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DDR CI – Das visuelle Erscheinungsbild der Deutschen Demokratischen Republik

DDR CI
DDR CI

Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 endete die Existenz der DDR. Damit scheiterte nach 40 Jahren das Experiment auf Basis einer marxistisch-leninistischen Ideologie in einem der beiden deutschen Staaten eine sozialistische Gesellschaft zu formen. Die visuelle Sprache, Design, insbesondere Kommunikationsdesign dienten der Selbstdarstellung des autoritären DDR-Regimes, und sie fungierten als Instrument der Meinungslenkung. Andreas Koop (NSCI) hat sich eingehend mit dem visuellen Erscheinungsbild des real existierenden Sozialismus beschäftigt. Auf dt-Leser wartet ein Gratisexemplar.

Alle kennen die Bilder von den Montagsdemonstrationen in Leipzig, vom Mauerfall und von den Feierlichkeiten zur Wiedervereinigung. Auch die Pressekonferenz des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), bei der Günter Schabowski, Mitglied des Politbüros, am 09.11.1989 im DDR-Fernsehen in einem konfusem Vortrag erklärt, DDR-Bürger könnten ab sofort ohne Visum in die Bundesrepublik Deutschland und nach West-Berlin einreisen, ist Teil des kollektiven Gedächtnisses.

Dass die DDR so lange existieren konnte, obschon in ihr Freiheits- und Grundrechte massiv und systematisch eingeschränkt, oppositionelle Aktivitäten unterdrückt und die eigenen Bürger überwacht, ausspioniert und unrechtmäßig bestraft wurden, hat auch mit ihrer Selbstdarstellung und ihrer Identität zu tun. Ein Corporate Design mit medienübergreifenden Gestaltungsvorgaben besaß die DDR zwar nicht. Und doch verfügte die zum Arbeiter- und Bauern-Staat ideologisierte DDR, wie Andreas Koop im kürzlich erschienenen Buch „DDR CI“ herausgearbeitet hat, über ein unverwechselbares visuelles Erscheinungsbild. Ein Erscheinungsbild, das auf die Darstellung der Macht der SED-Partei ausgerichtet war.

Sich das visuelle Erscheinungsbild der DDR vor Augen zu führen, hilft dabei, auch das Funktionieren des damit verbundenen Systems zu verstehen. Koop beleuchtet die Anfänge in Trümmern, die diametral entgegengesetzten Ziele der Besatzungsmächte in Ost und West, Staatspartei und Parteienstaat, die Ideologie und den Feind-Bedarf als Lebenselixier des Staates. Er zeigt die visuellen Differenzen zwischen BRD, DDR und der Sowjetunion auf und erläutert die Gründe dafür. Er fühlt der Sprache auf den Zahn und schildert, was sie verrät – und was sie verschweigt. Er analysiert zwei Wirtschaftssysteme, die unterschiedlicher kaum sein können und schildert, wie sie funktionierten.

Den Kernteil des Buches bildet eine umfangreiche, detailliert-akribische Designanalyse, die nicht nur Kreativschaffende fesselt, sondern darüber hinaus beitragen kann, den Grauschleier des Vergessens, der dabei ist, sich über die DDR zu legen, für alle historisch Interessierten zu lüften. So ist das Buch auch eine spannende Geschichtsstunde, die den Kalten Krieg lebendig werden lässt: mit zwei deutschen Frontstaaten.

Ich habe das Buch an einem Nachmittag gelesen und mich insbesondere darüber gefreut, dass die Art der Repräsentation, Selbstdarstellung und Inszenierung der DDR, die ja doch vielfach höchst widersprüchlich war, näher beleuchtet und eingeordnet wird – und so auch nachvollziehbar wird. So erklärt der Autor beispielsweise, wie es sein konnte, dass die DDR, die sich als „antifaschistischer Widerstand“ gegen den Nationalsozialismus verstand, gleichzeitig die Angehörigen der Volksarmee in Uniformen steckte, die, wie es heute so schön heißt, im Look & Feel den Wehrmachtsuniformen entsprachen. Im Grunde spiegelt das Erscheinungsbild der DDR, im Grafikdesign, in der Werbung beispielsweise aber auch in der Architektur, die Zerrissenheit in großen Teilen der Gesellschaft wie auch die vielen Widersprüche in ideologischer Hinsicht wider.

