Die Karls-Universität Prag (Univerzita Karlova), 1348 gegründet und damit die älteste Universität Mitteleuropas, präsentiert sich zu Beginn des neuen akademischen Jahres mit neuem Corporate Design. In dem vor wenigen Tagen vorgestellten Designkonzept sind zwei visuelle Stile vorgesehen: ein „repräsentativer Stil“ (mit Siegel) sowie ein „werbender visueller“ Stil (mit neuem Kronen-Logo).
Die letzte Überarbeitung des Corporate Designs hatte die Karls-Universität vor zehn Jahren vorgenommen. Seit 2013 wird als Logoabsender eine rote Darstellung des historischen Siegels in Kombination mit einer in der Bodoni gesetzten Wortmarke verwendet. Mit dem Ziel, die Darstellungsmöglichkeiten der Universität und ihrer Fakultäten zu verbessern und zu erweitern, wurde dieses Designs um eine weitere Gestaltungslinie ergänzt.
Fortan kommen an der Karls-Universität ein repräsentativer und ein sogenannter werbender Stil zum Einsatz. Die Verantwortlichen versprechen sich von dieser Art der Selektierung eine auf den jeweiligen Kontext zugeschnittene und dadurch bessere Kommunikation. Eine Handhabe, von der es seitens der Universität im Rahmen der Vorstellung heißt, „andere wichtige ausländische Universitäten oder Organisationen“ würden diese Art der Unterscheidung ebenfalls vornehmen, ohne dabei jedoch konkrete Beispiele zu benennen.
Der werbende visuelle Stil diene in erster Linie der Kommunikation gegenüber Studienbewerbern, Absolventen, Studierenden und gegenüber der breiten Öffentlichkeit. Der Anwendungskontext sind hier etwa digitale Medien wie der Webauftritt, Präsentationen der Universität auf Bildungsmessen sowie Werbeveranstaltungen und andere Events. Der repräsentative Stil hingegen greife bei formellen Anlässen, etwa innerhalb des Austausches zwischen den einzelnen Fakultäten, im Rahmen von Schirmherrschaften, in Anwendungen wie Urkunden oder im allgemeinen Schriftverkehr.
Das historische Universitätssiegel bleibt als Absender erhalten. Im sogenannten repräsentativen Stil wird das Siegel, wie bisher auch, als alleinige Bildmarke verwendet. Innerhalb des nun neu geschaffenen „werbenden visuellen Stils“ wird ab sofort eine Darstellung der Wenzelskrone als Bildmarke genutzt, teils in Ergänzung zum Siegel, teils als alleiniges grafisches Element. In der Logokombination mit Siegel befindet sich zwischen Krone und Siegel ein vertikaler Trennstrich (siehe Abb. oben). Im werbenden visuellen Stil ist die Wortmarke zudem statt in der Bodoni in der Schriftart Larken (Ellen Luff Type Foundry) gesetzt, und zwar in Gemischtschreibweise, anstatt rein in Versalien (wie in dem seit 2013 verwendeten Logo).
Im Umfeld der digitalen Präsenz der Uni wurde das neu geschaffene Logo bereits implementiert. Entstanden ist das visuelle Konzept in Zusammenarbeit mit dem Studio Autority (Prag). Tschechische Medien berichten, dass das Budget für die Realisierung (einschließlich CD-Handbuch) bei 425.000 Kronen liegen soll, umgerechnet 17.400 Euro.
Kommentar
Je länger ich mich mit dem Corporate Design beschäftige, umso mehr verfestigt sich der Eindruck: das neue Design schafft mehr Probleme als dass es Lösungen bietet. Derart viele Logovarianten, wie sie im begleitenden CD-Manual (PDF) aufgeführt werden, sieht man selten. Versionen für Fakultäten und Institute sind hierbei nicht einmal mitberücksichtigt. Nicht nur als Designanwender kann man hier schnell den Überblick verlieren, auch als Konsument/Rezipient. Bei derart vielen Varianten und Ausprägungen ist Konsistenz natürlich schwierig zu erreichen.
