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Buchvorstellung: Nachhaltiges Design – Herkunft, Zukunft, Perspektiven

Nachhaltiges Design
Nachhaltiges Design, Quelle: oekom, Bernd Draser, Elmar Sander

Rund 200 Jahre nach Einsetzen der ersten Industrialisierung ist in den meisten Gesellschaften nach wie das Bild vorherrschend, Designer seien diejenigen, die die Dinge schöner machten, funktionaler, womöglich sinnlicher. Die Erkenntnis, dass Design viel mehr ist und Designer darüber hinaus im Hinblick auf die heutigen vielfältigen ökologischen, ökonomischen und soziokulturellen Herausforderungen einen wertvollen Beitrag leisten können, erfährt, wie ich finde, selbst innerhalb der Kreativwirtschaft noch zu wenig Beachtung. Es wird Zeit über Nachhaltiges Design zu sprechen. Denn „allein das Nachhaltige Design ist Design im vollen Sinne“, sagen Bernd Draser und Elmar Sander. In ihrem Buch „Nachhaltiges Design – Herkunft, Zukunft, Perspektiven“ beleuchten sie die geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge von Design. Denn erst so wird erkennbar, was in einer sich verändernden Welt gelingende Nachhaltigkeitskommunikation auszeichnet.

Der Kulturwissenschaftler Bernd Draser und der Kommunikationsdesigner Elmar Sander, unter anderem als Dozenten an der ecosign/Akademie für Gestaltung Köln tätig, sind der Ansicht, dass Design in der Vergangenheit in der Regel eher Ursache des Problem war als dessen Lösung. In ihrem kürzlich erschienen Buch „Nachhaltiges Design – Herkunft, Zukunft, Perspektiven“, erschienen im Oekom Verlag, skizzieren sie Designgeschichte, unter Bezugnahme von Meisterwerken der Malerei als Sinn-Bilder, als ein Drama in fünf Akten. Sie erkunden die Herkünfte des (Nachhaltigen) Designs aus der Vielfalt kultureller, technischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklungslinien und spannen so den Bogen bis hin zu seiner lebensweltlichen Wirksamkeit.

Designer verstehen sich selbst gerne als Problemlöser. Als Problemlöser zumeist in visuellen Angelegenheiten. Eine Rolle, die ihnen über die Jahrzehnte und Jahrhunderte zugeschrieben wurde, und die die Entwurfsleistung fast ganz am Ende eines Entstehungsprozesses vorsieht. Die Entwicklung von Produkten und Anwendungen verläuft heutzutage jedoch vielfach non-linear im Rahmen eines agilen Prozesses, zunehmend interdisziplinär und obendrein unter der Prämisse einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Unternehmensstrategie. Designer erlangen so, zumindest potenziell, da sie früher in eine Entwicklung eingebunden sind, größeren Einfluss. Dies wiederum bringe auch eine größere Verantwortung mit sich und fordere von Designschaffenden ein hohes Maß an Reflexionsvermögen, so die beiden Autoren.

Im Design/Kommunikationsdesign liegt, wie auch vielfach im dt von mir angemerkt wurde, eine transformative Kraft. Wenn Design in Unternehmen systemisch verankert ist und neben dessen ästhetische Dimension auch soziale, kulturelle, ethische, ökonomische und ökologische Zusammenhänge beachtet werden, kann es sein gesamtes Potenzial entfalten, so Draser und Sander.

In „Nachhaltiges Design – Herkunft, Zukunft, Perspektiven“ werden Designschaffende nicht als Oberflächengestalter betrachtet, sondern als Gesellschaft Mitgestaltende. In der Tradition stehend also mit „To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt“ von Florian Pfeffer. Draser und Sander beschreiben ein Design, bei dem Nachhaltigkeit von Grund auf mitgedacht wird. Dass dies nach wie vor viel zu selten geschieht, lässt sich auch an den zahlreichen Redesigns von Verpackungen ablesen, die mit allerlei grünen und blauen Labels ausgestattet werden, um so sichtbar zu machen, was heutzutage doch eigentlich selbstverständlich sein sollte.

Bereits in den 1970er-Jahren hatte Dieter Rams formuliert: gutes Design ist langlebig, gutes Design ist umweltfreundlich. Viel, sehr viel, ist seitdem schief gelaufen, so scheints, und zwar in so ziemlich allen Designsparten, ob Fashion, Automobile, Packaging, Produkt/Industrie oder Kommunikation. Design ist eine expandierende und lebendige Disziplin ist, wie die beiden Autoren ausführen, und so liegt in den Fehlern der Vergangenheit immer auch eine Chance. Ohne Nachhaltigkeit, sind sich Draser und Sander sicher, ist Zukunft nicht möglich, und ohne Design ist Zukunft nicht gestaltbar.

