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Stadt Wuppertal erhält Corporate Design – Schenkung löst in der lokalen Designwirtschaft Kontroverse aus

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In Wuppertal sorgen derzeit zwei Entscheidungen der Stadtverwaltung für Wirbel innerhalb der Designszene. Zu verlockend war das Angebot der Wuppertaler Agentur Illigen Wolf Partner an die Stadtverwaltung, ein komplett neues Corporate Design für die Stadt zu entwickeln, unentgeltlich. Die Schenkung einer solch komplexen Designleistung stößt bei vielen Kreativen in Wuppertal ebenso auf Kritik wie die Vergabe eines Auftrags zur Findung einer Stadtidentität, mit der die Düsseldorfer Agentur Scholz & Friends beauftragt wurde.

Dass einerseits lokale Dienstleister zum Nulltarif arbeiten, ein externes Unternehmen sich jedoch über ein Auftragsbudget in Höhe von 200.000 Euro freuen kann, sehen viele Gestalter mit Sorge und auch mit Argwohn. Mit ihrer Kritik wenden sich rund 50 Designer in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Peter Jung. Im dt kommen beide Seiten zu Wort, die verantwortlichen Designer und auch die Verfasser des offenen Briefes.

Bevor die verantwortliche Agentur zu Wort kommt, folgt zunächst einleitend der Inhalt des offenen Briefs. Auf Basis dieser Grundlage sollte sich jeder einen Überblick über die Vorgänge verschaffen können, um im Anschluss in eine spannende Diskussion einzusteigen.

Offener Brief an OB Peter Jung

(erstmals am 19.06.2013 veröffentlicht)

* * *

Wuppertal, 19. Juni 2013
Sehr geehrter Herr Jung,

wir schreiben Ihnen als Fach- und Führungskräfte der Wuppertaler Designwirtschaft und beobachten mit Sorge die aktuelle Vorgehensweise der Stadt Wuppertal im Bereich Kommunikation und Design.

Die zeitlich und inhaltlich sehr ungeschickt platzierten Meldungen über ein mittelgroßes Budget für die Entwicklung einer Stadtidentität, welches an die Düsseldorfer Agentur Scholz & Friends vergeben wurde und andererseits eines Corporate Designs, welches der Stadt von der Wuppertaler Agentur Illigen Wolf Partner kostenlos zur Verfügung gestellt wird, sorgen für offene Fragen, zumal diese Prozesse nicht nachvollziehbar dargelegt wurden.

Das großzügige und offensichtlich notwendige Geschenk der Agentur Illigen Wolf Partner schließt mit Sicherheit eine wichtige Lücke. Doch auch wenn Sie die Analyse, Konzeption und Gestaltung als Geschenk erhalten haben, zieht die Implementierung aus unserer Erfahrung Folgekosten nach sich. Sei es für die weitere begleitende detaillierte Ausarbeitung, fachliche Unterstützung sowie auch für die Umsetzung.

