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THE LÄND – Bescheidenheit war gestern

Willkommen in „THE LÄND“
Willkommen in „THE LÄND“, Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg

Baden-Württemberg ist nach 22 Jahren nicht mehr das Land, indem die Menschen alles können, außer Hochdeutsch. Seit vergangenen Freitag ist Baden-Württemberg „THE LÄND“. Mit der neuen Standortkampagne will das Land Fachkräfte aus dem Ausland anwerben. An den Bedürfnissen der Umworbenen geht die Kampagne, die von vielen Einheimischen als große Peinlichkeit betrachtet wird, gänzlich vorbei. Ein Kommentar.

Würde man den Erfolg einer Standortkampagne daran bemessen, wie viele Schlagzeilen ein Claim wenige Tage nach seiner Präsentation produziert, könnte man den Machern hinter „THE LÄND“ gratulieren. „THE LÄND“ ist in den deutschsprachigen Medien in aller Munde. Realisiert wurde die Standortkampagne in Kooperation mit den Agenturen Jung von Matt/Neckar (Kampagne/Design) und Milla und Partner (Event). Beide Agenturen setzten sich mit ihren Ideen im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung gegen die Konkurrenz durch.

Aufmerksamkeit in deutschen Medien ist gut und schön, allerdings vor dem Hintergrund des Kampagnenzieles im Grunde wertlos. Denn schließlich leben die so umworbenen Fachkräfte im Ausland und sprechen in aller Regel kein Deutsch. Weder werden die meisten von ihnen Baden-Württemberg kennen, noch haben sie vom Rummel um den im seltsamen Englisch verfassten Claim „THE LÄND“ etwas mitbekommen. Aufmerksamkeit alleine reicht nicht. Ich würde sogar einen Schritt weiter gehen: die Werbekampagne als solche reicht nicht. Meiner Meinung nach ist eine klassische Kampagne ein falsches, da veraltetes Handlungsinstrument. Als könne ein Claim einen Menschen zur Einwanderung bewegen. Skandinavische Länder oder auch die Schweiz zeigen, wie es geht. Dazu gleich mehr.

Wer allein in Kampagnen denkt und dabei den Erfolg von Kampagnen an möglichst vielen Klicks, vielen Schlagzeilen oder an Werbe- oder Designpreisen bemisst, wird vermutlich wenig dazu beitragen können das Problem des Fachkräftemangels zu lösen. (Wir) Designer können bei dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung durchaus einen wertvollen Beitrag leisten, aber nicht so, nicht auf diese Weise, nicht indem wir für Bundesländer und Städte Dachmarken kreiieren. Mit Marketing-Kniffen wird sich Strukturwandel nicht herbeiführen lassen. Es bräuchte echte, substanzielle Veränderung und Verbesserung.

Die Corona-Pandemie hat die Defizite in aller Schonungslosigkeit offen gelegt, etwa im Bereich digitaler Infrastruktur und in Bezug auf digitale Angebote, Stichwort eGovernment. Deutschland rangiert mit seinen eGovernment-Angeboten im Vergleich zu den 28 EU-Mitgliedstaaten auf Platz 21 (Quelle: DESI). Verwaltungen und Behörden müssen in die Lage versetzt werden, dass sie schneller und vernetzter agieren können. Fordern tun dies alle. Es hapert, wie so oft, an der Umsetzung. Weil die Landesverwaltung von Baden-Württemberg es nicht hinbekommen hatte ein gescheites Impfportal zu entwickeln, so wie jedes andere Bundesland auch, entschloss sich der 17-jährige Julian Ambrozy kurzer Hand eine Impftermin-Suchmaschine ins Netz zu stellen, sodass freie Termine sofort angezeigt werden. In wenigen Tagen machte der Schüler möglich, was von Bedenkenträgern innerhalb der Verwaltung offenbar bewusst verhindert wurde. Keine Kampagne der Welt kann diese Verkrustung innerhalb Verwaltungsstrukturen lösen.

