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ZDF-Relaunch 2012

ZDF Relaunch 2012

ZDF Relaunch 2012

Wie angekündigt, vollzog das ZDF am vergangenen Wochenende einen großen Relaunch, den „Relaunch Zwanzigzwölf“, wie es im begleitenden redaktionellen Beitrag des ZDF im Politiksprech heißt. Wie sich die neue mobile, minimalistische und bewegtbild-orientierte Umgebung macht, habe ich mir dieser Tage genauer angeschaut. Nur soviel vorweg: der Wechsel bringt nicht nur Verbesserungen mit sich.

Der Relaunch von ZDF.de und der zugehörigen Nachrichtenportale heute.de und ZDFsport.de ist kein gewöhnlicher. Das ZDF vollzieht mit diesem Schritt einen Paradigmenwechsel weg von der „Themenfülle auf den ersten Blick hin zu einem Konzept der minimalistischen Ästhetik“, wie es von Seiten der Macher heißt. Tatsächlich ähneln die meisten Nachrichtenportale von TV-Sendern und Verlagen Eier-legenden-Woll-Milch-Säuen, die jedes erdenkliche Thema abbilden, in der Hoffnung, auf diese Weise wirklich jeden Nutzer zu erreichen. Die Übersichtlichkeit bleibt jedoch meist auf der Strecke. Insofern ist es uneingeschränkt zu begrüßen, dass das ZDF Internet einmal neu denkt. Allerdings, auch die neue Umgebung wird nicht jeden Nutzer glücklich machen, zu gewöhnungsbedürftig ist der Ansatz, den das ZDF mit dem Wechsel verfolgt und zu viele Kinderkrankheiten hat die neue Umgebung noch. Aber fangen wir mit dem Positiven an.

Das Interface ist klasse, keine Frage. Sowohl die Startseite wie auch die Artikelebene hinterlassen rein visuell einen hervorragenden Eindruck. Allerdings kann dieses Lob nicht uneingeschränkt vergeben werden, denn, und das überrascht mich nun dann doch, auf meinem Android-Smartphone (Galaxy S2) ist die Seite aufgrund der Darstellung im Prinzip unbrauchbar. Wie kann das angesichts der selbst gesteckten Ziele sein?

ZDF.de auf dem Galaxy S2

Abb. ZDF.de auf Galaxy S2

Gerade die optimale Aufbereitung der Nachrichten für Mobilanwender hatte sich das ZDF auf die Fahne geschrieben. Wie mir scheint, wurden zwar Tablet-Nutzer berücksichtigt, nicht aber Smartphone-Anwender. Im Hochformat ist der Aufbau ganz furchtbar, im Querformat etwas weniger schrecklich.

Die im Fußbereich angedockte Programm-Leiste springt mit jeder Scrollbewegung und überdeckt auf diese Weise sogar die wenigen zur Verfügung stehenden Navigationspunkte. Fraglich ist, ob die Programm-Leiste von Smartphone-Anwendern überhaupt genutzt wird, denn gerade diese dürften zur Gruppe derer gehören, die das Nachrichtenangebot unabhängig vom linearen Programmablauf konsumieren, also Programmankündigungen per se wenig Aufmerksamkeit einräumen. Ein Cookie wäre hier sinnvoll, der das Einblenden der Leiste in Abhängigkeit der jeweiligen Plattform steuert.

ZDF.de Startseite

Die neue Startseite wirkt wie eine vorgeschaltete Einstiegsseite der Mediathek. Braucht es mit der neuen Ausrichtung hin zu noch mehr Bewegtbild überhaupt noch eine solche Seite? Schon beim letzten Relaunch hatte ich eine ganz ähnliche Frage aufgeworfen. Zu einer Verschmelzung der Mediathek mit dem bestehenden eigentlichen Webauftritt, wie ich es seinerzeit angedacht hatte, konnte sich das ZDF offenbar nicht anfreunden.

Als Nachrichtenüberblick ist die neue Startseite ZDF.de, wie bereits erwähnt, gänzlich unbrauchbar. Das Textanteil ist, wie zu erwarten war, merklich zurückgegangen. Mit der Fokussierung auf Bewegtbild verlängert der Sender zwar seine Kernkompetenz auf die digitalen Kanäle, es steht jedoch auch zu befürchten, dass das ZDF all die Nutzer verprellen wird, die in erster Linie Textinformationen suchen, vielleicht ja auch ergänzend und begleitend zum Fernsehprogramm. Wer nebenbei Fernsehen konsumiert, und das sind nicht Wenige, der möchte nicht parallel auch noch Videobeiträge anschauen, zumindest nicht fortlaufend und in erster Linie. Die neue Umgebung zwingt dem Nutzer das vom Sender präferierte Format auf. Ob man diese Monokultur „nutzergedacht“ nennen kann, ist fraglich. Ich hätte mir einen Umschalter zwischen einer eher bewegtbild-orientierten und einer eher textlastigen Umgebung gewünscht.

