Die Berliner Volksbühne, eines der namhaftesten Theater in Deutschland, hat sich im Zuge des vor kurzem vollzogenen Intendantenwechsels eine neue visuelle Identität zugelegt. Damit verschwindet das bisherige Erkennungszeichen des Theaters, für viele Berliner ein Wahrzeichen der Stadt, vollständig aus dem visuellen Erscheinungsbild der Volksbühne.
Für die Volksbühne rund um ihren neuen Intendanten Chris Dercon waren die vergangenen Wochen und Monate unruhig. Seitdem der Belgier sein Konzept im Mai vorgestellt hat, kam es zu verschiedenen Protesten und Unterschriftenaktionen. Theaterleute warfen ihm vor, dass in seinen Plänen weder ein eigenes Ensemble noch ein Repertoirespielbetrieb vorgesehen seien. Das Pressebüro des Theaters sah sich darauf hin veranlasst, eine Pressemeldung (PDF) zu veröffentlichten, um diesen Vorwurf zurückzuweisen. Ein wildes Hin und Her, das Ende Juni in dem Abbau des Räuberrads gipfelelte – seit mehreren Jahrzehnten das Erkennungszeichen der Volksbühne.
Nicht nur vom Rosa-Luxemburg-Platz ist das Räuberrad verschwunden, auch aus dem visuellen Erscheinungsbild der Volksbühne hat es sich verabschiedet. Viele Berliner werden „ihre“ Volksbühne in den Printmedien und im Web nicht wiedererkennen. Auf Facebook beklagt ein Theaterfan, es werde ein Stück Geschichte ausradiert. Dort wo früher unterschiedliche Frakturschriften das Gesicht der Volksbühne prägten, steht nunmehr eine der wohl charakterlosesten Schriften, die es so gibt: die Arial. Das Programmheft zur Spielzeit 2017/2018 wurde komplett in Arial gesetzt. Für dessen Gestaltung zeichnen die beiden Berliner Manuel Bürger und Till Wiedeck verantwortlich.
Man beginne mit nichts, wie Dercon gegenüber dem Magazin Zitty den Neuanfang beschreibt: „Ich will zunächst alles Dekorative entfernen, die Fahnen, die Prospekte, alles, so dass man das Haus in seiner Substanz sieht. Wir haben viele historische Fotos gefunden, wo es tatsächlich noch nichts als das pure Gebäude gab und das ist wirklich eine kräftige Substanz. Wir werden die Fassade als Projektionsfläche nutzen. So werden wir ab dem 31. Januar 40 Nächte lang das Projekt „Waffenruhe“, das der Fotograf Michael Schmidt gemeinsam mit Einar Schleef erarbeitet hatte, als ein riesiges Outdoor-Cinema projizieren.“
Die erste Volksbühnen-Saison unter der Leitung von Dercon beginnt am 10. September, und zwar auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof. Der Webauftritt volksbuehne.berlin soll zum 24. August relauncht werden.
*Kopfkratzen*
Mein Gehirn weiß noch nicht so ganz, was es mit all dem anfangen soll.
Auch die Website von Manuel Bürger, (https://www.manuelbuerger.com/)… Alles sehr verwirrend. Interessant und sehr verwirrend.
Bei solchen Websites frag ich mich immer, was in den Köpfen der Leute vorgeht. Das hat doch mit gutem Design nichts mehr zu tun… O_o
Rot auf Grau ist auch am Screen (website) nicht gut. Alles andere muss sich beweisen…
Eine verlorengegangene Identität.
Sogar die gekaufte Pro-Version und ’ne teure Pantone-Sonderfarbe.
Gutes Marketing, denn es wird darüber geredet.
Mir fehlen mal wieder die Worte. Das einprägsame Räuberrad, eine der markantesten Symboliken in Deutschland und Wahrzeichen der Volksbühne, zu entfernen, kommt einem visuellen Suizid gleich. Unfassbar! Und was die einfallslose und zum Füße-Einschlafen langweilige Typo anbelangt, kann ich mir das Zwiegespräch der beiden Macher Manuel Bürger und Till Wiedeck beim Brainstorming gut vorstellen:
Manuel B.: »Hey Alder, welche Schrift nehmen wir für das neue Erscheinungsbild?«
Till W.: »Na die, die schon auf unserem Rechner vor-installiert ist. Ich glaube, die heißt »Irreal« oder »Oreal« oder so…«
Bitte bei der Kritik darauf achten nicht persönlich zu werden. Auch wenn die Namen der verantwortlichen Agenturen/Gestalter genannt werden, sollte der Fokus innerhalb des Kommentars auf der Gestaltung liegen.
