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Rock am Ring – auch ein Festival der Stile

Rock am Ring Logo, Quelle: Wikipedia

In einer Woche steigt auf dem Nürburgring in der Eifel “Rock am Ring”. Zum 25-jährigen Bestehen gönnte sich die Festival-Leitung ein neues Outfit. Bei der Gestaltung des neuen Schriftzugs fiel die Wahl auf einen Freefont, der sowohl Einflüsse des Jugendstils aufweist, sich aber auch stark an das Erscheinungsbild von Runen anlehnt. Die Buchstaben M und N in der Wortmarke des Festival-Logos wurden nachträglich modifiziert. Im Ergebnis steht ein ungemein sperriges und kantiges Wortungetüm, ein typographischer Kraftprotz.

Bemerkenswert: Stilrichtungen wie der Jugendstil und Arts & Crafts, die sich beide durch geschwungene, elegante, florale Formen und in der Typographie durch teilweise besonders schmale Buchstaben auszeichnen, geben dem Rockfestival das typographische Gesicht. Dazu muss man allerdings sagen, dass besonders die Pflug ähnlichen Ecken im C und im G so ganz und gar nicht elegant und auch wenig nach Jugendstil ausschauen. Daran erkennt man, dass der Freefont eben eine Retroversion ist. Nick Curtis gestaltete die Schrift namens: „Fortune Cookie NF“ im Jahr 2006 und fügte gewissermaßen eine Portion „Härte“ hinzu, was sicherlich sehr im Sinne des Veranstalters sein dürfte.

Rock am Ring 2010 Plakat
Rock am Ring 2010 Plakat

Das Artwork zum Festival ist wahrlich ein Mix der Stile. Eine Faust in Holzschnitt-Manier reckt eine Gitarre in die Höhe und wird dabei von schwarz-roten Blitzpfeilen zu beiden Seiten unterstützt. Im Hintergrund sorgen mit einem Verlauf versehene Strahlen für eine Portion Feierlichkeit. Ohne es böse meinen zu wollen, jedes Klischees wird erfüllt. Die Blitze in Kombination mit den Farben wecken Assoziationen in Richtung des Erscheinungsbildes der Nationalsozialisten. Auch die runenhafte Form der Lettern verstärkt diesen Eindruck. Die Rockband KISS verwendet in ihrem Schriftzug übrigens die gleiche Sig-Rune, wie die SS im dritten Reich. Auch AC/DC schmückt sich mit einer Art Blitz-Sig-Runen-Mischung. Bands wie Motörhead „spielen“ ganz bewusst mit dem „Reiz“ der NS-Gestaltung. Das muss man nicht an die große Glocke hängen, aber unter den Tisch kehren sollte man diese Zitate auch nicht.

Rock am Ring Logo – vorher und nachher
Rock am Ring Logo – vorher und nachher

Es schadet nicht zu wissen, welchen Ursprung die verwendeten Formen haben. Blitze, Beile und Reichsdevotuionalien sind schwer angesagt in der Hardrock-Szene. Ohne das „böse-Buben-Image“ geht es dort nun einmal nicht, zuweilen auch auf Kosten einer politisch korrekten Gestaltung. Jan Delay, Gossip oder auch die Sportfreunde Stiller sind mir da deutlich lieber. Die lassen es auf der Bühne auch ordentlich krachen, ohne dass sie dabei in die „braune Kiste“ greifen.

Den Webauftritt steuert Makalu Interactive bei.

Dieser Beitrag hat 75 Kommentare

  1. Hallo Achim,

    ich finde es super, dass Du Dich vehement gegen NS-Verharmlosung positionierst. Ich kann allerdings Deine Einlassungen zum RAR-Logo beim besten Willen nicht nachvollziehen.

    Mich erinnert das Artwork an alte Propagandaplakate aller Couleur (s. SPD-Plakat in Beitrag 15), die Blitze sind für mich typische “Sendegeräte”-Blitze, wie sie bei Telefunken oder RCA zu finden sind. Die ganz unnazihaften Franz Ferdinand oder die Dead 60s machen Cover Art in diese Richtung.

    Bei AC/DC (Gleichstrom/Wechselstrom) steht der Blitz übrigens für “High Voltage” (daher auch das Album dieses Namens), das heißt: kräftig Strom auf den Gittarenverstärkertürmen. Die Schrift ist für mich weniger an nordische Runen angelehnt als an zahlreiche handtypografierte Hard-Rock und Metal-Logos (z.B. Iron Maiden). Witzigerweise hatte ich auch sofort das Led-Zep-Cover aus Beitrag 34 vor augen

    Dass der Gebrauch von schwarzweißrot oder den ästhetischen Vorlieben der Nazis eine Gefahr der Verharmlosung der NS-Verbrechen bergen sollen, ist eine andere Sache. Ich kann Dir auch da nicht folgen, aber darüber lässt sich sicher streiten. Ich persönlich fände es besser, wenn eben nicht jeder bei schwarzweißrot “Nazi-Design” schreit. Wenn jeder dritte (und auch Du) sofort diesen Reflex hat, muss man das als Designer wohl berücksichtigen. Schade, weil das einfach eine sehr “starke” Farbkombi ist – und nicht per se rechtsaußen.