Wenn es etwas gibt, dass die neue Startseite gut kann und sogar besser als der Vorgänger, dann ist das Bündeln der zu Senderfamilie gehörenden Marken, die in der neuen Umgebung nahezu gleichberechtigt auftreten und damit deutlich aufgewertet werden. Reicht das schon als Daseinsberechtigung? Ich denke nein.

Ladevorgang

In Bezug auf die Ladezeit zeigt sich die neue Umgebung alles andere als leicht konsumierbar. Etwa 50 Sekunden dauert es, bis die Startseite komplett geladen ist (Mac/Firefox), was nicht einmal an der Datenlast selbst liegt, die mit etwa 1.6 MB akzeptabel ist. Der Ladevorgang wird dadurch nicht erträglicher, indem sich vielfach die Position der einzelnen Elemente ändern. Ich gehöre zu der Sorte Nutzer, für die der Ladevorgang bereits Teil des Gesamteindrucks, des „Gesamterlebnisses“ ist. Das Springen der Teaser ist wirklich störend, zumal die lange Wartezeit das Springen und Wackeln ja geradezu inszeniert. Auch die horizontalen Slide-Bewegungen sind, zumindest an meinem MacBook Pro, ebenfalls ruckelig.

Suchergebnis – sinnvolle Filterfunktionalität versus wackelige Aufbereitung

Ebenfalls ein äußert wackeliges Erlebnis ist der Hover-Effekt innerhalb des Suchergebnisses. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Suchfunktion eine zentrale Rolle innerhalb des neuen Konzepts einnimmt, ist die vorgehaltene Lösung schwer nachvollziehbar; aus Usability-Sicht suboptimal, da sich das Auge mit jedem Hover-Effekt immer wieder neu orientieren muss. Dem gegenüber steht eine wunderbare Filterfunktionalität, die es ermöglicht, die Treffer weiter einzugrenzen. In der rechten Spalte verortet können Treffer etwa nach Medienart, Zeitraum, Sendermarke und Themen gefiltert werden.

Alles neu auch auf Heute.de

Auch Heute.de wurde völlig neu gedacht und gemacht. Statt einen klassischen Dreispalter nutzt der neue Webauftritt ein variables System, das für die Startseite eine und für die Artikelebene zwei Spalten vorsieht. Wie bei ZDF.de erscheint auf Heute.de auf allen Seiten ganz unten die Programm-Leiste. Im Gegenzug zu ZDF.de jedoch wird die Leiste nicht als festsitzender iFrame eingespielt, sondern sie erscheint tatsächlich am Ende einer Seite, was ich persönlich als die angenehmere Alternative empfinde, da sie weniger Platz einnimmt und dezenter wirkt. Auch in Bezug auf die zuvor angesprochene Problematik der Überlagerung von Elementen erscheint diese Lösung als die bessere. Die nachfolgende Ansicht zeigt die Artikelebene:

Heute.de Relaunch 2012

Heute.de Startseite 2012

Nachrichtenüberblick

Der Nachrichtenüberblick im Kopf der Seite bietet tatsächlich einen schnellen Überblick, sowohl bei Aufruf am stationären Rechner, wie in der Anwendung auf einem Mobilgerät. Nachrichten-Überschriften werden in Fünfergruppen zusammengefasst und thematisch unter Politik, Wirtschaft, Panorama und Sport sortiert, wobei „Twitter“ als letzter Navigationspunkt hier semantisch nicht reinpasst, da ja nicht Meldungen über Twitter aufgeführt, sondern die zahlreichen ZDF-Twitter-Accounts eingespielt werden. Aber natürlich ist die Unterbringung der Tweets in der Navigation auch als Ansage zu verstehen: seht her, wir können auch diese Spielart der Kommunikation und der Nachrichtenverbreitung.

