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Weiß, die ultimative Signalfarbe? Zumindest in Kapstadt

white flag shark

Bedeutung von Weiß und Rot

Vielleicht wird die Farbgebung des Kapstadter Flaggenwarnsystems ja bei näherer Betrachtung nachvollziehbarer. Wofür stehen Weiß und Rot? Wir, die wir in einem westlichen Kulturkreis leben, verbinden Weiß mit Unschuld, Unberührtheit und Reinheit und so tragen Frauen bei ihrer Hochzeit weiße Kleider. Wer im Krieg die weiße Parlamentärsflagge hisst, dem wird seine Unverletzlichkeit garantiert. Als Schutzzeichen des Kriegsvölkerrechts ist es in der Haager Landkriegsordnung festgelegt, die neben den Genfer Konventionen ein wesentlicher Bestandteil des humanitären Völkerrechts darstellen und für alle Länder gelten. Als Zeichen der Kapitulation wurde eine weiße Fahne bereits in der chinesischen Han-Dynastie eingesetzt, was insbesondere deshalb erwähnenswert ist, da in weiten Teilen Asiens die Farbe Weiß durchaus auch in Verbindung mit Tod bzw. Tücke steht, weshalb etwa in China nicht in weiß, sondern traditionell in rot geheiratet wird. Wer es sich leisten kann, adaptiert allerdings die westliche Tradition und heiratet im Ausland und zwar in weiß. Auch die weiße Taube als Friedenssymbol ist über Kulturgrenzen hinweg bekannt. Die Achtziger wären ohne Friedenstaube als Plakette nicht vorstellbar.

Die Farbe Rot ist die intensivste, die emotionalste, die auffälligste und so ist es nur logisch, dass sie als Signalfarbe in vielfältiger Form Anwendung findet. Im Verkehr warnen uns Stopschilder und rote Ampeln, die uns „HALT!“ sagen. Notschalter von Maschinen sind ebenso rot wie Feuerlöscher und auch die rote Karte beim Fußball deutet auf eine besonders gefährliche Situation hin. In der Farbpsychologie wird Rot als dynamisch und stimulierend eingestuft und auch in der Werbung wird Rot vornehmlich von Marken genutzt, die besonders laut auftreten (Mediamarkt), da dadurch eine besondere Aufmerksamkeit garantiert ist (Halt! Schau dir die Werbung von uns an!). Werfen wir einen Blick auf länderspezifische Unterschiede in Bezug auf die Deutung von Farben.

Kulturelle Bedeutung von Farben nach Russo und Boor (1993)

USA Frankreich Ägypten Indien Japan China
Rot Gefahr Adel Tod Leben, Kreativität Ärger, Gefahr Fröhlichkeit
Blau Männlichkeit Freiheit, Frieden Tugend, Glaub, Wahrheit Bäuerlichkeit Himmel, Wolken
Grün Sicherheit Kriminalität Fruchtbarkeit, Stärke Besitz, Fruchtbarkeit Zukunft, Jugend, Energie Ming-Dynastie, Himmel, Wolken
Gelb Feigheit Vorübergehendes Fröhlichkeit, Besitz Erfolg Adel Geburt, Gesundheit, Kraft
Weiß Reinheit Neutralität Freude Tod, Reinheit Tod Tod, Reinheit

Patricia Russo und Stephen Boor, zwei amerikanische untersuchten bereits 1993 vor dem Hintergrund einer zunehmend digitalen Arbeitswelt und einer durch die Globalisierung sich verändernden Gesellschaft Unterschiede in Bezug auf die Wahrnehmung von Bildern, Symbolen und auch von Farben. Das Ergebnis ihrer Forschungsarbeit soll die interkulturelle Kommunikation verbessern und trägt den Titel: „How fluent is your interface? Designing for international users.

Trotz gewisser Besonderheiten, die in einigen Kulturkreisen bzw. Ländern existieren, lässt sich dennoch sagen, dass Rot weltweit als Synonym für „Halt!“ verstanden wird. Nicht zuletzt die Industrialisierung und die damit einhergehende weltweite Standardisierung zementierten die Bedeutung von Rot als Signalfarbe. Dem folgt auch das folgende Flaggen-Warnsystem.

Strandwarnung-Beflaggung gemäß ILS

Flaggen Hai Warnsystem

Die International Lifesaving Federation (ILS) ist die Dachorganisation der nationalen Lebensrettungsverbände, auch die Deutsche-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) gehört ihr als Mitglied an. In den von der ILS ausgegebenen Richtlinien stellt die Farbe Rot die maximale Gefahrenstufe dar. Bei roter Beflaggung ist das Baden im Meer lebensgefährlich. Gelb steht für eine mittlere Gefahrenstufe, Grün für eine nur geringe. Eine lila Flagge wird gehisst, wenn sich in der Badezone für Menschen gefährliche Tiere befinden etwa Quallen, Wasserschlangen oder Stachelrochen. Als Warnung vor Haien ist diese Flagge jedoch nicht gedacht. Weiß als Kennzeichnung fehlt in diesem System.