Dass zudem die Praxis verbreitet sei, wie die Verantwortlichen auf Seiten der Uni behaupten, im Kontext Corporate Design zwischen einem repräsentativen und einem werbenden Stil zu unterscheiden, kann ich so nicht bestätigen. Was es gewiss gibt, sind situative, Anwendungskontext bezogene Gestaltungslinien. So ist es durchaus üblich, historische Hochschulsiegel lediglich auf Urkunden und ähnlichen Dokumenten einzusetzen, während innerhalb der Markenkommunikation darauf verzichtet wird. Viele Universitäten nutzten zudem gerne, ergänzend zum vollständigen Logo samt Schriftzug, im Kontext digitaler Medien ein kompakteres Monogramm als Absender. Das nun verfolgte Konzept der Univerzita Karlova mit zwei völlig unterschiedlichen Designsprachen, die zudem miteinander kombiniert werden, ist mir in dieser Form noch nicht begegnet.
Dass auch eine moderne Markenkommunikation auf Basis eines historischen Siegels möglich ist, zeigen etwa die Universitäten Heidelberg, Genf oder Köln. Freilich gibt es auch Gegen- bzw. Negativbeispiele, siehe Uni Jena. Im neu geschaffenen Konstrukt mit mehreren Bildelementen wird kombiniert, was nicht zusammengehört. Das verdeutlicht der vertikale Trennstrich. Logos mit solch einem Trennstrich sind – in aller Regel – Notlösungen. Eine Wortbildmarke braucht derlei Hilfsmittel zum Zwecke der Ausrichtung nicht. Auch wenn die Anwendungsbeispiele optisch sehr ansprechend wirken, erscheint mir das Gesamtkonzept wenig überzeugend.
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Ich schließe mich Deiner Kritik uneingeschränkt an. Traurig bei so viel Potential, die das Ganze gehabt hätte.
Außerdem: Schon beim Vorgänger empfinde ich die Schriftwahl nicht sehr harmonisch zum Siegel mit seinen schmalen Formen, aber das neue Schriftbild will diesbezüglich noch weniger passen. Und angesichts der wunderbaren Schriftschmieden, welche es auf tschechischer Seite gibt, verwundert diese Wahl umso mehr.
Ich verstehe auch nicht weshalb das Siegel nicht wenigstens für kleine Anwendungsgrößen optimiert wurde. Der hohe Detailgrad macht es so schon schwer zu erfassen.
Der entscheidende Satz ist für mich der letzte in Achims Kommentar: Die Anwendungsbeispiele sind optisch sehr ansprechend. Mir gefällt das nämlich wirklich ausnehmend gut, angenehm aufgeräumt, signifikant mit dem aus dem Siegel entnommenen Rautenmuster, akademisch edel, zeitgemäß und dennoch klassisch unaufgeregt, wie es sich für so eine altehrwürdige Institution gehört. Insofern würde ich die Logo-Siegelschwäche hintenanstellen. Auch wenn sich die Anwender bei der Umsetzung völlig verhaspeln sollten, so sehe ich nicht, dass die Wiedererkennbarkeit darunter leiden könnte. Es bleibt für mich ein (sehr gutes) Corporate-Design und nicht nur ein (möglicherweise nicht so guter) Logoentwurf.
Herzlichen Dank Andreas.
Wie unterschiedlich man doch Corporate Design interpretieren und definieren kann. Corporate Design ist nach meinem Verständnis keine Kosmetik an der Oberfläche. Es macht wenig Sinn ein glänzende Politur auf einem rostigen Grund aufzutragen. Wenn man sich als Anwender bei der Umsetzung „völlig verhaspelt“, wie Du sagst, zeigt dies nur, dass von Grund auf, bei der Konzeption, etwas falsch gelaufen ist. Es ist dann nur eine Frage der Zeit bis der Lack abblättert. Die im Corporate Design systemisch innewohnende Kraft – Einheitlichkeit, Stringenz, Klarheit – kann so nicht erreicht werden.
Dass die Wiedererkennbarkeit leidet, zeigt sich bereits jetzt. Die Auftritte/Präsenzen cuni.cz und facebook.com/UniverzitaKarlova unterscheiden sich in extremer Weise. Ohne zusätzliche Textinformationen wäre allein auf Basis des Designs nicht zu erkennen, dass es sich in beiden Fällen um die selbe Entität handelt. Auch rein persönlich empfinde ich das „UK“ plus Krone als irritierend, gerade im internationalen Kontext.
