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Welt Online Relaunch 2010

Welt Online Relaunch

Der Axel Springer Verlag hat Welt.de einem umfassenden Relaunch unterzogen. Der letzte größere Relaunch stammt aus dem August 2008 (dt berichtete). Auch dieses mal wurden der Aufbau, die Struktur, Farben, Schriftgrößen sowie Positionen und Abstände grundlegend neu definiert. Die Redaktion ist sich sicher, mit den Veränderungen „viele Verbesserungen, die das Lesevergnügen erleichtern sollen“ eingeführt zu haben. Die Kommentare der Stammleser im Artikel zur Ankündigung zeigen allerdings, dass nur Wenige dem neuen Auftritt diese Verbesserungen attestieren. Ist der ambitionierte Versuch, Nachrichten in den Mittelpunkt zu rücken am Design gescheitert?

Hauptnavigation schluckt Branding

Auffälligste Veränderung ist ein Header, in dem sich das Logo und eine seltsam befüllte Hauptnavigation („Schönes Leben“?) die Horizontale teilen. Auf diese Weise soll den Nachrichten mehr Platz eingeräumt werden. Das Logo besaß im Vorgänger eine üppige Schutzzone, wodurch es zentriert positioniert erhaben wirkte. Diese Großzügigkeit vermisst man nun sofort. Das Logo fristet in einer weißen Ecke links neben der Navigationsleiste ein trauriges Dasein. So schnell wird aus der großen Welt Provinz. Provinziell erscheint auch der Look der neuen Reiternavigation, die fast schon Retro-Züge aufweist. Auch wenn man mit ihrer Hilfe nun in die dritte Ebene schauen kann, was ja durchaus eine sinnvolle funktionelle Erweiterung darstellt, wirkt sie doch eher bieder und altbacken. Auch das winzige Eingabefeld der Volltextsuche rechts oben ist unmotiviert positioniert. Wie heißt es so schön: Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance. Das gilt insbesondere für den Einstiegsbereich einer Website. Der neue Welt.de-Header stellt den Leser auf die Probe, weil er jegliche Souveränität einer großen Nachrichtenmarke vermissen lässt und den Eindruck erweckt, das Portal böte eher lokale Berichterstattung.

Bewährtes, Neues und Ungewöhnliches

Die Gesamtbreite bleibt mit 852 Pixeln unverändert. Der Content und die Inhalte der rechten Spalte, die gar nicht mehr als solche in Erscheinung tritt, sind weniger klar von einander getrennt als im Vorgänger. Dadurch wirken die Seiten zwar großzügiger und offener, allerdings auch unruhiger.

In Times gesetzte Überschriften sind mit 22 Pixel ebenso etwas zu groß geraten, wie etwa der Abstand (siehe Screenhot) unterhalb eines horizontal angelegten, mit drei Meldungen befüllten Teaser-Moduls. Auch wenn die Beliebtheit von Serifen weiterhin zunimmt: Nicht immer ist eine Times die erste Wahl für die Darstellung von Headlines und Fließtext. Dieser Relaunch zeigt dies ganz gut, wie ich meine. Der Abo-Bereich (aboservice3.welt.de) erscheint derzeit noch im alten Stil. Die dort in Arial gesetzten Überschriften und auch die Abstände sind dort ausgewogener. Vielleicht hätte man es bei dieser Linie belassen sollen. Auf der Artikelebene fällt weiterhin auch noch der ebenfalls (leicht) zu groß gewählte Zeilenabstand auf.

Die Position des Seitentitels (siehe Screenshot), ist so ungewöhnlich, dass man kaum auf die Idee kommt, es handele sich um die wichtigste Informationseinheit auf einer Seite. Unter Nutzerführung versteht man sicherlich etwas anders. Sowohl an den Schriftgrößen, den Abständen und auch an den Positionen zahlreicher Elemente könnte man noch noch etwas drehen. Der Auftritt sieht nicht „rund“ aus.

Welche Nachricht ist wirklich wichtig?

Eine klassische Marginalspalte schaut jetzt nur noch auf der Artikelebene heraus. Auf den Übersichtsseiten wird die ganze Fläche jeweils mit Nachrichten-Teasern befüllt. Das ist tatsächlich für ein großes Nachrichtenportal ein neuer Ansatz. Stichwort: Magazin-Charakter. Dadurch entfällt allerdings auch die Möglichkeit der Cross-Verlinkung etwa per schmaler Grafik (siehe Screenshot), wie man sie bislang in der rechten Spalte einsetzte. Den eigentlichen Nachrichten wird mehr Raum eingeräumt. Hier wird das Konzept des Relaunchs sichtbar. Allerdings macht sich an dieser Stelle das Fehlen klarer Trennungen bemerkbar, so wie sie der Vorgänger mit seinen etwas streng definierten Boxen noch aufwies.

Nebeneinander positionierte Teaser sorgen dafür, dass Themen fortan weniger stark gewichtet sind. Bestanden bislang die Rubrikenblöcke aus einem Hauptartikel plus mehreren Links, ringen nun drei gleichgroße Teaser um die Gunst der Aufmerksamkeit. Der Vorgänger-Aufbau war sicherlich gewöhnlicher, die Themen wurden hier jedoch besser gebündelt und dadurch auch gewichtet.