Deutschland und seine Länder können nur durch Bürokratieabbau im internationalen Wettbewerb um Fachkräfteanwerbung bestehen. Dann könnte die Ansiedlung junger und motivierter Unternehmen gelingen. Obendrein täte es der auf Perfektion ausgerichteten Leistungsgesellschaft in Deutschland gut, wenn Scheitern und Fehlermachen als Teil der Lösung begriffen würden. Dafür braucht es nicht weniger als einen Kulturwandel.

„Wir können alles. Außer Hochdeutsch.“ war 22 Jahre lang das Motto der Vorgängerkampagne. Wie lautet das Fazit? Es gab zahlreiche Awards. Auch sonst gab es „viel Respekt und Anerkennung“, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Freitag erklärt. Laut einer Studie der Universität Hohenheim 2017 ist dies der in Deutschland bekannteste und beliebteste Slogan. Aufmerksamkeit, die gab es. Zu einem höheren Bekanntheitsgrad im Ausland scheint die Kampagne dem Land jedoch nicht verholfen zu haben. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg, die ebenfalls bei der Vorstellung der „THE LÄND“-Kampagne zugegen war, schildert, sie müsse im Ausland regelmäßig erklären wo Baden-Württemberg liege. Erst wenn Firmennamen wie Mercedes, Porsche und Bosch fielen, wüssten Gesprächspartner mit dem Landesnamen etwas anzufangen. Ein Vorteil von „THE LÄND“ sei zudem, dass es Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, viel leichter über die Lippen komme als „Baden-Württemberg“. Im Rahmen einer Show mit Comedian Bülent Ceylan wäre dies vermutlich ein Lacher. An diesem Freitag Vormittag jedoch lacht keiner der geladenen Gäste und Pressevertreter. Denn das Land Baden-Württemberg meint es vollkommen ernst.

Gemessen am Ziel, Fachkräfte ins Land zu locken, fällt die Bilanz der Vorgängerkampagne jedenfalls nüchtern aus. Baden-Württemberg ist laut BMWi von allen Bundesländern am stärksten von Fachkräfteengpässen betroffen. In keinem anderen Bundesland gibt so viele offene Stellen in den sogenannten Engpassberufen wie in Baden-Württemberg, 86,5 % waren es 2019. Trotz hochdekoriertem Werbespruch. Gesagt werden muss freilich, dass die Vorgängerkampagne auch nicht mit dem Fokus auf eine internationale Zielgruppe hin ausgerichtet worden ist. Genau dies möchte man nun ändern.

In gewisser Weise sind Werbesprüche wie diese vielleicht sogar schuld am Fachkräftemangel. Ein Gedanke. Womöglich wurden all die Jahre in Baden-Württemberg wie auch in anderen Bundesländern die falschen Schwerpunkte gesetzt. Wer sich möglichst vorteilhaft präsentieren möchte und dafür viele Millionen Euro in die Hand nimmt, dem braucht man als beauftragte Agentur nicht mit Defiziten, Mängeln und Schwächen zu kommen. Das Budget für die „THE LÄND“-Kampagne beläuft sich in den nächsten beiden Jahren auf 21 Millionen Euro. Und wenn schon die Mittel freigegeben wurden, was schwer genug gewesen sein dürfte, will man kein „aber“ hören. So ist es leicht nachzuvollziehen, dass die Präsentationsveranstaltung am vergangenen Freitag eine 70-minütige Lobhudelei-Show war, bei der einzig die Stärken des Landes hervorgehoben und die Vorteile der neuen Kampagne angepriesen wurden. Aber … mal ehrlich. Glaubt denn ernsthaft jemand in Stuttgart, dass ein flotter Spruch für im Ausland lebende Menschen ein Grund dafür ist ins Ländle auszuwandern?

