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Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen lässt Agenturen Logos entwerfen – zahlen will sie nur für das ausgewählte

Die Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen, auf Erlass des NRW-Landtages im Dezember 2019 gegründet, fordert Agenturen im Rahmen einer Auftragsvergabe dazu auf, unmittelbar mit Abgabe des Angebotes bis zu drei Logoentwürfe sowie weitere Designleistungen einzureichen. Geld für diese Arbeit erhält nur die ausgewählte Agentur. Dass die Geschichte der Stiftung mit Ausbeutung beginnt, sollte ihre vier Organe nachdenklich stimmen.

Die E-Mail, die Ende Oktober bei mehreren Agenturen einging, sorgte wieder einmal für Entsetzen, mancherorts auch nur für Kopfschütteln, denn unfaire Ausschreibungen und Auftragsvergaben sind in der Branche leider weit verbreitet. Absender der besagten Mail ist die „Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen“, die die angeschriebenen Agenturen dazu auffordert, ein Angebot hinsichtlich der Entwicklung einer Wortbildmarke abzugeben. Eine Vergabe also im Rahmen der sogenannten Unterschwellenvergabeordnung – früher sagte man „freihändige Vergabe“. Neben einer Reihe von Formularen, den Referenzen und Preisangaben wir mit Abgabe des Angebotes auch die Erstellung umfangreicher Designleistungen eingefordert. So soll nicht nur die Wortbildmarke entworfen werden, bis zu drei Entwürfe, sondern auch „skizzenhafte Umsetzungen“ von Briefpapier, Visitenkarte und Bannern. Im Leistungsverzeichnis heißt es dazu:

Wir erbitten von Ihnen die Vorlage

  • erster Entwürfe einer Wort-Bild-Marke (freigestellt) in unterschiedlichen Größen sowie als Farb- und s/w und invers Version
  • skizzenhafte Umsetzungen folgender exemplarischer Anwendungen:
    • Briefkopf und -bogen (mit Brieftext als Blindtext)
    • Visitenkarte
    • Kugelschreiber
    • Banner/ Header für Social Media und diverse Webpromotion.

Mit Angebotseinreichung ist im Prinzip der Auftrag größtenteils umgesetzt! Zusätzlich ist noch, dann auch gegen Bezahlung, ein CD-Handbuch zu erstellen:

Nach Zuschlagserteilung und Finalisierung der Wort-Bild-Marke würden wir Sie auffordern, die Umsetzungen der Wort-Bild-Marke zu einem kleinen CD-Manual zu entwickeln, das es der Stiftung fortan ermöglicht, mit einer einprägsamen Wort-Bild-Marke in allen aktuellen Kommunikationsmitteln zu erscheinen.

„Dreist“ findet das eine der angeschriebenen Agenturen, die mir die Unterlagen hat zukommen lassen und die aus nachvollziehbaren Gründen unerkannt bleiben möchte. Auch ich finde, dass das Vorgehen seitens der Stiftung dreist ist, auch da den Teilnehmenden/Bietern keine Aufwandsentschädigung gezahlt wird.

Entstandene Kosten und Aufwände im Rahmen der Bewerbung und des Verfahrens werden NICHT erstattet.

Die meisten Agenturen werden demnach leer ausgehen und für ihre Arbeit keinerlei Gegenleistung erhalten, obwohl sie sicherlich viele Stunden investiert haben. Vor dem Hintergrund der durch die Corona-Pandemie verursachten angespannten wirtschaftlichen Situation ist das Vorgehen der Stiftung besonders kritisch zu bewerten. Zur besseren Veranschaulichung: Die Vergabestelle der Stiftung gibt bei zahlreichen Pizzaläden eine Bestellung auf. Zahlen will sie jedoch nur für die Pizza, die ihr am besten schmeckt. Da kann man nur sagen: „Get out of my place!“- Warum sollte in der Kreativwirtschaft möglich sein, was in anderen Branchen undenkbar ist!?

