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Offenes Schreiben an die Hochschulleitung der FH Trier

Logo FH Trier (2004), Quelle: FH Trier

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Jörg Wallmeier,
sehr geehrte Mitglieder der Hochschulleitung,

derzeit lässt die Fachhochschule Trier das Webdesign für den eigenen Auftritt fh-trier.de auf der Plattform 12designer.com crowdsourcen. Gerade einmal 600 Euro stehen hierfür als Honorar zur Verfügung. Ich würde mich freuen, wenn Sie die folgenden fünf Fragen beantworten könnten.

1) Die FH bildet nach eigenen Angaben 200 Kommunikationsdesign-Studierende aus. Ist keiner dieser Studierenden in der Lage, das Design für den neuen Webauftritt zu erstellen?

2) Gibt es im Fachbereich Gestaltung keine Professoren, denen man zugetraut hätte, das Redesign mit Studierenden als Projekt durchzuführen?

3) Ist die Hochschulleitung der Ansicht, dass 600 Euro ein angemessenes Budget für ein solches Projekt sind, das, bei Vergabe etwa an eine Agentur, ein Vielfaches gekostet hätte?

4) Ist Ihnen klar, dass die FH Trier mit ihrem Vorgehen Preis-Dumping betreibt, das die berufliche Existenz vor allem vieler selbstständiger Kreativen erschwert und gefährdet?

5) Welchen Sinn macht eine Hochschuleinrichtung, in der Designer ausgebildet und auf die Berufswelt vorbereitet werden sollen, wenn durch Vergabe eines solchen Projektes an einen Crowdsourcing-Anbieter ein Umfeld geschaffen wird, in dem in erster Linie der Preis für eine Arbeit entscheidend ist und nicht ihre Qualität?

Wie groß muss die finanzielle und personelle Not der FH Trier sein, um derlei Crowdsourcing-Plattformen, auf denen Designleistungen ausschließlich zu einem Bruchteil marktüblicher Preise abgerufen werden, zu konsultieren! Wenn etwa Ein-Mann-Betriebe und Kleinstunternehmen für möglichst wenig Geld ein neues Logodesign in Auftrag geben und hierfür Crowdsourcing-Plattformen nutzen, dann ist das eine Sache, die man unter gewissen Umständen noch halbwegs nachvollziehen kann. Wenn sich jedoch eine Einrichtung wie die FH Trier als Körperschaft des öffentlichen Rechts dieser zweifelhaften Beschaffungsmethoden bedient, dann ist jedoch ein Punkt erreicht, an dem man das Vorgehen der FH entschieden kritisieren muss.

Finanziert aus Geldern der öffentlichen Hand ermöglicht die FH Trier das Studium unter anderem ihrer Kommunikationsdesign-Studierenden, gleichzeitig stellt sie Gelder bereit, um Fremdleistungen auf einer Crowdsourcing-Plattform abzurufen. Leistungen, von denen man annehmen sollte, dass diese durch eigene Professoren, Lehrbeauftragte und Studierenden hätten übernommen werden können. Das passt einfach nicht zusammen. Das Vorgehen der FH Trier ist beschämend, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Geringschätzung der eigenen Studierenden und Professoren peinlich. Das im Rahmen des Projektes neu formulierte Motto „Jede Menge Zukunft“ erscheint vor diesem Hintergrund wie eine Persiflage.

Liebe Hochschulleitung, stellen Sie das Projekt auf 12designer.com ein, setzen Sie sich mit den jeweiligen Fachbereichsleitern an einen Tisch, schaffen Sie die Rahmenbedingungen, die die Erstellung des Webdesigns als internes Projekt zum Ziel hat, lassen Sie das Webdesign von Ihren Kommunikationsdesign-Studierenden entwickeln und vervielfachen Sie das Honorar. Wenn ein solches Crowdsourcing-Projekt nicht dazu in der Lage ist, den Wert einer Designleistung zu vermitteln, hilft bei Bedarf der Dialog mit professionellen Fachkräften aus der Wirtschaft. Ich bin mir sicher, hier würden beide Seiten profitieren.

