Skip to content

Relaunch und Redesign der Semperoper

Semperoper Bildmarke, Quelle: Semperoper
Semperoper Bildmarke, Quelle: Semperoper

Die Semperoper in Dresden hat mit Ulrike Hessler eine neue Intendantin. Das ist erst einmal keine Nachricht, die zwingend einen Artikel an dieser Stelle zur Folge haben müsste. Wie das aber nun einmal so ist, sollen neue Besen sprichwörtlich gut kehren und es ist ja nicht unüblich, dass ein neuer Intendant mit Antritt auch seine Vorstellungen von einem visuellen Auftritt mitbringt.

Während in vielen Fällen eher behutsam der Markenauftritt um eine Nuance verfeinert wird, hat man sich im Fall der Semperoper vom bisherigen Design, das über die Jahre durch seine Qualität und Kontinuität Vertrauen gestiftet hat, vollkommen verabschiedet. Der Kontrast zum Vorgänger könnte nicht größer sein.

Redesign Logo Semper Oper
Redesign Logo Semper Oper

Das bisherige Erscheinungsbild versprühte Klasse, Klassik und Eleganz und war vom Grundtenor konservativ. Dominik Schech zeichnet für das Design seit 2004 verantwortlich. Die Sächsische Staatskapelle wird im Print eigene Wege gehen und das bisherige Design auch zukünftig einsetzen. Der neue, von Fons Hickmann m23 kreierte Auftritt transportiert – und hier kommt man als Betrachter ins Stocken –, ja was denn eigentlich? Jedenfalls alles andere. Die neue Bildmarke ist eine stark vereinfachte Umrissform des Operngebäudes. Dreht man es um 90 Grad, soll es ein Schlüsselloch darstellen, so heißt es zumindest im hauseigenen „semper!“-Magazin. Eine Metapher, mit der man etwas Geheimnisvolles, Neugierde-erweckendes, vielleicht aber auch etwas Verbotenes verbindet, stellt die Grundidee. Letztendlich ist aber eigentlich egal, was man sich als kreativer Kopf dazu erdacht hat. In der horizontalen Ausrichtung, so wie es auf der neuen Website zu sehen ist, bleibt von der Idee nichts mehr übrig und die Metapher ist futsch.

Die sehr vereinfachte Form der Bildmarke fordert den Betrachter heraus, womit wir beim Thema Kunst wären. Genau genommen ist das Erscheinungsbild keines, das unter designrelevanten Aspekten konzipiert wurde – beim Betrachten der Website und dem Versuch in ihr zu Navigieren wird dies deutlich –, sondern es ist der künstlerische Anspruch vor allem der Intendantin Hessler, der Triebfeder für die Gestaltung war. Nun kann man vortrefflich darüber streiten, ob Design nicht vollkommen andere Aufgaben hat als die Kunst.

Relaunch Redesign Semper Oper

Kunst ist erst einmal befreit von jeglicher Restriktion (Technik, Gesellschaft, Nutzwert, Kosten, etc.). Design hingegen ist Vermittler, Bote und Brückenbauer und hat als solcher unter anderem die Aufgabe, Informationen zu überbringen. Es fällt nicht sonderlich schwer, anzuerkennen, dass die Form eine vielleicht provokante aber gelungene Entsprechung eines visuellen Zeichens darstellt, das sowohl einen Anspruch seitens der Kunst formuliert, als auch die im Design definierten Anforderungen erfüllt. Problematisch hingegen wird es, wenn der neue künstlerische Anspruch dafür sorgt, dass die Website der Oper unbrauchbar wird. Der Aufbau und die Darstellung, etwa der Kontaktseite ist eine Zumutung.

Im neuen Webauftritt breitet sich die Kunst in einem Feld aus, in der sie nichts zu suchen hat. Mir liegt es fern, Kunst und Design gegeneinander auszuspielen. Aber genauso, wie es für einige Aufgaben eines kreativen Künstlers bedarf, erfordert es im Bereich des Webdesigns eines klugen Designers. Usability, eine ganz wesentliche Komponente, die Design von der Kunst unterscheidet, sollte man nicht der Kunst wegen opfern. Die Gebrauchsfähigkeit der Website ist seit dem Relaunch eingeschränkt. Verlinkter Text ist als solcher nicht zu erkennen [Update: Textlinks wurden nachträglich mit einem Unterstrich gekennzeichnet). Der Auftritt produziert zahlreiche 404-Fehler, da auch die bisherige Link-Struktur komplett über Bord geworfen wurde. Für SEOler ein “worst case scenario”: Fast alle im Google-Index gelisteten Seiten lassen die Suchenden ins Leere laufen!

