Vor wenigen Tagen wurde der Webauftritt des Nachrichtensenders N24 einem umfassenden Relaunch unterzogen. Kein Pixel steht mehr auf dem anderen.
Im dt gab es schon einmal deutlich mehr Relaunchs von Nachrichtenportalen zu vermelden. Vor allem Verlagshäuser halten momentan das Geld vor dem Hintergrund ausbleibender Anzeigenerlöse beisammen und scheuen, anders als etwa der Handel, Investitionen im digitalen Bereich. Zwar finden kontinuierlich kleinere Anpassungen bei Spiegel.de, N-TV.de, Sueddeutsche.de etc. statt, einen solch umfangreichen Relaunch wie ihn nun N24 vollzogen hat, gab es jedoch schon längere Zeit nicht mehr. Grund genug, sich den neuen Webauftritt einmal genauer anzuschauen.
Der letzte Relaunch von N24.de fand Anfang 2008 statt (dt berichtete). Ein Grund, weshalb ich N24.de seitdem eher selten aufgerufen habe, war das kleinteilige Interface. Webauftritte, die nicht einmal 900 Pixel in der Breite mitbringen, verlieren in Zeiten der Responsivität und der damit verbundenen besseren Ausnutzung großflächiger Monitore an Attraktivität. Und so meide ich zunehmend Auftritte wie Spiegel.de, Stern.de und bislang eben auch N24.de. Zur Vermittlung aktueller Geschehnisse gehört eine zeitgemäße Aufbereitung des Inhaltes einfach dazu. Das ist letztendlich auch eine Frage der Authentizität. Die neusten, schnellsten und besten Nachrichten lassen sich nicht auf Dauer mit einem angestaubten Screendesign transportieren. Es gibt Nachholbedarf für einige große Nachrichtenmarken. Risiken werden gemieden, und so fehlt es derzeit, zumindest hierzulande, an innovativen Lösungen. Aber nun zur Sache.
Nachrichten-Karussell/Silder – unschön, wie Bilder von Text-Ebenen verdeckt werden.
Seit Juni 2010 gehört N24 nicht mehr zur ProSiebenSat.1 Media AG, sondern wird eigenständig von der neugegründeten N24 Media GmbH betrieben. Nach der Umstellung lag der Fokus seitens des Managements, wie N24-Chef Torsten Rossmann gegenüber DWDL.de verrät, zunächst auf den TV-Bereich. Mit dem Relaunch will der Sender nun sein Markenversprechen auch im Web einlösen, so Rossmann. Schauen wir uns gemeinsam an, ob der Webauftritt das Versprechen tatsächlich einlösen kann.
Was erwartet man als Besucher eines Webangebots eines Nachrichtensenders? Nachrichten und Sendungen/Videos, richtig. Während auf der bisherigen Startseite im Top-Nachrichtenmodul vorrangig Textmeldungen vorgehalten worden sind, finden sich in dem nun über die gesamte Breite (950px) gehenden Nachrichten-Modul neuerdings bevorzugt Themen, zu denen es auch Videomaterial gibt. Zumindest in den ersten Tagen ist dies so. Und genauso darf man das bei einem TV-Sender auch erwarten. Reine Textmeldungen und Bilder gibt es natürlich auch, Videos und das TV-Programm werden nun jedoch stärker in den Mittelpunkt gestellt.
Abzulesen ist diese Neugewichtung auch anhand der am unteren Rand des Browserfensters positionierten Programmleiste, bei der im 10-Sekundentakt Bilder des Livestreams eingespielt werden, was nicht nur gut aus sieht, es vermittelt zudem einen Eindruck davon, wofür die Marke N24 steht: Bewegtbild. Footer-Leisten gibt es ja bereits lange – hier scheint sie einmal eine nachvollziehbare Berechtigung zu haben. Sie bereichert das Interface, gerade auch im Hinblick auf die Nutzung unter iOS, für das derzeit nur eine leidlich funktionierende N24-App zur Verfügung steht, die man lieber gleich aus dem iTunes-Angebot herausnehmen sollte.
Programmleiste – am iPad noch fehlerbehaftet
Das Ausblenden der Programmleiste will am iPad allerdings (noch) nicht funktionieren, etwa beim Aufruf des Live-Streams. Bei Berührung des orangen Pfeil-Buttons wird ärgerlicherweise das dahinter befindliche Video beendet, die Leiste schiebt sich nach kurzer Zeit wieder selbsttätig nach oben. Dieser Fehler tritt sowohl in der Portrait- wie auch der Landscape-Ansicht auf. Gerade dort, wo N24 als Nachrichtenmarke überzeugen müsste, gelingt es dem Sender kurz nach dem Relaunch noch nicht. Fehlermeldungen und fehlerhafte Weiterleitungen, sind nicht schön, gehören zu einem Relaunch aber dazu, die Unterstützung wesentlicher mobiler Endgeräte sollte allerdings schon von Anfang an gewährleistet sein. Auch die Suche funktioniert derzeit noch nicht verlässlich.