Mit freundlichen Grüßen
Achim Schaffrinna

Die offizielle Projektbeschreibung (sichtbar sonst nur für Mitglieder von 12designer.com):

Projektbeschreibung FH Trier

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Dieser Beitrag hat 143 Kommentare

  1. Volksfreund(2)

    Extra
    Crowdsourcing: Der englische Begriff des Crowdsourcing beschreibt Inhalte, die durch einzelne Beiträge von vielen Menschen, also der Masse, entstehen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von der Nutzung von “Schwarmintelligenz”.

    Das ist auch so ein unintelligenter Deppen-Irrtum.

    Schwarmintelligenz entsteht nicht dann, wenn man einzelne in Massen gegeneinander einsam antreten lässt.

    Schwarmintelligenz ist maximal dann möglich, wenn der “collaborational aspect” berücksichtigt ist: dass sie MITeinander arbeiten, einander ZUarbeiten, ihre Beiträge vorher AUFeinander abstimmen.

    Was bei Wikipedia der Fall ist. Jemand weiß etwas und fügt etwas hinzu, der andere Nutzer kontrolliert es und fügt wieder etwas hinzu. Zu EINER Sache.

    Und auf Plattformen wie 12designer eben nicht. Da gilt das reine Gegeneinander von WETTbewerbern.

    Ich finde es schlimm, wenn man eine Zeitung der Qualitätsmedien genervt auf solche elementaren Unterschiede hinweisen muss, weil sie nur dummes, unzulässig verkürztes Geblubber abschreibt, das schon woanders nicht richtig war.

  2. nicht „eingestellt“ im Sinne von beendet, sondern es wurde freigeschaltet. Danke für die Info, wenngleich sie natürlich unschön ist.

    Ich habe heute um 15.30 Uhr eine weitere E-Mail an das Sekretariat des Hochschulpräsidenten geschrieben, mit der Bitte, Stellung zu nehmen. In Papierform sollte das Schreiben mittlerweile in die Hände der Verantwortlichen gelangt sein. Noch schweigt sich die Hochschulleitung aus. Je länger die Antwort auf sich warten lässt, um so mehr bestärkt es die Entscheidung, das Schreiben gleich öffentlich zu machen und nicht erst auf eine Reaktion zu warten.

  3. Ich möchte an dieser Stelle nur ganz kurz meinen Senf dazugeben. Zur Person, ich macht derzeit bei Prof. Andreas Hogan an der FH Trier mein Diplom im Bereich Kommunikationsdesign.

    Das Vorgehen der Hochschulleitung ist ein absolute Frechheit. Ich möchte dazu ein wenig weiter ausholen. Die Hochschulleitung ist vor ca. 2 Jahren an unsere betreunenden Professor rangetreten und im Rahmen eines Semesterprojekts sollten hier neue Ideen für ein einheitliches Erscheinungsbild erarbeitet werden. Das ist in diesem Sinne noch nicht schlecht, leider hat sich aber in dem 4 monatigem Projekt schon gezeigt, wie die Leitung eher ein Fähnchen im Wind ist und es allen Seiten Recht machen wollte. Es gab unterschiedliche Auffassungen der einzelnen Standorte und Design wurde von unserem Präsidenten (Professor der Architektur) in keinster Hinsicht gewürdigt. Hierbei sind damals knapp 20 Vorschläge entstanden, teilweise gut teilweise naja, aber die Ansätze kamen aber auch aus allen Semestern. Nach der Hälfte der Zeit wollten die Studierenden zuerst schon das Projekt wegen der Hochschulleitung abbrechen, zum Glück haben sich einige aber gefunden und das Ganze bis zum Ende durchgezogen.
    Zum Abschluss gab es dann auch noch eine öffentliche Präsentation aller Entwürfe, welche digital zuerst und später analog erfolgte. Danach ist alles im Sande verlaufen.

    Jetzt sowas hier zu lesen ist ein absolute Schande und bestätigt mein Bild von gewissen Personen. Ich habe mich damals über dieses Thema schon so aufgeregt und mach es jetzt schon wieder. Bei einer Zwischenpräsentation habe ich unserem Präsidenten auch einen offenen Brief vorgelesen. Dieser folgt jetzt.

    Danke, der Sascha.

    Was zeichnet einen Gestalter, uns, aus?
    Sind wir die Personen, die schöne Logos entwerfen?
    Was bedeuted Design oder Gestaltung?
    Warum ist Corporate Design wichtig?
    Kann man Corporate Design mit einem Haus vergleichen?