„THE LÄND“ klingt albern, ist kindisch und erzeugt Fremdscham. Obendrein ist der Claim rein typographisch betrachtet ziemlich verunglückt. Denn das Auge liest aufgrund der schlechten Zeichenabstände „THE L ÄND“. Optischen Randausgleich beherrschen auch Agenturen in Baden-Württemberg, soviel ist klar. „THE L ÄND“ jedoch lässt jeglichen Sinn für Ästhetik vermissen. Qualität, Präzision und Liebe zum Detail vermittelt der Schriftzug nicht im geringsten. Entscheidender jedoch ist, dass sich eine solche Werbemaßnahme insgesamt nicht verifizieren lässt. Es gibt für eine solche Kampagne, ähnlich wie bei Wahlplakatkampagnen, keine Messmethode, mit der sich empirisch ein Erfolg von „THE LÄND“ belegen ließe, bzw. ein Misserfolg. Ob die so investierten 21 Millionen tatsächlich Fachkräfte ins Land locken – denn genau DAS fragen sich die zur Kampagne befragten Menschen in Stuttgart –, dazu wird und kann es keine belastbaren Daten geben. Soviel Ehrlichkeit muss sein.

Eindeutig ermitteln lässt sich hingegen, wie viele Tennissocken-Paare in den sogenannten „FÄN-Shops“ verkauft werden, oder gelbe Hoodies. Ein User auf Facebook wundert sich: „Baden-Württemberg macht Werbung für Baden-Württemberg in Baden-Württemberg?“ Mit seiner Verwunderung ist er nicht alleine. Tragetaschen für in Stuttgart Lebende, statt Angebote explizit für potentiell einreisewillige Fachkräfte im Ausland. Auch deshalb wirft diese Kampagne Fragen auf.

Fragen wie: wo ist das vom Land geförderte digitale Angebot, mit dem Fachkräfte im Ausland dezitiert angesprochen werden? Die begleitende Kampagnen-Website thelaend.de kann es nicht sein, denn sie ist rein in deutscher Sprache angelegt und bietet keinerlei – wirklich keinerlei – relevante Informationen zum Themenkontext Einwanderung und Beschäftigung. „Aus Baden-Württemberg in die Welt hinein“, so Kretschmanns Erklärungsversuch, weshalb „THE LÄND“ zunächst im Land beworben wird. Das ist natürlich furchtbar umständlich.

Wenn es darum geht Talente auf sich aufmerksam zu machen und anzulocken, ist laut INSEAD kein Land so erfolgreich wie die Schweiz. Nicht eine Werbekampagne sichert diesen Erfolg, sondern die vor Ort geschaffenen günstigen Rahmenbedingungen. Gleiches gilt für Dänemark, das hinter der Schweiz zu den attraktivsten Standorten in Europa zählt. Wie sich ein Maßnahmenpaket schnüren lässt, das an den Bedürfnissen der Umworbenen ausgerichtet ist, Stichwort User-Centered-Design, zeigen Länder wie Schweden oder Finland, und zwar ganz ohne Claim.

„Move to …“ ist im Kontext Anwerbung von Fachkräften international etwa ebenso gebräuchlich wie „visit …“ im Tourismussektor. In Stockholm oder Helsinki ist man darauf eingestellt und bietet entsprechende Landing-Pages. Göteborg nutzt mit movetogothenburg.com hierfür eine eigene Domain, ebenso wie Estland mit workinestonia.com. Sucht man hingegen nach „move to Mannheim“ oder „move to Karlsruhe“, landet man bei regionalen Umzugsdienstleistern oder Sportgruppen. Auch die Suche nach „Move to Baden-Wuerttemberg“ bleibt ergebnislos. Lediglich Stuttgart bietet unter welcome.stuttgart.de ein entsprechendes Angebot. Allerdings wird es mit der Phrase „move to Stuttgart“ bei Google nicht unter den ersten zehn Einträgen gelistet.

