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Neues Erscheinungsbild für das Gewandhausorchester

gewandhausorchester-design

Das renommierte Gewandhausorchester, 1743 in Leipzig gegründet, bekommt mit der im August beginnenden Spielzeit 2015/2016 ein neues Erscheinungsbild. Eine veränderte Markenstrategie und ein grundlegend erneuertes Corporate Design sind Teil eines Modernisierungsprozesses, der bereits vor zwei Jahren eingeleitet wurde.

Das Erscheinungsbild sowohl von Gewandhaus und Orchester wurde zuletzt 1999/2000 neu gestaltet. „Nach fünfzehn Jahren empfanden wir es als notwendig, Strategie und Erscheinungsbild einer Überprüfung und einem Modernisierungsprozess zu unterziehen“, so Gewandhausdirektor Prof. Andreas Schulz. „Die Marke Gewandhausorchester ist aus vielen Gründen weltweit einzigartig und so singulär sollte auch das neue Erscheinungsbild werden“, umreißt Schulz ein wesentliches Ziel der im Rahmen von „Gewandhaus 2020“ beschlossenen Modernisierungsmaßnahmen. Das Konzept sieht unter anderem vor, von der bisherigen Zweimarkenstrategie (Gewandhaus zu Leipzig + Gewandhausorchester) auf eine Einmarkenstrategie umzustellen.

Für die Kreation und die Markenstrategie verantwortlich zeichnet die Agentur Karl Anders, die sich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren mit ihren Ideen durchsetzen konnte. Besonders überzeugt hat die Gewandhausleitung offensichtlich das von der Agentur verfolgte innovative Live-Layouting-Konzept, bei dem Mitarbeiter des Gewandhauses und des Orchesters in den Kreationsprozess einbezogen wurden. Das Leitmotiv “res severa verum gaudium” spielt dabei eine zentrale Rolle. Wichtigste Botschaft des neuen Markenauftritts sei es, Leidenschaft und Freude für die Musik zu vermitteln.

Live Layouting im Gewandhaus, Quelle: Karl Anders
Live Layouting im Gewandhaus, Quelle: Karl Anders

Ich wollte wissen, was es mit Live Layouting auf sich hat, und sprach mit Lars Kreyenhagen, Geschäftsführer bei Karl Anders.

dt: Auf Eurer Website wird das Prinzip hinter Live Layouting ausführlich beschrieben – ein interessantes Konzept. Wird Live Layouting von Euch von Fall zu Fall angewandt, in Abhängigkeit vom Kunden, oder ist es bei Karl Anders fester Bestandteil des Designprozesses?

Lars Kreyenhagen: Die Designwelt ist insgesamt noch am Anfang in der Entwicklung partizipativer Gestaltungsprozesse im Rahmen einer Corporate Designentwicklung. Sehr viel weiter ist hier die Architektur, zum Beispiel in der Stadtentwicklung.

Uns hat das aber immer schon interessiert, da wir natürlich selbst auch schon einige Fälle erlebt haben, wo im klassischen Sinn der Chef (im Hintergrund mit Hilfe seiner Frau) allein entschieden hat. Das macht es in der Implementierung auf der operativen Ebene dann oft sehr schwer und es fehlt generell an Akzeptanz. Die Kraft, die in der Veränderung der Markenidentität steckt, bleibt dann ungenutzt. Oder ins Gegenteil umgekehrt und dann wird alles in Frage gestellt und sogar wieder gekippt. Alles schon passiert. Wenn man aber von vornherein Mitarbeiter, Kunden, Kritiker einbezieht überzeugt man schon im Prozess und muss hinterher nicht überreden.

Wir sind felsenfest davon überzeugt, das bald auch Marken wie der FC Bayern München die Kraft gemeinsamer Entstehungsgeschichten für sich zu nutzen wissen. Was wäre das für ein wundervoller Anblick: Live Layouting in der Allianz Arena mit Fans, Sponsoren, Ehrenmitglieder, Mitarbeitern und vielen mehr.

Wir setzen das Live Layouting dort ein, wo es passt. Wenn sich in ersten Gesprächen herausstellt, dass bei der Neuentwicklung oder dem Relaunch eines Corporate Designs ein demokratischer Ansatz richtig ist, drängt es sich förmlich auf. Aber wir können auch immer noch ziemlich gut den klassischen Weg gehen.

dt: Magst Du mal beschreiben, inwieweit die im Zuge des Live Layouting entstandenen Ergebnisse/Entwürfe Einzug in das CD genommen haben?

Lars Kreyenhagen: Wir können und wollen auch nicht alles verraten, nur so viel: im Nachgang zum Live Layouting hat unser Kunde eine sehr ausführliche Präsentation mit allen generierten Insights bekommen. Manchmal sind es einfache Auszählungen, manchmal qualitative Ableitungen. Darauf aufbauend haben wir dann genau definiert, welches Ergebnis wieviel Einfluss nimmt. So etwas wie Farben und Formen wurde schon sehr konkret diskutiert, aber auch für die Bildsprache und beim Grad der Veränderung konnten die Teilnehmer sich einbringen. Grundsätzlich wird natürlich der strategische Rahmen vorher genau definiert und abgestimmt.

dt: Da das Logo (lediglich) evolutionär verändert wurde: Wie war das Briefing diesbezüglich? Könntest Du einmal die an das neue CD gerichteten Ziele formulieren.