Ausgesprochen gut gefällt mir hingegen die neue Typographie. Die Fago kommt nun als Webfont zum Einsatz. Schön, dass Webfonts das Nischendasein verlassen haben und in immer mehr Webpräsenzen für identitätsstiftende Akzente sorgen. Auch das neue Nachtblau im Hintergrund der Mediathek macht sich gut – durchaus ja keine triviale Herausforderung, sowohl ein wiedererkennbares Design zu schaffen und gleichzeitig die Lesbarkeit von weißer Schrift auf dunklem Fond zu gewährleisten. Beides scheint mir geglückt.
Die Hauptnavigation sucht im Nachrichtensektor ihres gleichen. Sie umfasst auf der Startseite lediglich vier Navigationspunkte. Kein Mensch dürfte die gepixelte Weltkarte oberhalb der Leiste vermissen. Vermutlich werden jedoch einige Nutzer das Fehlen der bisher aufgelisteten Ressort-Bezeichnungen bemängeln, zumindest bei Rollover könnte man diese anzeigen. Eine bewusste Abkehr vom Trend, Hauptnavigationen immer umfangreicher auszustatten?
Auf Übersichtsseiten werden Teaser im Wechsel links- und rechtsbündig angezeigt, was gerade beim Scrollen optisch gut funktioniert. Den Wechsel empfinde ich nicht als störend, sondern als Anreiz, weiter zu scrollen. Auch mit diesem Aufbau hebt sich das Angebot visuell von anderen Nachrichtenmarken ab. Was mir am Design besonders gefällt, ist die Verwendung oranger Steuerungs- und Schaltflächen. Indem diese das Senderlogo zitieren, transportieren die orangenen Rechtecke und Quadrate die visuelle Identität der Marke. Branding, das sich nicht nur auf das Logo beschränkt, sondern sich über die gesamte Website erstreckt. Chapeau!
Verbunden mit dem Relaunch eines traffic-starken Nachrichtenangebotes ist meist auch die Implementierung neuer Werbeformate. Rechtsseitig werden nun Banner eingespielt, die zum Teil skalieren und den gesamten rechten Bereich in Anspruch nehmen. Davon abgesehen ist die Anzahl der Werbebanner derzeit noch überschaubar beziehungsweise liegt sogar unter dem üblichen Maß. Übrigens auch Detailansichten von Fotos skalieren und füllen das Browerfenster nahezu vollkommen aus. Das sieht klasse aus auf dem 24-Zoller.
Neben dem Frontend wurde auch das Backend inklusive Redaktionssystem völlig umgestellt. Beim CMS fiel die Wahl auf CoreMedia. Unterstützt wurde N24 in Sachen Konzeption, Design und technischer Umsetzung von InterOne Hamburg.
Bei der eigenen Leserschaft kommt der neue Webauftritt, wie man einigen Kommentaren auf der Facebook-Fanpage entnehmen kann, nicht gut an – man ist geneigt zu sagen erwartungsgemäß. Vielleicht auch in Vorahnung darauf wurde seitens der Redaktion verzichtet, den Relaunch im eigenen Portal zum Thema zu machen. Zwar erspart man sich auf diese Weise zwar die zum Teil reflexhaft hervorgebrachten negativen Stimmen, aber eben auch die substanziellen, die dazu beitragen, das Angebot rund zu machen. Wie ich anhand eingehender E-Mails selbst erfahren darf (herzlichen Dank für die Hinweise zum Relaunch!), fühlen sich Leser ob der völlig neuen Aufmachung mitunter allein gelassen. Warum ist alles neu? Was ist neu? Wozu der Aufwand? All diese Fragen wollen aus Sicht der Leser beantwortet werden, also fährt man prinzipiell gut damit, sie bei solch einem Wechsel mitzunehmen.
Fazit
Die positive Entwicklung ist unverkennbar. Wenn Kinderkrankheiten ausgeräumt und die wesentlichen Funktionalitäten auch auf mobilen Endgeräten gewährleistet sind, sollte der neue Webauftritt viele Nutzer ansprechen. N24 ist auf einem guten Weg, das selbst formulierte Markenversprechen zu erfüllen. Bis dahin wartet für die Kollegen in der Technik noch etwas Arbeit.
Weiterführende Links
“Wir wollen das Markenversprechen auch im Web einlösen” | dwdl.de
Relaunch ist sehr perfekt. Voher war n24.de die gruseligsten Seiten im Netz.
Was mich wieder nervt ist, dass die Seite wieder linksbündig ist. Was ist so schwer daran, ne Seite zentriert anzulegen, damit man auf großen Monitoren nicht immer 3m Weissraum auf der rechten Seite hat?