Künstler wird dieses „SEO-Gedöns“ vielleicht nicht kümmern. Wichtig ist es dennoch. Aber noch ein ganz anderes, ebenfalls wichtiges Thema: Wie ist es eigentlich um die Wiedererkennung einer gelernten, und von vielen wertgeschätzten Marke bestellt? Das Redesign ist eine Zäsur, wie sie nicht schärfer visualisiert werden kann. Sind die Veränderungen in der Semperoper so umwälzend, dass solch ein Schnitt unumgänglich gewesen ist? Wurde die Oper zerstört und ist sie an anderer Stelle wieder aufgebaut worden? Oder wurden alle Künstler und Angestellten von ihren Verträgen befreit und durch neue Musiker, Sänger und Bedienstete ersetzt? Nein? Lediglich eine neue Intendantin hat seit kurzem ihre Stelle angetreten. Jetzt sehen es alle.

Vielen Dank für die zahlreichen E-Mails! Auch SputnikDresden, typclipso und Flurfunk widmen sich diesem Thema.

Dieser Beitrag hat 221 Kommentare

  1. Und nein. Ich bin kein Vertreter des verantwortlichen Büros, finde nur die Intensität der Kleinkariertheit enorm und fühle mich in meinem Designverständnisangegriffen und überstimmt. Ich lasse auf jeden Fall Kritik zu, wie du auch lesen kannst. Aber ich plediere vor allem für die Weitsicht und nicht für das Auseinandernehmen von Anfangsschwierigkeiten, die behoben werden können.

  2. Vieles in den Kommentaren klingt all zu beleidigt, als sei hier jemandem sein Taddy weggenommen worden. Haben die, die das neue Design nicht machen durften nun zu viel Zeit zum pöbeln? Kritik ist berechtigt aber es wird doch all zu offensichtlich das manches geziehlt ist. Ich will gar nicht ins Detail gehen weil ich keinen Überblick über das ganze Design habe, aber was ich in Dresden gesehen habe gefällt mir!

  3. Die visonäre Weitsicht die darein interpretiert wird gibt es nicht. Auch wenn offensichtlich manche das gerne so hätten. Eine rudimentäre Navigation, und ungekonnte Typografie sind avantgardistisch sicherlich in Mode – aber davon ist dieser Entwurf weit enfernt

    Weniger ist mehr. Ist ein Gestaltungsleitsatz, keine Ausrede….

  4. Ich hebe nicht die visionäre Weitsicht der neuen Webseite hervor sondern kritisiere die Kurzsichtigkeit der hier postenden Personen. Ohne Frage, an der Webseite ist einiges zu machen!

  5. Habt ihr mal die neue Jahresvorschau der Semperoper gesehen? Die ist extrem schön. Hier wird auch endlich die Konzeption des Gesamtdesigns sichtbar. Es ist ein Buch für nur eine Spielzeit aber so gelungen das ich es darüber hinaus behalten werde und ich hoffe das noch weitere auf diesem Niveau folgen. Ich werde Fan dieser Oper.

  6. Gerade hier im Design Tagebuch lese ich immer wieder sehr fundierte, berechtigte Kritik von Designern und Branchenkennern, genauso wie auch lobende und anerkennende Worte. Dass die Meinungen zu der neuen Webseite fast durchweg negativ sind (und nicht nur hier im dt, die ganze Branche stöhnt auf), ist ein deutlicher Hinweis, dass da auf ganzer Linie Murks fabriziert wurde, das hat nichts mit Pöbelei, Kleinkariertheit oder Missgunst zu tun, die meisten Leute haben genau begründet, was an der Seite handwerklich oder gestalterisch schlecht ist. Und ein Konzept, schon gar kein visionäres, konnten bisher die wenigsten erkennen. Vielleicht klärt uns die Agentur oder die Intendanz irgendwann mal darüber auf, was man sich dabei gedacht hat.