Das Blättern innerhalb der Ressorts mag auf dem Tablet noch erträglich sein, das Ansteuern der winzigen Schaltflächen ist auf einem 22- oder 24-Zoll-Monitor eine Herausforderung, um nicht Zumutung zu sagen. An dieser Stelle will der Ansatz einer multigerätefähigen Applikation nicht so recht gelingen. Optisch hinten runter fällt ein wenig die von Erik Spiekermann und Ralph du Carois gezeichnete ZDF-Schrift, die auch in der neuen Webanwendung abermals unscharf schwammig erscheint. Vielleicht sollte man sich ganz von ihr trennen, denn im Webauftritt kommt sie nur sporadisch zum Einsatz und zudem stets zu klein, sodass sie ihre Stärke niemals ausspielen kann.

Heute.de Nachrichtenüberblick

Abb. Nachrichtenüberblick

Abgesehen von den oben aufgezeigten Verbesserungsmöglichkeiten, weiß Heute.de sehr zu gefallen. Heute.de findet sich auf dem Mobilgerät ebenso gut aufbereitet wie auf einem Rechner samt großformatigen Monitor. Wer auf ZDF.de Texte vermisst, wird auf Heute.de fündig. Die Verquickung multimedialer Inhalte per Reiternavigation ist ebenfalls gelungen, wenn auch hier die Ladezeiten generell zu wünschen übrig lassen. Erste Kinderkrankheiten, wie das Fehlen des Hand-Cursors bei interaktiven Elementen, hat das ZDF bereits in den ersten Stunden behoben.

Weniger leicht zu reparieren, sind die zahlreichen ehemaligen URLs von Unterseiten, die mit dem Relaunch allesamt gelöscht worden zu sein scheinen. Wenn sich mein Eindruck bestätigt, wäre dies ein SEO-Fauxpas. Der Klick auf die vor dem Relaunch veröffentlichte Meldung „Neckermann streicht 1.400 Jobs (Screenshot)“ leitet den Nutzer lediglich auf die ZDF-Startseite anstatt auf die zugehörige Artikelseite, er läuft somit ins Leere. Gibt es dt-Leser, die den Eindruck bestätigen oder widerlegen können?

Und noch etwas fällt mir auf. Dafür, dass die Ausrichtung eindeutig in Richtung Tablets und Smartphones erfolgte, ist die Schrift immer noch vergleichsweise klein. Auch den geringen Kontrast von grauer Schrift zu weißem Hintergrund wird jeder Tablet-Nutzer bemängeln, der Heute.de oder ZDF.de unterwegs aufruft, im Park sitzend oder von einem Fensterplatz im Zug aus. Hier sollte man die Farbangaben noch einmal überprüfen.

Fazit

Ein bemerkenswerter Schritt, der bemerkenswert viele Ansätze zu Optimierung bietet. Auch sehr lehrreich: Ein schönes Interface bedeutet noch lang kein gutes Design. Trotz vielfältiger Kritik, für die sich übrigens auch die Stammnutzer mehrheitlich aussprechen, wie in den Kommentaren auf zdf.de zu lesen ist, und wie sie Eckart Gaddum, Chef der Neuen Medien im ZDF, im morgenmagazin nicht wahrhaben möchte, ist der vollzogene Schritt richtig. An der Strategie, hin zu mehrgerätfähigen Anwendungen, gibt es nichts zu deuteln. Darin liegt die Zukunft. Dass sich das ZDF mit dem ersten Schritt in diese Richtung (von meiner Seite) eher Negativkritik einfängt – geschenkt.

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. Danke Bodo, das ist in der Tat so. Auf meinem Smartphone habe ich die automatische Weiterleitung auf mobile Versionen bewusst deaktiviert, weil ich gerne auch auf dem Smartphone auf das umfassende Angebot einer Website zugreifen möchte. In diesem Fall ist der Unterschied zwischen Standard- und Mobilversion auf dem Smartphone enorm, weshalb man hier also switchen sollte, denn natürlich macht die Mobilversion eine bessere Figur. Eine automatische Weiterleitung von zdf.de auf m.zdf.de wäre sicherlich nicht verkehrt.

    Hier noch der entsprechende Screenshot von m.heute.de

  2. Auf jeden Fall ist der Relaunch der neuen ZDF Seiten gelungen. Die Vorgängerseiten waren stark überladen und wenig für Mobile Endgeräte (iPad & Co.) geeignet. Die minimalistische Ästhetik der Seiten unterstützt die Usability der Navigation und erleichtert den Umgang mit dem Content. Alles in allem ein gelungener Relaunch. Peter

  3. Ein mutiger Schritt. Die Reduktion tut der Übersicht tatsächlich gut. Dem stehen die animierten Klapp- und Slideeffekte gegenüber. Für meinen Geschmack könnte das etwas knackiger und dezenter ausfallen.

