Die Hamburger Biermarke Ratsherrn, erstmals 1952 am Markt präsent, vollzieht ein umfassendes Rebranding. Schon oft hat sich das Gesicht der Marke verändert. Abermals wurden Etiketten und Markenlogo grundlegend modifiziert.
Einst war Ratsherrn die bekannteste Marke der Elbschlossbrauerei (Hamburg-Nienstedten). Die Marke ging 1998 an die Bavaria-St.-Pauli-Brauerei, kurze Zeit später zu Holsten, landete zuletzt bei Carlsberg, bis schließlich 2005 die Nordmann Unternehmensgruppe (Wildeshausen, Niedersachsen) die Markenrechte erwarb. Unter dem neuem Investor erfolgte in den Folgejahren, nachdem das Ratsherrn-Brauereigeschäft lange Zeit brach lag, die Wiederansiedlung im angestammten Hamburger Schanzenviertel. Die Markenrechte wurden reaktiviert, und die Identität der Marke revitalisiert.
Die für die Marke typischen Etiketten mit Darstellung eines Mannes fortgeschrittenen Alters mit Halskrause erhielten schon vor 13 Jahren ein umfassendes Redesign. Bereits zum dritten Mal wurden die Flaschenetiketten seit 2011 nun schon modifiziert. Mit dem vor wenigen Tagen präsentierten Look setzt Ratsherrn konsequent den Weg des Wandels fort.






Durch die engstehenden, gestreckt wirkenden Buchstaben kann ich den Markennamen schwer entziffern. Und die neue Etikettengestaltung weckt bei mir wenig bis keine Assoziationen zu Bier mehr. Es könnten auch andere moderne Misch-/Bio-/Limogetränke oder Fassbrausen sein. Ob das jetzt gut oder schlecht ist? Manchmal kann Irritation ja auch Aufmerksamkeit wecken…
Wäre ich fürs Redesign verantwortlich gewesen, hätte ich ein Doppelpunkt vor das “N” gepackt und meine Reichweitenkampagne wäre gratis gewesen.
RATSHERR:N
Interessant – der Redeign von 2011: Durch Einführung eine markenfremde Farbe, neuer ‘Key Visual’ und andere Flaschenfarbe/Form einer der misglückte Relaunches ich erlebt habe. Lass uns alle daraus lernen!
Neues Design: Recht gut aber statt Kreuzchen gehört der alter Herr hin – ein kleine, grafische
Auffaßung – Zeitlos – nicht zu illustrativ – (2018 war’s nicht) Er gehört einfach zu Markeninventar. Und Oh! der Verzicht auf der Serif oben Links beim N ist in dieser Fall korrekt.
“Wer den Zeitgeist heiratet ist schnell geschieden”, und wer die Markenwerte ohne Not über Bord wirft, und den 3 RL in kurzer Folge präsentiert, dem fehlt wohl der nötige Kompass für Markenführung. Kurz-Analyse:
– Halsetikett: Bei der letzten Ausstattung kaufte ich ein Ratsherrn. Jetzt kaufe ich ein Pilsener. Ein Pilsener kann ich von jedem kaufen, ein Ratsherrn nur bei Ratsherrn. Porsche würde ja auch nicht nur “Auto” auf seinen Wagen schreiben, da steht “Porsche”. Ganz einfache Markenführungsschule.
– Bauchetikett: Ds 2018er-Design war kräftiger, besser lesbar und kam aus Hamburg. Dieses hellgrüne auf Dunkelgrün gehaltene “ich komme aus der Schanze” ist erstens kaum lesbar, zweitens gab es in der Schanze keine Ratsherrn, weil in der Schanze kein Rat tagte. Da werden als Orte vermengt, die nicht zusammengehören, das ist schmücken mit fremden Federn, so etwas machen anständige Leute nicht.
– Assoziation: Wenn das Bier genau so leicht schmeckt wie das Logo Leichtigkeit ausstrahlt, dann trinke ich bayrische Helle oder Prosecco, aber kein Bier von Nordmännern (Achtung Wortspiel) aus Norddeutschland.
All in all sieht das neue Design basisdemokratisch und zeitgeistig aus, und das ist die einzige Falle in die Markenführung, in die man nie laufen darf, denn die Marke wird nicht vom Volk geführt, sondern von denen, die dafür verantwortlich sind.
Ich weiss, dass mag manchen verstören, aber das tatsächlich ist einfaches Handwerkszeug der Markenführung.
– Last but not least: Es gibt nicht so viele Marken mit einem halbwegs prägnanten Logo, wie z.B.dem Ratsherrn. Dieses ersatzlos über Bord zu werfen muss schon einen sehr schwerwiegenden Grund haben.
Viele Grüße aus der Verpackunsdesign-Hauptstadt Hamburg
Eine sehr treffende Analyse Achim Schaffrinna. Auch aus meiner Sicht repräsentiert die Umsetzung des Ratsherren Designs einen ganz neuen Typus Verpackungsdesign. Dort, wo wir bisher mit einer Transformation der Markenpositionierung in relativ feste und sich wiederholende archetypische Bilder ausgekommen sind (Protein = schwarz, Mopro = weiß, Bier = traditionell), scheinen wir uns an den Gedanken gewöhnen zu müssen, dass junge Produkte und sich ebenso dynamisch und individuell auszudrücken versuchen, wie es die Zielgruppe tut. Der Touchpoint Einzelhandel bleibt. Gerade bei Getränken bekommen Lieferdienste und ToGo-Verzehr aber an Bedeutung und scheinen einen veränderten Umgang mit Produktmarkeninszenierungen zuzulassen.