Als Wuppertaler Kolleginnen und Kollegen der Designwirtschaft möchten wir Sie bitten, transparent darzulegen, wie der Prozess zur Entstehung des Corporate Designs genau abgelaufen ist und ob dieser zukünftig mit weiteren Bedingungen verknüpft ist.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir begrüßen es, dass die Stadt Wuppertal sich um einen professionellen visuellen Auftritt bemüht und wir schätzen die Arbeit unserer Kollegen aus dem Tal. Wir wissen um den wirtschaftlichen Wert dieser Arbeit. Durch den Akt der Schenkung wird jedoch ein falsches Signal gesetzt. Denn somit wird der Wert von Kreativ- und Designleistungen grundsätzlich in Frage gestellt.
Wir würden uns freuen, wenn Sie uns hierzu Antworten geben könnten. –¨Zu einem persönlichen Gespräch laden wir Sie gerne ein.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Albrecht, Geschäftsführung bürger albrecht partner GmbH
Leonie Altendorf, Diplom Designerin
Christoph Baum, Mediendesigner
Philipp Blombach, Diplom Designer
Christian Boros, Geschäftsführung Boros GmbH
Dirk Büchsenschütz, Diplom Designer
Patrizia Cacciotti, Diplom Designerin
Jacob Economou, Diplom Designer
Anja Eder, Diplom Designerin picnic grafik-design
Verena Engel, Geschäftsführung Engel und Norden GbR
Rob Fährmann, Geschäftsführung wppt:kommunikation GmbH
Jan Federmann, Geschäftsführung FKK .design gmbh
Sebastian Gimmel, Diplom Designer
Olaf Glasmacher, Diplom Designer
Sebastian Glück, Diplom Designer
Andy Gumpertz, Geschäftsführung zumquadrat – Visuelle Kommunikation GbR
Wolf-Nicolas Henkels, Geschäftsführung Media Nova GmbH
Andrea Hold-Ferneck, Geschäftsführung hold-ferneck kommunikationsdesign
Nicole Hoppe, Fotografin
Swen Hoppe, Geschäftsführung Praxis für visuelle Kommunikation
Hanna Hüttepohl, Diplom Designerin
Sonja Kampczyk, Geschäftsführung FKK .design gmbh
Süleyman Kayaalp, Geschäftsführung wppt:kommunikation GmbH
Andreas Komotzki, Diplom Designer
Pascal Kremp, Geschäftsführung Pinetco Webdesign
Jonas Künstler, Geschäftsführung zumquadrat – Visuelle Kommunikation GbR
Sandra Lehner, Geschäftsführung vielfein konkret
Dirk Longjaloux, Geschäftsführung Büro Longjaloux GmbH
Kristine Löw, Diplom Designerin
Thomas Milz, Geschäftsführung tm
Eberhard Norden, Geschäftsführung Engel und Norden GbR
Anni Roolf, Creative Consultant MBA
Michael Römer, Diplom Designer picnic grafik-design
Mycha Schekalla, Diplom Designer
Thomas Schekalla, Diplom Designer
Annette Schild, Geschäftsführung Praxis für visuelle Kommunikation
Juliane Schlörscheid, Mediendesignerin
Jessica Scholz, Geschäftsführung Einars & Scholz Partnergesellschaft
Dorothea Schwabe, Geschäftsführung adby Kommunikationsdesign
Lena Stiller, Diplom Designerin
Anna Tertel, Diplom Designerin
Klaus Untiet, Geschäftsführung wppt:kommunikation GmbH
Norbert Vallu, Kommunikationsdesigner
Susanne Weiß, Diplom Designerin Weissheiten Design
Wolfram Zwanziger, Geschäftsführung zwonull GbR

* * *

Fragen an Jörg Illigen (Illigen Wolf Partner)

Ich sprach mit Jörg Illigen über die Hintergründe zum neuen Corporate Design, über die Schenkung und auch über die im offenen Brief angesprochene Kritik hinsichtlich der Vergabepraktiken der Stadtverwaltung.

dt: Herr Illigen, ihre Agentur hat für die Stadt Wuppertal ein komplettes Corporate Design entwickelt und dieses der Stadt als Schenkung überlassen. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Illigen: Das alte Corporate Design der Stadt Wuppertal war nur unvollständig entwickelt und wurde zudem nie gepflegt. Die Geschäftspapiere und Publikationen der Stadt Wuppertal waren daher in einem gestalterisch höchst fragwürdigen Zustand. Es gab faktisch kein Corporate Design mehr. Viele städtische Mitarbeiter entwickelten ohne die erforderliche Qualifikation eigene Publikationen. Das kostete viel Zeit und brachte qualitativ minderwertige Ergebnisse hervor.

Aufgrund der diffizilen Haushaltslage standen und stehen keine Mittel zur Verfügung, um ein solches Projekt – weder gegen reguläres noch ermäßigtes Honorar -durchführen zu können. Zu Beginn unserer ehrenamtlichen Tätigkeit unterlag die Stadt zudem dem Haushaltssicherungskonzept. Dies bedeutet, dass keine Mittel für freiwilligen Aufgaben wir die Erstellung eines CDs aufgewendet werden durften.