Lars Kreyenhagen: Es gab kein spezifisches Logo-Briefing. Wir haben insgesamt die gesamte Markenstrategie entwickelt, darauf aufbauend dann die Ableitungen für den Auftritt neu definiert. Da ist das Corporate Design nur ein Teil der Identität. Als wir strategisch die Entscheidung getroffen haben, von der bisherigen Zweimarkenstrategie (mit den Kernmarken Gewandhaus zu Leipzig und Gewandhausorchester) auf eine Einmarkenstrategie zu setzen, die ganz klar das Gewandhausorchester in den Mittelpunkt stellt, war uns jedoch schnell klar, das wir hier auf Weiterführung und Wiedererkennung setzen müssen. Deswegen haben wir den eigenwilligen Charakter des Logos beibehalten. Außerdem haben wir im Live Layouting erkannt, dass vor allem die Mitglieder des Orchesters keine Veränderung des Logos wollen. Deshalb haben wir es „nur“ aufgeräumt und modernisiert und für die digitalen Medien einsatzfreudiger gemacht.

Gewandhausorchester Logo

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Dieser Beitrag hat 19 Kommentare

  1. Sorry, mal wie der den Klugscheißer spielen zu müssen. Aber im Logo sehe ich ein “Gewandhaus Orchester”. Das ist nach meinem Verständnis also ein edler Klamottenladen namens Orchester?! Bei uns im Ort gibt es das “Gewandhaus Gruber”… Entschuldigen kann man das vielleicht noch aufgrund der bisherigen (ebenso falschen) Schreibweise. Immerhin stimmt’s beim Plakat “Familienkonzert”.

      1. PS: Ach so, es ging dir nur um die Schreibweise! ;) Auf die Idee wäre ich nie gekommen, es nur wegen der Schreibweise mit einem Modeladen zu verwechseln, ich glaub dafür ist das Gewandhausorchester einfach zu bekannt, so wie ich auch nicht VAVA im VIVA Logo lese.

  2. Gefällt mir gut, ist plakativ und sauber umgesetzt. Schön.

    Zur Anmerkung von Jan (#2): Das kann man durchaus machen. In Titeln, Signets etc. findet sich die getrennte Schreibweise häufig, weil ein Trennstrich manchmal bescheiden aussieht. Gewandhausorchester wird zwar in der Regel in einem Wort geschrieben, aber zweizeilig sieht es so ggf. besser aus. Als störend empfinde ich dieses Vorgehen allerdings auf stinknormalen Verpackungen, z.B. “Kondens Milch”. Geht mal in den Supermarkt, da stehen regalweise typografische Monster herum.

  3. … einfach mal wieder eine durchdachte, gut funktionierende und einprägsame Arbeit – dazu auch noch schön anzuschauen. Ist spannend und macht Lust auf mehr … sehr gut.

  4. …die sich in einem mehrstufigen Auswahlverfahren mit ihren Ideen durchsetzen konnte…

    Jaaahhh! So muss Corporate Design!!!

  5. Ich kann nicht umhin diesen Text von Martin Z. Schröder zu zitieren. Nachzulesen in dem wertvollen Strang:
    https://www.typografie.info/3/topic/33881-gewandhausorchester-logo-redesign/

    »Live Layouting ist ein Verkaufstrick, würde ich sagen. Wenn man den Auftraggeber mit seiner Belegschaft scheinbar einbezieht, also mit Entwurfsfragen beschäftigt, gemeinsam Zeit verbringt, redet, spielt, bastelt, singt, kann man sagen, man mache Design auf neue Art, man sei demokratisch, basisdemokratisch, beteilige alle am kreativen Prozeß, beziehe jeden mit ein, höre auf alle, sei nicht elitär, nicht abgehoben, nicht von sich eingenommen, nicht arrogant. Und das Beste: wenn sich hinterher einer beschwert, weil ihm die Arbeit nicht gefällt, hat er keine Chance, weil es alle so gewollt haben. Jedenfalls kann man diesen Eindruck sehr leicht erwecken. Das ist Manipulation. Marketinggedöns. Ein Verkaufstrick eben. NEU! Sogar VÖLLIG NEU! …. «

  6. Ein sehr überzeugendes Erscheinungsbild. Auch der spielerische Ansatz überzeugt mich. Nur eben die Moderniseirung des Schriftzugus ist leider noch nicht überzeugend geleistet worden. Diese Arbeit braucht in diesem Fall mehr Erfahrung zwischen Kalligrafie und Typografie. Das ist Schade, da es das i-Tüpfelchen eines gelungenen und gut strukturierten Konzepts ist. Bleibt zu hoffen, dass das noch nachgeholt wird. Dann erst wäre der Spagat zwischen Tradition und Moderne im visueller Hinsicht wirklich gelungen.

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