Badezonenkennzeichnung des DLRG

Flaggen Hai Warnsystem

Auch die DLRG wendet dieses Farbsystem an Deutschlands Stränden an, verzichtet allerdings dabei auf Grün und Lila. Dafür ist eine schwarzweiß-karierte Flagge im Einsatz, mit der Zonen ausgewiesen werden, die ausschließlich für die Nutzung mit Wassersportgeräten bestimmt sind. Mit einer rot-gelben Flagge werden weltweit Strände gekennzeichnet, an denen ein Wasserrettungsdienst eingesetzt wird. Diese Norm findet in Australien, Neuseeland, USA, Großbritannien, Philippinen, Indonesien und, wie bereits erwähnt, auch in Südafrika Anwendung. Und dennoch setzte sich Kapstadts Stadtverwaltung, in dem sie das neuartige Warnsystem implementieren ließ, über bestehende Regeln und Konventionen hinweg.

Was fehlt, ist gesunder Menschenverstand

Die Shark Spotter von Kapstadt waren bei der Einführung des neuen Warnsystems offensichtlich nicht gut beraten. Wie es scheint, wurde vor lauter Engagement für die gute Sache beim ständigen Blick mit dem Fernglas auf die Wasseroberfläche der gesunde Menschenverstand aus den Augen verloren. Das Warnsystem ist zu verkopft, zu wenig intuitiv und zu sehr aus Sichtweise eines Shark-Spotters angelegt. Für ihn ist klar, sieht er einen weißen Hai, dann hisst er eine weiße Flagge. Aus diesem Grund ist auch auf jeder Flagge ein Hai abgebildet, selbst auf denen, die das risikofreie Baden signalisieren.

Kriegsvölkerrecht und die Friedenstaube spielen für den Spotter keine Rolle, sollten sie aber. Die Achtklässlerin Zoë Saffer Gray beweist im Rahmen ihres Eskom-Wissenschaftsprojekts, dass sie über mehr gesunden Menschenverstand verfügt, als die Haiprofis und die Verantwortlichen der Stadtverwaltung. Sie machte das umstrittene Warnsystem zum Thema und befragte 100 Personen, von denen nicht einmal ein Drittel die Bedeutung der weißen Flagge richtig interpretierte. Befürworter des Systems weisen darauf hin, dass es an jedem Strand Infotafeln gäbe, auf den die Flaggen erklärt würden. Zudem wird bei Sichtung eines Hais die weiße Flagge zusätzlich von einem akustischen Signal unterstützt. Genau dies versagte ausgerechnet bei der jüngsten Haiattacke am Fish Hoek Beach aufgrund eines Stromausfalls seinen Dienst. Ein Warnsystem, das seine Schwächen gleich an mehreren Stellen offenbart. Absolute Sicherheit kann es beim Baden im Meer niemals geben, schon gar nicht in von Haien bevorzugten Gewässern wie vor der Küste Südafrikas. Gesunder Menschenverstand sollte hier die Richtschnur sein. „If in doubt stay out!”

Dieser Beitrag hat 13 Kommentare

  1. Schlimm ist, das zusätzlich zum kaputten Farbcode der Warnstufen auch die erklärenden Infotafeln nicht intuitiv begreifbar sind.

    In der höchsten Alarmstufe sieht man auf den Tafeln unter der weißen Haiflagge ein X als Symbol der Verneinung. Welche Interpretation stellt sich bei Symbol Hai + Symbol Verneinung und das alles auf weiß intuitiv ein? “Nicht Schwimmen” oder “Kein Hai”? Ein durchgestrichener Schwimmer wäre eindeutig.

    Auch wenn die schwarze Bevölkerungsmehrheit nicht zu den Hauptnutzern der Strände zählt, sollte man in dem Kontext auch daran denken, dass rund 15% der Südafrikaner Analphabeten sind. Sie können nur über eine intuitiv begreifbare Symbolik und nicht über erklärenden Text gewarnt werden.

  2. Die ganze Kommunikation wirkt ziemlich amateurhaft und besserwisserisch, zumal wenn keine Quelle bezüglich der weißen Flagge angegeben werden kann. Ich war schon auf vielen Stränden rund um die Welt und eine weiße Flagge habe ich noch nicht gesehen. Wenn das Konzept alleine von den rettungsschwimmern umgesetzt wurde, verwundert das Ergebnis nicht.

    Grüße Till

  3. Außerdem kann ich vom Wasser aus eine rote Flagge sehr viel einfacher erkennen, als eine weiße die irgendwo zwischen Sonne, Badegästen und Strandtüchern gehisst wurde.

