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„Cadenabbia-Türkis“ und „Rhöndorf-Blau“ – die neuen Farben der CDU

CDU Logo, Quelle: CDU
CDU Logo, Quelle: CDU

Die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) hat gestern ihr neues visuelles Erscheinungsbild präsentiert. Mit neuem Logo, neuen Farben und neuem Corporate Design möchte die Partei, wie es heißt, „ein Zeichen für die Erneuerung und den Zusammenhalt“ setzen.

Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde gestern in Berlin im Konrad-Adenauer-Haus von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und der stellvertretenden CDU-Generalsekretärin und Leiterin des Kommunalbüros Christina Stumpp das zukünftige visuelle Erscheinungsbild der CDU vorgestellt. Das komplette Corporate Design wird modifiziert, einschließlich Logo, Farbgebung, Typographie und Bildsprache. Das besondere hierbei: das Corporate Design umfasst nicht nicht nur das Erscheinungsbild der Partei auf Bundesebene, auch das visuelle Profil auf Landes- und kommunaler Ebene werde sich ändern. Ziel ist es, wie Stumpp erklärt, dass die CDU so zukünftig über alle Ebenen hinweg mit einem einheitlichen visuellen Erscheinungsbild auftritt.

Auszug Social Post auf facebook.com/CDU/

Wir haben ein neues Corporate Design, das aus unserer DNA kommt, auf Augenhöhe mit den Menschen und der Zeit ist. Es ist ein kraftvoller, einheitlicher Auftritt, der dennoch die #Vielfalt unserer Partei abbildet. Wir treten als starke und zuversichtliche #Einheit auf. Die CDU ist die große #Volkspartei Deutschlands. […] Der neue CDU-Bogen ist unser starkes Symbol. Er steht für Aufbruch, Erneuerung, Modernität. Seine Farben zeigen: Wir sind die #Deutschlandpartei!

CDU Corporate Design – Farben, Quelle: CDU
CDU Corporate Design – Farben, Quelle: CDU

„Farbe bekennen“, „Flagge zeigen“ und „Zeichen setzen“ – so einige Textbotschaften im begleitenden Präsentationsvideo. Zentrales Gestaltungsmerkmal des Corporate Designs sind die Farben, mit denen die CDU zukünftig ihren Wahlkampf bestreiten und politische Inhalte zu kommunizieren beabsichtigt.

Nicht etwa Cannabis-Grün, sondern „Cadenabbia-Türkis“ fungiert fortan als Primärfarbe. Ergänzt um ein zum Anthrazit tendierenden Dunkelblauton, für den die Bezeichnung „Rhöndorf-Blau“ erdacht wurde. Mit Türkis verbindet die Partei Attribute wie Vitalität, Zuversicht und Freiheit, mit dem Dunkelblauton Substanz, Kompetenz und Sicherheit.

Die den Farbnamen vorgestellten Bezeichnungen haben mit der Farben-Nomenklatur nichts, dafür viel mit der Geschichte und der Programmatik der Partei zu tun. Ergebnis der sogenannten Rhöndorfer Konferenz (1949) war es, einer Kleinen Koalition (bestehend aus Unionsparteien, FDP und DP) gegenüber einer Großen Koalition (mit der SPD) den Vorzug zu geben. Cadenabbia, am Comer See gelegen, ist nicht nur als Urlaubsort Konrad Adenauers bekannt. Der Ortsname steht aufgrund der hier stattfindenden Fachtagungen synonym für die Arbeit der Christdemokraten am neuen Grundsatzprogramm. Geplant ist, das Grundsatzprogramm zum Parteitag im Mai 2024 zu beschließen.

CDU Logo – vorher und nachher, Bildquelle: CDU, Facebook, Bildmontage: dt
CDU Logo – vorher und nachher, Bildquelle: CDU, Facebook, Bildmontage: dt

Seit vielen Jahrzehnten nutzt die CDU auf Bundesebene eine rote Wortmarke als Logo. Insbesondere auf Landesebene tritt die CDU allerdings sowohl farblich wie auch die Formgebung des Logos betreffend sehr uneinheitlich auf, wie zuletzt hier im dt im Beitrag über Politische Farben thematisiert wurde. Fortan ist die Wortmarke nicht nur auf Bundesebene schwarz, nach Vorstellung der Parteiführung sollen mittel- bis langfristig auch alle Kommunal- und Landesverbände diesen neuen Stil übernehmen.