Bürgerschaftliches und unternehmerisches Engagement hat in Wuppertal eine lange Tradition. Waren es vormals Parkanlagen oder die Stadthalle, die durch die Bürger und Unternehmer der Stadt geschenkt wurden, entstehen heute durch Bürgerbeteiligung und Stiftungen richtungsweisende Projekte wie die Nordbahntrasse. Der Zähler auf www.meinestundefuerwuppertal.de weist über 200.000 Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit von Wuppertaler Bürgern aus. Das ist ein Spitzenwert. Dieser Tradition folgend haben wir der Stadt angeboten, das dringend erforderliche Corporate Design honorarfrei zu entwickeln.

dt: Wie viele Arbeitsstunden haben sie in etwa in das Projekt investiert?

Illigen: Wir haben Ende 2009 mit den Arbeiten am CD begonnen. Die Arbeitsstunden können wir nur schätzen, es dürften etwa 1.000 – 1.200 gewesen sein.

dt: Was erhoffen sie sich von der Schenkung?

Illigen: Ziel der Schenkung war und ist, zur Entwicklung und positiven Wahrnehmung der Stadt in der Außen- und Innenwirkung beizutragen und ein Zeichen in Richtung Engagement für die Stadt zu setzen. Leider wird in Wuppertal viel gemeckert, wodurch die positiven Aspekte in den Hintergrund rücken. Ein weiteres, gegenüber der Stadtführung explizit erklärtes Ziel ist, dass wir dieses Projekt zur Eigenwerbung nutzen wollen.

dt: Sind sie der Ansicht, dass solch ein Modell auch auf andere Städte oder gar Unternehmen übertragbar ist?

Illigen: Ich würde nicht von einem Modell sprechen. Dies ist eine einmalige Aktion. Inwieweit andere Designbüros sich in gleicher Weise engagieren, können wir nicht beeinflussen. Für privatwirtschaftliche Unternehmen kann ich nur davon abraten, kostenfreie Leistungen zu erbringen. Für uns kommt ein Arbeiten für ein reduziertes Honorar lediglich zur Unterstützung anerkannt gemeinnütziger Institutionen in Frage.

dt: Nicht dass unentgeltliche Designleistungen etwa für karitative Verbände oder auch kulturelle Einrichtungen unüblich wären. Angenommen jede Agentur in Deutschland – Wikipedia meint zu wissen, dass es gut 12.000 sind, ich würde allerdings von einer deutlich größeren Zahl ausgehen – würde auch nur ein einziges Projekt dieser Größenordnung als Schenkung realisieren, würde dies die ohnehin schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen in der Designbranche, insbesondere für Selbstständige, enorm verschlechtern. In der Bevölkerung findet die Schenkung natürlich Anklang, da keine Steuergelder ausgegeben werden. In Kommentaren auf lokalen Nachrichtenportalen (siehe WZ) wird die Schenkung sogar als vorbildhaft dargestellt. Die Frage ist, ob Eigenwerbung auch dann noch lohnenswert bzw. vertretbar ist, selbst wenn diese den eigenen Berufsstand in Bedrängnis bringt.

Illigen: Ich glaube, dass keine Agentur einen Job ohne Honorar durchführt, wenn sie es sich nicht leisten kann. Der Berufsstand kann durch Aktivitäten, die in der Bevölkerung und Wirtschaft positiv gesehen werden, nur gewinnen. Viele Entscheider wissen nicht, was gute (!) Designer eigentlich machen . Jede Information und Imageverbesserung ist daher gut für die Branche. Unser Projekt hat bereits vielen Wuppertalern Bürgern und Unternehmern gezeigt, dass ein Corporate Design eine umfangreiche, aufwendige und sinnstiftende Maßnahme ist und das Bewusstsein, dass dies entsprechend zu vergüten sich lohnt, geschärft.

dt: Rund 50 Wuppertaler Designer und Kreative haben sich in einem offenen Brief an den Bürgermeister der Stadt gewandt und Kritik an der Vergabe von Designaufträgen geübt. Unter anderem kritisieren sie, dass das Corporate Design unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde, was ihrer Meinung nach Designleistungen entwerte und ein falsches Signal sei. Wie denken sie über die geäußerte Kritik?

