Das internationale Fairtrade-Netzwerk, getragen von nationalen Organisationen wie etwa dem Verein TransFair für Deutschland, setzt sich für den fairen Handel und für menschenwürdige Arbeitsbedingungen von Kleinbauern ein. 2002 einigten sich 17 nationale, sogenannte Siegelorganisationen auf ein gemeinsames Logo, dem Fairtrade-Siegel. Seitdem finden wir es auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz in Supermärkten auf Produkten. Nun bekommt das Siegel Zuwachs.
2012 lag der Umsatz mit Fair-Trade-Produkten in Deutschland bei rund 533 Millionen Euro. Kaffee ist hierbei das meistverkaufte Fair-Trade-Produkt. Das mag zunächst viel erscheinen, allerdings wurden nur 1,2 Prozent etwa des Kakaos weltweit zu Fairtrade-Bedingungen verkauft. Bei Zucker und Baumwolle sind es sogar noch weniger. Mit den nun aufgelegten Fairtrade-Programmen möchte man dieses Potenzial ausschöpfen.
Das bekannte Fairtrade-Siegel (links) sowie die drei neuen Fairtrade-Programm-Siegel (rechts)
Bislang galt: Wenn ein Produkt mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnet ist, steckt auch zu 100 Prozent Fairtrade drin. Nun hat der Dachverband Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) Programme ins Leben gerufen, die einen anderen Ansatz verfolgen. Zukünftig können auch Produkte mit einem der drei neuen Fairtrade-Programm-Siegeln gekennzeichnet werden, dann nämlich, wenn der für das Produkt verwendete Zucker, Kakao oder die Baumwolle zu 100 Prozent unter Fairtrade-Bedingungen produziert worden sind.
Hier geht es also um den Rohstoffeinkauf von Unternehmen. Kaufen diese unter Fairtrade-Bedingungen produzierte Rohware ein, können die Unternehmen zukünftig ihre Produkte mit einem der drei Fairtrade-Programm-Siegeln auszeichnen. Fairtrade sieht darin „bedeutende Absatzmöglichkeiten“ und erhofft sich eine weitere Verbesserung der Bedingungen von Kleinbauern.
Aus Verbrauchersicht sind die neuen Programm-Siegel insofern gewöhnungsbedürftig, da sie sich vom bisherigen Prinzip unterscheiden, bei dem eine produktspezifische Aussage getroffen wurde. Wenn mit den neuen Programm-Siegeln lediglich eine bestimmte Zutat gekennzeichnet ist, sagt dies nichts oder nur sehr wenig darüber aus, unter welchen Bedingungen das Produkt selbst entstanden ist. So reicht es etwa auch, um das Programm-Siegel verwenden zu dürfen, wenn ein Produkt lediglich 5 Prozent Kakao enthält. „Der Anteil spielt in diesem Fall keine Rolle, da der Ansatz auf Ebene des Rohstoff-Einkaufs liegt“, so Edith Gmeiner von Fairtrade-Deutschland.
Meine persönliche Einschätzung: Ich sehe schon die Gefahr des Missbrauchs, wenn nämlich Hersteller die Programm-Siegel gewissermaßen als visuelles Deckmäntelchen missbrauchen, um ihre ansonsten eher mittelprächtigen, kaum nachhaltigen Produkte aufzuwerten. Wenn beim Lizenzierungsverfahren nicht mir der größtmöglichen Transparenz und Sorgfalt verfahren wird, könnte dem Fairtrade-Programm ähnliches drohen wie dem FSC-Siegel, das mittlerweile, auch dank „Mix“-Zusatz, auf gefühlt jeder zweiten Verpackung zu finden ist, wodurch a) der Effekt der Auszeichnung und Hervorhebung dahin ist und b) das Siegel generell an Ansehen eingebüßt hat, letzteres sicherlich auch aus anderen Gründen (siehe Beitrag).
Dem fairen Handel wäre es zu wünschen, wenn Fairtrade sein gutes Image wahren könnte.
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Weiterführende Links:
“Die Kriterien wurden mehr und mehr aufgeweicht”
Leider denke ich auch, das die neuen Siegel erst für mehr Verwirrung sorgen und dann die Konsumenten von Fairtrade schnell enttäuscht sein könnten. Ich fürchte man schädigt so seinen eigene Ruf und bringt noch mehr Siegel auf einen “übersiegelten” Markt. Vor allem verstehe ich nicht, wie man genau die fairen Zutaten genau hervorheben will – was meines Erachtens aber ENORM wichtig wäre.
In dem Zusammenhang fiel mir spontan GEPA ein, die sich schon vor längerem von Fairtrade verabschiedet haben* – mit einer der Hauptgründe war wohl auch, dass man ohnehin “nur” Mindeststandards erfüllt. Generell ein guter Ansatz, aber das Fairtrade-Siegel ist mittlerweile so bekannt, dass man sich da ein Mehr erwarten könnte, hingegen sehe ich das nun als ein Weniger an …
*https://www.domradio.de/nachrichten/2012-06-11/handels-organisation-gepa-setzt-vermehrt-auf-eigene-marke
“Fair Trade” ist doch schon konzeptionell Unsinn. Es ist das Wesen eines Handels, dass er “fair” ist. Wenigstens ist er das im marktwirtschaftlichen Sinne. Marktergebnisse nachher zu korrigieren mag im einen oder anderen Fall durchaus angemessen erscheinen, mit “Handel” hat das dann aber nichts mehr zu tun.