Ergänzt wird die CDU-Wortmarke ab sofort durch eine Bildmarke, welche der Wortmarke vorgestellt ist. Die aus drei vertikalen Balken bestehende und als „Bogen“ bezeichnete Bildmarke beschreibt eine von links nach rechts ansteigende Kurve – eine Art der Darstellung, die allgemein als positive Entwicklung verstanden wird.

Standardmäßig wird die Bildmarke in den Nationalfarben Schwarz, Rot, Gold/Gelb dargestellt. Diese kann jedoch auch, im Sinne einer Maske, fotografische Abbildungen enthalten und so unterschiedlich farblich sein. Die seit nunmehr fünf Jahrzehnten verwendete weiße Kachel als Hintergrund/Korpus bleibt auch zukünftig erhalten. In einem von der Partei veröffentlichten Corporate-Design-Manual finden sich erste Anwendungsbeispiele des neuen Designs.

CDU Corporate Design – Anwendungsbeispiele, Quelle: CDU
CDU Corporate Design – Anwendungsbeispiele, Quelle: CDU

Im Zuge der Umstellung des Corporate Designs erhält die CDU eine neue Hausschrift. Die zum Europawahlkampf 2004 eingeführte Kievit wird nach knapp zwanzig Jahren abgelöst und durch die Inter ersetzt, beides Serifen-lose Schriften. Die Inter gehört zu den zehn populärsten und am meisten verwendeten Google-Fonts.

Entstanden ist das Corporate Design in Zusammenarbeit mit der Agentur Guru (Hamburg). Auch ein eigenes Sound-Branding sei in Arbeit.

Kommentar

Der übliche Weg bei einem Design-/Markenprozess ist folgender: Zunächst wird ein Leitbild, Kerninhalte und Schlüsselbegriffe entwickelt und formuliert. Kerninhalte und Werte, für die eine Marke steht. Dies geschieht in Workshops, Fokusgruppen-Meetings, Interviews, Umfragen und anderen Gesprächsformaten und zieht sich gerne über viele Monate. Erst im nächsten Schritt wird eine zum Leitbild und zu den Inhalten passende visuelle Entsprechung erarbeitet. Auf diese Weise kann eine klare, in sich schlüssige Gesamtkommunikation entstehen. Ein umgekehrtes Vorgehen, so wie es die CDU macht, birgt immer die Gefahr, dass das visuelle Erscheinungsbild mit den Kerninhalten wenig oder nicht korrespondiert. Sollte sich beispielsweise bestätigen, wie es erste Anwendungsbeispiele suggerieren, dass die CDU Klimaklebern/-Aktivisten den Kampf ansagt, wäre eine ins Grün changierende Farbgebung nur bedingt passend/vorteilhaft. Sicherlich hätte man auch bis Mai 2024 mit der Einführung eines neuen Corporate Designs warten können. Im Hinblick auf die Wahlen in NRW und Berlin wollte man offenbar jedoch nicht, Stichwort Wind mitnehmen.

Die ähnlich-klingenden Schlagzeilen in den Medien – CDU erhält ein neues Logo – beschreiben nicht ansatzweise das mit dem Redesign verbundene Ziel und den dahinter stehenden Umfang. Sollte die Umstellung auf ein bundesweit einheitliches Erscheinungsbild tatsächlich gelingen, wäre dies nicht nur ein Novum im deutschen Politikbetrieb, die Maßnahme wäre eines der umfangreichsten Redesigns/Rebrandings überhaupt, bezogen auf Deutschland. Ich bin offen gesagt skeptisch, ob diese Aufgabe gelingen kann, auch da die beiden Generalsekretäre im Rahmen der Pressekonferenz, wie ich finde, nicht überzeugend darlegen konnten, ob/wie das Designkonzept bis auf Kommunalebene durchgesetzt werden kann/soll. Eine Partei ist kein Unternehmen, das derlei Maßnahmen schlichtweg anordnen und auf die Umsetzung bestehen kann. Selbst mit breiter Unterstützung der Basis dürfte sich der Prozess über viele Jahre hinziehen. „Ein, zwei Jahre“, so O-Ton Linnemann, werden dafür sicherlich nicht ausreichen. Realistischer scheint mir ein Zeitrahmen von fünf bis zehn Jahren. Ein in jeder Hinsicht äußerst ambitioniertes Projekt.