    Farbe ist die tragende Konstruktion.
    Schriften sind Stockwerke.
    Hierachien sind einzelnen Räume.
    Bildwelten sind Fenster.
    Weißraum sind die Korridore.
    Gestaltung sind die Türschilder.

    Eine Logo ist eine Eingangstür.

    Will die Fachhochschule 3 Eingangstüren haben.
    Will die Fachhochschule einen Haupt-, einen Neben-
    und einen Lieferanteneingang haben?
    Warum sprechen Ingenieure, Wirtschaftler, Architekten
    und Forscher über etwas, in dem sie keinerlei Kompetenzen haben?
    Ist der Gestalter nur dafür da, eine Eingangstür zu entwerfen?
    Wieso bauen wir nicht dieses Haus, sondern Sie?
    Ist diese Fachhochschule nicht ein Raum zum ausprobieren?
    Wieso werden uns hier alle Möglichkeiten entzogen?
    Wann werden Gestalter in diesen Prozess mit einbezogen?
    Muss dass nicht schon im ersten Gespräch passieren?

    Design ist im ersten Moment immer unbeqeum.
    Design ist strukturiert quer zu denken.
    Design ist danach eine klar gegliederte Struktur.
    Design ist freundlich zu Benutzern.
    Design ist das Aufbereiten von Informationen.
    Design ist gut, wenn es in jedem Detail erkennbar ist.

    Design ist gut, wenn man es zulässt.

  4. Als ehemaliger Student der FH Trier (Fachberreich Gestaltung) möchte ich mich auch kurz zu Wort melden. Die Ausbildung im Fachberreich Gestaltung der FH Trier ist vorbildlich, dies kann ich nach dem Studium an 4 Hochschulen in Europa guter Dinge behaupten.

    Offensichtlich besteht aber ein Problem der Akzeptanz und Wertschätzung der Designdisziplinen außerhalb des Fachbereichs Gestaltung – umso trauriger, da der aktuelle Präsident der Hochschule aus der Fachrichtung Architektur(FB Gestaltung) kommt.
    Schon 2011 gab es einen Wettbewerb von Studierendenwerk Trier, Uni Trier, FH Trier und Stadt Trier unter ähnlichen Bedingungen. Zum Einblick meine Reaktion auf die Ausschreibung an die Verantwortlichen:

    //
    Liebes Studierendenwerk.

    Wenn Stadt, Studierendenwerk, Universität und FH Trier einen Wettbewerb ausschreiben…

    Von jedem Teilnehmer eine Webpräsenz konzipiert UND programmiert werden soll!
    Man als Teilnehmer alle Urheber- und Nutzungsrechte abgibt, dennoch bei Streitfällen mit Dritten haftet und zudem nicht einmal klar ist wer in der Jury entscheidet…

    Dann ist es an der Zeit die Ausschreibung noch einmal zu überdenken!

    Zum Beispiel mit Hilfe des BDG:
    https://www.bdg-designer.de/bdg-richtlinien-fuer-entwurfswettbewerbe.html
    //

    Damals hatte sich das Dekanat des FB Gestaltung deutlich von der Ausschreibung distanziert; geändert wurde aber nichts Wesentliches (Auch wenn man zugestehen muss, dass sich das Studierendenwerk zumindest um die Broschüre des BGD bemüht hat)

    Das Ergebnis sieht übrigens so aus: https://www.studier-in-trier.de

    Aus diesem Grund bin ich froh über den öffentlichen Brief im Designtagebuch. Dankeschön!

  5. @ Sascha Timplan,
    danke für das offene Posting.

    Architekten:
    Weiß nicht, ob alle so sind. Doch einige lassen es sich raushängen, dass sie etwas Besseres als ein Gestalter sind. Und DAZU noch halten sie sich sowieso für Mords-Gestalter. Sie machen im Grunde nur deswegen keine Logos oder kein Screendesign, weil sie für so zeitraubende Kinkerlitzchen keine Zeit haben …
    [Zwar polemisch überspitzt, aber im Wesentlichen so erlebt bei einer 60köpfigen Architektengruppe … . Ich hoffe, nicht alle sind so.]

  6. Zt.: “Es geht wirklich nur um eine Idee”

    Was für eine Unverschämtheit und Ignorranz gegenüber der Leistung! Als wenn das Hin- und Herbewegen der Maus über eine Programmmaske der eigentliche Kern der Arbeit wäre.