Statt sich also beispielsweise mit der in diesem Zusammenhang international am meisten verwendeten Suchphrase zu beschäftigen, schuf man eine in aller Welt erklärungsbedürftige, denglische Bezeichnung. Eine Bezeichnung, die für kurze Zeit in Deutschland Aufmerksamkeit schafft und ein weiterer Beleg für German Größenwahn zu sein scheint. Bewusst wolle man nun die typische Bescheidenheit ablegen, wie Peter Waibel von Jung von Matt/Neckar im Rahmen der Präsentation erklärt. Baden-Württemberg sei nicht irgendein Land, sondern eben DAS Land. Das Land mit den allerbesten Bedingungen. Oder wie Hoffmeister-Kraut sagt: „Wir sind spitze, wir sind top, wir sind führend.“ Man fragt sich wozu es dann diese Kampagne benötigt, wo doch alles so perfekt ist.

Mit einer ganz ähnlichen Wir-sind-das-Maß-der-Dinge-Mentalität und der gleichen Sprachlogik ist Volkswagen vor sechs Jahren krachend gescheitert. Nachdem der Dieselskandal im September 2015 öffentlich wurde, flog dem Autobauer der Claim „Das Auto“ um die Ohren. Anspruch und Wirklichkeit lagen einfach zu weit auseinander, deshalb wurde der Claim untragbar und wenige Monate später abgelegt. Dabei steht der Wolfsburger Konzern stellvertretend, wie im NDR-Podcast „Winterkorn und seine Ingenieure“ gut herausgearbeitet wurde, für eine (typisch deutsche?) Kultur, in der Scheitern keine Option darstellt. Daran gilt es in Deutschland zu arbeiten, in Unternehmen, Verwaltungen und Behörden.

Auch wenn „THE LÄND“ aufgrund seiner humorigen Note weniger anmaßend ist als das VW-Pendant, tut sich das Bundesland mit der Kampagne keinen Gefallen. Im 21. Jahrhundert den Menschen weiß machen zu wollen, es gäbe gewissermaßen den einzig perfekten Ort zum Leben und Arbeiten, bedient eine Erwartungshaltung und Wahrnehmung, wie es sie vielleicht noch in den 1990er-Jahren gab. Heutzutage sind Konsumenten, was die Rezeption von Werbung anbelangt, viel weiter, aufgeklärter, kritischer. Inhaltsstoffe, Verpackungsmaterial und die Lieferkette eines Produktes werden hinterfragt. Menschen wissen, dass die Dinge nicht perfekt sind, zu keinem Zeitpunkt waren und auch niemals sein werden. Besser als jeder Werbespruch, wären Schlagzeilen wie: „Das schnellste Internet der Welt gibt es in Baden-Württemberg“. Stattdessen muss sich Deutschland im weltweiten Vergleich weit hinter Rumänien und Ungarn einordnen und sich mit Platz 31 begnügen (Schweden Platz 7, Schweiz Platz 9). Bei aller Bescheidenheit – aber das geht besser! Es braucht substanzielle Veränderung, keine in Werbung verpackte warmen Worte.

Dieser Beitrag hat 40 Kommentare

  1. Als gebürtiger Sindelfinger, einfach bitter, traurig und absolut Kääääs’.
    Es war klar das es kein würdigen Nachfolger für den besten Slogan (jemals)
    eines Landes geben könnte:

    “Wir können alles. Außer Hochdeutsch.” – Forever!

    1. Dass die Welt nicht stehenbleibt merkt man auch daran, dass der Sindelfinger Kreissaal schon seit Jahren geschlossen bzw. ins benachbarte Böblingen neben die Kinderklinik gezogen ist. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit! Forever.

      1. Das hat ja auch seinen Grund und ist vollkommen nachvollziehbar, meine Mutter hat selbst 15 Jahre auf dem Buggel im KH Sindelfingen im Kreissaal gearbeitet. All good. Macht Sinn … a b e r … so eine zusammenhangslose Kampagne für so eine Stange Geld so langweilig, unkreativ und belanglos umzusetzen und zudem das Ziel zu verfehlen … hat nichts mit “Zukunft” oder “FIUTSCHÄR” zutun. Leider. Da hilft auch kein THE LÄND. – Meine Meinung.