Noch einmal zur Klarstellung: Der Abbau der Statue wurde NICHT durch die neue Theaterleitung initiiert. Zitat rbb24: „Der scheidende Volksbühnen-Intendant Frank Castorf hatte das beliebte Wahrzeichen nicht seinem Nachfolger Chris Dercon überlassen wollen. Zugleich beanspruchte es aber auch die Witwe des Bühnenbildners Bert Neumann, der das Speichenrad auf Beinen einst geschaffen und zum Logo für die Volksbühne gemacht hatte.“
Ich persönlich glaube nicht, dass die Schriftwahl so ausgefallen ist. Vielmehr wird sie auf die Aussage und Intention vom Intendanten Dercon „Ich will zunächst alles Dekorative entfernen, die Fahnen, die Prospekte, alles, so dass man das Haus in seiner Substanz sieht.” zurückzuführen sein, also eine bewusste Wahl einer alltäglichen, unauffälligen und charakterlosen Schrift.
Ich selbst kann mich mit dem Erscheinungsbild auch nicht anfreunden und würde es, wäre es eben nicht im künstlerischen Bereich angesiedelt, als verfehlt und handwerklich unbefriedigend beurteilen.
Kunst war aber leider noch nie so richtig meins…
@Achim: In der ersten Zeile des Textes ist der “Intendant” mit zwei “d” geschrieben. ;-)
Ich persönlich fand das blöde Rad-mit-Füßen-dran ja schon immer ein bisschen peinlich und eher zu einem Fahrradverleih in Mitte passend … Aber das ist vermutlich Geschmacksache. Das der neue Intendant nun konsequent einmal alles zurück auf Null stellt und dafür als “Krönung” die Arial nimmt, finde ich allerdings ziemlich gelungen. Wie sonst will man einen kompletten Neuanfang darstellen? Es gibt kein weiter-so mehr. Alles soll neu und anders werden. Ich bin gespannt.
Tja, manchmal braucht man Hintergrundwissen um Gestaltung zu verstehen und wertschätzen zu können. Viel Spaß beim recherchieren.
Im Verständnis des Neuanfangs auch das Erscheinungsbild komplett zu reduzieren finde ich ziemlich mutig und konsequent. Warum allerdings ausgerechnet für die Volksbühne, eine der charakterstärksten und eigensinnigsten Spielstätten Deutschlands, eine der charakterlosesten und unbestimmtesten Schriftarten überhaupt gewählt wurde, verstehe ich nicht. Da hätte ich mir mehr Charakter im typografischen Erscheinungsbild gewünscht.
Besonders verwirrend finde ich allerdings das weitgehend von Auszeichnungsformen befreite Programmheft. Eine auf den ersten Blick wahrnehmbare Unterscheidung zwischen deutschen und englischen Texten zum Beispiel findet genauso wenig statt, wie andere Arten der Hervorhebung für den Leser wichtiger und interessierender Infos. Das ist für mein Verständnis dermaßen reduziert, dass es einfach nur verwirrend und langweilig ist und mich überhaupt nicht zum Lesen anregt. Da gibt selbst die “schnöde” Arial einfach mehr her…
Das im Programmheft überhaupt noch Deutsch benutzt wird und sogar vor dem Englischen Text steht, ist fast überraschend. Verordnete Haussprache an der VB ist seit Dercon Englisch. Weil, global und so.
Auf den ersten Blick sieht das neue CD aus wie so vieles im Kultur/Kunst Sektor. Man könnte fast sagen das wäre generisch-zeitgenössich. Aber die Ästhetik führt, wie ich finde, die Verweigerungshaltung des alten Designs (von LSD) weiter. Da gab es nichts trendiges oder verkäuferisches, sondern pragmatische, günstige Lösungen.
Ob diese Ästhetik der neuen Ausrichtung der VB entspricht oder nur hohle Verpackung ist, wird sich zeigen.
Man kann nicht nicht gestalten.
Auch eine Arial ist nicht Nichtgestaltung.
Immer der gleiche Irrtum, diesmal von der Kunst, die gern philosophisch und intellektuell daherkommt. Selbstbeweihhraeuchernd, abgehoben und droege trifft es wohl eher.