Nachhaltiges Design
Nachhaltiges Design
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Das Buch ist NICHT – und diese einleitenden Erklärungen im Buch empfand ich beim Lesen als hilfreich –, kein Ratgeber für nachhaltige Materialien im Produktdesign, auch keine Schritt-für-Schritt-Anleitung, kein Bilderbuch und kein nachhaltigkeitsromantischer Appell für Design, das die Welt rettet. Gefallen hätte mir persönlich allerdings, wenn das Geschriebene um das ein oder andere Praxisbeispiel mehr angereichert worden wäre, eben auch um die Vorteile wie auch die Praxistauglichkeit Nachhaltigen Designs zu veranschaulichen. Denn schließlich ist Nachhaltiges Design, Sustainable Design, Eco Design oder Green Design kein utopisches Modell.

Designlösungen und Produkte, die Kreativität, Ökologie und Ethik vereinen, gibt es mittlerweile unzählige, zu sehen unter anderem in spezialisierten Shops und Magazinen wie Lilli Green oder Haus von Eden. Egal ob es um klimafreundliche Produkte geht, um „Urban Farming“-Projekte (Sky Greens, Growing Underground), zukunftsorientierte Verkehrs- und Mobilitätskonzepte (Houten, Portland), ressourcenschonende Verpackungen (clever little bag, Puma), kompostierbare Einwegverpackungen (Evoware) oder auch um gänzlich unverpackte Produkte (Original Unverpackt) – Design ist bei allem ein, wenn nicht der zentrale Faktor.

Wenn Designer auch zukünftig glaubhaft als Problemlöser angesehen werden wollen/sollen, und nicht nur als Oberflächengestalter, kommen wir nicht umhin uns mit den vielfältigen Dimensionen von Design zu beschäftigen. Das vorgestellte Buch leistet meiner Meinung nach hierbei einen wertvollen Beitrag und einen wichtigen wie notwendigen Impuls. Ob die geschichtliche Darstellung, wie im Buch der Fall, bis zurück zu Adam & Eva reichen muss, sei einmal dahingestellt. Wobei es das im Design gebundene „Erlösungspotenzial“, quasi als Ersatz zur Religion und/oder der Kunst, anzuerkennen gilt. Nicht von ungefähr enthalten Keynotes von Apple jede Menge textliche und visuelle Botschaften, die Religiosität bzw. Spiritualität vermitteln. Klar ist jedenfalls, um ein populäres Zitat von August Bebel (1840-1913) aufzugreifen: nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten. Mir persönlich haben insbesondere jene Kapitel gut gefallen, in denen auf die besonderen Herausforderungen heutiger Nachhaltigkeitskommunikation eingegangen wird, Stichwort Wirksamkeit von moralischen Appellen. Zur Erweiterung des Horizonts und zum Erkennen der Wurzeln und Verflechtungen trägt „Nachhaltiges Design – Herkunft, Zukunft, Perspektiven“ unbedingt bei.

Basisdaten zum Buch

  • Titel: Nachhaltiges Design – Herkunft, Zukunft, Perspektiven
  • Verlag: Oekom
  • Autoren: Bernd Draser, Elmar Sander
  • 256 Seiten, Softcover, | auch als E-Book erhältlich
  • ISBN 978-3-96238-363-3
  • Herstellung: 100 % Recycling-Papier, mineralölfreie Druckfarben, Verzicht auf Plastikfolie, Druck in Deutschland (kurze Transportwege)
  • 28,00 Euro
  • Das Buch kann versandkostenfrei auch direkt bei den Autoren bestellt werden. Es genügt eine kurze E-Mail an sander@ecosign.net oder draser@ecosign.net.

Verlosung

Auf dt-Leser warten zwei Gratisexemplare. Wer eines der Bücher gewinnen möchte, möge bis zum 20. Juli 22:00 Uhr einen Kommentar hinterlassen, angereichert mit ein, zwei positiven Beispielen in Sachen nachhaltig gestalteten Produkten/Anwendungen (bitte nicht als Werbemöglichkeit missverstehen, sondern als Linktipp).

Noch der Hinweis: An der Verlosung teilnehmen können alle dt-Leser. dt-Leser mit einer Mitgliedschaft, die an dieser Stelle einen Kommentar hinterlassen, haben eine drei mal höhere Gewinnchance.

Weiterführende Links

Dieser Beitrag hat 25 Kommentare

  1. Boahh – “Nachhaltigkeit” im Design. ich kanns ehrlich gesagt nicht mehr hören.
    Juhuhh, jetzt gestalten wir alle “nachhaltige” Geschäftsberichte und Webseiten für Krauss-Maffei und Mercedes-Benz. Ach NFTs? Ja, klar machen wir Ihnen!

    Ich persönlich fände schön, wenn der Begriff “Nachhaltigkeit” von Designern mal auf ihre wirtschaftliche Situation hin gedeutet würde. Honorare, Urheberrecht, Pitches, Ausschreibungen, Preisspirale, Stockarchive etc. Ein weites Feld. Die Welt retten wir doch schon im Privatleben, oder?

    1. Nicht Krauss-Maffei, aber zumindest Rheinmetall kommt im Buch tatsächlich vor. Als Beispiel für groteskes Greenwashing, werden im hiesigen Nachhaltigkeitsbericht doch lieber die Bienen auf dem Munitionstestgelände besungen als die Notwendigkeit erkannt, das Geschäftsmodell an sich unter die Lupe zu nehmen.

