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Bundesverfassungsgericht erhält (erstmals) ein Corporate Design

Bundesverfassungsgericht Logo / Bundesadler, Quelle: Bundesverfassungsgericht
Bundesverfassungsgericht Logo / Bundesadler, Quelle: Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht, das höchste Gericht in Deutschland, ist derzeit dabei sich ein neues visuelles Erscheinungsbild zuzulegen. Mit Hilfe eines modernen und zeitgemäßen Corporate Designs möchte das Gericht, wie es im Rahmen der Presseerklärung erklärt, Bürgernähe und Unabhängigkeit zum Ausdruck bringen.

Das Bundesverfassungsgericht, 1951 gegründet, ist neben Bundestag, Bundesrat, Bundespräsident und Bundesregierung eines der fünf ständigen Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland. Das Gericht ist unabhängig und unterliegt keiner Dienstaufsicht, untersteht also auch keinem Ministerium.

In einer Ende letzter Woche veröffentlichten Pressemeldung kündigte das Gericht entsprechende Maßnahmen zur Erneuerung des visuellen Erscheinungsbildes an. Erstmals in seiner Geschichte wird das Bundesverfassungsgericht damit ein durchgängiges Corporate Design (CD) erhalten. Zeitgleich mit der Ankündigung wurde, als erstes sichtbares Zeichen der Modernisierungsmaßnahmen, die Website des Bundesverfassungsgerichts mit einem neuen Logo versehen.

Auszug der Pressemeldung

Um den Bürgerinnen und Bürgern die Tätigkeit des Gerichts noch näher zu bringen und ihnen den Zugang zum Gericht sowie seinen Entscheidungen und sonstigen Tätigkeiten weiter zu erleichtern, werden in diesem Jahr mehrere Maßnahmen umgesetzt, die gerade das bewirken sollen. Als ersten Schritt verwendet das Bundesverfassungsgericht ab Anfang März für seine Entscheidungen und seinen nach außen gerichteten Schriftverkehr ein neues einheitliches Erscheinungsbild (corporate design). Dieses ist durch ein modernes, klares und besonders gut lesbares Schriftbild sowie durch einen neu gestalteten Adler als Hoheitszeichen gekennzeichnet.

Im Zuge der Erstellung des Corporate Designs erfährt das Logo ein Redesign. Es ist das erste Mal überhaupt, dass für das seit 1951 bestehende Verfassungsorgan ein einheitliches visuelles Erscheinungsbild erstellt wird. Die Außendarstellung des Gerichts war, bezogen auf die Kommunikation und die visuelle Gestaltung, seit je her uneinheitlich. Verbindliche Gestaltungsvorgaben (Styleguide) gab es bislang nicht.

Logo – vorher und nachher

Bundesverfassungsgericht Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Bundesverfassungsgericht, Bildmontage: dt
Bundesverfassungsgericht Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Bundesverfassungsgericht, Bildmontage: dt

Erste sichtbare Veränderung und damit gewissermaßen Vorbote einer neu justierten Außendarstellung ist das Logo, das seit wenigen Tagen im Kontext digitaler Medien Verwendung findet. Beide Elemente des Logos, Wortmarke und der Bundesadler als Bildmarke, wurden modifiziert. Im Kontext Kommunikationsdesign gibt es im Grunde kaum bedeutungsvollere Zeichen und Symbole als Bundesflagge und Bundesadler, vom Kreuz einmal abgesehen. Entsprechend aufmerksam dürfte der Umstellungsprozess in Fachkreisen verfolgt werden.

Statt in einer Serifenschrift (Droid) ist die Wortmarke nun in einer Serifen-losen Schrift gesetzt, und zwar in der von Akira Kobayashi gezeichneten Akko. Vor dem Hintergrund der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts ist klar, dass im zukünftigen CD nicht die Hausschrift etwa der Bundesregierung, die Bundes Sans, zum Einsatz kommen kann. Auch im Typographischen braucht es also Eigenständigkeit.

