Zypern, die drittgrößte Mittelmeerinsel, bekommt einen neuen Tourismusmarkenauftritt. Wie die staatliche Tourismusbehörde anlässlich der Präsentation des neuen Auftritts vor wenigen Tagen erklärt, biete Zypern mehr als nur Sonne und Meer. Fortan werde man in der Kommunikation „anders, offener -bewusster und umfassender“ auftreten.
Seit wenigen Tagen hat Zypern ein neues Tourismuslogo. Wie der stellvertretende Tourismusminister Zyperns Savvas Perdios im Rahmen einer Präsentationsveranstaltung erklärt, gehe die Ära, in der Sonne und Meer die Identität der touristischen Marke Zyperns waren, nun zu Ende. Es beginne stattdessen die Ära, in der sich Zypern anders, offener -bewusster und umfassender präsentieren werde. Zypern sei eine Insel, die „viele unterschiedliche authentische Erlebnisse biete“.
Erstmals seit 15 Jahren wurde ein neues Markenkonzept und ein dazu passendes Erscheinungsbild entwickelt. Das neue Markendesign sei sehr flexibel und lasse sich auf vielfältige Anwendungskontexte und Zielgruppen skalieren. „Wir möchten diese Identität nutzen, um der Welt zu zeigen, dass es für Touristen noch viel mehr zu entdecken gibt. Zypern verdichtet vielfältige mediterrane Erfahrungen und bietet eine erstaunliche Vielfalt an Kulturen, Ethnien und Menschen“, so Perdios.
Das im Jahr 2006 eingeführte orangefarbene Tourismuslogo wurde komplett erneuert. Lediglich das Herzsymbol wurde ins neue Logo übernommen – im Gegensatz zu bislang ist das Herz jedoch nicht mehr mit Sonnenstrahlen ausgestattet und von blauen Wellenlinien umgeben, sondern geht als Buchstabe „V“ in der zweizeilig gesetzten Wortmarke „LOVE“ auf. „Love Cyprus“ fungiert gleichsam als Logo und als Slogan. Das neue Logo kann in unterschiedlichen Farben dargestellt werden (siehe Beispiel) – auch der Einsatz als Negativform ist vorgesehen. Darüber hinaus können in den Buchstaben LOVE, im Sinne einer Maske/Schablone, auch Fotografien eingebettet werden (Beispiel).
Hinweis: Am vergangenen Wochenende wurde Zypern vom Auswärtigen Amt als Corona-Risikogebiet eingestuft.
Kommentar
Wenn es bei Marken um Reisen und Genuss geht, ist das Herzsymbol nicht weit. Von Jahr zu Jahr setzen immer mehr Unternehmen und Marken in der Werbung und im Branding auf das Herz wie auch auf das Wort „Liebe“ (siehe: Emotionen pur! – Mit Marken mitten ins Herz). Langnese, Palma de Mallorca, der Eurovision Song Contest ja selbst der Flughafen Erfurt Weimar – alle setzen auf das Herz als Erkennungs- und Markenzeichen. Und das, aus Sicht der genannten Unternehmen, aus gutem Grund.
Je näher Werbeaussagen und -versprechen am eigenen Bedarf oder Bedürfnis liegen, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die auf diese Weise Angesprochenen einen Kauf oder eine Buchung tätigen. Marken setzen dabei nicht nur auf überzeugende Argumente, sondern seit vielen Jahren vor allem auf Emotion. Denn: Emotion schlägt Ratio. Nicht unser Verstand, sondern unsere Gefühle bestimmen in aller Regel unsere Handlungen und damit auch unsere Kaufentscheidungen.
Aus diesem Grund werden wir von Marken mit Herzsymbolen und Liebesbekundungen schier überflutet. „Alle lieben Liebe“, hatte ich bereits 2007 in einem der ersten dt-Beiträge geschrieben. An dieser Entwicklung hat sich wenig geändert. Im Marketing gibt es hierfür den wenig liebreizend klingenden Fachbegriff „Emotion-Based Targeting“, eine schrecklich technisch klingende Bezeichnung, die verdeutlicht: Liebe ist im Marketing meist nur Mittel zum Zweck. Die inflationäre Verwendung der Herzform und des Wortes „Liebe“/„Love“ führt so zwangsläufig zur Entwertung. Eine Entwertung, wie sie während der Fußball-EM auch die Regenbogenfahne erfahren hat. Einerseits präsentiert sich die UEFA in Regenbogenfarben, um wenige Tage später im Stadion von Baku die Regenbogenfahne von den Tribünen zu verbannen. Welch eine Farce. Die mit der Symbolik der Regenbogenfahne verbundenen Werte – Frieden, Toleranz, Liebe – werden so mit Füßen getreten.
Als Milton Glaser 1975 das „I ? NY“-Logo entwarf, war das Herz im Kontext Logogestaltung einzigartig. Heute gilt dieses Zeichen als Branding-Ikone. Und diesem Vorbild versuchen Markenverantwortliche in der ganzen Welt nachzueifern. Mittlerweile ist das Herz-Liebe-Thema ein im höchsten Maße strapaziertes und abgenutztes Konzept. Das „Sonne und Meer“-Thema ist gewiss nicht einfallsreicher, dafür jedoch vermittelt es mehr Authentizität und basiert auf mehr Ehrlichkeit und Substanz.
Mediengalerie
Hallo Achim,
leider vermisse ich in deinem Artikel die Bewertung des Logos. Stattdessen schreibst du einen riesigen Kommentar zur Verwendung von Herzen in Logos bzw. der emotionalen Ansprache durch die Verwendung von Herzen in Logos.