Blau-türkises Farbspektrum europäischer Parteien, Grafik: dt
Blau-türkises Farbspektrum europäischer Parteien, Grafik: dt

Viel wesentlicher, bedeutender und weitreichender als der Farbwechsel im Logo von Rot zu Schwarz ist die Einführung von Türkis als Primärfarbe/Hausfarbe. Wesentlicher, da die Primärfarbe das visuelle Erscheinungsbild einer Partei (oder eines Unternehmens) viel stärker prägt und einen deutlich größeren Einfluss auf die Wahrnehmung der damit verbundenen Entität hat als das Logo. Aktuell reicht das Farbspektrum der CDU von Orange, Cyan, Petrol, Stahlblau bis hin zu Umbra und Khaki. Nun kommen, vorerst, Türkis und Dunkelblau hinzu. Langfristig sollen diese beiden Töne alle anderen Farben ablösen. Auch Parteien sind darum bemüht im Visuellen Alleinstellungsmerkmale herauszubilden, anhand derer sie im politischen Wettbewerb erkennbar sind. Gerade Farben sind in dieser Hinsicht von unschätzbarem Wert.

Türkis als Erkennungsmerkmal der CDU tritt erstmals entscheidend im Zuge der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022 in Erscheinung. Bekanntlich ging Hendrik Wüst als Sieger der Wahl hervor. Nachhaltig sichtbar wurde Türkis zudem im Rahmen der letzten Berlin-Wahl, bei sich ebenfalls die CDU rund um Kai Wegner als stärkste Kraft durchgesetzt hat. Wenig überraschend wird diese Art des Kampagnendesigns von der CDU als Erfolgsmodell angesehen. Ähnlich verfahren auch andere Parteien, indem sie Landtags-Kampagnendesigns auf Bundesebene adaptieren. Wenn sich Erfolg im Politischen so leicht herbeiführen ließe … .

Auch andere konservative Parteien, darunter die österreichische ÖVP, verwendet einen Türkiston als Primärfarbe. Blau ist die bei konservativen Parteien in Europa am meisten verwendete Farbe. Ebenso nutzt die Europäische Volkspartei (EVP) einen Blauton (siehe Grafik). So gesehen ist ein Blauton für die CDU eine passende, logische Farbwahl. Viel logischer etwa als das unter Ole von Beust eingeführte und später unter Angela Merkel verwendete Orange. Dass nun Türkis, eine Mischfarbe zwischen Grün und Blau, plötzlich zur „DNA der Partei“ gehört, darf man getrost als Marketing-Sprech abtun. Ein beliebtes, inhaltsleeres „Buzz“-Wort, das Eindruck schinden soll.

Farben Podium – CDU / AfD, Fotos/Screenshots: CDU/Facebook, ARD/Tagesthemen, Bildmontage: dt
Farben Podium – CDU / AfD, Fotos/Screenshots: CDU/Facebook, ARD/Tagesthemen, Bildmontage: dt

Ein vor Ort in Berlin anwesender Journalist möchte von Linnemann erklärt haben, formuliert als Unterstellung, weshalb die CDU, nun in ihrem Corporate Design einen Blauton verwendend, in Richtung AfD gehe. Nicht erst seit dem Thüringen-Votum ein Thema, das von den Medien hinterfragt und in jeder erdenklichen Ausprägung gespielt wird. Auch weil es Aufmerksamkeit und Klickzahlen verspricht. Nüchtern betrachtet lässt sich sagen, dass zwischen dem Hellblau der AfD und dem Türkis der CDU Welten liegen, zumindest im Kontext digitaler Medien und Anwendungen. Interessant und spannend wird es dort, wo nicht stark leuchtende, kontrastreiche RGB-Farben zum Einsatz kommen.