Die Schrift Akko kam bereits in einigen vom Bundesverfassungsgericht veröffentlichten Medien zum Einsatz, etwa im Jahresbericht 2020 (PDF). Seitens Linotype, dem Kobayashi als Type Director vorsteht, wird die Akko als „perfekte stilistische Mischung der nüchternen, sachlichen Normschrift DIN Next und der eher organischen Cooper Black“ charakterisiert. Die neue Form der Wortmarke knüpft also an bestehende respektive frühere Gestaltungsmerkmale an. Eine einheitliche Struktur und Stilistik hinsichtlich der Absenderschaft bestand bisher jedoch nicht (Abb. unten).

Ist-Zustand

Darstellungsvarianten Logo Bundesverfassungsgericht, Foto (links): Matthias Cantow, Foto (Mitte): Rainer Lück, Bildmontage: dt
Darstellungsvarianten Logo Bundesverfassungsgericht, Foto (links): Matthias Cantow, Foto (Mitte): Rainer Lück, Bildmontage: dt

Derzeit vom Bundesverfassungsgericht verwendete Absender enthalten sowohl Serifenschriften wie die Egyptienne, Droid oder Times New Roman, als auch Serifen-lose Schriften wie die Systemschrift Arial und auch die bereits genannte Akko. Mal ist die Wortmarke in Versalien gesetzt, mal in Gemischtschreibweise. Mal ist der Aufbau zentriert, mal stehen Bild- und Wortmarke nebeneinander. In einigen Anwendungen wird einzig die Wortmarke verwendet, in anderen Fällen kommt lediglich der Bundesadler zum Einsatz. Darüber hinaus werden sowohl die Positivform wie auch die Negativform des Logos genutzt. Einer solchen Heterogenität im Visuellen gilt es im Rahmen von Corporate Design entgegenzuwirken.

Unter dem Aspekt der Markenführung betrachtet – denn natürlich ist auch ein solches Verfassungsorgan ebenso eine Marke wie eine Bundesregierung, ein Bundesland, eine Stadt oder eine Partei –, besteht in Sachen einheitlicher Optik also Optimierungsbedarf, wohlwollend formuliert. Die Maßnahme als solche, das visuelle Erscheinungsbild zu harmonisieren, ist richtig. Wichtig ist sie obendrein.

Markenkommunikation, eben auch die visuelle, beeinflusst, wie eine Marke wahrgenommen wird. Und dass ein Verfassungsorgan ein Interesse daran hat, als vertrauensvoll wahrgenommen und angesehen zu werden, versteht sich von selbst. Im Rahmen der Kommunikation dient ein homogenes, als zeitgemäß und passend empfundenes Erscheinungsbild als vertrauensstiftende Maßnahme. Zu hundert Prozent lenken lässt sich das Image einer Marke freilich nicht. Was sich jedoch aktiv gestalten und beeinflussen lässt, ist die Kommunikation, der Auftritt als Marke. In dieser Hinsicht aggierte das Bundesverfassungsgericht, so muss man sagen, über Jahrzehnte hinweg fahrlässig. Während für die Ministerien und Behördern der Bundesregierung seit vielen Jahren ein durchgängiges Corporate Design zur Anwendung kommt, gab es auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts offenkundig lange Zeit keinerlei Bewusstsein hinsichtlich des eigenen Erscheinungsbildes wie auch einer zeitgemäßen digitalen Präsenz.

Anfang 2014 wurde die Website des Bundesverfassungsgerichts hier im dt als eine der gruseligsten Websites im Netz mit dem Spooky Award ausgezeichnet. Zehn Monate später wurde die betreffende Website (bundesverfassungsgericht.de) einem Relaunch unterzogen – seitdem sind Aufbau und Optik unverändert. Wie mir damals zugetragen wurde*, hatten sich die Verantwortlichen mit der auf diese Weise formulierten Kritik auseinandergesetzt und daraufhin eine Agentur (Materna) mit dem Relaunch beauftragt. Ende dieses Jahres, so die Ankündigung seitens des Gerichts, soll die Website erneut relauncht werden, dann auf Basis des neuen Corporate Designs. Man darf gespannt sein.

Bürgernah und unabhängig?

Da bislang lediglich das Logo vorgestellt wurde, ist es für eine abschließende Bewertung zu früh. Zwei Gedanken: Bürgernähe als Marke zum Ausdruck zu bringen, heißt nicht, dass irgendwer durch Fußgängerzonen marschieren und Flyer verteilen und Hände schütteln müsste. Bürgernah kann in diesem Zusammenhang bedeuten, digitale Anwendungen zu bieten, die niedrigschwellig, barrierearm, nutzerfreundlich und leserlich sind (Beispiel gov.uk). Erst Ende 2023 wird sich zeigen, inwieweit diese Attribute auch auf den neuen Webauftritt und damit auf das Bundesverfassungsgericht als Marke zutreffen.