  7. Selten ist in Dresden so offen und im Netz über Entwicklung von liebgewonnenen Institutionen heißblütig diskutiert worden. Nicht einmal die Waldschlößchenbrücke hat 1997 (als der Wettbewerb entschieden wurde) soviel Aufmerksamkeit erregt (sicher konnte sich damals niemand vorstellen, dass dieses Monster tatsächlich gebaut wird).

    Der Auftritt ist schlicht, schlank und kurz gehalten. Eben genau das richtige in schnelllebigen Zeiten, wo ich keine Zeit habe mir aufwendigen Flash hochzuladen und mich durch die Frames klicken muss.

    Inhalt versus Form!

    Da scheint sich eine neue Qualität aufzutun, und nicht nur auf der neuen Website, sondern auch in der Gesprächskultur. Was gestern noch still war, ist heute schon ein wahres Haigewässer (was ja nicht schlecht sein muss ;-)).

    Wie wäre es denn mit einer noch schlichteren Seite?

    https://semperoper.de – und dann Verweis auf ein Wiki!! Dieses wird von allen Interessierten dann mit Infos gefüttert, Videos und Bilder eingehängt, Kommentare und Gespräch zu Vergangenem und Kommendem.

    Wie geil wäre das denn?! Keine Steuergelder für die Kommunikation im Netz “verbraten”, der mündige Besucher und interessierte Semperoper-Fan bringen den Input. Man kommt ins Gespräch, lernt seine “Kunden” kennen, fragt, hilft und entwickelt gemeinsam.

    Klar, da könnten die Agenturen auf der Strecke bleiben. Doch nur mit Fördergeldern oder Steuergeldern bezahlt zu werden, ist das nicht schon per se verwerflich? Sollte nicht echter Wert dahinter stehen? Was wäre das für eine geniale Plattform, um das eigene Können transparent zu machen (als Agentur)?

    Semperoper, nicht nur Kunst im geschlossenen Raum (Gebäude) sondern gleichzeitig auch Transformator für neue Formen der Zusammenarbeit und Verbindung von Kunst und Realität – das könnte einer der zahlreichen kleinen Schritte auf dem Weg in ein visionäres Dresden2025 sein :-)

    In diesem Sinne freue ich mit Blitz und Donner im Hintergrund auf weiteres Gespräch und Ideen, die in Umsetzung münden.

    Was meinen die KollegInnen der Semperoper? Wäre da was machbar?

  8. Hallo,

    bei all der Kritik lässt sich doch ganz klar festhalten, das dort einiges schief gelaufen ist. Einen positiven Eindruck macht die Präsentation in keinem Fall und das ist schon unangenehm genug. Auch eine Vorstellung des neuen Erscheinungsbild, wie eigenltich üblich, hat nicht stattgefunden. Alles so still und leise und nun ein Aufschrei, den man sich natürlich schön reden kann.

    Insgesamt aber ein ganz komischer unprofessioneller Beigeschmack.

  9. @gotteyo: Noch abgefahrener als entsetzte Schreiber aus der Branche ist: ein, nach eigener Aussage, Maurer der nicht müde wird allen anderen fehlenden Sachverstand zuzuschreiben um das Ganze positiv bewerten zu können.

    Ich bin morgen zu einer Hochzeit eingeladen. Ich kann dort morgen ganz klassisch auflaufen, Anzug, Krawatte etc. – Ich könnte auch eine Jeans, eine Hemd und ein Sakko anziehen und wäre immer noch akzeptabel. Was ich auf keinen Fall machen werde ist Shorts und ein HardRock-T-Shirt anziehen – obwohl es modern und mal was anderes wäre und rein formal auch den Grundbedürfnis bei Kleidung erfüllt. Warum nicht?

    Es erscheint mir und vermutlich auch dem Brautpaar und den anderen Gästen als nicht angemessen, lieblos und evt. auch bewusst provokant.

    Bei dem neuem CD der Semperoper geht es mir eben genauso – es erscheint mir nicht angemessen, lieblos und evt. auch bewusst provokant. Als Besucher der Semperoper im Internet erwarte ich etwas anderes – ich habe ein wunderschönes altes Gebäude vor Augen, Tradition & eben Kultur. Dazu passt die neue Seite überhaupt nicht – diese ist anscheinend schon für einen dieser hypermodernen Glas-Stahl-Neubauten programmiert. (evt. ist ja aber der Abriß & Neubau der Semperoper in Planung ;-) )

Kommentare sind geschlossen.

An den Anfang scrollen