Ich bin da zugegebenermaßen überhaupt kein Experte, aber natürlich verstehe ich Corporate Design auch als ganzeitliches Konzept. Aber genau so hatte ich meinen Beitrag gemeint, dass das große Ganze auf mich sehr überzeugend wirkt. So überzeugend, dass die möglicherweise vorhandenen Logoschwächen dadurch wettgemacht werden. Mit “verhaspeln” meinte ich, dass man möglicherweise das falsche Logo einsetzt, wenn es da keine klare Linie gibt. Das dürfte aber dem unbedarften Betrachter schlussendlich relativ egal sein, wenn das Gesamtbild stimmig ist.
Die wahrscheinlich berechtigte Kritik hier im vorliegenden Fall betrifft – wenn ich es richtig verstanden habe – nur die Logoanwendungen. Aber das Corporate Design umfasst doch deutlich mehr, und das, was ich da sehe, finde ich extrem ansprechend. Die Facebook-Stichprobe habe ich jetzt allerdings nicht gemacht. Ich urteile ganz einfach auf Grundlage der gezeigten Anwendungsbeispiele. Ob so ein Manual beim Durchspielen der unterschiedlichen Anwendungen konsistent ist und immer zu brauchbaren Ergebnissen führt, steht sicherlich noch einmal auf einem anderen Blatt. Ich bin selbst gebranntes Kind und habe als Design-Laie schon mit verschiedenen unbrauchbaren Manuals hantieren dürfen, weiß aber, dass sich solche Schwächen wirklich erst im Laufe der Umsetzung und oft auch erst nach längerer Zeit zeigen. Diese Frage führt insofern vermutlich bei allen hier im Blog gezeigten Beiträgen ziemlich weit und wird sich oft nicht wirklich bewerten lassen.
Vielen Dank Andreas, dass Du Dir nochmals die Zeit genommen hast Deine Position zu verdeutlichen. Ich finde die Begründung absolut stichhaltig. Natürlich umfasst Corporate Design deutlich mehr als das Logo. Wir sind beide der Meinung, dass die Gestaltung insgesamt ansprechend wirkt. Und es ist auch vollkommen legitim ein Design auf Grundlage der gezeigten Anwendungsbeispiele zu bewerten. Es gibt allerdings noch weitere Aspekte, die wichtig sind.
Jedes Corporate-Design-Konzept steht und fällt mit der Implementierung. Soll heißen: die Präsentation und die Visuals können noch so perfekt sein und ansprechend wirken – wenn es nicht gelingt das Designkonzept zu implementieren, durch Agenturen, eigene Mitarbeiter, u.a., fällt jedes Konzept, jede Kreation wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ich versuche bei der Bewertung stets auch vorauszuschauen, ob sich das Gezeigte auch umsetzen lässt. Diesen zentralen Aspekt bewerte ich persönlich höher als jeden anderen. Erfahrungsgemäß führen zu viele Variationsmöglichkeiten, nicht nur bezogen auf das Logo, zwangsläufig zu Problemen. Die Gestaltung wird uneinheitlich. Ein überzeugendes Corporate-Design-Konzept zeichnet meines Erachtens jedoch aus, dass es Einheitlichkeit schafft, beziehungsweise Zugehörigkeit erkennen lässt, dass es für eine klare Struktur sorgt. Genau das fehlt mir in diesem Fall.
Das auf Facebook verwendete „UK“-Signet beschreibt und kommuniziert eine komplett andere Identität als sie über das historische Siegel transportiert wird. Als wäre die Karls-Universität eine multiple Persönlichkeit. Ansprechende Anwendungsbeispiele lassen mich über dieses Problem nicht hinwegsehen. Derlei Visuals zeigen in aller Regel lediglich Oberflächliches. Die Gefahr ist stets, dass man sich von diesem schönen Schein beeindrucken und blenden lässt.
Wow, Achim, danke für diesen tiefen Einblick in das neue Corporate Design der Karls-Universität Prag. Als Online Marketing Agentur stehen wir ja täglich vor der Herausforderung, Marken im digitalen Raum gut und konsistent zu präsentieren. Und ich muss sagen: Das neue Design hat uns echt ins Staunen versetzt – und leider nicht im positivsten Sinne.