  2. Danke für diesen Kommentar, dem ich in nahezu allen Punkten zustimme. Ich stecke gerade in einem ähnlichen Prozess, in dem es dem Kunden nicht um echte Substanz und zielführende Maßnahmen geht, sondern anscheinend nur um Aufmerksamkeit. Der Wunsch nach emotionalisiertem Feuerwerk für das eigene Selbst ist groß. Das hat aber, genau wie beschrieben, keine echte Wirkung für die Sache.

  3. Finde die Auseinandersetzung – wie immer – spannend, sehe es in Teilen aber doch anders. Die Kampagne als zu “analog” zu betrachten kann vor dem Hintergrund der enormen Polarisierung und Diskussion im Netz so eigentlich nicht stehen bleiben. Auch die Kampagne zunächst bei den BW-Menschen anzusetzen, die sich identifizieren müssen und wichtige Multiplikatoren sind, finde ich nicht falsch. Um einen “Ruck” durch das Land, die Republik und dann die Welt zu bringen, braucht es schon Mut und Entschlossenheit, allein mit dem aufgerufenen Budget wäre da nicht so viel zu erreichen. Wenn sich jetzt alle anstrengen “The Länd” auch wirklich zu sein und sich auch objektive Defizite wandeln, dann wäre das doch was. Der Südwesten ist “Kreativität”, aber das vermittelt sich nicht immer ideal, da es hier auch so eine gewisse “Verdruckstheit” gibt, wenn sich das löst und dadurch Neues in Gang gesetzt wird, was wirkt – ins Land und dann darüber hinaus, … dann könnte die Kampagne doch richtig gut sein. Trotz der eigenwilligen, fast schlampig hingerotzten Layouts. Wobei auch das ja schon wieder etwas sagt, … was kümmert kleinteilige Spationierung und so, hier geht es um ganz, ganz GROSSES.

    1. Danke Werner. Hmm… im Artikel ist von „analog“ eigentlich keine Rede. Möglicherweise spielst Du auf die Aussage an, dass meiner Ansicht nach eine klassische Kampagne ein falsches, da veraltetes Handlungsinstrument ist. Die Marke steht hierbei im Mittelpunkt. Es sollten jedoch die Menschen im Mittelpunkt stehen, um die es geht.

      Klar geht es ums ganz Große. Aber Großes entsteht immer zunächst im Kleinen. Im Saarland weiß man das. Wer nicht einmal eine gescheihte Spationierung hinbekommt, wird sich, so die Botschaft, auch mit den wirklich herausfordernden Dingen schwer tun.

  4. WTF. Ich krieg einfach den Zusammenhang zwischen LÄND und Baden-Würtemberg nicht hin. Und ich komme aus dem deutschen Süden.

    Kann man sich nicht ausdenken.

    Und: Wer Menschen/Fachkräfte aus einem anderen Land, die weil sie neu sind noch ein kleines Sprachproblem haben, herzlich willkommen heißen will, greift doch besser empathisch gleich zu ihrem ‘welcome’. Oder nicht?

    Das ‘welcome’ versetzt sich wenigstens freundlich und unmittelbar in den umworbenen Neuankömmling, der zu Beginn in den meisten Fällen des Englischen mächtig ist, da Wissenschaftssprache und Weltsprache. (Es werden u. a. Fachkräfte wie Wissenschaftler, Ärzte, Ingenieure gesucht.) Und zwingt keinen, gleich Deutsch zu können, um diesen Claim zu kapieren.

    Doch das ist eh keine besondere Spezialität unseres Landes: Die Dinge vom Ende her zu denken, also einfühlsam vom Empfänger der Botschaft her. Sich Gedanken um eine funktionierende und sympathische Ansprache an den Adressaten zu machen und sich ernsthaft an ihn zu richten. Statt absenderbetont. Die deutsche Sprache lernt er/sie eh noch, wenn es soweit ist.

    Das unvermittelte deutsche ‘willkommen’ jedoch und dieses ‘LÄND’, welches als Neuvokabel für den Neuling erst noch zu kapieren ist was das soll, das ist sprachlich unsensibel und baut gleich 2 Sprachbarrieren für nichtdeutsche Neulinge auf.

