn die jeweiligen Regierungschef:innen nicht irgendwas kolossal vergeigt haben, was bei Kretschmann ja der Fall ist.

    Die CDU-Landesverbände setzen sich zusehends visuell von dem Design der Bundespartei ab, wie schon Sachsen so auch in Baden-Württemberg. Alles strahlt Wärme und Nähe aus. Von der Botschaft versucht man anscheinend mit allen Mitteln den Spagat zwischen den Sozis (AZUBIS!!!) und der AfD zu schaffen (SICHERHEIT!!! ALLE IN GEFAHR!!!).

    Dass bei der AfD was schief läuft haben sie auch endlich in ihr Corporate Design mit aufgenommen, das Visuelle ist… okay. B(l)ockig. Beim Wording versuchen die Rechten anscheinend einerseits, sich thematisch vielfältiger zu präsentieren als nur »DEUTSCHLAND DEN DEUTSCHEN!« und bedienen doch wieder Stereotype. Schwarze Faust, blonde Bengel, die GEZ gibt es in ihrer Form seit nun acht Jahren nicht mehr.

    Die SPD hat irgendwo auf ihren Servern die Rose wiederentdeckt. Man kann es nur als Versuch sehen, sich genau wie die CDU von der Bundespartei und der Verdruss-Koalition Schwarz-Rot zu distanzieren. Die Schrift knallt. Der Winkel der Fotografien von Oben fällt auf, der breite weiße Balken unten erinnert mich an Media Markt. Die Claims sind gewohnt SPD-ig.

    Auch die FDP setzt hart auf Kontrast. Während Christian Lindner noch Calvin-Klein-Reminiszenzen heraufbeschwor, erinnert mich das an Chupa Chups. Gerade bei den Typo-Plakaten wirkt es so, als wenn sie am Rand kein Geld mehr gehabt hätten, um das Poster vollständig zu bedrucken. Wie in so vielen Ländern setzt die FDP unter anderem auf Digitalisierung. Hier in NRW ist dahingehend seit der letzten Wahl auch nichts wirklich zu spüren gewesen.

  2. Ob’s im Gedächtnis bleibt, hin oder her, aber die Plakate der FDP sind meiner Ansicht nach ein absolutes No-Go. Und genau hier habe ich eben den Eindruck, das hat man am Ende einer langen Gesprächsrunde, wo jeder nun endlich Schluss machen wollte, noch flott durchgewunken. Statt Candy-Crush und Bonbon-Farben sehe ich hier eher 70er-Jahre-Disco-Werbung oder eine Karnevalsveranstaltung. Gleichsam wirkt es unfreiwillig komisch, wie diese extreme Aufmachung auf Hip und Grell mit einem eher älteren und berufsbedingt hüftsteifem Mann in Verbindung gebracht wird. Fehlt nur noch, dass er Basecap zur Krawatte trägt. Gleichzeitig ist er viel zu groß auf den Plakaten skaliert und wird vom Rand ungünstig abgeschnitten. Sorry, völlig daneben!

    Wie die CDU zu ihren Texten kommt, ist mir ein Rätsel. Die Formulierungen als Frage, die Verwendung von “so” mitten im Satz… Hinterlässt bei mir ein sehr hölzernes Bild.

    Typisch, dass insbesondere die Parteien, die angreifen, klarer ausformulieren, wofür sie stehen.

    Das türkisähnlichere Grün ist ein Gewinn für die Grünen. Das vorherige Grün, was mehr in den gelben Bereich sticht, ist gestalterisch eine unglückliche Farbe. Es gilt jedoch, das neue Grün nicht zu intensiv einzusetzen, da es sonst zu technisch wirkt, was wohl nicht im Sinne der Grünen sein dürfte.

    Bei den Plakaten der AfD stört mich etwas, dass alles zwar schief gestellt ist, das Logo jedoch nicht. Hier entsteht eine Uneinheitlichkeit.

    Wahlplakate sind ja auch der Witterung ausgesetzt, bekommen Wasserränder, werden wellig, etc. Für die Plakate von CDU und SPD, die entweder wenig Kontrast bieten oder verlangen, den Text trotz davorgestellter Bildmotive zu lesen, dürfte das am nachteiligsten sein.

    Bitte hier im dt nach Möglichkeit auch die Plakate von RLP diskutieren! Das, was man bislang schon sehen kann, ist es auf jeden Fall auch wert!