Bei gedruckten Medien nämlich (Plakate, Broschüren, Stellwände, u.a.) werden weniger kontrastreiche CMYK-Farben verwendet. In bestimmten Konstellationen und Lichtszenarien verringert sich zwangsläufig der Unterschied zwischen Türkis und Hellblau. Da überdies die deutschen Nationalfarben sowohl bei der CDU wie auch bei der AfD als zentrales Gestaltungsmerkmal zum Einsatz kommen, kann man schon, wie ich meine, in einzelnen Fällen eine gewisse Ähnlichkeit bescheinigen (siehe Gegenüberstellung). So wie der neue CDU-Bogen beschreibt auch die Pfeil-Bildmarke im Logo der AfD eine nach rechts oben gehende Kurve. Dies insgesamt als eine Angleichung beider Parteien zu interpretieren, ist aus journalistischer Sicht legitim. Allerdings: wie ein Design im Einzelfall aus journalistischer Perspektive beurteilt wird, ist weniger relevant. Entscheidend ist, wie ein Design im Kontext der wichtigsten Anwendungen von der Zielgruppe erfasst und bewertet wird. Die Frage ist demnach: Ist das neue CDU-Design in dieser Hinsicht ausreichend differenzierend? Für mich lässt sich dies, da noch zu wenige Anwendungen mit dem neuen CDU-Design umgesetzt wurden, derzeit nicht beantworten. Mal schauen, wie sich das in drei, vier Jahren darstellt.

CDU Logo (historisch), Quelle: CDU
CDU Logo (historisch), Quelle: CDU

Die CDU-Wortmarke war übrigens nicht, wie Carsten Linnemann im Rahmen der Pressekonferenz behauptet, „schon immer rot“. Tatsächlich hat die Partei in ihrer Historie diesbezüglich ein vergleichsweise sehr breites Farbspektrum abgedeckt. Blau, Gelb, Grün, Orange, Braun über Schwarz bis Rot – alles kam schon einmal im CDU-Logo vor. Richtig ist zudem nicht, wie die Sprecherin der CDU erklärt, eine rote Wortmarke würde seit 1972 verwendet. Gut dokumentiert ist (PDF, KAS), dass die CDU mindestens seit 1965 eine rote Wortmarke einsetzt, wenn auch nicht durchgängig. Durchgängig, bis über alle Instanzen hinweg konsistent, war das Corporate Design der Partei allerdings noch nie. Wie auch das Corporate Design anderer Parteien nicht.

Randnotiz: Eine Textbotschaft im begleitenden Präsentationsvideo lautet „Klartext reden“. Gewissermaßen im gleichen Atemzug auf den ersten Anwendungsbeispielen – wie durchaus üblich – einen Blindtext zu verwenden, eine sinnlose Verfälschung eines lateinischen Textes also („Lorem ipsum …“), entbehrt nicht einer gewissen Komik.

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Dieser Beitrag hat 70 Kommentare

    1. Ich auch. Sofort. Und so etwas fällt den Marketingexperten nicht auf? on Wahlergebnissen noch nie etwas gehört, dass das mit Parteien zusammenhängt und genau das zeigt?

      Und auch denjenigen bei der CDU die solch einen Vorschlag abnehmen? Ich kann nur den Kopf schütteln und verstehe anscheinend nicht genug vom Thema.

      1. Schimpf mal nicht so rum. Was sind die offensichtlichen Alternativen?
        * Deutschlandflagge andersrum sorgt für einen fehlenden Kontrast zur Wortmarke, sieht aus wie iCDU.
        * Horizontale Balken stehen nicht für das Wachstum und sehen wie -CDU aus.
        * Flagge nach rechts sieht aus wie erst die Partei, dann Deutschland.

        Da ist die gewählte Variante noch immer die Beste.