Vergleicht man den Wiedererkennungswert und die Plakativität von dem alten und neuen Logo, so kann man hier tatsächlich von einem visuellen Suizid sprechen.
Alles auf Anfang? Hätte schlimmer kommen können. Times New Roman 12pt.
Times New Roman? Wenn alles auf Anfang, dann konsequent: Egyptienne, UND in Bleisatz.
Denn die Volksbühne wurde 1890 gegründet.
Das wäre Anfang.
;-)
Ein Egyptienne Schriftzug im Stil der 1890er fände ich wesentlich stilvoller, als das vorliegende Ergebnis.
Mich erinnert das an den Stil, den man in den 1970ern für moderne Reduziertheit hielt. Als Lufthansa oder der Reclam-Verlag mit ähnlichen Designs für Aufsehen sorgten (einfacher Schriftzug auf großflächigem, einfarbigem Hintergrund).
Als grafische Übergangslösung durchaus nachvollziehbar. „Mit Arial gesetzt“ – das ist jedoch ein reiner, auch nicht neuer, Grafiker-Gag. Das Erscheinungsbild will radikal ungestaltet sein, man möchte alles Dekorative weglassen. Das ist löblich, man hätte dann aber auch auf die unangenehm esoterischen Deko-Texte verzichten können.
@ Christoph
…Mit der gleichen Logik könnte man den Eiffelturm wegsprengen und durch einen gläsernen Büroklotz ersetzen…!;)
Ich glaube, vor allem in Deutschland haben wir kulturell gesehen nichts zu verschenken bzw. zu opfern und wir sollten uns hüten, vor allem über Jahrzehnte gewachsene Kulturstätten-Perlen inklusive deren damit einhergehenden, graphischen Ausstattungen nur um des Erneuerns wegen auszuradieren!
Dem stimme ich voll zu! In diesem Zusammenhang wurde es jedoch den neuen Betreibern explizit verboten das alte Erscheinungsbild weiter zu nutzen. Dem gegenüber steht eine durch die Ereignisse höchst aufgebrachte Anhängerschaft der “alten” Volksbühne, die jede Kommunikation missmutig beäugt. “Eventbude”, “Kunstmarkt Sell out” etc. sind da die Schlagworte. Folglich ist eine grafische Gestaltung, die sich nicht als Werbung geriert, sondern “undekoriert” Informationen vermittelt ein nachvollziehbarer Ansatz – zumindest in dieser für die Gestalter undankbaren Phase des Hauses. Die etwas fade Umsetzung passt doch auch hervorragend zum bisher veröffentlichten Programm ;)
Jetzt ist es also soweit. Das Wahrzeichen der Berliner Kulturlandschaft landet auf dem Müllhaufen der Geschichte. Vielleicht sollte man den Namen auch gleich in Allerweltsbühne ändern.
Grauenhaft. Der Kontrast ist kaum schlechter zu wählen. Sogar ein Student im ersten Semester hätte hier bessere Arbeit geleistet.
Nein.
Der Kontrast ist ja noch OK, dieses Rot sieht man auch nicht allzu oft. Aber das Ganze das als “Rebranding” zu bezeichnen, ist ein Witz. Es gibt hier in meinen Augen überhaupt keine Gestaltung, nicht mal ansatzweise. Ist vielleicht so gewollt, aber kommt unsagbar langweilig und nichtssagend rüber. Diese Gestaltung ist einfach ein Nichts.
@Christoph
Man könnte es aber auch so sehen, dass man den zahlreichen Zuschauern, die fassungslos und bestürzt die mehr als fragwürdige und vor allem vollkommen unnötige Personalentscheidung von Tim Renner zur Kenntniss nehmen mussten, natürlich zugestehen sollte, dass Sie sich für solch einen hochkarätigen Verlust eine angemessene Entschädigung wünschen! Und sich dann hinzustellen und quasi zu argumentieren: “Weil wir das Bernd Neumann Design nicht klauen durften können wir eben nur eine Minimal-Arial Gestaltung liefern” das will mir einfach nicht einleuchten! Was hätte denn einem dritten Weg nach dem Motto: “LSD hat einen hervorragenden Job gemacht – Jetzt liefern wir auf einem ähnlichen Niveau nur eben mit ganz neuer Handschrift” entgegengestanden?
