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Wer will, kann nun über das Logo zur UEFA EURO 2024 abstimmen, oder über die Sinnhaftigkeit derlei Wettbewerbe streiten

Logowettbewerb UEFA EURO 2024

Logowettbewerb UEFA EURO 2024

Phase zwei in Sachen Bewerbungslogo zur EURO 2024 (dt berichtete). Nachdem die Einreichphase für Logoentwürfe abgeschlossen ist, kann man nun bis zum 22. September auf der Amateurfußball-Plattform unter voting.fussball.de für den persönlichen Favoriten abstimmen, sofern denn einer dabei ist. Fußballdeutschland und Design werden wohl vorerst keine Freunde.

Ok. Das an Ecstasy-Pillen erinnernde WM-2006-Dingsbums war halt ein Ausrutscher, dachte ich bislang. Franz Beckenbauer, seinerzeit Präsident des Organisations-Komitees, attestierte dem bunten Smile-Kuddelmuddel, es passe zu uns. Puh. Wie heißt es so schön: jedes Volk bekommt das Logo, das es verdient. Oder so ähnlich. Die Aufregung innerhalb der Designszene war groß, die WM als solche allerdings ein großer Erfolg, mit Platz 3 durchaus auch aus sportlicher Sicht. Also Schwamm drüber.

Dieses Mal, mit Unterstützung der „kreativen Community“, wird sicherlich alles besser, bekommt Sportdeutschland ein Logo, für das man sich als Kreativschaffender oder designliebender Mensch nicht zu schämen braucht. Wer das dachte, dem dürften angesichts der fünf Finalisten, die der DFB beziehungsweise die vom DFB berufene Jury ausgewählt hat, vielleicht doch Zweifel kommen.

Ein Entwurf innerhalb der Finalisten ähnelt dem unsäglichen Germany-Wirbel, der schon längst hätte ausgewechselt werden sollen, weil dieser indifferente Klecks für das Reiseland Deutschland nun wirklich keine Zierde ist. In einem anderen Entwurf kommt der Telstar-Ball aus den 1970er-Jahren zum Einsatz. Was in jedem zweiten Fußball-Stockimage vorkommt, darf natürlich auch hier nicht fehlen. Ein weiterer Entwurf, zwar nicht unter den Top-5 dafür ebenfalls ausgezeichnet, zitiert offensichtlich das WM-2006-Logo. Das also ist die von Crowdsourcing-Anbietern so viel gerühmte Weisheit der Masse, die kollektive Intelligenz. In sieben (!) der 25 ausgezeichneten Logos ist eine Herzdarstellung enthalten. Fast hat man den Eindruck, es werde ein Signet für eine Partnervermittlung gesucht. Nie war mehr Herz als heute. Alles und jedes wird mittlerweile emotionalisiert, Lebensmittel, Flughäfen, Länder, Inseln und auch die Wettbewerbe der UEFA. Scheint, als habe sich dieser Trend nun bis zum DFB herumgesprochen.

Ich habe mir die Mühe gemacht und alle Einreichungen gesichtet (Zeitaufwand 25 Minuten). Zwei Entwürfe sind tatsächlich dabei, die nach meiner Einschätzung Potenzial haben und die die Anforderungen eines EM-Kandidatur-Zeichens erfüllen: Entwurf eins, Entwurf zwei. Zwei von über zweitausend. Ausgezeichnet wurden diese beiden Logos übrigens weder von der Community noch von der Jury. Dass die Jury auch mit Kollegen namhafter Agenturen wie Strichpunkt, Mutabor und Jung von Matt/Sport besetzt gewesen ist, hat sich jedenfalls nicht positiv auf die Qualität der eingereichten Arbeiten ausgewirkt.

Die bislang 25 ausgezeichneten Entwürfe bedienen so ziemlich jedes Klischee, das es in der Welt der Sportpolitik so gibt. Gemeinschaftsgefühl, Herzlichkeit, Austausch der Kulturen, Friede, Freude …. Sportfunktionäre lieben so etwas. Das Problem dabei ist: der Mensch sieht nur, was er aufgrund seiner Prägung (Sozialisation, aktuelle Situation, emotionale Verfassung, u.a.) zu sehen im Stande ist – selektive Wahrnehmung. Andere Aspekte, die ein gutes Zeichen ausmachen, wie etwa Einzigartigkeit, Einfachheit/Memorierbarkeit oder Prägnanz, wird man nur dann erkennen können, wenn das Auge darauf trainiert ist. Nichts von alledem findet sich in den fünf zur Wahl stehenden Entwürfen, trotz einer auch mit Designern besetzten Jury. Da blickt man neidisch nach Frankreich, in die USA, in die Niederlande oder (ausnahmsweise auch einmal) nach Italien.

2.076 Entwürfe wurden im Rahmen des Wettbewerbs eingereicht. 2.076! Einmal angenommen an jedem Entwurf hätte der verantwortliche Gestalter – maximal niedrig angesetzt – zwei Stunden gearbeitet. Bei einem Gesamtpreisgeld in Höhe von 14.000 Euro macht das umgerechnet einen Stundensatz von 3,37 Euro. Wofür hat der DFB nochmal eine Unterseite „Gesellschaftliche Verantwortung“? Wobei freilich 97% der insgesamt 990 Teilnehmer (aus 82 Ländern) gänzlich unentgeltlich ihren Dienst verrichtet haben. Was der DFB als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnet, ist eine kaum vorstellbare Verschwendung von Arbeitszeit.

Es wird sicherlich kein Gestalter gezwungen, bei einem Wettbewerb, bei dem aufgrund der zu erwartend großen Teilnehmeranzahl die Chancen zu gewinnen verschwindend gering sind, mitzumachen. Es gibt natürlich auch keinen, der einem die Teilnahme verbietet. Letztendlich muss jeder für sich selbst abwägen, ob sich der Aufwand rechnet, ob die Teilnahme – als Gestalter ebenso wie als Juror – einem etwas nützt und ob man bereit ist, unentgeltlich zu arbeiten. Im Fußball gilt bei kritischen Abseitsentscheidungen: im Zweifel für den Angreifer. Bei derlei Wettbewerben bietet die Richtschnur Orientierung: im Zweifel gegen die Teilnahme.

Vielleicht dem ein oder anderen ein Trost. Egal wie die offizielle Abstimmung um das Logo ausgehen wird: sollte Deutschland den Zuschlag für die Ausrichtung bekommen, wird das Siegerlogo von einem anderen, dann finalen Logo ersetzt.

Hier die fünf zur Wahl stehenden Logoentwürfe:

Logo 1

Logo 1

Logo 2

Logo 2

Logo 3

Logo 3

Logo 4

Logo 4

Logo 5

Logo 5

Inoffizielle Abstimmung im dt

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