Auf das inakzeptable Vergabeverfahren angesprochen äußerte die Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen mir gegenüber per Mail lapidar: „Zu laufenden Ausschreibungsverfahren geben wir keinen Kommentar ab“. Nur gut, dass sich Kreativschaffende ein solches Vorgehen nicht kommentarlos bieten lassen müssen.

Unter der rot-grünen Vorgängerregierung wurde in NRW 2013 die Initiative „NRW. Land der fairen Arbeit“ ins Leben gerufen. Auch die aktuelle Regierung gibt vor, so ist es jedenfalls an vielen Stellen zu lesen und hören, sich für faire Löhne und den fairen Wettbewerb einzusetzen. Mit den von der Stiftung an Agenturen versandten Vergabedokumenten werden Agenturen dazu genötigt unentgeltlich zu arbeiten. Indem die Stiftung, und mit ihr das Land Nordrhein-Westfalen, eine solche Auftragsvergabe praktiziert, leistet sie Lohn- bzw. Preisdumping aktiv Vorschub! Darüber hinaus sorgt sie für Ungleichbehandlung, da an einer solchen Vergabe nur größere Agenturen teilnehmen können, die über entsprechende zeitlich und personellen Ressourcen verfügen. Kleine Agenturen und Solo-Selbstständige können es sich schlichtweg nicht leisten, ihre Arbeitszeit zu verschenken. Fairer Wettbewerb sieht anders aus.

„Skizzenhafte Umsetzungen“ im Rahmen von Präsentationen sind realitätsfern

Wann endlich lernen Vergabestellen, dass es im Rahmen einer Ausschreibung respektive einer freien Vergabe etwas wie „skizzenhafte Umsetzungen“ nicht gibt!? An die Adresse von Vergabestellen gerichtet: Im digitalen Zeitalter werden Gestaltungsentwürfe am Computer erstellt und auch dort für Präsentationen aufbereitet. Bei derlei Entwürfen handelt es sich in aller Regel um vektorisierte Bilddateien, die sofort druckfähig sind und damit nicht nur technisch gesehen sehr weit fortgeschritten sind. Auch aus konzeptionell-gestalterischer Sicht sind diese Entwürfe alles andere als erste Grob-Skizzen. Um in dieser Weise am Computer gestalten zu können, braucht es vor allem eines: eine Idee.

Am Anfang jedweder Gestaltung steht die Idee. Die Entwicklung einer Idee ist die zentrale (!) Kreativleistung von uns Designern. Wer als Vergabestelle „skizzenhafte Umsetzungen“ einfordert, übersieht dabei, dass die Entwicklung dieser Idee und die darauf aufbauenden Entwürfe einen erheblichen Arbeitsaufwand darstellen. Ein Aufwand, der sich in dem Begriff „skizzieren“ in keinster Weise widergespiegelt.

Arbeiten Sie umsonst? Nein? Warum sollen Designer für Sie umsonst arbeiten?

Es geht einfach nicht, dass auftraggebende Stellen im Rahmen einer Vergabe weiterhin Ideen und Entwürfe einfordern dürfen, ohne für eine finanzielle Entschädigung aufkommen zu müssen! An dieser Praxis muss sich etwas ändern. Wie bereits an anderer Stelle geschrieben, können und dürfen öffentliche Auftraggeber im Rahmen einer solche Vergabe durchaus Aufwandsentschädigungen zahlen. Und das sollten sie auch. Wer unentgeltliche Leistungen einfordert, fügt der Wirtschaft und vielen Unternehmen dadurch Schaden zu. Auch und insbesondere aus ethischen Gründen ist eine solche Vergabepraxis abzulehnen.