    Es ist eine unsensible Selbstbeweihräucherungs-Kampagne für Deutsche.
    Ziel verfehlt.

    Und witzig wie der alte Spruch ist er auch nicht. Das hätte mich milder gestimmt.

    Und warum LÄND.
    BaWü heißt das zefix! ; -)
    Welcome in BaWü.
    Da gibt es wenigstens eine minimale Buchstaben-Kongruenz und eine graduelle Wiedererkennbarkeit, wenn man schon unbedingt “kreativ” ergo unverständlich-verschlüsselt mit abgekürzten Umlauten hantieren will.

    Ansonsten stimme ich dem Hauptgedanken des Kommentars zu.

    1. The Lände kommt nicht von Baden -Württemberg, sondern von „Bundesland“ bzw. Land. Wer das Wort Land englisch ausspricht und Deutsch transkribiert, landet beim Claim.
      Und sich selbst als das beste bzw. als das Bundeland schlechthin zu bezeichnen, muss man nicht den Bayern überlassen.

  5. Ich finde die Kampagne ganz lässig. Einfach mal so aus dem Ärmel geschüttelt in circa 10 Minuten. Und 100.000de Euro verdient. So werden Hits gemacht. ;)

    1. Das konnte bereits Stevie Wonder vor 30 Jahren:

      LÄND OF LALA

      Gruß aus Karlsruhe

  6. Rein aus der Webdesign-Ecke betrachtet:
    – Datenschutz? Scheint das Staatsministerium BW nicht zu interessieren: Trotz Ablehnung kontaktiert die Seite instagram, flockler, google, plyr, sentry, storyblok, piwik (nicht selbst gehostet), vimeo
    – Photoshop-Philip hätte nicht so peinlich das Logo auf einen LKW platziert (https://img2.storyblok.com/1536×1536/filters:quality(68)/f/122448/1280×1280/d20f2a8d15/laend_cm-collage-slider_04_1zu1_1280x1280_lkw.jpg)
    – laend.de oder länd.com gibt es nicht (hallo Domainhändler: Schnell registrieren!), bei länd.de kommt der nette Hinweis ‘möchten sie diese Domain kaufen’

    Ansonsten bringt es der Autor dieses Artikels mit dem Satz „THE LÄND klingt albern, ist kindisch und erzeugt Fremdscham.” perfekt auf den Punkt, dem habe ich nichts zuzufügen.

  7. The Länd? Cringe.

    Auf die visuelle Schwäche will ich nicht näher eingehen, aber auch hier ließe sich schnell Ironie vermuten, bei solchen optischen Lücken, trotz der wenigen Buchstaben.

    The Ländle hätte ich noch verstanden, wäre aber schon über der südlichen Grenze hinaus schwierig, denn in Österreich gilt das westlischste Bundesland Vorarlberg auch als das Ländle. Nein, ich denke nicht dass man Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen wird, ebenso wenig die Begeisterung der Einheimischen. Für mich wirkt The Länd wie ein Konstrukt, bei dem man zu viel wollte und am Ende nichts erreicht – die Sache wirkt arg verkopft. Das passt dann leider doch irgendwie zu dem Bundesland und seinen Auftraggebern, wenn man sich umhört und sich über Erfahrungen austauscht …

    Dass man das Bundesland erst zuordnen kann, wenn man Unternehmensnamen hört, ist doch naheliegend, oder wer kennt die Bundesländer aus denen Ikea, Renault oder Rolex kommen? Vermutlich die wenigsten. Sogesehen visualisiert The Länd ganz gut ein Problem, das, wie im Artikel sehr gut beschrieben, ganz woanders liegt und wird daher gar nicht mehr leisten können.

  8. Kindisch und Fremdscham liegt im Auge des Betrachters. Ähnliches habe ich auch beim alten Claim vereinzelt gehört.
    Kann die Kritik nicht nachvollziehen. Ich könnte mir vorstellen, mit einem entsprechenden T-Shirt oder Jutebeutel durch die Gegend zu ziehen. Tennissocken sind nicht so meins, aber das Foto ist doch witzig.
    Sich selbst mit einem Augenzwinkern nehmen können, sehe ich als Stärke.