    Bin mir wie bene auch nicht sicher ob ich als Strandbesucher wirklich 4 Stufen brauche. Ich würde vermutlich ab der schwarzen Flagge keinen Fuß mehr ins Wasser setzen…

  4. Das Prekäre an dem Farbcode ist ja dass die Gefahr einer missverständlichen Entschlüsselung doch groß sein dürfte. Ich würde natürlich bei Unsicherheit jemanden fragen, bevor ich irgedneine meiner Extremitäten in ein Gewässer halte in dem sich große Fleischfresser tummeln, aber gänzlich ohne Ansprechpartner würde ich die weiße Flagge eher als “Entwarnung” verstehen, Weiß, rein oder frei von Gefahren, sprich Haien…

  5. Manch einer denkt hier ausschließlich westlich/europäisch. Farbsymbolik, Gefahr, Bedeutungshoheit, Haipanik. Aber andere (Gestaltungs-)Kulturen haben eben IHRE Logik, nicht unsere. Am Timmendorfer Strand müssen diese Gefahrenflaggen nicht verstanden werden. ;)

  6. Ein in dieser Ausführlichkeit sehr lobenswerter Artikel! Das sollte auch mal erwähnt werden.

    Ich gehe stark davon aus, dass sich die Verwaltung dem Druck der Öffentlichkeit beugen wird. Etwas anderes ist garnicht vorstellbar.
    Da es an internationalen Standards in diesem Punkt ja wirklich zu mangeln scheint, wäre eine Initiative nicht verkehrt. Pionierarbeit quasi. Daran könnten sich betroffene Städte wie eben z.B. Kapstadt ein Vorbild nehmen.
    Lieber gut abgeschaut, als schlecht selbstgedacht.

  7. @Danu: Das Problem an z.Tl. touristisch erschlossenen Gegenden ist, das sich dort die Völker der Welt vermischen, und die Kommunikation idealerweise allen gerecht wird, insbesondere wenn es um Warn- oder Gefahrenhinweise geht. Und die weiße Flagge ignoriert mindestens die Sehgewohnheiten der westlichen Welt, schlimmer noch, sie konterkarriert sie.
    Die Verantwortlichen verweisen aber auch nicht auf die Warnwirkung der Farbe Weiß in best. Kulturkreisen (Was, wenn es zutreffend ist, eine gute Argumentation wäre), sondern auf vergleichbaren Gebrauch in anderen Systemen – eine, wie Achim darlegt, wenig nachvollziehbare Behauptung.

    Fazit: Wenn die Strände Südafrikas nennenswert international besucht sind (wovon auszugehen ist) dann ist diese Farbwahl zurecht zu kritisieren – gerade Ortsunkundige, also Touristen bedürfen ja einer besonderen Aufmerksamkeit. (Nein, nicht weil es Touristen sind, sondern weil sie, im Gegensatz zu Einheimischen, sich mehrheitlich nicht im Klaren über die Gefahren der örtlichen Gewässer sein dürften)

  8. @DanU: Trotzdem sind gewisse Dinge überall gleich. Oder halten die Leute z.b. in Thailand vor braunen Ampeln und fahren wenns türkis wird? ;)

    Zumindest Grün und Rot sollten überall klarmachen ob was gefährlich oder ungefährlich ist.

  9. Interessant, dass es 4 Kategorien gibt. Drei davon kann ich nachvollziehen:

    Grün = keine Gefahr, Wasser ist sicher
    Schwarz = Wasser kann nicht überprüft werden, aufgrund schlechter Sicht oder andern Gründen! Wasser betreten also auf eigene Gefahr.
    Rot = Hai gesichtet. Wasser betreten verboten!

    Die weisse Flagge ist im Grunde überflüssig. Es sollte ausreichen “Ja”, “Nein”, “Unbekannt”!
    Und dafür dann halt Grün, Schwarz, Rot. Alles weitere ist nur unnötig verwirrend für Unkundige!

  10. das einzige was wirklich verwirrend ist, ist das die hai grafik jetzt auf jeder flagge zu sehen ist. das war vorher nicht so. ich wurde schon selbst zweimal beim surfen wegen haialarm aus dem wasser geholt, in kapstadt, zuletzt 2008 und ich muss sagen die weiße flagge hat prima funktioniert und man versteht die aussage sehr gut sobald der hai als symbol auftaucht und nicht wie jetzt auf jeder flagge. dazu muss man noch sagen, dass die flagge nicht das einzige signal ist, man wird mit einer tröte aufmerksam gemacht und aus dem wasser geholt. eines muss man sich auch vor augen halten, südafrika ist ein anderes land und es sollte jedem bewusst sein der dort hinfliegt, dass wenn er sich ins wasser begibt auch einer bekannten gefahr aussetzt, dem hai. flaggen hin oder her. diese sorgen nur für ruhe sie können aber keine angriffe verhindern. wer sich dort ins wasser begibt, ob schwimmer oder surfer kennt die gefahr. die flagge wird eh nur gehisst wenn man einen hai im blick hat der sich den schwimmern/surfern nährt. die haie sind ständig vorort und manchmal nur einige 100m entfernt. kein witz. und die spotter sitzen auf dem berg in kapstadt und beobachten das wasser mit ihren ferngläsern. es gibt einem einen gewissen schutz aber gleichzeitig wird einem bewusst das wir die eindringlinge sind, denn an land kommt der hai nicht gelaufen. was aber wirklich nicht geht ist das der hai nun auf jeder farbigen flagge zu sehen ist. es sollte schließlich kein marketing sein sondern allein eine orientirungshilfe aber ganz sicher kein schutz.

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