  3. Etwas Off-Topic, aber jetzt schon legendär dazu der Susanne “Servus, I bims 1 Nanni” Eisenmann-Spot: https://twitter.com/Zuckerschnute2_/status/1356215184927371267

    Immerhin wirbt die CDU hier in BW nicht wie sonst naturgemäß mit dem Thema Bildung über das Meister-Master-Wortspiel hinaus. Denn es ist das Kultusministerium, das seit 20 Jahren den Anschluss an die Gegenwart verloren hat. Das war zu meiner Schulzeit bis 2008 so und ist heute nicht anders.

    Insofern ist es nur konsequent, auch gestalterisch den Anschluss zu verlieren und zentrierten Text kursiv mit schlechtem Kontrast zu platzieren. Handwerklich genau das, was man von der CDU hier erwarten kann und insofern konsequent.

  4. Grüne find ich recht angenehm, im Vergleich zum Rest fast schon konservativ.
    CDU wieder maximal langweilig, wenn auch etwas besser als früher.
    AfD textlich halt AfD, wobei ich diese gekippte Linie arg störend finde, auch wenn sie “positiv” gerichtet ist.
    SPD überraschend gut, Bild und Wort bilden zudem eine Einheit.
    FDP im Drogenrausch.

  5. Dafür, dass Landtagswahlen im Zeichen der Corona-Pandemie stattfinden, sieht man auf allen Plakaten aller Parteien kaum etwas. Corona kommt da einfach nicht oder kaum vor.
    Es ist hinreichend seltsam

    Außer man will vage Sprüche über Sicherheit oder ein Foto auf dem 2 Personen Mundschutz tragen und “Einfach jedes Ziel erreichen!” drunter steht, unbedingt als Corona-Aussage einschätzen.

    Alle Plakate in der Gesamtbetrachtung und im Vergleich

    Auf dem ersten Blick Unerwartet 1: Corona ist auf keinem der Plakate aller Parteien ein Thema.

    Corona wird nicht konkreter thematisiert. Wundert auf den zweiten Blick vermutlich nicht, denn kaum jemand im Politbereich hat sich diesbezüglich in der Vergangenheit mit dauerhaftem Ruhm bekleckert, eher nur mit mehr oder weniger geschickter PR; keine der Parteien oder Ihrer prominenten Vertreter kann – Pandemie-bedingt – verlässliche Aussagen für die Zukunft treffen. Also lässt man für die Landtagswahl das Thema weg. Ob das klug ist, wird sich zeigen.

    Corona und wie sich die jeweiligen Ministerpräsidenten positiv oder negativ aufgeführt haben, wird bei Landtagswahl/en bei der teils sehr leidgeplagten Bürgerschaft sehr wohl ein Thema beim Kreuz setzen sein, wenn sie über Erinnerungsvermögen verfügt.

    Unerwartet 2:
    Die Farbe als Darsteller ist bei diesem Kino der Erwartungen und Wünsche gegen den Strich besetzt worden.

    Bei den Konservativen statt seriös reduziertes Corporate mehr Farbe. Will für den angesprochenen Mittelstand neu und frisch wirken.

    Bei den – für mich eher konservativ angesiedelten – Liberalen sogar ganze LSD-Räusche.

    Bei der rechten AfD zwar ängstlich akkurate Corporate-Farbe, aber immerhin schräge “Dynamik”.

    Die Grünen sehr im Corporate. Fast bürgerlich, zentrierter. Will vermutlich seriös sein.

    Bei den links-mitte Sozialdemokraten (SPD) statt des erwarteten balkigen Rot-Pink erstaunlicher Rutsch ins Seriöse, fast ins Designige. Entweder mehr Seriös-Weiß enthalten oder Monochrom.

    Mein Eindruck von allen:
    Man scheint häufiger den Wirkungen absichtlicher Optikbrüche im Plakat zu vertrauen. Die Textaussagen sind hingegen weniger disruptiv. Da traut man sich nicht.

    Außer die FDP, ehemals Partei der “Zahnwälte” und Karriere-bewussten gut verdienenden Selbständigen. Die lässt es nicht nur in den Farben, sondern auch in ihren Texten/Versprechungen disruptiv krachen:
    “Zwischen Familie und Karriere passt kein Oder!” und gibt sich in allen Texten unerwartet mehr sozial, absolut digital, mehr Grün. Ob das so stimmt, ist natürlich die andere Frage.