    Die Typografie gefällt mir sehr gut, die Ä-Pünktchen überragen alle anderen Buchstaben. Wie zum Beweis, dass man nicht wie alle anderen ist (Umlaute sind international selten) und hervorsticht. Optisch die Pointe.

    1. … mit einem entsprechenden T-Shirt oder Jutebeutel durch die Gegend zu ziehen.

      Das schon, keine Frage. Als hipster-ironisches Statement. Ich überlege mir auch schon verrückte T-Shirt-Sprüche, um mich zu beeiern..

      Nur:
      Findet das der Krankenpfleger, die Krankenschwester aus Kroatien oder ein Arzt/Ingenieur m/w/d aus Indien auch so töfte? Verstehen diese es überhaupt?

      Das ist das Problem.

      Wir erreichen die so nicht.

      Sprache:
      Ich kriege es selbst 100% nicht hin, beim Film Black Books, wenn ich ihn in der Originalsprache anschaue, den herrlichen Wortwitz und die ironischen Ebenen richtig einzuschätzen. Obwohl ich einige Male in England war. Das passiert jedem, obwohl er hintertriebenes Kneipenenglisch und im Business verhandlungssicheres Englisch kann. Das sind einfach die Feinheiten der regionalen Besonderheiten (LÄNDle) und des Umgangs damit – und des Slangs, des kreativen Wortwitzes.

      Zusätzlich müssen für die Adressaten (nicht Kretschmann ist der Adressat) 4 wichtigste Eckpunkte stimmen:

      Gute Bezahlung (eine bessere als im Ursprungsland)
      Arbeitsklima
      Aufstiegsmöglichkeiten
      Möglichkeit, die Familie zu holen

      Sonst interessiert eine solche Kampagne kein Borstentier. Entschuldigung.

      Unsere deutschen Forscher sind schon längst samt Spouses aus Deutschland ausgewandert, weil sie hier keine Zukunft sehen. Ein Brain-Exodus.

      Und wir wollen mit so einem billigen Angler-Bauchpinsel-Trojaner-Witz à la Jung v. Matt Neckar Leute in unser Land holen?
      Ächt jätzt?

  9. Danke, Achim, für den mustergültigen Kommentar zu “THE LÄND”.
    Mir ging es als Baden(-Württemberg)er letzte Woche einfach nicht in den Kopf, dass man hierfür 21 Mio. raushaut.
    Und hat sich eigentlich schon jemand gefragt, ob die Zielgruppe (Fachkräfte außerhalb von Deutschland) mit dem “Ä” überhaupt etwas anfangen kann? Bzw. überhaupt weiß, wie man das “Ä” ausspricht oder aussprechen soll?

    1. Ist das Budget der 21 Mio schon ausgegeben oder ist das das geplante Gesamtbudget inklusive der Werbung an Plakatwänden und der Produktion der Give-aways?

    2. …ich würde vermuten, dass das Ä einfach nur für die deutsche Sprache an sich stehen soll, vor allem in optischer Hinsicht ungeachtet der tatsächlichen Aussprache, ähnlich dem skandinavischen Buchstaben Ø, der für mich auch (vollkommen unreflektiert) für nordische Sprachen steht.

      Wenn Dänemark für sich mit “NØrdeuropa” werben würde, wäre das im dänischen sicher grundfalsch, aber ich als Adressat würde es vermutlich dennoch mit Skandinavien verbinden…

      Das Ä ist das Sauerkraut unseres Alphabets. Beides nicht grundtypisch für Deutschland, wird aber von außen gern so gesehen…

  10. Gerade WEIL der Kampagnenerfolg niemals messbar sein wird, entsteht hier ein Dilemma, das ich für unter öffentlichen Auftraggebern weit verbreitet halte und von dem ich die Erfahrung gemacht habe, dass Baden-Württemberg es da gerne ab und zu besonders weit treibt: Der Köder soll dann nicht dem Fisch schmecken, sondern dem Angler.

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