Illigen: Die Kritik unserer Designerkollegen ist in Ermangelung ausreichender Kenntnisse über den Projektverlauf unzutreffend. Wir werden uns mit den Kollegen in Kürze treffen und die fehlenden Informationen geben, wodurch sich die Kritik erledigt haben wird. Der Kern der Kritik richtet sich ohnehin nicht gegen uns, sondern betrifft das Vorgehen der Stadt hinsichtlich anderer Marketingmaßnahmen, wobei auch hier Missverständisse vorliegen. Dazu gab es im übrigen gestern eine Pressekonferenz. Es wird leider viel veröffentlicht, ohne zunächst die Hintergrundinformationen einzuholen. Das gilt sowohl für unsere Kollegen wie auch für die Presse.

Der uns betreffende Teil der Kritik bezieht sich darauf, dass wir die Arbeit unseres Berufsstandes entwerten und unlautere Absichten hinsichtlich möglicher Folgeaufträge hätten. Dies greift ins Leere. Den Auftrag, ein Corporate Design gegen ordentliches Honorar zu erstellen, hätte die Stadt aufgrund der o.g. Gründe niemals vergeben können. Wir haben das Corporate Design nicht für ein Dumping-Honorar erstellt, sondern geschenkt. Dies ist ein wesentlicher Unterschied. Unser Grundsatz ist, dass Design nur gegen ordentliche Vergütung zu haben sein muss. Das bedeutet für uns beispielsweise, dass wir nicht ohne ausreichendes Honorar an Pitches teilnehmen und auch keine Entwürfe kostenfrei in der Akquisephase erstellen. Ich vermute, dass dies beides aber viele der Kollegen tun, die sich nun echauffieren. Die Umsetzung des Designs erfolgt durch die festangestellten Designer der Stadt Wuppertal, sodass wir keine Folgeaufträge erwarten können. Sollten im Einzelfall Aufträge in nennenswerter Höhe infolge des neuen CD vergeben werden, müssten diese ohnehin öffentlich ausgeschrieben werden. Hiervon würden dann alle Wuppertaler Designbüros profitieren – hoffentlich.

Wenn unsere Schenkung eine Diskussion initiiert, die dazu führt, dass sich Designer wie andere Freiberufler auch auf eine verbindliche Honorarordnung festlegen, wäre damit viel gewonnen.

dt: Kürzlich beauftragte die Stadt Wuppertal die Düsseldorfer Agentur Scholz & Friends mit der Erarbeitung eines Entwicklungskonzepts unter dem Motto Wuppertal – macht was anders“. Das Budget liegt hierfür bei 200.000 Euro. So diffizil scheint die Haushaltslage in Wuppertal nicht zu sein. Vor dem Hintergrund der aktuellen CD-Entwicklung vermittelt sich der Eindruck: Externe Agenturen erhalten lukrative Projekte, während Agenturen in Wuppertal leer ausgehen, zumindest finanziell. Blickt man etwa nach Eindhoven (dt berichtete), wo die städtischen Verantwortlichen explizit und ausschließlich mit Kreativen aus der Region zusammengearbeitet haben, muss man feststellen, dass in der Tat Wuppertal etwas anders macht. War Ihrer Meinung nach die Stadtverwaltung gut damit beraten, die Schenkung anzunehmen?

Illigen: Die Stadt ist natürlich gut beraten, die Schenkung anzunehmen. Das CD ist ein wichtiger Schritt der Imageverbesserung und Prozessoptimierung.

Das Geld wurde nicht von der Stadt, sondern von den Wuppertaler Stadtwerken und der Sparkasse aufgewendet. Es ist also kein Geld aus dem städtischen Haushalt. Inwieweit dies zulässig ist, müsste man herausfinden, denn immerhin sind Stadtwerke und Stadtsparkasse ja – laienhaft formuliert – auch städtisch/öffentlich. Natürlich hätten wir uns gefreut, wenn wir auf demselben Wegen entlohnt worden wären; allerdings hatten wir da bereits die Schenkung beschlossen. Eine nachträgliche Vergütung wäre äußerst unseriös gewesen.