        1. Der verlauf der kurve erinnert an exponentielles wachstum, etwa während einer pandemie, oder auch den globalen temperaturverlauf.
          Rein grafisch läge eine schräge einteilung mit gleichem neigungswinkel wie bei den buchstaben nahe. Dann vielleicht das rechteck zu einem dynamischen parallelogramm mit den gleichen winkeln machen.
          Tja, diese erfrischende schwimmbadfarbe … ist mir eigentlich sympathisch, erinnert mich an nahverkehrszüge der Deutschen Bahn in den 1980er/90er jahren, oder halt die ÖVP …

          1. “erinnert an exponentielles Wachstum”

            Das ist sicher der platte Gedanke.
            Ich finde das Ganze brutal unoriginell.
            Dafür kann man es auf mehreren Ebenen mißinterpretieren.

  1. Hat mich sofort an die ÖVP erinnert, mit dem großen Unterschied, dass die CDU anscheinend alle ihre Orts-, Kreis und Landesverbände unter das selbe Design bringen möchte (ich bin gespannt wie es wird und ob dann jegliche lokale Anspielungen, wie z.B. Sehenswürdigkeiten oder Flaggen, weg fallen. Würde einen Verlust der regionalen Identität darstellen, meiner Meinung nach). Die ÖVP unterscheidet sich im Design heute in ihren Landesverbänden ja so sehr von der Mutterpartei (teilweise sogar komplett andere Namen), dass man ja schon fast von einer anderen Partei sprechen kann. Dieses extrem find ich wiederum auch zu krass, es fehlt dann einfach an Wiedererkennungswert der Partei.

    Ich muss aber auch Roger recht geben: die drei Farben kann man natürlich auch als Balkendiagramm bei einer Wahl mit den Parteien CDU, SPD und FDP interpretieren, und die CDU kommt demnach bei den Wahlergebnissen am schlechtesten weg.

      1. Das mit dem Georgischen Parlamentsgebäude hatte ich auch schon mitbekommen. Das sind ja keine super krassen Fehler – aber trotzdem find ichs traurig: was ist denn mit „uns“ (als Branche) los, dass wir sowas nicht fehlerfrei auf die Bühne bringen? Ist das der digitale Geist? „Korrigieren wir später?“

        Come on, das geht doch besser!

        1. Das denk ich mir beinahe täglich… mir fehlt sehr oft der Qualitätsanspruch an einen selbst. Der Wille, ein Projekt so perfekt abzuliefern, als wäre es das eigene. Aber vielleicht zählt heutzutage doch Quantität und schnelles Handeln mehr als Qualität und Vollständigkeit. Selbst bei der Entwicklung eines Corporate Designs.

        2. was ist denn mit „uns“ (als Branche) los

          Ich sehe nicht, dass es in der Branche etwa an handwerklicher Qualität, Kompetenz, Kreativität und Hingabe/Herzblut mangelt.

          Es ist nur so: Zwei wesentliche Faktoren beeinflussen, lange bevor die eigentliche Kreationsphase beginnt, die Qualität eines Markendesigns, und zwar unmittelbar und in entscheidender Weise:
          1. Die Ausgestaltung des Pitches / Wettbewerbs bzw. der Ausschreibung
          2. Die Art und Weise, wie Auftraggeber und Auftragnehmer im Rahmen des Projektes miteinander arbeiten / kooperieren

          Der Designprozess beginnt nicht erst mit der Teilnahme der Agenturen am Pitch. Er beginnt im Grunde noch bevor die Leistungsbeschreibung verfasst wird. Denn schließlich wurde in internen Beratungen und Konsultationen beschlossen, dass sich die Dinge ändern sollen. DIES ist der Beginn des Designprozesses.

          Das große Problem ist, so jedenfalls mein Eindruck, dass während dieser ersten Phase in aller Regel Design- und Markenverständnis wenig bis gar nicht ausgebildet ist. Was den späteren Verlauf des Prozesses bereits entscheidend beeinflusst. Beim Aufsetzen der Leistungsbeschreibungen wird oftmals nach Schema F verfahren. Nicht nur gehört das Vergaberecht reformiert, unter anderem weil es unfaire Arbeitsbedingungen fördert und Preisdumping Vorschub leistet, Auftraggeber sollten zudem diese Art des Vorgehens hinterfragen, schon aus Eigeninteresse heraus. Was jedoch nur sehr selten geschieht. Es ist dies kein Designbranche-spezifisches Problem! Das Ergebnis sind schlechte Leistungen, auch schlechte Kreativleistungen (beispielsweise aber auch mangelhafte Bauleistungen).

