Zu Studienzeiten bin ich an den Setzkästen in der Druckerei unserer FH lediglich vorbeigegangen, voller Demut für das Handwerk, aber auch mit großer Erleichterung, da mein Schwerpunkt im Studium die Arbeit am Computer sein sollte. Mit DTP wurde der Schriftsatz revolutioniert und vereinfacht. Beim Entwerfen von und beim Arbeiten mit Schriften bedienen wir uns aber immer noch der ursprünglichen Begriffe.
Dieser Artikel ist losgelöst von tagesaktuellen Themen. Er ist als Typographie-Basiswissen gedacht und vor allem auch als Mitmachwerk, denn vollständig wird die Liste erst, nachdem die aufgeführten Begriffe und ihre grafische Aufbereitung kritisch von allen Seiten beäugt werden. Sicherlich gibt es noch den ein oder anderen Begriff, der in diese Liste gut hineinpasst.
Dargestellt sind in diesem Artikel die beim Schriftentwerfen zu gestaltenden Elemente der Buchstaben. Beim Satz spricht man von den „druckenden Teilen“. Im Gegensatz zur Makrotypographie, bei der es etwa um den Satzspiegel oder der Schriftgröße geht, wird in dieser Auflistung der Bereich der Mikrotypographie oder Detailtypographie behandelt.
Danke an alle, die diese Liste komplettieren und verfeinern möchten und Danke auch an jene, die eine ähnliche Zusammenstellung ins Netz gestellt haben.
Das Poster
Es gibt zu diesem Thema auch ein Poster im A1-Format, das man für 16 Euro plus Versandkosten bestellen kann. Ebenfalls nicht unerwähnt bleiben darf natürlich der Link zum gleichnamigen Buch.
Anatomie der Buchstaben | A – Z
Abstrich / Grundstrich
Nach unten geführter Strich.
Anstrich
Schräg und horizontal. Auch „Nase“, „Ansatz“ oder „Dachansatz“ genannt.
Arm
Horizontale Linien bei Großbuchstaben.
Aufstrich
Nach oben geführter Strich. Die dünnste Linie im Buchstaben heißt zudem „Haarstrich“.
Auslauf
Endung eines Buchstabens.
Bauch
Rundung der Buchstaben innerhalb der Mittellänge beim d, b, p und q.
Bein
Abstrich am K, k und R.
Bogen
Bezeichnet ebenfalls eine Rundung der Buchstaben etwa beim P, B oder D.
Cauda
Abstrich am Q. Lateinischer Begriff für „Schwanz“.
Deckstrich
Horizontale Linie beim T, Z und z.
Diagonale
Schräge Verbindung im Z und N.
Dickte
Breite eines Buchstabens, inklusive der Vor- und Nachbreite. Der nichtdruckende Teil einer Drucktype heißt zudem Fleisch.
Endstrich
Abschluss: schräg, wie beim u oder rund wie beim a.
Fähnchen
Häkchen am g. Auch „Ohr“ genannt.
Fuß
Unterer Bereich des Abstrichs z.B. am R.
Grundlinie
Horizontale Achse zwischen der Mittellänge und der Unterlänge.
Hals
Auch „Schaft“ genannt.
Kegel / Kegelhöhe
Die Schriftgröße leitet sich vom Kegel und seiner Höhe ab. Bleisatz-Letter
Kehlung
Innerer Bogen der Serife. Auch „Serifenrundung“ genannt.
Kurve
Kehre im großen und kleinen S sowie in der 8.
Ligatur
Verbindung von zwei oder mehreren Buchstaben zu einer Einheit.
Majuskel
Großbuchstaben, auch als „Versalie“ bezeichnet.
Minuskel
Kleinbuchstaben, auch „Gemeine“ genannt.
Mittellänge
Mittlerer Teil eines Buchstabens. Auch „x-Höhe“ genannt.
Mittellinie
Horizontale Achse zwischen der Oberlänge und der Mittellänge.
Oberlänge
Oberer Teil eines Buchstabens.
Punze
Teilweise oder vollständig geschlossene Innenfläche eines Buchstabens.
Punkt
Kreisfläche beim i, j und bei den Umlauten.
Querstrich
Horizontale Linie etwa beim A oder beim H. Die dünste Linie im Buchstaben nennt man zudem „Haarstrich“.
Schattenachse
Achse zwischen den Stellen mit der geringsten Strichstärke. Auch „Symmetrieachse“ genannt.
Scheitel
Wendepunkt, an dem Aufstrich und Abstrich zusammenlaufen.
Schenkel
Jeweils gegenüberliegende Linien.
Schleife
Geschlossener oder teilweise geschlossener unterer Bereich eines g. Auch „Schlinge“ genannt.
Schulter
Obere Rundung etwa beim m, n, a und h.
-
Schweif
Bei Script-Schriften als verzierendes Element. In Antiqua-Schriften beim t, y und j zu finden.
Serife
Serifen sind häkchenartige Enden. Links ist eine Halbserife dargestellt, die man nur bei Großbuchstaben findet.
Sporn
Kleine Ecke, die im Zusammenspiel mit Serifen eine Art von optisches Gegengewicht erzeugt. Auch im q und A anzutreffen.
Stamm
Senkrechte und zugleich stärkste Linie innerhalb eines Buchstabens.
Steg
Verbindende Linie, die von der Schleife bis zur Grundlinie am g verläuft.
Taille
Einbuchtungen, die bei Bögen anzutreffen sind.
Tropfen
Runde Verdickungen etwa beim a, g, c, j oder e (seltener).
Überhang / Overshoot
Bereich bei runden und spitzen Lettern, der über die Versalhöhe bzw. Grundlinie hinaus ragt.