Wir sehen die Vergabe an Agenturen außerhalb Wuppertals auch ungern. Hier müsste man aber das Thema Vergabeverfahren und -praxis sowie Kompetenz der Entscheider aufmachen.

dt: Bereuen Sie den Schritt oder würden Sie Ihr Schenkungsangebot noch einmal wiederholen, gerade auch vor dem Hintergrund der Komplexität der Arbeiten?
Beides: Nein. Das war von Anfang an als einmalige Aktion geplant.

– Die Fragen stellte Achim Schaffrinna –

Keiner möchte/sollte zum Nulltarif arbeiten

Auch wenn meine Position sich bereits in den Fragen widerspiegelt, möchte ich gerne die Vorgänge kommentieren. Die Schenkung war ein Fehler. Das Angebot ehrt die Kreativen, zeigt es doch ihre Verbundenheit mit der Stadt. Das Ergebnis ihrer Arbeit kann sich sehen lassen. Hut ab für die kreative Leistung. Das Angebot hätte allerdings von der Stadtverwaltung nicht angenommen werden dürfen, selbst vor dem Hintergrund klammer Haushaltskassen. Dabei geht es weniger um die Designleistung als solche, sondern vielmehr darum, dass eine Stadtverwaltung prinzipiell keine Schenkungen dieser Art annehmen sollte. Das sehen auch mehrheitlich die Leser der Lokalpresse so (siehe Umfrage WZ).

Die von den Verfassern des offenen Briefes bemängelte Kritik hinsichtlich fehlender Transparenz bei der Vergabe von Aufträgen durch die Stadtverwaltung ist nachvollziehbar und angebracht. Ohne Darlegung der Vorgänge lässt sich nicht sagen, ob es sich um eine Art ehrenamtliche, unentgeltliche und äußerst großzügig Geste handelt oder ob mit der Auftragsvergabe an die Wuppertaler Designer heimliche Absprachen oder gar unlautere Geschäfte verbunden sind. Wie die Rahmenregelung in Bezug auf Schenkungen der Stadt Wuppertal aussehen, vermag ich nicht zu sagen. In Stuttgart etwa sind im vornherein unentgeltlich erbrachten Arbeits- oder Dienstleistungen nicht sachgerecht“ und somit unzulässig (Quelle: Rahmenregelung Spenden/Schenkungen | PDF (stuttgart.de)). Ob die Vergabe des Auftrags respektive die Annahme der Schenkung vor diesem Hintergrund rechtens ist, müssen Fachleute beurteilen. Ich halte sie zumindest für moralisch zweifelhaft und in Bezug auf die Frage der Wahrnehmung von Designleistungen in der Bevölkerung für wenig förderlich.

Um die Schenkung einmal in Zahlen auszudrücken und um den wirtschaftlichen Wert zu beziffern, der hinter der Designleistung steht: Die Stadt hat Leistungen im Wert von rund 80.000 Euro erhalten, gratis. Wäre der Auftrag zur Entwicklung eines Corporate Designs an eine größere Agentur gegangen, läge der Betrag leicht bei 150.000 Euro und gerne auch schon einmal deutlich darüber. Die Stadt sowie die lokale Berichterstattung erwecken allerdings den Eindruck, als ginge es meinetwegen um den Entwurf für ein Plakat, das mal so nebenbei und in ein paar Stunden entstanden ist. Dass in dem Corporate Design, so Jörg Illigen, 1.000–1.200 Arbeitsstunden stecken, wurde in der bisherigen Diskussion (siehe Links unten) noch gar nicht angesprochen. Wie viel Arbeit hinter einer solchen Maßnahme steckt, wissen nur wenige, diejenigen, die gerne die unterstellte Verschwendung von Steuergeldern“ bemängeln, am aller wenigsten. Auch der Umstand, dass die Stadtverwaltung die Schenkung bis dato mit keiner Zeile würdigt – zumindest konnte ich keine Pressemeldung finden –, wird der Sache nicht gerecht.