    »heute.de« erscheint mir auf den ersten Blick gelungener, vielleicht auch ’vertrauter’. Die ’Bedienbarkeit’ auf iPhone und Co. ist in der Tat putzig und bedarf noch einiger Korrektur.

    Ein wenig Schliff folgt sicher generell noch. Ich bin gespannt wie konsequent der Schnitt mit der herkömmlichen Portaloptik fortgeführt wird.

  4. Zugegeben, die neuen Seiten sind weniger überladen. Leider steht die Ladezeit in umgekehrt proportionalem Verhältnis dazu. Üblicherweise schließe ich bei solchen Ladezeiten die Seiten wieder bevor sie fertig geladen sind, da ich keine Lust habe, ewig auf das Erscheinen von Inhalten zu warten, die woanders sofort konsumierbar sind.

    Bei einer neu gestalteten Seite, gerade auch mit Ausrichtung auf eine gute Nutzbarkeit mit verschiedensten Endgeräten, eines solchen Auftraggebers, würde ich doch an prominenter Stelle im Pflichtenheft eine Standardkonformität/korrektes HTML und nicht eine Anhäufung von mehreren hundert (!) Fehlern erwarten. Diese Fehler finden sich sowohl auf der Standardwebsite als auch in anderer Form auf der mobilen Version. Die Zugänglichkeit und Zukunftsfähigkeit wird hierdurch sicher nicht unterstützt.

    Ich persönlich vermisse die Textinhalte. Eine Website, die fast ausschließlich auf Bewegtinhalte setzt, schaue ich mir einmal an, aber nicht öfter.

    Die prominente Anordnung der Empfehlungen mag aus Designsicht nett sein. Aus Usability-Sicht würde ich die weiter unten angeordnete Rubrik Sendungen und TV-Programm an dieser Stelle bevorzugen.

  5. Schön schön das muss man zugeben! jetzt weiß man auch wo unsere rundfunkgebühren landen… an den ladezeiten sollte wirklich noch optimiert werden:

    The page ZDF.de – Startseite – ZDF.de got an overall PageSpeed Score of 46 (out of 100).

  6. Aus (nerdiger) Entwicklersicht muss ich Erich Pers schon Recht geben.

    Die Codebasis wirkt extrem aufgeblasen. Ebenso stört mich dieser sehr fühlbare FOUC-Effekt auf der Startseite – aber gut, dass ist mein Problem :)

    Ich hätte gerne mal gesehen, dass ein deutsches Portal konsequent den Weg “Responsive Webdesign” geht. Vorallem aus technischer Sicht. Natürlich stellt so ein Schritt, gerade bei massiver Verwendung von Video und Flash-Inhalte, mehr als nur einen reinen Relaunch da.

    Und bei 4,70 MB Datenlast (für die Startseite) hat sich dieses Thema eh erledigt :)

  7. Die Benutzung von ZDF.de macht zumindest auf dem iPad (3. Generation) wenig Spaß. Da die Navigationselemente über den Videos liegen fangen zwar allenthalben irgendwo Filme an zu spielen, aber zum gewünschten Ziel kommt man nicht – es ist überall schon recht fein überlegt aber das Benutzererlebnis ist dann nicht so überwältigend wie die Gedanken die dahinter stehen. Und die Mobilversion mag man auf dem Pad auch nicht nutzen, sie ist doch etwas zu schlicht.
    Wir stellen fest: das ZDF will viel, hat gute Ideen, berichtet über Secondscreening und allerlei neue Trends setzt selber aber allzu wenig gutes um. Sehr schade finde ich. Wo ist der ultimative Durchbruch, die absolute Neuerung in der Medienwelt? –

  8. Hallo Herr Schaffrina,

    Danke für die ausführliche Besprechung unserer neuen Seiten. Was die Umleitung der PC- auf die Mobildomains angeht, ist ein kleiner Fehler passiert, der bald behoben sein sollte. Bis dahin sind die Smartphone-Varianten direkt unter m.zdf.de und m.heute.de erreichbar.

    Zu den zahlreichen anderen Anmerkungen: Es war ein großer technischer und konzeptioneller Relaunch – wo gehobelt wird, fallen bekanntlich Späne. Einige der aufgeführten Punkte sind schon in Arbeit, bei anderen wollen wir die Nutzung erst Mal abwarten. Denn grundsätzlich sind wir überzeugt von diesem neuen Angebot.

    Viele Grüße

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