@A. Schaffrinna: Als ich in meinem Kommentar von der Entfernung des Räuberrads sprach, meinte ich damit NICHT den Abbau der Metallskulptur von Bert Neumann/Rainer Haußmann vor dem Gebäude der Volksbühne, sondern das Zu-Grabe-Tragen des markanten Rad-mit-Beinen-Logos.
A. Karl
Das Logorad stand im Rahmen des Redesigns, so jedenfalls deute ich die Rechtsstreitigkeiten um die Statue, überhaupt nicht zur Disposition. Insofern konnte es von Seiten der neuen Leitung auch nicht zu Grabe getragen und entfernt werden, wie Du es nennst.
Das ist doch keine Gestaltung!
Das ist doch keine Kunst, das kann doch jeder, wokommenwirdenndahin …
Nach längerem überlegen und versuchen zu verstehen wie das entstehen konnte was wir jetzt hier sehen, muss ich zu dem Schluß kommen das es grandios ist.
Man muss bei beiden Gestaltern, der Geschichte hinter dem Redesign und dem was es nicht nur bei uns Designern, sondern auch beim Publikum auslöst davon ausgehen das alles so gewollt ist.
Man sollte nicht einfach davon ausgehen das dieses Ergebnis als “hübsch” angedacht gewesen ist, sondern als kommunikativer und visueller Protest. Ein gepflegtes designerisches “leck-mich-im-arsch” (frei nach Mozart).
Und ich finde das ist mehr als gelungen.
Dieses Zitat ist mir letztens mal wieder über den Weg gelaufen:
»Don’t Mistake Lack of Talent for Genius.«
Manchmal ist da was dran …
egal wie das verschwinden des “räuberrades” zustande kam: es fehlt! es war markant, liebenswürdig und eigensinnig! das neue erscheinungsbild läßt nichts (…) aufscheinen. es ist nicht mal eine hommage an das ddr-design. was es gottlob so eindimensional nicht gab…
Aber ist nicht DAS auch eine Aussage: “Das neue Erscheinungsbild läßt nichts aufscheinen.”
Ich finde das neue “Nicht-Erscheinungsbild” ein krasses Statement.
ja @ ernst-martin, das neue erscheinungsbild wird ob seiner kargheit von sich reden machen – macht es ja hier auf dt bereits! die abwesenheit des räuberrades wird verm. immer präsent sein: “ach, weißt du noch…”
@Gion: am fehlenden Räuberrad sind aber nicht die Gestalter schuld, das kann man denen nicht ankreiden ;)
Was soll man sagen. Biete ich sowas im 2.Semester einer Uni an, würde man sagen, ganz nett, aber ist das schon alles? Da geht sicher noch mehr. Das ist ein Schauspielhaus, Theater. Komme ich nun aber als gestandener Designer mit mehrjähriger Berufserfahrung damit um die Ecke, ist es auf einmal super geil. Total gut durchdacht, hergeleitet, tec. kotz, würg…
Sorry, aber 1. ist es nicht neu und hip mal wieder was nur mit Arial zu machen. 2. Ist es ein Schauspielhaus, Theater. Da wäre sicher mehr gegangen. 3. sind wir hier in D wirklich so langweilig was neues eigenständiges Design betrifft?
Und man darf nicht vergessen. Das hat sicher keine 17,90€ gekostet.
Eine Schande für jeden Grafiker oder jeden, der sich so nennt. Prinzipien und Vorüberlegungen mal dahingestellt, aber sowas könnte jeder Grundschüler nach 5 Minuten erstellen. Ich denke, es gibt immer noch einen Unterschied zwischen “reduziert” und “billig”.
Sorry, aber absolut schrecklich. Einfach schrecklich.
Jeglicher Identität beraubt, altbacken, einfallslos und langweilig.
Der harte Kontrast von sattem Schwarz zu leuchtendem rot sieht ungewollt aus, Schriftarten im Lauftext viel zu groß.
Egal wie man es rechtfertigen will, sorry, aber das sieht eher nach der Arbeit eines Auszubildenden im ersten Lehrjahr, der vorher noch rein gar nichts mit Design am Hut hatte aus.
Absolut grauenhaft.
Um nochmal hierauf zurückzukommen:
Das schlimmste an der ganzen Sache ist die Website. Da fehlen mir die Worte. Das sieht aus, als hätte das jemand erstellt, der das erste mal im Web ist und sich gerade 10 Minuten mit einem Homepagebaukasten beschäftigt hat. Schrecklich.