In der Tat – Wuppertal macht was anders“, wie das Motto rund um das geplante Entwicklungskonzept lautet. Die Stadt lässt die eigene Kreativbranche gratis für sich arbeiten, während man die städtische Zukunft in die Hände einer Düsseldorfer Agentur legt. Mit einer solchen Positionierung verschreckt man nicht nur alle ortsansässigen Kreativen, es ist auch für all diejenigen, die womöglich in Wuppertal Design studieren möchten, ein denkbar abschreckendes Signal.

Ein Treffen zwischen Oberbürgermeister Jung und den Verfassern des offenen Briefes ist geplant, ebenso ein Treffen zwischen letztgenannten und der Agentur Illigen Wolf Partner. Auf das Ergebnis beider Gespräche darf man gespannt sein.

Das neue, von der Agentur Illigen Wolf Partner entwickelte Corporate Design der Stadt Wuppertal

Weiterführende Links:

Dieser Beitrag hat 77 Kommentare

  1. Meine Fresse, checkt ihr’s nicht?
    Es wird doch immer nur rumgeheult in der Öffentlichkeit, in den Medien… äääh… für ein neues Logo haben die Geld, aber für Kita Plätze ist keins da und auf den Radwegen fliegt man über Baumwurzeln… bla bla bla. Ja was soll ein Oberbürgermeister denn machen? Ich würde es auch annehmen wenn’s eine Schenkung wäre.

  2. Das einzig Tolle an der Sache, daß ich erkennen kann ist die Tatsache, daß solch ein Fauxpas hier öffentlich gemacht wird.
    Danke Achim!!!

  3. “Die allermeisten finden z.B. einen Sportplatz oder eine Stadtteilbücherei wirklich wichtiger als ein Corporate Design.”

    Das ist das, was mich an dieser ganzen immer wieder kehrenden Diskussion – auch im Zusammenhang mit scheinbar exorbitanten Kosten für CD-Projekte immer wieder extrem stört: Das Ausspielen “handfester” Investitionen (Schwimmbäder, Sportplätze, Bibliotheken etc pp…) gegen die “virtuelle” in ein städtisches CD. Das geht noch immer oft in die Richtung, “lieber” das Geld in ersteres als in letzteres zu stecken und letzteres entweder komplett zu vernachlässigen oder für umsonst oder zum günstigsten Preis von einem Dilettanten zusammenschrauben zu lassen, im Idealfall ohne öffentliche Ausschreibung und mittels Vitamin B.

    Warum darf dieses Beispiel einer großzügigen Schenkung nicht Schule machen?

    Erstens ist da der Interessenskonflikt. Ich verweise auf das Beispiel von Kommentar Nr.5 – eine örtliche Baufirma schenkt der Stadt eine neue Auffahrt zum Rathaus; das lässt sich aber durch alle Branchen und mit allem, was sich schenken lässt, beispielhaft durchexerzieren. Und dann kommt eines Tages eine städtische Ausschreibung und man stelle sich vor, den lukrativen Zuschlag bekommt eben jene zuvor großzügig schenkende Baufirma. Bei uns sagt man dazu, das ganze habe ein “G’schmäckle” – man könnte es auch einfach Bestechlichkeit nennen. Diese Form des hin- und herschacherns von Gefallen und Gegengefallen, von Verbindlichkeiten und Verbindungen sollte beanstandet und verfolgt und nicht gefördert werden. Und die Bürger, die erst so munter Schwimmbadsanierungen gegen CD ausspielen und in dieser so genannten Schenkung kein Problem sondern eine begrüßenswerte Aktion für die Allgemeinheit sehen, werden, sofern diese Amigo-Connections irgendwann ans Licht kommen, laut aufschreien angesichts dieser verabscheuungswürdigen Vetternwirtschaft in ihrem kleinen, beschaulichen Städtchen. Wie hätte man das auch ahnen sollen!