Eine „CI“, eine nach Maßstäben wie Ganzheitlichkeit und Stringenz ausgerichtete strategisch geplante und gelenkte Corporate Identity, zu der unter anderem auch ein einheitliches visuelles Erscheinungsbild zählt (CD), hat die DDR zu keinem Zeitpunkt gehabt. Der Buchtitel ist nach meiner Auffassung demnach eher so zu verstehen, dass hier das Gesamtkonstrukt „DDR System“ mit all seinen Machtanspruch-kommunizierenden Ausdrucksmitteln beschrieben wird. Denn auch ohne ein von zentraler Stelle strategisch geplantes Corporate Design artikulieren sich im Visuellen unmissverständlich die Ziele des DDR-Regimes. Das Buch hilft in entscheidender Weise beim Entschlüsseln und Verstehen der damit einhergehenden Botschaften.

Basisdaten zum Buch

Titel: DDR CI – Das visuelle Erscheinungsbild der Deutschen Demokratischen Republik
Autoren: Andreas Koop
Erschienen bei: Verlag Hermann Schmidt
240 Seiten, Format 17,4 x 24 cm, Fadengehefteter Leinen-Festeinband mit Lesebändchen

ISBN 978-3-87439-915-9
Preis: 40,00 €
Webseite zum Buch: Zu bestellen unter typografie.de

DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt
DDR CI, Quelle: Verlag Hermann SchmidtDDR CI, Quelle: Verlag Hermann SchmidtDDR CI, Quelle: Verlag Hermann SchmidtDDR CI, Quelle: Verlag Hermann SchmidtDDR CI, Quelle: Verlag Hermann SchmidtDDR CI, Quelle: Verlag Hermann Schmidt

Verlosung

Für dt-Leser steht ein Gratis-Exemplar bereit, und zwar mein Rezensionsexemplar. Wer bis zum 3. Oktober 20:00 Uhr einen Kommentar hinterlässt und schreibt, weshalb einen das Buch interessiert, nimmt an der Verlosung teil.

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Dieser Beitrag hat 48 Kommentare

  1. Ich bin daran interessiert, das Buch “DDR-CI: Das visuelle Erscheinungsbild der Deutschen Demokratischen Republik” zu lesen, weil es mir mehr über die Designgeschichte und -kultur der DDR erzählt. Ich möchte sehen, wie die DDR ihre visuelle Identität gestaltete und welche Bedeutung das Design für ihre politische und gesellschaftliche Entwicklung hatte.

  2. Sehr schön! Nach NSCI habe ich schon auf ein weiteres Buch von Andreas Koop gewartet. Wenn es nur ansatzweiße so interessant wird, ist es schon gut. Ich hoffe es folgen noch BRDCI, USACI oder was exotischeres.

  3. Ich kenne die DDR nur aus Erzählungen und Büchern, und dieses Buch wäre sicherlich ein sehr interessanter neuer Einblick in die Geschichte dieses Landes.

  4. Insbesondere die Schriftarten und Printprodukte sprechen mich immer wiederan und ich würde mich freuen, darüber eingeordnet in das visuelle Erscheinungsbild zu lesen.

  5. … ich bin ein Kind der DDR bis zur 5. Klasse, dann kam die Wende. Ich kenne noch viel, aber dennoch war ich Kind…
    Da ich im gestalterischen Arbeite, interessiert mich der Blick von Außen auf das Thema. Und wenn man die Sachen sieht, so kommen wieder Erinnerungen hoch.

  6. Selbst in der DDR aufgewachsen, kam mir als Kind (fast) alles in diesem verhassten Staat trist und lieblos gestaltet vor. Wenn ich mich heute zwinge, einen nüchternen Blick auf die Dinge zu werfen, die mich damals umgaben, stelle ich fest, dass es das eine oder andere gibt, das den heutigen Standards der Kommunikation standhalten kann. Ich würde gerne mehr über die Hintergründe erfahren.

  7. Ich habe als West-Grafikdesigner Ende der 80er studiert und kenne/kannte die DDR nur als Transitland auf dem Weg nach Kreuzberg; die nach der Wende einsetzende »Ostalgie« ging mir als oft oberflächlich-folkloristische, auf Trabis und Dosensuppen fokussierte Zeitgeistströmung ziemlich auf den Zeiger. Um so interessanter wäre es, das Ganze aus fachlicher Sicht einmal professionell ausgeleuchtet zu sehen.
    (Und vielen Dank für die nebenher gelieferte CI/CD-Begriffsdefinition/-Klarstellung. Ich werde immer unruhig, wenn diese Begriffe beliebig durcheinander gewürfelt und Designmanuals mit »CI« betitelt werden … scheint unausrottbar zu sein.)

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