          Wenn man sich die Pressekonferenz der CDU zu Gemüte führt, dann fällt auf, auch dem Laien, wie wenig Substanz inhaltlicher Art die Partei in den Personen Linnemann und Stubb hier präsentiert und bietet.

          Kleiner Sidestep: im Rahmen der CXI-Konferenz stellen Unternehmen zusammen mit ihren Agenturen Markendesigns vor. Man spürt als Zuschauer geradezu physisch, wie beide Seiten im Austausch miteinander stehen und wie sie für IHRE Idee und das GEMEINSAME Projekt brennen. Ein Dialog auf Augenhöhe wird erkennbar. Aber auch ein fairer Widerstreit, im Ringen um das beste Ergebnis.

          Linnemann erklärt im Rahmen der Pressekonferenz auf die Frage, was die Gründe waren Türkis als Farbe auszuwählen völlig teilnahmslos, um nicht zu sagen emotionslos: „Die Farbe wurde jetzt so genommen.“ Und weiter: „Es gab einen Wettbewerb mit verschiedenen Agenturen. Und diese Agentur hat sich für diesen Weg entschieden. Und den haben wir unterstützt.“

          Diese Zeilen sagen sehr viel aus, über den gesamten Entstehungsprozess. Auch über den eigenen Anspruch. Es scheint nämlich keinerlei Zusammenarbeit gegeben zu haben. Ich war nicht dabei, deshalb der Konjunktiv. Aber die Präsentation und das Ergebnis sprechen Bände. Es ist dann auch wenig überraschend, dass handwerkliche Schnitzer erkennbar werden. Die Schnitzer sind die Folge des Pitches. Und für den Pitch trägt der Auftraggeber die Verantwortung. Im Deutschen gibt es die Redewendung: wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Wer unachtsam Aufträge vergibt, darf sich nicht wundern, wenn Auftragnehmer unachtsam sind.

          Übrigens:

          2013 hatte die FDP im Rahmen ihres Landtagwahlkampfs in BW Stock-Videomaterial verwendet, das auch die NPD und ein finnischer Quarkhersteller eingesetzt haben (Zeit).

          Im Wahlkampf 2022 in Niedersachsen war auf einem Plakat der Grünen ein signifikanter Rechtschreibfehler (NDR).

          Die AfD warb mit dem Slogan „Hol Dir Dein Land zurück!“, und zeigte auf einem Plakat das schweizer Matterhorn (SZ).

          etc.

  2. Was mir auf technischer Ebene auffällt, ist die schlechte Lesbarkeit von weißer Schrift auf gelbem Fond. Das weiß man doch eigentlich zu vermeiden. Auch die Abkürzung PNT für Pantone ist eher nicht gängig, hier hätte ich mit PMS gerechnet. Und Anwendungsbeispiele “Serviervorschläge” zu nennen, ist dann schon fast komisch. Ein Update wird es wohl im Oktober geben, ich bin gespannt.

  3. Ich bin ja kein Journalist, aber die (zu diskutierende) Nähe zur AfD war tatsächlich mein erster Gedanke: die Afd ist blau, die CDU jetzt türkis, quasi eine „AfD light“?

    Man muss das freilich nicht überbewerten, trotzdem wundere ich mich, das man dieses PR-Risiko eingeht. Man war quasi „orange“, auch wenn ich diese Farbe immer als unnatürlich für die CDU empfand, war die Not sooo groß, dass man genau jetzt zurück ins Blau-spektrum musste?