Ich finde dieses Logo für ein Tourismuslogo gut, wenn die späterer Positionierung durch Inhalte ausgefüllt wird. Das finde ich zum Beispiel im Motiv Cycling sehr gut. Das Logo ist flexibel einsetzbar und hat einen zeitgemäßen Look. Das Herz sticht jetzt nicht unglaublich hervor, LOVE CYPRUS als Aussage kommt stärker als das Herz heraus. Insofern funktioniert das Logo gut.
Das „Sonne und Meer“-Thema finde ich etwas überholt und platt für eine Tourismusmarke, vor allem wenn sich eine Destination etwas breiter aufstellen möchte hinsichtlich von Tourismusangeboten wie z.B. Sport, Natur, Nachhaltigkeit o.ä..
Ich weiß, was du mit deinen Ausführungen zum Herz bzw. Emotion in Logos sagen möchtest, aber gerade bei diesem Logo finde ich das nicht passend.
Hallo Erik,
offen gesagt fand ich es relativ müßig, in dem Kommentar einzig die Gestaltung dieses einen Logos zum Thema zu machen. Wenn ich in diesem Fall mehr über die generelle Verbreitung der Herzsymbolik im Kontext Branding schreibe, dann deshalb, weil ich den damit verbundenen Trend im Bereich der Kommunikation schlichtweg spannender finde. Wer diese meine persönliche Wahrnehmung nicht teilt und lieber nur die singuläre Formgebung kommentieren mag, kann und darf das selbstverständlich auch gerne tun. Design, so mein Verständnis, ist allerdings mehr als das Aufhübschen von Oberflächen. Und ein sinnstiftender Diskurs über Design bedarf meiner Ansicht nach Impulse, die ganz allgemein gesprochen über das Kratzen an der Oberfläche hinausgehen.
Grundsätzlich gebe ich Dir recht. Das Herz-Thema bietet allerdings keinerlei Differenzierungsmerkmal! Palma de Mallorca, Bahrain, Guam, Méribel, Dänemark, Taiwan, Algerien, Zypern, u.v.a.. So unterschiedlich die Länder – in der Wahl des Branding-Keyvisuals sind sie alle vereint. Dänemark nutzt das Herz seit vielen Jahren und dürfte eine Art Vorbild für andere Länder gewesen sein. Was folgte, ist Ausdruck von Einfallslosigkeit.
Ungarn hat sich vor ein paar Jahren übrigens von seinem Herzsymbol verabschiedet und nutzt stattdessen eine Bildmarke, die über deutlich mehr Differenzierungsqualität verfügt als die frühere Herzdarstellung (siehe Tourismuslogos). Für die Tourismusmarke Ungarn wurde, im Gegensatz zu Zypern, nicht bloß ein solitäres Logo kreiert, sondern ein komplettes Designsystem inklusive Illustrationsstil entwickelt:
Und natürlich darf und kann in solch einem Themenkomplex auch Kritik an verschiedenen Entscheidungen der ungarischen Regierung ausgesprochen werden. Design existiert und geschieht nicht in einem abgeschlossenen Raum irgendwo weit weg, sondern hat sehr viel mit den Menschen zu tun, auch mit Politik, mit Lenkung und Beeinflussung. Eine Tourismusmarke zielt darauf ab, die Menschen dahingehend zu beeinflussen, dass diese eine Urlaubsreise in die beworbene Region buchen. Und da geht es mir so, dass ich die Frage viel interessanter finde, ob in diesem Fall – Love Cyprus – die gewählten Mittel auf der visuellen/kommunikativen Ebene geeignet sind, die verfolgte Strategie zu unterstützen. In Anbetracht der mit der Herzsymbolik einhergehenden Beliebigkeit habe ich da so meine Zweifel.
Ich finde nicht, dass man die Logos vergleichen kann, nur weil ein Herz darin vorkommt. Im Zypern-Logo steht es nicht im Vordergrund – finde ich – und zieht sich aus der Kitsch-Linie heraus. Dasselbe finde ich übrigens auch bei Bahrain.
Aus meiner Sicht ist der Slogan ja immer noch der Gleiche, nun eben nur auf Englisch. Denn werden im Deutschen Postkarten unter anderem mit “Herzlichst, Zypern” unterschrieben, ist das übersetzt eben “Love, Cyprus”. Somit ist die Gestaltung des Slogan wie von einem Postkartenabsender m.m.N perfekt gewählt.
m.E. schaffen es Tourismusverbände/Tourismusauftritte etc. selten einen guten Auftritt hinzulegen der nicht zwischen Kitsch und unbeschreiblicher Dilettanz liegt. Zugegeben, Kitsch – zumindest – kann gewollt sein.
Hier kann ich mich nicht entscheiden ob die Formen der einzelnen Buchstaben wieder erschreckend pseudo handmade oder doch ansprechend sind. Mein Gehirn springt hin und her.
Was ich persönlich jedoch schlimm finde ist das zusammenschieben und dadurch entstandenen Negativflächen (was selten ansehnlich wirkt). Das hemmt meine Wahrnehmung des Wortes und verschiebt für mich das Gesamtkonstrukt wieder eindeutig in Richtung der Dilettanten. Schade.
Farbvarianten zu verwenden finde ich gut. Auch wenn die Verläufe bis auf das seegrün-gelb eher mutlos und beinahe ernüchternd wirken. Hier hätten knallige und mutige Verläufe – gerne auch dreifarbig – mehr hergemacht und Freude/Spaß/Abwechslung etc. des Landes mehr repräsentiert.
In Sachen abgenutztes und strapaziertes Konzept…