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Buchvorstellung: „To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt“

„Dieses Buch ist ein Werkzeug für alle, die als Designer die Welt verändern wollen.“ So schreibt Florian Pfeffer einleitend in seinem Ende April im Verlag Hermann Schmidt Mainz erschienenen Buch „To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt“, mit dem ich mich dieser Tage beschäftigt habe. Ich würde die Zielgruppe noch etwas weiter fassen und sagen: „Dieses Buch ist ein Werkzeug für alle, die mit Design die Welt verändern wollen.“

Kaum eine andere Branche vollzog vor dem Hintergrund der Digitalisierung einen derart großen Wandel. Die digitalen Medien haben in den vergangenen 20 Jahren neue Berufe, ja ganze Berufszweige befördert und Arbeits- und Produktionsprozesse umgekrempelt. Aufgaben wurden und werden immer komplexer und erfordern zugleich ein immer höheres Maß an Spezialisierung und an Flexibilität. Wenn Agenturen/Unternehmen insbesondere auch Hochschulen mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten können, dann vor allem auch deshalb, so schlussfolgert Pfeffer, weil ihre Struktur zu starr, weil ihre Organisation zu wenig beweglich ist. Und dass Design zunehmend nicht mehr zwangsläufig von gelernten Designern produziert wird, sondern auch von Quereinsteigern und Autodidakten, ist eine Entwicklung, die sich anhand verschiedener Studien ablesen lässt. Auch dies ein Ergebnis von Vernetzung und Digitalisierung. Unter anderem ist dies eine der ersten Erkenntnisse, die im Rahmen der dt-eigenen Studie „Wie Designer arbeiten“ gewonnen werden konnte (Ergebnisse werden zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht).

„To Do“ ist ein Plädoyer für das Neuartige, das Radikale und das Überraschende. Wer sich als Gestalter darüber ärgert, dass das Programm-Interface nach einem Update anders ausschaut, wodurch eine Umgewöhnung erforderlich ist, für den ist das Buch eher nichts. Nennen wir es Schicksal, dass dieses Buch ausgerechnet an den Menschen vorbei geht, die einen solchen Impulsgeber vielleicht am dringendsten benötigten. Das Buch richtet sich, so der einführende Text, „an den Pioneer“, an denjenigen, der ausprobieren und mit neuen Werkzeugen neue Lösungen für die Probleme einer sich ständig verändernden Gesellschaft liefern möchte. Wer Trampelpfade verlassen möchte, darf sich gerne weiter mit mir auf die Entdeckung dieses Buchs begeben.

„Gestalten“ meint im Kontext von „To Do“ sowohl die Veränderung ästhetischer Erscheinungen jedoch unbedingt auch die aktive Gestaltung gesellschaftlicher Strukturen und Prozesse. Mehr noch als von Gestaltung handelt das Buch von Kommunikation, denn um passende Gestaltungslösungen zu entwickeln, sollte man zunächst einmal wissen, wie Kommunikation heutzutage funktioniert. Hierzu liefert das Buch einen wertvollen Beitrag. Man kann nicht nicht kommunizieren, wie der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick formulierte. Nicht googlebar zu sein, stellt Florian Pfeffer in „To Do…“ fest, ist auch eine Botschaft! Und so nimmt er gewissermaßen alle Menschen in die Pflicht, ihr Bild von sich im Netz aktiv zu beeinflussen, es zu steuern, es zu gestalten.

Zum Aufbau: In „To Do…“ werden eine Vielzahl von Gestaltungskonzepten vorgestellt (weiße Seiten im Buch), anhand derer sich eigene Strategien und Geschäftsmodelle ableiten lassen (eingebettete grüne Seiten im Buch). Nicht nur die Themenauswahl begeistert immer wieder aufs neue, auch die Aktualität des Buches überrascht. Hier beweist der Autor sein Gespür für aktuelle Entwicklungen und dass auch das Buchformat sehr wohl ein geeigneter Ort sein kann, um Internet-Meme zu thematisieren.

Inhaltlicher Auszug: Wem gehört eine Marke – dem Unternehmen oder dem Konsumenten? Braucht ein Designbüro noch feste Räumlichkeiten? Gab es im Römischen Reich bereits so etwas wie Branding? Wie kann Verkehr auf einer belebten Straßenkreuzung funktionieren, die gänzlich ohne Ampeln und Beschilderung auskommt? Was vermag uns der „Dancing Guy“ in Bezug auf Führungsprinzipien in einer vernetzten Welt vermitteln? Und was können wir Designer aus all dem lernen? Lässt sich das Keine-Regeln-Prinzip, wie das Beispiel der niederländischen Straßenkreuzung zeigt, auf Design und auf ein Design-Manual übertragen? Es wäre das kürzeste Design-Manual der Welt, wie der Autor treffenderweise bemerkt. „Less is more“ bekommt mit dieser Sichtweise noch einmal eine andere Dimension.

Pfeffer führt aus, weshalb Dilettantismus im Rahmen interdisziplinärer Arbeit unbedingt erstrebenswert ist, dass ausgebildete Designer von Laien profitieren können und das eben dieser Dilettantismus die Grundlage für die „Open Source Society“ bildet, in der Grenzen zwischen Konsument und Produzent sowie zwischen Designer, Auftraggeber und Nutzer aufgehoben werden. Mittels Crowdfunding etwa kann Jeder zum Unternehmer werden, wenn er denn ein überzeugendes Geschäftsmodell präsentiert, und es kann ein Jeder, losgelöst von traditionellen Mechanismen, die von Banken und der Politik diktiert werden, teilhaben am Unternehmertum.