    Wirtschaftsfrage:
    Herr Khim, wenn es “nur um eine Idee” geht, die man Ihrem Statement nach für beliebig halten kann, wie kann es dann sein, dass Unternehmen gerade das Design als besonders schützenswert betrachten?

    Die Kreativbranche setzt in Deutschland mehr als 117 Milliarden Euro um.
    Sie beschäftigt rund 800000 Menschen.
    (Quelle: bundesregierung.de)

    Was glauben Sie sind wohl die Ressourcen für diesen Erfolg? Könnten das Ideen als Ergebnis kreativer Arbeit sein?

  7. Crowdsourcing scheint ein echtes Problem für die meisten hier darzustellen. Wenn ich das alles so lese, kann ich nur hoffen, dass keiner von Euch weiss, wo der Server steht. Serververbrennung wäre mal was neues… Mal im Ernst, wenn z.B. ein in der Vergangenheit von einem Kunden abgelehnter (trotzdem guter) Entwurf ganz gut zum Thema passen würde und ich als Designer nochmals ca. 2-4 Stunden Arbeit für die Anpassungen an die ausgeschrieben Bedürfnisse reinstecken würde, weil ich gerade sonst nichts zu tun hätte, wären 600 € (abzüglich Gebühren) doch ein ziemlich guter Schnitt…

  8. Eine wirklich interessante Diskussion! Danke Achim, für das Anzetteln dieser Debatte. Ich sehe zwei ganz unterschiedliche Aspekte in der Sache:

    Einerseits beklagen wir hier zurecht das Shitstorm-würdige Verhalten einer Uni, die glaubt, mit Crowdsourcing lässt sich ein besseres Ergebnis erzielen als im hauseigenen Studentenwettbewerb. Ich kenne natürlich den Hintergrund dieser Entscheidung nicht, aber ich denke, dass die Verantwortlichen an dieser Stelle versuchen, mit der Zeit zu gehen. Die vielbeschworene “Schwarmintelligenz” der Piratenpartei (Danke Vroni #91 für den Unterschied) und die Heilsversprechen aus dem “Social Media” Sektor machen ja zur Zeit kräftig Presse. Meine Kunden sind auch alle an “Facebook & Co.” ebenso stark interessiert wie unkundig. Mal sehen ob sich da etwas nach dem Börsenabsturz ändert.

  9. Zum anderen möchte ich die Diskussion zu Crowdsourcing-Portalen wie 12designer und designenlassen gerne getrennt weiterführen, das finde ich nämlich sehr spannend, hatte auch vor kurzem den Selbstversuch gestartet. Leider sind die meisten Wettbewerbe gesperrt, man sieht – wie bei anderen Pitchsituationen also selten, was die Konkurrenz macht.

    Ein unbezahlter Wettbewerb mit 20-30 Mitbewerbern ist schon extrem sportlich (sprich Mist). Trotz Fließbandarbeit und selbst mit einer soliden Trefferquote reicht die Ausbeute letzlich nicht mal für einen Berliner Hand-in-den-Mund-Lohn. Ich meine trotzdem (für das knappe Zeitbudget, dass man sich vorgeben muss) auch gute Arbeiten gesehen zu haben und in den Profilen sieht man Leute mit 100 Wins auf 2000(!) Wettbewerbs-Teilnahmen. Da hat jemand viel Zeit oder Not. Das Dumping ist aberwitzig (Logos von 250-400 EUR, Kunden bitten gerne auch um mehrere Überarbeitungen, “Ein Claim dazu wäre auch noch schön”). Und auch hier danke ich noch einmal Vroni #50 für die perfekte Beschreibung der überwiegenden Kundschaft.

    Andererseits, meine Damen und Herren Designer, wären die Bedingungen besser(Limitierte Teilnehmerzahl und faire Mindesthonorare) hätte ich nichts dagegen, die Akquise an ein Portal auszulagern, beschäftige ich mich doch mit 2/3 meiner Zeit NICHT mit Grafikdesign. Das Hauptproblem bei allen Wettbewerben ist und bleibt jedoch, dass selbst bei einem 3er Pitch zwei Leute für die Mülltonne arbeiten. Danke Nonti #88 für den Schnitzelvergleich. Die Frage ist: wird es bzw. kann es irgendwann ein Qualitäts-Crowdsourcing-Portal geben?

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