Hi,
ich habe N24 eine zeitlang als ED betreut und kann nur sagen: ENDLICH.:) Der Umstieg von Spirits auf Coremedia hat für alle sicherlich eine grosse Erleichterung gebracht.
Allerdings kann ich die Seite aktuell überhaupt nicht aufrufen – es kommt sofort eine Fehlermeldung. Peinlich.
Und das Top-News Element, wie schon hier angemerkt, mit der Farbfläche über dem Foto ist wirklich eine Katastrophe. Welcher AD von Interone hat denn da einen schlechten Tag gehabt :)
Layout und Navigation wirken aufgeräumter und benutzerfreundlicher.
Die Bandbreiten von Internetverbindungen steigen zwar sukzessive an, aber Designer/Entwickler neigen mittlerweile leider dazu, überhaupt kein Augenmerk mehr auf Ladezeiten zu legen. Die Seite benötigt aktuell 198 HTTP-Requests und 1,7 MB an Datenvolumen. Das ist meines Erachtens zu “fett”. Die Mehrheit der Bevölkerung hat noch keine Anbindungen mit 16; 50 oder mehr MBit/s und entsprechend spürbare Ladezeiten. CNN, Spiegel und andere kommen mit der Hälfte aus (ca. 0,85 MB). Ladezeiten sind auch ein Rankingfaktor für Suchmaschinen, was nicht ganz unerheblich ist, wenn man Einnahmen aus Werbung erzielen will.
Wieder ein Relaunch im Jahr 2013 der (fast) ohne Responsiv Design daherkommt. Ich stimme Achim voll zu: Es gibt Nachholbedarf für die große Nachrichtenmarken. Ja, es sieht besser aus, aber warum werden Nachrichtenportale nicht responsiv? Und ich stimme auch pat-design zu: Warum relauncht jemand heute noch eine Seite, die linksbündig ausgerichtet ist? Ich glaube ich kenne die Antwort. Die Werbung ist der Grund! Wir sehen Responsive Design in Deutschland nur dort, wo Display Advertising nicht das Business Model ist. Solange wir den Vermarktern die Vorteile von Responsiv Design nicht erklären und ihnen keine einfache Lösungen zeige, wie sie Werbung (= die bestehenden Standard-Formate) in einem resonsiven Frontend ausspielen können, bleiben die großen Deutschen Seiten statisch. Deshalb hab ich hier mal mit einer Lösungssuche angefangen.
Es ist ein wenig aufgeräumter und relativ schlicht. Für mich macht es aber dennoch einen relativ unübersichtlichen Eindruck.
Es liegt glaube ich auch daran, das die Bilder mal rechts, mal links sind. Für mich zu viel Unruhe. Es passt ganz gut, weil ich gerade einen Newsletter für meine Seite erstellt habe.
In der ersten Version waren die Bilder auch wie hier links- rechts im Wechsel angeordnet.
Nach vielen Gesprächen über das Design kamen wir zu dem Ergebnis uns auf eine Seite zu einigen. Ich bleibe bei spiegel-online.
Lieben Gruss
Christian
Heute hat auch N-TV mit deren Relaunch nachgezogen.
Ich kann mich meinen Vorrednern leider nur anschließen, die Seite wirkt nicht so aufgeräumt, wie ich es von einem Zeitgemäßen Auftritt erwarten würde.
Eine Pro-Contra Aufstellung kann ich mir sicher sparen, der Artikel bedient die positive Seite ja mehr als genug.
was mich auf den ersten Blick stört:
– linksbündig
– inkonsequenter Weißraum, horizontal zu eng, vertikal zu großzügig, aber unregelmäßig
– unansehnliche Bildskalierung -> Pixeltreppen
– exzessiver Einsatz von Typovarianten
– unangenehme Schattenkanten, unzeitgemäßer Einsatz von Pseudo-Räumlichkeit
– zuviele unterschiedliche Farbflächen in der Marginalspalte (nicht auszudenken, was erst mit gehäuften externen bannern passiert)
– eigenartig gesetzter merken-button
– die blauen Balken der Vorgängerseite waren optisch sicher nicht schöner, aber zumindest haben sie der Kategorisierung auf der Startseite geholfen
Zudem finde ich die Belobigung, das orange Quadrat aufzugreifen etwas hochgegriffen, es sogar als “Branding” zu bezeichnen mehr als übertrieben. Das sollte eine Standardmaßnahme sein, die in meinen Augen als Selbstverständlichkeit eingesetzt werden muss und auch auf jeder Seite von mäßigem Format bereits so gemacht wird.
Ein Relaunch bringt immer viele Chancen, von denen hier in meinen Augen viele vergeben wurden. Und es nur zu belobigen, weil die direkte Konkurrenz es noch schlechter macht, ist für mich kein Gütesiegel, dafür hat der User einfach zu viele Vergleichsmöglichkeiten außerhalb der Nachrichtenportale.
P.S.
bitte stellt mir leichtere Mathe-Aufgaben.