Überlauf
Verbindungslinie etwa im a und n.
Unterlänge
Unterer Teil eines Buchstabens.
Versalhöhe
Höhe einer Majuskel.
Weiterführende Angebote zum Thema Typografie
- www.typografie.info | Das Portal zu Schrift und Typografie mit TypoWiki und TypoForum
- www.typolexikon.de
- www.desig-n.de | Typografie-Glossar
- www.typo-info.de | Alphabetisches Glossar und inhaltlich strukturierter Kurs zu Schrift und Typografie
- www.typografiker.de | kleines Typografie-Lexikon mit den wichtigsten Begriffen
- Typografieglossar | Typografieglossar mit über 500 Fachtermini
Ein weiteres ganz hilfreiches und schönes Blog ist http://typefacts.com. Da gibt es auch viele Hinweise und gute Artikel. Vor allem die Tastaturkürzel sind eine super Hilfe.
…
http://de.wikipedia.org/wiki/Anatomie
– The Elements of Typographic Style, Robert Bringhurst
– Schriften 1925 – 1974: 2 Bände, Jan Tschichold
– Buchstaben kommen selten allein, Indra Kupferschmid
Sagt man Majuskel und Minuskel heute überhaupt noch? Ich dachte Versalien und Gemeine währe da der Fachlaut.
Minuskelziffern, auch Mediävalziffern, passen sich ins Schriftbild ein. Breit ausgebaute Fontfamilien führen diese neben den Versalziffern (Beispiel aus der Stempel Garamont).
Achim, vielen Dank für diese Zusammenstellung.
Ein grundlegendes Problem sehe ich in der Vermischung von Begriffen aus der geschriebenen Schrift und der Typografie. Bei Drucklettern (ob sie in Metall geschnitten oder digital gezeichnet sind) gibt es keine Richtung, keinen ›Aufstrich‹. Nur weil der rechte Teil des y feiner ausfällt als der linke, wird er (in den allermeisten Handschrift-Stilen) noch lange nicht als Aufstrich geführt.
@Jannis: Majuskel und Minuskel sind tendenziell Begriffe aus der geschriebenen Schrift, Versalie und Gemeine eher aus der Typografie. In Englischen ist das noch eindeutiger: ein von Hand geschriebener/geschnitzter/gemeißelter Großbuchstabe kann ein capital letter oder eine majuscule sein, bestimmt aber nicht uppercase.
… und wie sagt’s der Franzose? Voilà!

Fällt mir gerade zum Titel des Beitrags ein…
Die ware Anatomie der Helvetica ;) Gut Fleisch dran würd ich mal behaupten.
Frohe Ostern
Ich wünsch mir grad ein Download-PDF für die Lehrlinge… So zum übern Schneidetisch kleben!
Sehr nette und gute Übersicht! Ich hab nächste Woche ein Vorstellungsgespräch bei einer online druckerei (wen’s interessiert?!) und hab mich schnell mal in dieses Thema eingelesen. Vielen Dank! liebe grüße, anja
Über dem Schaft bzw. Hals des Versal-G befindet sich der “Querbalken”. Bei einigen Schriften geht er nur nach Innen (Futura), bei manchen fehlt er ganz (Gill Sans, Antique Olive) und bei anderen geht er zu beiden Seiten (Bodoni).
Ich weiß nicht, wie detailliert das werden soll, aber wenn wir schon von der Halbserife sprechen, dann könnten wir auch noch die “Mittelserife” erwähnen, die beispielsweise beim Versal-W der Breughel (A. Frutiger) zu sehen ist. Bei der Palatino fehlt sie, bei der Bembo gibt es aufgrund der besonderen Form des W (da wird der doppel-V Ursprung deutlich, die Lateiner kannten noch kein W) sogar zwei Mittelserifen, die ineinander über gehen.
Beim Versal-A kann es noch den überstehenden Anstrich (Guardi) oder den überstehenden Scheitel (Berkeley Old Stlye, Caslon) geben. Aber das ist ja schon fast Erbsenzählerei…
Ich lerne gerade für meine Typo Prüfung und freue mich natürlich über alle Beiträge zu diesem Thema!
Da gibt es noch eine Seite, iniziiert von der FH Aachen, Fachbereich Design:
Typoknowledgebase
Kann auch sehr hilfreich sein
Danke für die Zusammenstellung.
Ich vermisse allerdings noch das Geviert, sowie Punkt und Didot.
Ui da müsste ich ja mal wieder meine Berufschulbücher rauskramen :)
Sehr toll, vielen Dank! Wie schon von anderen gefordert, wäre eine PDF-Version allertollstens. Besonders, wenn die Abbildungen darin Vektordaten wären. Habe ich die Erlaubnis, diese Übersicht für die Lehre zu verwenden? Das wäre sogar noch viel allertollstenser.
Eine kleine Korrektur:
Bei »Schweif« fehlt im Beschreibungstext der Bindestrich zwischen »Script Schriften«. Momentan ist da ein »Deppenleerzeichen« :)
Hallo Achim!
Sehr tolle Sache, würde mich auch sehr über ein PDF freuen.
Beste Grüße und Frohe Weihnachten!
vielen Dank, das habe ich vermisst!
Als ungelernte Interessentin verwirrt mich allerdings der “Aufstrich” ausgerechnet am y – ich käme nie auf die Idee, diesen Strich von unten nach oben zu schreiben! Wäre er nicht am A oder v besser erklärt? Dass das y einen dicken und einen dünnen Strich hat, hatte ich bisher darauf zurückgeführt, dass die Feder beim Schreiben leicht schräg gehalten wurde …