Außerdem mag ich mal die Frage in den Raum stellen, wie sehr sich die Kakaobauern in Afrika im umgekehrten Fall für die gerechten Löhne (ein weiterer sehr wenig marktwirtschaftlicher Begriff…) der Menschen in Europa interessieren würden…
Die Idee, dass auch Produkte, die nur zum Teil aus Fairtrade-Zutaten hergestellt sind, das Fairtrade-Siegel tragen dürfen, halte ich für sinnvoll, aber man hätte ja erst einmal bei den Produkten ansetzen können, die zur Hälfte oder wenigstens zu einem Drittel oder Viertel aus diesen Zutaten bestehen. Die “5-Prozent-Hürde” ist meiner Meinung nach eine Lachnummer und führt höchstwahrscheinlich zu Etikettenschwindel und einer Entwertung der Marke.
Vielleicht hätte man im Zuge der Einführung der drei neuen Varianten das Original-Logo ändern sollen um “100% Fairtrade” besser zu kommunizieren. Die Hintergrundfarbe reicht dazu sicher nicht aus.
Ich denke ebenso. Es ist tragisch, denn eine verhältnismäßig faire Entlohnung auf wenige Rohstoffe zu begrenzen bleibt leider der Tropfen auf dem heißen Stein; Es bleibt eine Nische, und das Gewissen ist mit zwei Mal im Monat fairen Kaffee kaufen angenehm beruhigt. Was Du in dem Zusammenhang mit Nachhaltigkeit gemeint hast, ist mir jedoch nicht ganz klar.
Ist zwar ein anderes Fass: aber interessant wäre ja auch, ob die Herstellung der Kaffeemaschine (vom Rohstoff bis zum Endprodukt) fair entlohnt wurde, und der Wischlappen, mit dem ich die Kaffeekrümel wegwische. So bleibt der Zuschnitt auf ein paar wenige Rohstoffe leider nur ein Randphänomen für eine kleine Gruppe.
Ich finde die neuen Siegel gut, aber nur für eine Übergangsphase. Es ist ein guter Weg, um den Anteil für gehandelter Waren zu steigern, weil die Hürde für die Unternehmen, etwas zu verbessern, geringer ist. Doch ab einem gewissen Zeitpunkt, sollte man die Siegel wieder entfernen und hoffen, dass die Unternehmen den 2. Schritt auch noch gehen und den Rest des Produktes fair machen.
Der Artikel enthält ein paar Fehler. So gab es auch bisher schon Mischprodukte, die nicht 100% Fairtrade waren: Z.B. Schokolade, denn Milch gibt es nicht mit Fairtrade-Siegel. Allerdings gibt es für das Produktsiegel die Regel “All that can be Fairtrade must be Fairtrade”, etwa muss der Zucker in der Schokolade fair gehandelter Rohrzucker sein. Auch “Mengenausgleich” ist bisher schon möglich, d.h. es wird nur die für ein bestimmtes Produkt benötigte Menge des Rohstoffs fair eingekauft und in der Produktion mit anders bezogenen Rohstoffen gemischt.
Ich denke, diese “All that can be”-Regel ist ein wesentlicher Beweggrund für die neuen Programme, denn die Industrie hat offensichtlich Interesse daran, mit Produzenten fair zu handeln, aber warum soll man nicht weiter bei uns produzierten Zucker verwenden? Das ist aus meiner Sicht durchaus nachhaltig.
Problematisch sehe ich aber die Art der Kennzeichnung. Es wird die Bedeutung des Fairtrade-Siegels verwässert, und für den Konsumenten ist nicht klar, was ein “Cocoa Program” ist. Sinnvoller hätte ich eine Kennzeichnung wie “Bestimmte Zutaten sind fair gehandelt” oder “13% Fairtrade ingredients” gefunden – mit genauer Auflistung auf der Rückseite, versteht sich.
Immerhin darf ein Produkt laut Fairtrade-Website nur dieses Programm-Siegel tragen, wenn der jeweilige Rohstoff zu 100% fair gehandelt ist.
Bleibt zu hoffen, dass das Ganze am Ende wenigstens den Produzenten hilft.
Über Sinn und Unsinn von Fairtrade hier zu diskutieren, ist vermutlich nicht nötig. Einfach auf den Markt zu verweisen, ist mir jedenfalls nicht genug. Zum Glück haben wir bei uns gewisse soziale Standards, alle Kinder können zur Schule gehen etc., und am besten wäre es, wenn das überall so wäre und wir keine Siegel dafür bräuchten. Solange das aber nicht der Fall ist, ist mir ein Fairtrade-Siegel für manche Produkte allemal lieber als die Menschen, die meine Lebensmittel produzieren, vollständig dem Markt zu überlassen.
Es ist jedem selbst überlassen, ob er es für sein Gewissen braucht, die zwei Pfund Kaffee im Monat mit “Fair Trade”-Siegel zu kaufen. Das Problem bei solchen Siegeln allgemein: Sie verkaufen ein Produkt über einen angeblichen moralischen Mehrwert, der aber nicht oder nur in verschwindend geringem Maße vorhanden ist.
Jedes Jahr eine Flugreise, jeden Weg mit dem Auto, jedes elektronische Gadget, das es gibt, und dann zwei Päckchen “Fair Trade”-Kaffee: DAS ist der Lebensstandard der Menschen hierzulande. Und dieses winzige Feigenblatt an Nächstenliebe reicht den meisten. Wirklicher Verzicht liegt denen so denkbar fern.
hier abseits etwas über die schattenseiten des faitrades https://www.cracked.com/quick-fixes/4-reasons-why-fair-trade-coffee-scam/
Würde mich mal interessieren, was Unternehmen an Fairtrade abdrücken müssen um das Siegel zu bekommen.