    Es hilft ja nichts über vergossene Milch zu weinen, aber hier wird in meinen Augen auch deutlich, wie prekär es für die CDU war, in ihrem Erscheinungsbild herumzumäandern, anstatt stur eine Farbe „besetzt“ zu halten. Jetzt hat sich die AfD erfolgreich das „konservative Blau“ gesichert und der CDU diese Tür vor der Nase zugeschlagen…
    Tja, jetzt muss man nehmen was übrigbbleibt: Ein zahnarzt-türkis. Die farbe, die in den 90gern mal überall war, und dann ganz schnell mehr nirgendwo (zum Glück!).
    Ganz subjektiv: konservativ, sauber, steril wirkt das auf mich, auch kalt. Auch bin ich gespannt, wie das am Ende mit Hauttönen zusammengeht, könnte arg fad werden.

  4. Mir gefällt vor allem der orangene Gelbton. Und auch schön, dass die Wortmarke schwarz ist. Das Türkis erinnert natürlich an die ÖVP und Kurz. Ein dunkles Blau hätte wäre vielleicht besser gewesen.

  5. »Auch bin ich gespannt, wie das am Ende mit Hauttönen zusammengeht, könnte arg fad werden.«
    Das wird doch dann mit dem angeteaserten Farbverlauf überlagert. 😉

    Spaß beseite: Ich finde auch, das ist so quasi in allen Belangen ein ziemlicher Rückschritt. Das Logo als Eigentor-Wahlprognose, die Farben vom Zahnarzt und eine gut lesbare freundlich anmutende Hausschrift(!) wird durch einen sterilen Freefont ohne jegliche identitätsstiftende Eigenschaften ersetzt. Traurig.
    Und ja: »Deutschland kann das besser!«

  6. Nun bildet die CDU farblich (türkis, Deutschlandfarben) zumindest das ab, was sie eh ist: Eine politisch rechte Partei*. Die visuelle Annäherung zur AfD passt also zumindest in der Hinsicht.

    Ein Versuch möglichst objektiver Designkritik: Es sieht nach DAX Unternehmen aus, nicht nach Partei, die sich um Volksnähe bemüht. Ob damit die erhofften Wähler angesprochen werden und sich ernst genommen fühlen? Ohne zu tief einzusteigen, politisches Hauptproblem in DE ist ja mutmaßlich, dass manche Wähler sich nicht abgeholt fühlen. Dass “die da oben” die Probleme des “kleinen Mannes” nicht ernst nehmen würden, ja nicht mal sehen würden. Ob ein derartig konzerniger Auftritt da hilft?

    *Ja, die CDU ist rechts nach politischer Definition. Das heißt nicht, dass sie rechtsradikal sei, sondern dass die Positionierung auf der politischen Skala rechts der Mitte ist (die CDU ist so wenig politische Mitte wie Friedrich Merz zur Mittelschicht gehört).

  7. Dass die Wortmarke nun schwarz ist, ist nur konsequent. Wird die CDU seit Anbeginn in Wahldiagrammen auch immer schwarz dargestellt. Das Zusammenspiel von Bild- und Wortmarke missfällt mir. Die senkrechten Balken und die kursive Wortmarke wollen nicht so recht zusammenkommen. Man könnte meinen, dass sich die CDU von Deutschland weg neigt. Keine schöne Interpretation für eine Volkspartei. Zudem ist die Bildmarke mit ihren 3 ansteigenden Balken doch sehr vom Finanzsektor überstrapaziert. Dass die Bildmarke schlecht passt sieht man auch gut bei 1-farbigen Anwendungen auf dem neuen Türkis. Ich denke, dass eine neue Wortmarke ohne Schrägstellung besser gepasst hätte (mehr Solidität, mehr Konsistenz und Verlässlichkeit ausdrückend).

    Der Ansatz, den Auftritt einheitlich auf allen Ebenen zu spielen jedoch begrüße ich. Alles ist heute eine Marke. Auch eine Partei. Entsprechend sollte der Auftritt aller Teile eine gewisse Stringenz aufweisen. Ich bin gespannt, wie Ortsverbände etc. angebunden werden.

    Ein wenig mehr Innovation wäre doch auch schön. Vlt. hätte man im Stile Twitter nur noch “U” aus der Partei machen sollen.

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