Fazit

Man kann dem Auftritt keinen Hang zur Konformität unterstellen. Das neue WELT ONLINE ist anders. Das ist gut, weil sich über die unterschiedlichen Ansätze wunderbar diskutieren lässt. Die wichtigste Funktion eines großen Nachrichtenportals, nämlich das Gewichten von Meldungen, die Einordnung von Wichtigem und weniger Wichtigem, will dem neuen Auftritt nicht so recht gelingen. Alles wird nahezu gleichgroß angepriesen. Daran ließe sich im Nachgang durch Anpassung der Schriftgrößen noch feilen. Der Header macht sich klein und ist seltsam ungelenk. Er visualisiert nur unzureichend, was man sonst eigentlich von der Marke DIE WELT und seinem Online-Pendant gewöhnt ist.

Vielen Dank Sascha, Thomas und Mathias für die Mails zur Umstellung!

Dieser Beitrag hat 45 Kommentare

  1. Die Leiste im Fuß ist wirklich Käse. Null Nutzen, wirkt völlig unpassend und Facebook hatte schon einen Grund wieso sie diese bescheuerte Idee wegreduziert haben.

  2. Achim, kannst du die Screenshots nicht direkt in den Text einbauen? Es wäre mMn praktischer, wenn die sich nicht zwischen mich und den Text stellen würden, sondern man beim lesen immer mal rüber schielen könnte.

  3. Zitat zur Hauptnavigation: “Auch wenn man mit ihrer Hilfe nun in die dritte Ebene schauen kann, was ja durchaus eine sinnvolle funktionelle Erweiterung darstellt, wirkt sie doch eher bieder und altbacken.”

    Speziell zu diesem Punkt fällt mir als viel elegantere Lösung das sogenannte “Mega-Dropdown” ein, welches in nachfolgendem Artikel genauer besprochen wird:


    https://www.konversionskraft.de/checklisten/praxistipps-conversion-optimierung-mit-mega-drop-downs.html

    Schade, dass man bei Welt Online offenbar in der Zeit zurückgereist ist, anstatt sich mit neueren Konzepten zu befassen.

  4. Herr im Himmel,

    Typografie 6

    Blickführung 6

    Technische Umsetzung (Semantik) 6 (z.B. div class=h2 ARGH! – Schriftgrößenanpassung lässt Texte verschwinden etc.)

    Mit Verlaub, das ganze sieht einfach nur grauenvoll aus. Völlig unproportinioniert, visuelles Chaos, die einzelnen Elemente an den Rand gedrängt keine klare Hierarchie, kein erkennbares visuelles Konzept und simpelste gestaltungshandwerkliche Fehler wie fehlender Weißraum, schlechte Gliederung und unharmonische Aufteilung.

    Insbesondere der grauenvolle Umgang mit Typografie ist im Jahr 2010, dem Jahr der Webfonts etc. indiskutabel. Da hat nie ein Gestalter Hand angelegt, wenn doch, dann ein miserabler!
    Die Texte so an den Rand zu klatschen, die wüste Schriftmischung … roar! Sorry, aber da fällt es echt schwer sachlich zu bleiben.

    Im Winter war ich einer der Gewinner für gute Beiträge, aber hier fällt mir nicht wirklich mehr ein als: zum kotzen.

    Muss man der Seite so deutlich ansehen, daß Springer sparen muß? Zurück zur alten Site, BITTE!

  5. So, ich konnte es mir nicht verkneifen. Eine Überarbeitung des CSS mit ein paar Klicks, das aufwendigste ist noch durch die gruselige Codestruktur durchzublicken:

    Original: https://huepenbecker-design.de/stuff/welt_orig.png

    Mit minimalen Änderungen: https://huepenbecker-design.de/stuff/welt_huepenbecker_redesign.png

    Ich wage mal zu behaupten, daß schon diese minimalen Änderungen die ganze Site deutlich ansprechender und »sauberer« erscheinen lassen würden.

  6. Das blau ist irgendwie zu unauffälllig, aber noch mehr stör ich mich an dem krassen rot, dass die wirklich großen überschriften boullevard mäßig aus dem Bildschirm schreit.

    Der Boullevard Eindruck wird bei mir noch verstärkt durch das merkwürdige Verhältnis zwischen Überschrift (meist zwei Zeilen in 22 Punkt) und den Teasersetzen, die weniger Platz einnehmen als die Überschriften..

    das dann auch noch am ersten Tag des Relaunces in der dauer Fusszeile (die ich von der Idee her gut finde) “Eurovision Song Contest” nicht in den Reiterpasst (zumindest bei Chrome) wirkt dazu etwas unprofessionell..

  7. Wow, Welt Online ist nun eine beispielhafte Seite für schlechte, unstrukturierte Typografie und unausgeglichene Seitenverhältnisse.

    Das Beste finde ich die Aussage: “Ohne Randspalte ist mehr Platz für Nachrichten” – dafür haben Sie nun eine 330 Pixel breite Werbespalte eingezogen. Dieser Footer ist auch nicht gerade passend, für mich wirkt die Seite wie ein billiger Blog mit standart Template.

    Ein Highlight zum oben genannten Artikel sind die Kommentare (290!), mit grösstenteils vernichtenden Aussagen : )

  8. @Daniel

    Wow, super Arbeit! Mir gefiele der alte Welt-Auftritt zwar in Gänze immer noch besser, aber Deine Überarbeitung solltest Du dringend mal an die Welt-Redaktion schicken!! Ehrlich – da muß sich was tun, sonst bin auch ich die längste Zeit dort “Stammleser” gewesen..

Kommentare sind geschlossen.

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