Unabhängigkeit kann das neue Logo durchaus vermitteln. Denn in Form und Ausdruck unterscheiden sich der fortan vom Gericht verwendete Adler von der im Corporate Design der Bundesregierung verankerten Bildmarke, seit 1997 für alle Bundesbehörden verbindlich. Während der Adler der Bundesregierung mit aufgerissenem Schnabel und weit herausragender Zunge stärker heraldische Ausdrucksformen widerspiegelt, orientiert sich die Adler-Bildmarke des Bundesverfassungsgerichts sichtlich mehr an zeitgemäßer Logogestaltung. Auf schmückende, dekorierende Elemente wurde verzichtet.

Die Linienführung des Adlers ist klar und auf das Notwendigste reduziert. Die rechtsseitig in eine Senkrechte mündende Kopfform ist ungewöhnlich und unkonventionell. Kopf und Körper stehen, im Gegensatz zu allen anderen Darstellungen von Bundeswappen, in direkter Linie. Die so entstandene durchgehende vertikale Achse verleiht dem Adler eine gewisse Strenge. Lieber streng als gefällig, könnte man in diesem Fall sagen. Was zudem bei der Modifikation eines Wappentiers nicht passieren darf, ist, dass das Tier / der Adler im Ausdruck in irgendeiner Weise ungelenk und verunstaltet wirkt (wie jener geplante und wieder verworfene von Preußen Münster) oder gar lächerlich, flatter- oder comic-haft. In dieser Hinsicht bleibt der neue Adler schadlos. In Form und Ausdruck ist die Bildmarke meines Erachtens eine adäquate, zur Marke passende visuelle Entsprechung.

Der Wortmarke, gesetzt in der Akko, fehlt es hingegen an Eigenständigkeit. Um als Markenzeichen wirken zu können, braucht es im Design zuweilen Ecken und Kanten, Elemente, die hervorstechen, etwas Besonderes, das in Erinnerung bleibt und sich einbrennt -> Branding. Die Geradlinigkeit der Akko-Lettern korrespondiert zwar sichtlich mit der ebenfalls geradlinien Bildmarke, im direkten Vergleich mit dem bisherigen Schriftzug im klassischem Serifen-Look ist die neue Wortmarke jedoch unscheinbar und gesichtslos. Nicht wenige Betrachter dürften dies, eben da sich die Marke und damit die Institution zurücknimmt, als positiv bewerten.

Wenig überzeugend ist meiner Meinung nach die Ausrichtung von Wortmarke und Bildmarke zueinander. Die Anordnung wirkt zusammenhangs- und bezuglos. Wort- und Bildmarke bilden keine Einheit. Die Wortmarke ist sperrig, in Sachen Markenführung wahrlich ein echter Klotz am Bein, das gewiss. Heutztage werden weit laufende Wortmarken oft und gerne als mehrzeilige Typologos angelegt, um so einerseits die Praktikabilität zu verbessern wie auch anderseits die Prägnanz zu erhöhen.

Prägnanz ist jedoch keine Qualität, mit dem ein Verfassungsorgan punkten müsste. Schließlich ist das Bundesverfassungsgericht keine Tourimus-Destination oder Lifestyle-Marke, auch keine Partei, die im Rahmen von Kampagnen um die Aufmerksamkeit von Wählern buhlt. Als „Hüter der Verfassung“ darf diese Marke im Visuellen durchaus Raum einnehmend sein und auch ein wenig unbequem auftreten – in Analogie zu vielen weitreichenden und wirkmächtigen Entscheidungen, die von den 16 Verfassungsrichterïnnen in Karlsruhe getroffen werden. Mehr Klarheit, Stringenz und Verbindlichkeit als in der Vergangenheit dürfen die visuellen Botschaften des „höchsten Gerichts“ allerdings schon erzeugen.

Entwickelt wird das neue Corporate Design in Zusammenarbeit mit der Agentur Mosaik (Dortmund), die das Bundesverfassungsgericht seit Juli 2021 als Kunden betreut.