Erstmal, die Historie und der Stolz der Universität sind ja beispiellos. Da fühlt man fast Ehrfurcht. Aber ich frage mich echt, ob diese Neugestaltung die jahrhundertealte Tradition der Universität gerecht wird. Das mit den zwei visuellen Stilen – also, ich bin ja ein Fan von Vielfalt, aber hier drängt sich mir der Gedanke auf: “Weniger ist manchmal mehr.” Statt Klarheit haben wir hier doch eher ein Durcheinander, oder?
Das mit dem Trennstrich in den Logos – ach du meine Güte! Bei uns in der Agentur hätten die Designer wahrscheinlich rebelliert. Ein Logo sollte doch intuitiv, einfach und prägnant sein. Dieser Trennstrich – wie du so treffend sagst – wirkt wirklich wie eine Notlösung. Ein bisschen so, als würde man versuchen, Äpfel mit Birnen zu kombinieren.
Und dann die Aussage der Uni, dass viele Universitäten diesen zweigeteilten Ansatz verfolgen. Ich muss gestehen, mir fällt da spontan auch kein Beispiel ein. Klar, Kontext ist King und verschiedene Medien erfordern unterschiedliche Designs, aber so ein radikaler Bruch? Hmm, ich bin skeptisch.
Aber hey, jeder hat ja seinen eigenen Geschmack und vielleicht finden ja die Studierenden und die breitere Öffentlichkeit Gefallen daran. Ich hätte mir nur ein bisschen mehr Konstanz und weniger Komplexität gewünscht. Aber mal schauen, vielleicht setzt die Karls-Universität ja einen neuen Trend und in ein paar Jahren sagen wir: “Ach, daran musste man sich erst gewöhnen!”
Nochmals danke für deine Analyse, Achim. Immer wieder spannend, solche Design-Entwicklungen aus deiner Perspektive zu sehen! 👍🎓🖌️
@Andreas Es ist immer so spannend zu sehen, wie unterschiedlich doch die Meinungen zu einem Thema sein können. Und ja, ich sehe definitiv, wo du herkommst. Es stimmt, die visuellen Anwendungen haben wirklich was – sie sind schick und haben ihren eigenen Charme. Das Rautenmuster, das du ansprichst, ist tatsächlich ein gelungenes Detail, das sowohl historischen Wert als auch modernes Flair vermittelt.
Die Mischung aus zeitgemäßem und klassischem Design kann wirklich ein Balanceakt sein, besonders bei so einer Institution mit einer langen und stolzen Geschichte wie der Karls-Universität. Und es sieht so aus, als hätte dieses Design bei dir genau ins Schwarze getroffen! 🎯
Ich denke, das Wichtigste, was wir hier alle mitnehmen können, ist, dass Design subjektiv ist. Was für den einen funktioniert, mag für den anderen nicht ideal sein. Und es ist völlig okay, unterschiedliche Meinungen dazu zu haben. Letztendlich kommt es darauf an, wie es von der breiteren Masse angenommen wird und ob es seinen Zweck erfüllt.
Andreas, deine positive Sichtweise erinnert mich daran, immer offen für verschiedene Interpretationen zu sein und nicht nur aus unserer Marketing-Blase heraus zu schauen. Ein frischer Blickwinkel ist manchmal genau das, was man braucht!
Liebe Grüße und danke für den anregenden Austausch! 😊👌🎨
Šukri
Auch Dir herzlichen Dank Šukri.
Ich denke, dass man das so nicht sagen kann, ja mehr noch, hier in einem Fachblog so nicht sagen sollte. Denn die Aussage suggeriert, Design sei einzig eine Geschmacksfrage. Was zweifelsfrei falsch ist. Design ist nicht per se Design subjektiv. Es gibt im Design viele leicht objektivierbare Kriterien, etwa Reproduzierfähigkeit, Anwendbarkeit, Skalierbarkeit, Ausführung/Qualität der handwerklichen Arbeit, Konsistenz, u.a.. Darüber hinaus lassen sich selbst einige Kriterien objektiv bewerten, die in den Bereich der Ästhetik reichen, etwa Prägnanz und Originalität/Eigenständigkeit. In der Bewertung der künstlerischen, kommunikativen und innovativen Qualität wird man hingegen zu stark unterschiedlichen Einschätzungen kommen, da hier die subjektive Wahrnehmung entscheidend(er) ist.