  6. Rein gestalterisch finde ich die Plakate der Grünen am gelungensten. Hochwertige Motive und ein modernes aber trotzdem noch seriös anmutendes Design. Passt denke ich auch ganz gut zu den Grünen BW.

    Die CDU ist an Langeweile kaum zu überbieten. Wenn man schon fast nur auf Text setzt, hätte man wenigstens eine interessantere Schrift wählen können. Ich fühle mich hier ein wenig an die BILD-ähnlichen Plakate der Linken erinnert, nur in möglichst zurückhaltend.

    An den AfD-Plakaten gibt es gestalterisch in meinen Augen nicht viel auszusetzen. Was mich hier vor allem stört, sind diese komplett austauschbaren Stockbilder. Das wirkt uninspiriert, unpersönlich und letztendlich auch billig.

    Die SPD hat hier ebenfalls einen schicken Ansatz. Allerdings wirken Logo und Claim etwas motivationslos darunter geklatscht. In meinem Kopf entsteht dadurch eine Schere zwischen Motiv und Absender.

    Die FDP hat leider völlig danebengegriffen. Vor allem die Textplakate mit dem weißen Hintergrund erinnern mich an meine ersten Versuche mit dem Konturentool in Photoshop. Absolut unförmig und schrill, man möchte gar nicht hinschauen.

  7. Auch interessant, dass die SPD für die Unterschrift die FridaysForFuture-Font Jost benutzt. Das wird wohl auch nicht von ungefähr kommen…

  8. Danke für diese Übersicht!

    Die Plakatgestaltung erschreckt mich ein wenig – aus ganz unterschiedlichen Gründen!

    Vorweg die Grünen: Die Gestaltung ist auf einem für Wahlkämpfe fast ungewohnt hohem Niveau. Die Fotos superprofessionell, die Grafik hochwertig und prägnant ohne dabei aber allzu schreiend zu wirken. Die Bild- und Grafikauffassung zeitgemäß oder „modern“, wenn man so will! Aber gleichzeitig wirkt sowohl Inhalt (Fotos/Claims/Layout) wie auch die Perfektion der Umsetzung stramm konservativ, deutlich konservativer als CDU oder CSU wohl jemals für sich in Anspruch nahmen. Gelebter Biedermeier, keine Provokation, angenehme, zartschmelzende Langeweile – und das bei den Grünen? Kaum zu glauben!

    Dem gegenüber stösst mich die Gestaltung der CDU Plakate richtiggehend ab. Vermutlich überinterpretiere ich das, aber ich sehe in dieser bewussten Anti-Gestaltung eine Hofierung einer leider auch typisch deutschen Kulturverweigerung, die hinter allzu ästhetischen oder hochwertigen Dingen stets nur „Abzocke“ vermutet. Die scheinbar immer noch salonfähige Bespielung der allgegenwärtigen, aber niemals näher benannten „Gefahr“ passt sich auf dem Niveau in die Kampagne wie die Terracotta-Wischtechnik ins Wohnzimmer. Treffsicher! Mir muss es ja wohl nicht gefallen, gleichwohl schaudert mich die Tatsache, dass hier wohl tatsächlich Menschen angesprochen und abgeholt werden.

    Die Plakate der SPD nehmen den Zeitgeist auf, bleiben in meinen Augen aber so inhaltsleer, wie man es der Partei im Bund zuweilen unterstellt. Das Gesamtbild empfinde ich als so „billig“, dass ich gar keine Lust habe mich damit auseinanderzusetzen (Wenn es wohl auch fachlich wunderbar umgesetzt ist…).

    Die FDP hingegen dreht völlig frei und bleibt sich nach Fallschirmsprüngen, Big-Brother-Auftritten und ähnlichen Peinlichkeiten treu – nun eben Drogenrausch! Hauptsache man macht maximal viel Lärm – für eine Nischenppartei vielleicht ein ertragreiches Konzept? Zumindest auf gestalterischer Ebene ist mir das vom Wesen her zu nah am Trumpismus. Da würde ich mir mehr Ernsthaftigkeit wünschen (Fast vergesse ich, dass ich auf ein Plakat der FDP gucke…)

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