Das Buch überzeugt auf ganzer Linie, inhaltlich, gestalterisch, konzeptionell wie auch in Bezug auf seine Beschaffenheit. Der Einband besteht aus einem speziellen Lederfasermaterial. Die Haptik ist außergewöhnlich. Wer vorwiegend hinter Glas verpackte Texte auf Tablets ließt, weiß nicht, was ihm entgeht! Der Verlag hat die verantwortliche Buchbinderei Lachenmaier derart gut instruiert, dass mir diese auf Anfrage keine weiteren Details zur Herstellung mitteilen wollte. Das kleine Geheimnis macht das Buch umso attraktiver.

Die Gestaltung, verantwortlich hierfür ist one/one, dessen Geschäftsführer Pfeffer ist, ist mehr als ansprechend, sie ist intelligent. Im Endergebnis steht ein Produkt, das zum Entdecken einlädt und den Leser immer wieder auf verblüffende thematische Verknüpfungen stoßen lässt. Das fängt schon beim Cover und den ersten Seiten an, auf denen bereits die erste Geschichte erzählt wird. Crowdsourcing heißt im Kontext Design nicht selten Dumping-Löhne und Ausbeutung Vieler – hier allerdings ist es ein gelungenes Mittel zum Zweck, ein Musikvideo um eine kollaborative Komponente aufzuwerten.

„Es war noch nie so einfach wie heute, die Dinge in die Hand zu nehmen und selbst zu machen.“ Wie recht der Autor hat. Machen, gestalten, selbst in die Hand nehmen… – sowohl Designer wie auch Designinteressierte, die diese Motivation mitbringen, bekommen mit „To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt“ ein Buch in die Hand, das ihren Tatendrang zusätzlich gehörig in Schwung bringen wird. Und wer es mit dem Vernetzen (bislang) nicht so hatte, dem sei das Buch umso mehr und mit allem Nachdruck empfohlen.

Mediengalerie

Die Eckdaten zum Buch

To Do: Die neue Rolle der Gestaltung in einer veränderten Welt: Strategien | Werkzeuge | Geschäftsmodelle
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
erschienen bei: Verlag Hermann Schmidt Mainz (24. April 2014)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 387439834X
ISBN-13: 978-3874398343
Preis: 39,80 €

Zum Autor

Florian Pfeffer ist Gestalter, Autor, Kurator und Hochschullehrer. Er ist Gründer des Designbüros one/one in Berlin, Bremen und Amsterdam. Zwischen 2006 und 2012 war er Professor an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe.

Gratisexemplar

Wer bis zum 20. Juni eine E-Mail an verlosungen {ät} designtagebuch.de schickt oder einen Tweet samt der Kurz-URL https://goo.gl/Zzf0wF + Hashtag #dttodo verfasst und jeweils kurz schreibt, woraus sich das Interesse begründet, kann ein Exemplar gewinnen.

Dieser Beitrag hat 19 Kommentare

  1. Ich sah die Präsentation des Buches auf der Typo und war begeistert. Fast hätte ich es auch am Bücherbogenstand gekauft, allerdings fand ich sowohl die Haptik als auch den Geruch des Einbandes extrem abstoßend. Als hätte man einen Autoreifen in der Hand.

  2. Der von Annett angesprochende Geruch ist in der Tat eigen. Als stark geruchsempfindlicher Mensch finde ich diese Eigenheit allerdings nicht störend, einfach weil ich den Geruch mit einer hervorragenden Haptik und einem inspirierenden Inhalt assoziiere.

  3. Tja, Biste, haste bestimmt. … nur eben kein Buch geschrieben darüber. Sehr nachlässig …!

  4. Ich hab auch den Vortrag auf der Typo gesehen und das Buch bald danach erstanden. Hochinteressant, schön gemacht und sehr empfehlenswert! Der Einband riecht aber wirklich ziemlich übel :-)

  5. Danke für diese tolle Besprechung …

    Der Einband ist übrigens ein Leder/Latex-Gemisch … der Geruch (den ich ganz interessant finde – aber das ist sicherlich eine subjektive Sache) – verfliegt übrigens nach ein paar Tagen außerhalb der Schutzhülle (finde ich …).

  6. Für mich scheint das Buch eher eine durchdachte elaborierte eigene Design-Philosophie zu sein, als ein “Werkzeug für alle, die als Designer die Welt verändern wollen”. (Das soll in keiner Weise die Leistung oder Inhalte negieren!) Allerdings kann ich eben nicht die Relevanz die der Titel des Buches verspricht anhand des Inhaltsverzeichnisses oder der Leseprobe nachvollziehen — was ich Schade finde.

    Für Designer oder Gestalter, die kaum literarischen Hintergrund haben, ist das Buch sicherlich hervorragend. Wenn das der Fall ist, ist allerdings hier bereits ein deutliches Defizit in der Designausbildung festzustellen. Einzig das kommentierte Literatuverzeichnis finde ich auf den ersten Blick interessant. Ich habe das Buch bisher nicht gelesen, aber das was an Beschreibung und Einblick zugänglich ist, lässt mich auf diesen Eindruck schließen.

    Vielleicht ist das ein falscher Eindruck den man leicht wiederlegen kann.

    1. Passt doch: Designstudenten/Anfänger wären auch in meinen Augen die Zielgruppe. Ein bißchen von allem als Appetitanreger ohne besonders große Tiefe.
      Die Herleitung einer schlechten Design-Ausbildung ist aber sehr holprig und hat mit dem Buch wohl wenig zu tun.
      Ob das jetzt besonders elaboriert oder besonders google ist, könnte man wohl erst diskutieren wenn man das Buch besser kennt.
      Ich mache aber schon lange lange einen großen Bogen um solche Bücher, also wird das nichts mit dem Kennenlernen …

Kommentare sind geschlossen.

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