    Und zweitens frage ich mich nicht erst seit gestern, von welcher Warte aus hier manche Diskussionsteilnehmer die Designbranche eigentlich kritisieren. Hier wird Kritik kritisiert und gleich steht wieder der Vorwurf der Beleidigte-Leberwurst-Branche im Raum. Eine Designleistung zu Konditionen, die wir uns vorstellen, kann sich eine Stadt nicht leisten? Wenn man hinterfragt, dass eine Agentur, die auch von etwas leben muss, etwas gratis macht, womit viele andere versuchen, ihre Rechnungen zu bezahlen, ist das also egozentrisch – schließlich handelt es sich dabei ja nur um Werbung, und das ist eben Marktwirtschaft?
    Im Umkehrschluss heißt das auf andere Branchen gemünzt: Eine Malerleistung zu Konditionen, die sich die Malerbranche vorstellt, kann sich eine Stadt nicht leisten – deshalb soll ein städtischer Malerbetrieb doch bitte die Sporthalle für umme streichen, schließlich ist das Werbung. Eine Sanitärarbeit zu Konditionen, die sich das Sanitärhandwerk vorstellt, kann sich eine Kommune, eine Stadt oder ein Dorf nicht leisten – deshalb soll ein Betrieb des regionalen Sanitätshandwerks doch die neuen Schultoiletten verschenken – und zwar überall in Deutschland, in jeder Kommune, in jeder Stadt, in jedem Dorf. Eine Programmiertätigkeit zu Konditionen, die sich die EDV-Branche vorstellt, kann sich die Stadt nicht leisten, deshalb soll sich doch bitte ein Student von der Uni um das Online-Dokumentenmanagement der Stadtverwaltung kümmern, natürlich als unbezahltes Praktikum, zwecks Erfahrungssammlung. Warum für etwas bezahlen, wenn es jemand zu Werbe- oder Erfahrungssammelzwecken früher oder später eh gratis macht?
    Ich glaube nicht, dass das deutsche (Handwerks-)Gewerbe dieses Spiel auf Dauer mitspielen, respektive sich überhaupt darauf einlassen würde. Schließlich müssen Angestellte, Material, Miete, Steuern, Fahrzeuge, Rechnungen bezahlt werden. Es ist für mich, obschon diese Debatte alles andere als neu ist, immer wieder verblüffend, warum ausschließlich für die Designbranche andere Regeln gelten als für alle anderen Branchen. Weil man in dem, was am Ende herauskommt, nicht herumlaufen oder Basketbälle werfen oder Bücher lesen kann? Weil man nichts in der Hand hält, auf das man blicken uns sagen kann; “dank dieser Investition nehmen wir pro Jahr x Euro mehr ein/sparen wir x Euro”?

    Diese Branche kann sich diese monetären Nullnummern eigentlich nicht erlauben, doch leider gibt es noch immer genügend Mitspieler vom Schlag Illigen Wolf Partner, die ruinöse PR-Stunts als Werbemittel für herbeifantasierte Folgeaufträge missverstehen. Glaubt dieses Büro tatsächlich, dass demnächst Scharen von zahlungswilligen Auftraggebern ihre Agentur stürmen und mit lukrativen Aufträgen und Geldscheinen um sich werfen und es kaum erwarten können, den üblichen Stundensatz dafür aufzuwenden, nachdem das Büro gerade ein halbes Jahreskontingent an Stunden “for free” verblasen hat? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass man sich mit solchen Aktionen eher Auftraggeber der Kategorie “xy haben Sie doch auch gratis gemacht; wir hätten da auch was für Ihr Portfolio, aber Budget haben wir keins” anlacht?

