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Die Web-2.0-Schublade

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Hört das denn nie auf mit dieser Web-2.0-Schublade? Kaum erscheint ein Logo mit einem Verlauf, kommen, wie aus der Pistole geschossen, diese vage formulierten Vorwürfe, das Logo wäre deshalb schlecht, weil es “Web-2.0-mäßig” ausschaut. Was bitteschön hat dieses Logo und viele andere Firmenzeichen der zurückliegenden Monate denn mit dem Marketingbegriff “Web 2.0” zu tun? Rein gar nichts!

Ja, das Logo hat einen Verlauf. Hey… sagen da Einige, es hat einen Verlauf! Dann ist es Web 2.0 und damit zum In-die-Tonne-Werfen. Ich sags mal wie es ist: Das ist Unfug. Verläufe gibt es, seitdem es Farben gibt. Auch in Logos werden sie seit mindestens einem Jahrzehnt verstärkt eingesetzt. Das bringen die Zeit, die Möglichkeiten und auch die Erfordernisse nun einmal mit sich. Wer bei einem Motorradhersteller, wie zuletzt bei Ducati nicht den Zusammenhang zwischen den Produkten und eines in 3D angelegten Emblems erkennt, das gleichzeitig als Markenzeichen fungiert, sollte mal auf einen Shopper steigen und sich das Hirn freipusten. Es ist doch albern in solchen Fällen, wie auch jüngst beim Beispiel Turkish Airlines, auf den “Ich-habs-als-Web2.0-Logo erkannt-Zug” aufzuspringen. Der Zug ist bereits seit langem proppenvoll. Er quillt über. Es ist weder schick dort mitzureisen, noch wird man durch solch eine Kritik erreichen, dass die Nichtgestalter auf den gleichen Zug aufspringen.

Stellen wir uns doch einmal vor, man nähme die drei neuen Logos Wick, Ducati und Turkish Airlines und würde sie in einer länderübergreifenden Untersuchung den alten Firmenzeichen gegenüberstellen und von den Menschen unterschiedlichster Herkunft und Gesellschaftszugehörigkeit bewerten lassen. Was glaubt Ihr würden die Menschen sagen, welches Logo moderner und vertrauensvoller erscheint? Und vor die Wahl gestellt würde man die Menschen fragen: Mit welcher Airline würden sie lieber fliegen und hätten ein sicheres Gefühl? Welche Hustenbonbonverpackung würden sie lieber kaufen? Oder bei welchem Motorrad erscheint ihnen die Technik als zuverlässiger? Immer jeweils ein Produkt mit dem alten und eines mit dem neuen Logo versehen. Kurz mal drüber nachdenken.

Ein Logo hat in erster Linie die Aufgabe im Hier und Jetzt zu funktionieren, das heißt, es muss die Produkte und die Werte eines Unternehmens in der aktuellen Situation bestmöglich verkörpern und also eine adäquate Gestaltungslösung anbieten. Es muss die Fähigkeit zur Wandlung in sich tragen. Und wenn es dann an eine neue Generation von Kunden, Konsumenten oder allgemeiner Menschen angepasst wird, damit es von dieser Generation als zeitgemäß und nicht veraltet eingestuft werden kann, dann sollte sein Veränderung ein Mittelweg aus Fortführung und Erneuerung sein.

Ebenso wie sich der Geschmack der Menschen ändert – nein ich trage keine Hosen mit Schlag, wie sie meine Eltern trugen und ja ich höre auch eine andere Musik als sie – so muss sich auch ein Corporate Design solch einem veränderten Empfinden für Formen, Farben, Mode, Musik, Kunst, etc. immer wieder aufs Neue einer Wandlung stellen. Es muss sich anpassen. Und just in dem Moment, in dem es sich behutsam an einen, in der Bevölkerung als modern geltenden Stil annähert, damit es als Marke attraktiv, „sexy“ und begehrenswert erscheint, was für jede Marke unablässig ist, bekommt aus den immer gleichen Rohren die volle Breitseite ab. Designer und angehende Designer degradieren es. Pech, Schwefel und die Web-2.0-Worthülse werden über dem Logo und der Designlinie ausgeschüttet. Welch eine Schmach. Die Frage ist nur, ist sie für das Logo größer oder für unsere Zunft?

Entschuldigung, dass ich mich so echauffiere, aber wer als Designer nicht mehr zu bieten hat, als immer diese ollen Kamellen von vor zwei Jahren rauszuholen, um sie unters Volk zu bringen, der sollte sich und seine Rolle als „Vermittler“ mal für einen Moment überdenken.

Dieser Beitrag hat 66 Kommentare

  1. Das “Web 2.0-Look” zu leicht als Schubladenbegriff genutzt wird, ist sicherlich nicht richtig. Für mich ist er mittlerweile aber einfach ein Synonym für bestimmte Stilmittel – geprägt von der aktuellen Entwicklung. Bei seiner Verwendung (ohne Wertung) hat jeder Anwesende sofort ein Bild im Kopf und weiß, wovon gerade die Rede ist. Genauso wie bei “Oma-Tapete”, “Babyfarben”, “Retro-Look”, “Hippie-Style”, “80er-Look” usw. (na, was habt Ihr jetzt für Kopfbilder? ;)

    So gesehen kann ich die Aufregung nur mit Achselzucken beantworten.

  2. hat jeder Anwesende sofort ein Bild im Kopf und weiß, wovon gerade die Rede ist. Auch für Dich noch einmal die Info Thorsten, dass die Kommentare hier im dt ein ziemlich deutlicher Beleg dafür sind, dass eben nicht jeder weiß, was ein Web2.0-Stil ist.

  3. Gutes Design ist innovativ. / Gutes Design macht ein Produkt verständlich. / Gutes Design ist ästhetisch. / Gutes Design macht ein Produkt brauchbar. / Gutes Design ist unaufdringlich. / Gutes Design ist ehrlich. / Gutes Design ist langlebig. / Gutes Design ist konsequent bis ins letzte Detail. / Gutes Design ist umweltfreundlich. / Gutes Design ist so wenig Design wie möglich. Dieter Rams.

  4. achim schaffrinna findet die richtigen worte…

    der hype um “web 2.0″ ist schon lange vorbei. das nächste große “ding” ist es, an der einen oder anderen stelle (hier sollten eigentlich verlinkungen auf den wörtern liegn, die ich aber aus zeitgründen gerade nicht recherchi…

Kommentare sind geschlossen.

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