Liebe Mitarbeiter der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen: arbeiten Sie umsonst? Nein? Warum sollen Designer für Sie umsonst arbeiten? Faire Bezahlung für gute Arbeit – das muss auch für ein solches Vergabeverfahren wie auch generell für die Vergabeordnung gelten! #saynotospec

Kreativschaffenden kann man nur raten, um Auftraggeber, die bereits mit Abgabe des Angebotes Konzeptions- und Kreativleistungen einfordern, einen großen Bogen zu machen. Denn Vergabestellen, die derart schamlos unentgeltliche Leistungen verlangen, dokumentieren damit nicht nur ihre Geringschätzung für Design, sondern für Arbeit und Leistung im allgemeinen. Dies sollte von Agenturen nicht mit einem Kotau, sondern mit Abweisung beantwortet werden.

Dieser Beitrag hat 27 Kommentare

  1. Eigentlich ist eine Ausschreibung, die nicht ganz koscher bis grob unfair ist, ein Problem, das uns schon Jahre begleitet.

    Nachdem ich das hier gelesen habe, zum Einlesen der Link: https://www.fastcompany.com/90579364/too-many-designers-worked-for-free-in-2020

    Ein Schönheitsfehler darin: 99designs waren es, die die Studie gemacht haben – ein Laden, der das unfaire fabrikmäßige Wettbewerbs-Kleindesign, von ahnungslosen Kunden schlecht gebrieft und noch schlechter evaluiert, auf eine neue Fallhöhe gebracht hat …

    Richtig neu – das soll meine Hauptbotschaft sein, jetzt bitte nicht an 99designs festbeißen – ist, dass Corona alles durcheinander wirbelt. Freie und Selbständige, kleine Büros dumm da stehen lässt. Wäre das nicht einen Artikel hier wert?

  2. Auch ohne die Ausschreibung im Detail zu kennen, sind diese Auszüge tatsächlich erschreckend.
    Eigentlich ist schon alles gesagt, ich möchte das aber nochmal mit Klarnamen unterstreichen:
    Natürlich kann man ein integratives Erscheinungsbild nicht skizzieren. Wir zumindest planen durchaus 100 Stunden für die Entwicklung von umfangreichen Corporate Design-Systemen für vergleichbare Institutionen ein. Angesichts des Absenders ist die Ausschreibung zudem etwas verstörend.

    Nicht praxisgerechte, komplexe Designanfragen sind oft mit Unwissenheit zu erklären. Da wir hinter diesem Auftraggeber aber kluge Köpfe unterstellen dürfen, scheidet mangelnder Intellekt als Entschuldigung schonmal aus – soweit das Kompliment.
    Mangelnde Wertschätzung beschreibt diese Anfrage schon besser, aber eigentlich kann man es nur als unverschämt und respektlos beschreiben. Die deutsche – auch die nordrhein-westfälische Geschichte und die professionellen Gestalter im Land haben mehr verdient. Wer in einem Haus von Peter Behrens sitzt, der als Begründer des Corporate Design gilt, sollte das wissen. Wenn ein öffentlicher Auftraggeber mal 1.000 Euro für einen Pitch in den Ring wirft, ist das bei 100 Stunden Aufwand natürlich auch nicht kostendeckend, aber immerhin eine Geste. Wer dann mit zwei Mitbewerbern kämpft, muss abwägen, ob es Chance oder Risiko ist. Umso unverständlicher, dass sich die Stifter hier von 15 Agenturen beschenken lassen wollen.
    Der Pizzavergleich war treffend: „bei 15 Pizzabäckern bestellen und nur die bezahlen, die einem persönlich geschmeckt hat“. Allerdings müsste man erweitern: bei 15 Pizzabäckern für das komplette Haus bestellen…, denn Corporate Design ist immer eine ganzheitliche Leistung.

    Eine Exkursion nach Holland würde ich empfehlen. Unsere Nachbarn haben ein deutlich höheres Niveau beim Design im öffentlichen Raum, weil das Land einen besonderen Design-Anspruch formuliert und Gestalter gezielt fördert.

    Ich wünsche dem Land NRW viel Erfolg mit dem Haus der Geschichte.
    Mehr Anspruch an das Design als Vermittlung würde dem ambitionierten Ziel helfen.

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