    Ja, man kann das egozentrisch nennen, wenn Designer sich darüber beklagen, dass ihre Arbeit nicht gewürdigt und entsprechend entlohnt wird. Aber dieses Lamentieren kommt nicht von ungefähr – es muss langsam auch Schluss sein mit dieser Gratismentalität, die zu einem großen Teil daher kommt, dass sich viel zu viele Büros und Agenturen viel zu häufig haben klein rechnen und ihre Arbeit vorne und hinten nicht kostendeckend haben bezahlen lassen. Wenn es weiter Mitbewerber gibt, die ihre Dienste zu ruinösen Konditionen oder gleich gratis zur Verfügung stellen, wird sich das auf lange Sicht nicht ändern. Aktionen wie dieses verschenkte so genannte CD für Wuppertal erweisen der ganzen Branche einen Bärendienst, denn sie tragen nur dazu bei, diesen Gedanken in den Köpfen zu verfestigen: Für Design braucht man nichts zu bezahlen, denn das gibt es ja (fast) gratis. Genau das Gegenteil müsste passieren, nämlich ein Bewusstsein zu schaffen dafür, dass hinter jedem Design ein Arbeiter steht; einer oder mehrere Menschen, die Familien zu ernähren und Rechnungen zu begleichen haben, und die genau wie Schwimmbadbauer oder Bibliothekare das Recht haben, für ihre Arbeit ordentlich entlohnt zu werden. Und ich bezweifle stark, dass Schenkungen wie diese bei der Bewusstseinsfindung hilfreich sind.

  4. @ Søren

    Wenn das Stadtsäckl leer ist, kann die Stadt keine Folgeaufträge vergeben.
    Aufträgsvergaben unterliegen dem Vergaberecht. Da kann man ohhe bösartige Unterstellungen nicht annehmen, dass die Agebntur von der Stadt im Gegenzug Aufträge bekommt.

    Zum Handwerkerbeispiel:

    In Wuppertal engagieren sich die Bürger mit mehreren 100.000 Stunden Ehrenamt. Da kommt auch keiner auf die Idee zu mosern, dass mögliche Aufträge der Wirtschaft verloren gingen.

    Der Handwerker, der von mir aus umsonst die Sporthalle streicht, kann keine Aufträge unter Hand zugeschustert bekommen, ohne dass die Vergaberichtlinien eingehalten werden. Ich bin diese ständigen Mutmaßungen über Absprachen und Erwartungen leid, warum müssen immer ein paar schwarze Schafe, die in der Vergangenheit für schlechte Presse gesorgt haben, das Vertrauen in gute Absichten unterminieren? Darf man denn in diesem Land nicht einfach mal aus Idealismus handeln, ohne dass einem miese Absichten unterstellt werden?

    Man möge es doch bitte demjenigen, der sich für das Wohl seiner Stadt einsetzt, überlassen, ob er sich im Rahmen dessen, was er leisten kann, engagiert. Wenn jemand ein teures Kunstwerk einem Museum stiftet, wird das auch nicht hinterfragt im Sinne von “was erhofft er sich davon?

    Im Interview mit Achim steht ja auch, dass die Agentur nicht plant, eine solche Leistung nochmals kostenfrei zu erbringen. Udn ich glaube nicht, dass nun deutschlandweit davon nausgegangen wird, dass es Design zum Nulltarif gibt. Wer für Design kein Geld ausgeben will, lässt sich sowieso im Internet für 79 Euro fünf Logoentwürfe machen.

  5. Danke #51
    Die PDF zeigt zumindest, dass nicht laienhaft an die Aufgabe herangegangen wurde.

    @DT: Wenn man die PDF gleich veröffentlicht hätte, dann wären zumindest ein paar Zweifel bzgl. der Agenturkompetenz nicht aufgetreten, wäre auch weniger Arbeit gewesen als ausgewählte Bilder ins Blog zu hauen ;)

    Den Briefbogen würde ich aber trotzdem anders gestalten…

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  7. @Jeff #4
    Generell zum Thema Pitch: wenn wir das Spielchen mit den kostenlos-Wettbewerben weiter mitmachen, werden wir uns früher oder später selbst auffressen.

    Apropos fressen: um es einem Wettbewerbs-Auslober plastischer zu vermitteln:
    Gehen Sie heute Abend in ein feines Restaurant. Fressen Sie sich durch die komplette Karte und bezahlen Sie anschließend nur das, was Ihnen wirklich geschmeckt hat.
    Und grüßen Sie mir schön den Wirt…

  8. @ #45

    Auf der Webiste der Designagentur steht ausdrücklich, dass die Abbildunge (also die der Plakat- oder Anzeigenmotive) keine fertigen Anzeigen sind!

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