  2. Spannendes, wenn auch derzeit medial sehr gehyptes Thema. Gefühlt schreibt sich das jedes zweite Startup auf die Fahnen.

    Ich persönlich finde die Supertrees in Singapur eine tolle architektonische Lösung.
    Oder Google München: WC-Spülung mit Regenwasser vom Dach.
    Grundsätzlich mag ich auch Verpackungsmaterial, welches nach seinem ursprünglichen Zweck z.b. selbst kompostierbar als Dünger verwendet werden kann.

  3. Meiner Meinung nach findet man nachhaltig gestaltete Produkte im Antiquitäten Geschäft. Dort einkaufen würde sich auch für Firmen lohnen.

  4. Wichtig ist zu verstehen, vor allem für Getsalter:innen, wie die Dinge in unserer Gesellschaft zusammenhängen. Nur durch die Betrachtung mehrerer verschiedener Perspektiven und Bedürfnisse, kann Gestaltung auch wirklich nachhaltig Sinn machen. Ich bin sehr gespannt, welche neuen Erkenntnissee dieses Buch zu bieten hat.

  5. Klasse!
    wurde neulich gefragt, was wir denn machen würden, wenn „dieser Nachhaltigkeits-Trend vorbei ist“ … „Ausgestorben sein.“ war die Antwort.
    Wenn Design eben nicht nur „schnell mal aufhübschen“ sein soll, müssen wir uns dieses Feld dringend kompetent erarbeiten. Das scheint mit diesem Buch zu gelingen.
    Vor Ort geschieht auch so viel gutes:
    Planterial – Holzersatzwerkstoffe auf Pflanzenbasis: https://planterial.de/
    Morobo – baut moderne Elektronik und IT in alte Gehäuse (und hat nebenbei unendlich viele Ersatzteile für alles mögliche …) https://www.kielregion.de/wissenschaft/innovationsfestival/innovationstipp/?tx_nckielregion_pitipp%5Btipp%5D=131&tx_nckielregion_pitipp%5Baction%5D=detail&tx_nckielregion_pitipp%5Bcontroller%5D=Tipp&cHash=83d8d914fec08d2444f173276c36c72c

  6. Nachhaltig gestaltet bedeutet meines Empfindens nach, besonderen Wert auf die Qualität eines Produktes zu legen – Beispiele hierfür wären z.B. Siebträger Kaffeemaschinen von Herstellern, wie ECM. Warum? Sie halten Jahrzehnte und halten ihr Niveau. Außerdem wichtig: Design, das Reparaturmöglichkeiten bietet – das wäre bei einer guten Siebträgermaschine auch der Fall. Ein anderes Beispiel für gutes, nachhaltiges Design wären die Jeans der Firma “nudie” – Zeitlose Modelle, sehr gute Qualität und sogar mit Reparaturservice in den eigenen Läden.

  7. Überall, wo produziert wird, ist es erstmal nicht nachhaltig. Die Produktion muss ausgeglichen werden durch zb. Unterstützung von Aufforstung etc., es gibt genügend Projekte. Leider wird immer noch zu wenig getan.

  8. Ich bin an dem Buch interessiert und möchte daher gerne an der Verlosung teilnehmen.
    Auf Anhieb fallen mir zwei Beispiele für nachhaltiges Produktdesign ein. Es gibt Schmuckschachteln, die aus recycelter Pappe hergestellt wurden, wo wunderschöner Echtschmuck in einer kompostierbaren Oberfläche eingebettet ist. Darüber hinaus ist sind auch Bleistifte aus Holz erhältlich, die am Ende des Schaftes einen Bereich haben, der Samen für Pflanzen enthält und eingepflanzt werden kann, nachdem der Stift nicht mehr angespitzt werden kann.

  9. Für mich hat nachhhaltige Gestaltung immer mit Anpassbarkeit zu tun. Wenn sich Bedürfnisse, Kontext oder Zeitgeist ändern, muss das Rad nicht zwangsläufig und immer wieder neu erfunden werden. Gestaltung, die vorausschauend und diesbezüglich modular aufgebaut ist, bietet dem Nutzer ein vielfachen Mehrwert, schont Ressourcen und damit auch den Geldbeutel. Leider ist das in unserem Wirtschaftssystem nicht gewollt, weil es sich auf Verbrauch und Konsum stützt.
    Wunderbare Beispiele gab es in der DDR, auch wenn es dort eher der Mangel war, der geniale und visionäre Produktgestaltung hervorgebracht hat. Die Multimax-Bohrmaschine taugte z.B. nicht nur zum Bohren, sondern trieb auch eine Vielzahl von Aufsätzen an: Schwingschleifer, Stichsäge, Handkreissäge, Heckenschere… Ein Motor, viele Werkzeuge. Andere Beispiele sind der Mixer RG28 oder die Simson-Mopeds. Einfach aufgebaut, modular erweiterbar, fast unkaputtbar, einfach zu reparieren.
    Mit dem Wissen und den Materialien von heute dürften Dinge eigentlich gar nicht mehr kaputt gehen. Das wäre wäre dann wirklich nachhaltiges Design.

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