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Mediengalerie

Weiterführende Links

* Gehostet wurde die Website bundesverfassungsgericht.de bis 2014 vom Institut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes. Ein Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Rechtstheorie und Rechtsinformatik berichtete mir gegenüber per E-Mail, dass sich die Verantwortlichen am Institut mit dem Spooky-Award auseinandergesetzt hatten. Offenbar fiel die Kritik auf fruchtbaren Boden.

Dieser Beitrag hat 29 Kommentare

  1. Leider hinter der Paywall, die FAZ schreibt:

    “Ein teurer Adler”

    “Das Bundesverfassungsgericht gibt in diesem Jahr 700.000 Euro für seine Außendarstellung aus. Und leistet sich auch einen eigenen Bundesadler. Was soll das? ”

    Copy (nur Auszug, Schnipsel):
    “Der Adler soll wohl moderner aussehen als der traditionsreiche Vorgänger. Er missfällt einigen. Indes bewegt sich der neue „gerichtseigene Bundesadler als Hoheitszeichen“ (so die Werber) im Rahmen des Zulässigen.”
    […]

    “Wurde das neue Design mit den anderen Bundesgerichten besprochen, etwa mit dem Ziel, Einheitlichkeit in der Judikative zu erreichen? Nichts deutet darauf hin. Der Pressesprecher des Bundesverfassungsgerichts kann darauf keine Antwort geben, da dies „zunächst die Durchsicht umfangreicheren Aktenmaterials im Hause“ erfordere.”

    1. Dank Dir Moritz. Ich finde den Empörungsunterton im Artikel offen gestanden etwas befremdlich. Dass auch einem Verfassungsorgan an einer möglichst guten und professionellen Außendarstellung gelegen sein sollte, und dafür auch Geld in die Hand genommen wird, versteht sich eigentlich von selbst.

      Die FAZ behauptet, es seien 84.622 Euro für die Neugestaltung des Webauftritts ausgegeben worden, während die WELT berichtet, diese Summe sei für die Konzeption und Entwicklung des Erscheinungsbildes veranschlagt worden.

      Ich habe einmal die Pressestelle beim Verfassungsgericht angeschrieben und um Aufschlüsselung der besagten Summe in Höhe von 700.000 Euro gebeten.

    2. Mittlerweile liegt mir eine Antwort seitens der Pressestelle des Bundesverfassungsgerichts vor.

      Demnach ist die Darstellung, wie sie die FAZ in mehreren Beiträgen vornimmt, irreführend und sogar falsch. Die von der FAZ genannten 700.000 Euro beziehen sich nicht etwa rein auf die – visuelle – Außendarstellung, als vielmehr auf den Gesamtbereich Öffentlichkeitsarbeit. Der Bundesrechnungshof weist im Haushaltsplan für das Jahr 2023 eben jenen Betrag für die Öffentlichkeitsarbeit aus. Darin enthalten sind mehrere Posten, darunter der Relaunch des Internetauftritts, die Überarbeitung von Informationsfilmen sowie die Erstellung von Kurzfilmen – diese werden unter der Klammer „Erweiterung der Medienpräsenz“ zusammengefasst (Quelle: Bundeshaushalt Bundesverfassungsgericht 2023 PDF). Nicht genannt wird an dieser Stelle die Erstellung eines Corporate Designs, da dies in einem anderen Haushaltstitel veranschlagt ist.

      Falsch dargestellt wird von der FAZ zudem die Verwendung der Summe in Höhe von 84.622 Euro. Es sind dies nicht etwa die Kosten für den Webauftritt, sondern, wie die Pressestelle des Bundesgerichtshofs auf Nachfrage mitteilt, die Kosten für das Corporate Design. So wie es auch die WELT richtig berichtet.

      „Die Gesamtkosten für die Konzeption und die Entwicklung des neuen einheitlichen Erscheinungsbildes des Bundesverfassungsgerichts, das die gesamte Außendarstellung des Gerichts (Adler, Wort-Bild-Marke, Schriften, Farbgestaltung, Gestaltung sämtlicher Veröffentlichungen des Gerichts) umfasst, liegen bei 84.622,- Euro“, so Pressesprecher Jonas Heimbach.

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