    Eher ketzerisch mag die Theorie sein, dass sich ein Design auch neu und positiv besetzen lässt: ich erinnere mich, dass schwarzrotgold bis zur WM 2006 (in diesem Fall ohne historisch belastet zu sein) abseits von Olympia und Kanzleramt auch ein nationales “Geschmäckle” hatte (als auch die REPs noch größer als die NPD waren) und jetzt freut man sich, dass alles in unseren Landesfarben erstrahlt, von Lena bis Luftballon.

    Meine Meinung: den Nazis nicht die Blitze und schwarzweissrot überlassen! Lieber Rockfestivals damit verbinden!

  2. es liegt ja nicht nur an den farben …

    vielleicht ist unten angeführtes buch ganz hilfreich ;-)

    NSCI – Andreas Koop

    Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten 1925 – 1945
    152 Seiten mit ca. 300 meist farbigen Abbildungen
    ISBN 978-3-87439-768-1
    29,80 EUR

  3. @bendschi Über NSCI von Andreas Koop hatte ich im letzten Jahr berichtet.

    Hallo Philip, ich finds wunderbar, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast. Als einer der wenigen hast Du meinen Versuch, mich gegen eine Verharmlosung der NS-Symbolik zu stellen, erkannt und honorierst ihn. Im Grunde genommen sind wir (alle?) nicht sooo weit aus einander. Natürlich sollte man Schwarz/Weiß/Rot nicht den Braunen überlassen. Aber wer mit den Gestaltungsstilen aus der Geschichte „spielt“ sollte die Geschichte kennen, denn sonst wird aus einer gekonnten Weiterentwicklung schnell ein falsch verstandenes Zitat.

  4. also ich geb achim zu hundert prozent recht!

    von der anmutung her hat mich das logo alleine schon etwas an den nationalsozialismus erinnert. als ich dann den flyer gesehen hab musst ich nicht mal den text lesen und die assoziation war sofort da. dabei find ich es irrelevant ob dieses “design” damals auch andere parteien benutzt haben oder ob es das schon in den zwanzigern gab oder welche anderen firmen diese elemente auch unbedenklich nutzen. so tief geht jemand gedanklich nicht der sich das plakat oder flyer anguckt um das zu rechtfertigen. die assoziation is ganz klar da und das sollte nicht sei.

    mal abgesehen davon – und darum geht es in diesem blog ja wohl – ist die optik sowohl vom logo typographisch als auch vom artwork sowieso nicht ansprechend und meiner meinung nach einfach nur daneben. mich spricht es jedenfalls nicht an. man hätte es definitiv besser machen können!

  5. was für ein Bullshit, die Nazis waren auch nur dumme Trendhuren und haben genommen was grad in Mode war. Im übrigen ist Frakturschrift, so überhaupt nicht naziesque , sondern die auch heute beliebte Futura. Nur so am Rande. Gebt den Deppen mit den kurzen Haaren doch nicht auch noch das alleinige Anrecht auf bestimmte Blitze, Farben, Schriften, etc

  6. vor rock am ring hätte ich auch gedacht wie übertrieben dies doch sei.
    doch nun muss ich sagen, das geht absolut nicht. auf unserem campingplatz war eine große gruppe, die die ganze zeit rechtsradikale musik hat laufen lassen. NIEMAND ist mal dahin und hat was gesagt. da ich auch nicht allein hin wollte, hab ich leute gefragt, ob die das denn nicht stören würde und die meisten meinten sowas wie “naja stimmt ja auch was die da singen” also stand ich letztlich allein vor dieser gruppe und hab mich beschwert und hey, nach dem 5. mal da stehen hats was gebracht, die musik wurde ausgemacht.
    oben auf dem gelände hab ich mitbekommen wie eine dunkelhäutige an einem pizza stand von so nem deppen zu boden geschupst worden war und auch dort, niemand sagte was.
    nach den erfahrungen bin ich der meinung, dass man sich mit dem logo ganz klar von sowas differenzieren sollte.

  7. ich denke, die einzigen, die in diesen 68 kommentaren richtig liegen, sind die wenigen, die den bezug zu shepard fairey hergestellt haben. das abkupfern ist offensichtlich, nur leider konnte man es nicht ganz so gut wie das vorbild.

    mit sicherheit hat keiner beim entwurf gedacht: “komm, wir machen was, das aussieht, als wär’s vonne nazis, das finden die metaller alle cool”…

    das nachahmen des obey-stils brüllt einen nun wirklich dermaßen an…

  8. Herzlichen Glückwunsch zu diesem gelungenen Artikel!

    1. hast du mit deinem Statement absolut recht. Es ist schlicht egal, was die Nazis erfunden haben. Dass sie bestimmte Insignien verwendet haben, reicht vollkommen, dass man es danach eben anders sehen muss als davor. Und die Schwere der NS-Vergangenheit mindert sich auch nicht irgendwann, da es nicht um Schuld, sondern schlicht um Verantwortung. Gerade hier haben die Verantwortlichen bei RAR versagt. Wer allein die “Höhöhö!”-Assoziationen der 16-jährigen kommerziell ausschlachtet, handelt verantwortungslos. Zudem ist das Logo einfach enorm unkreativ.

    2. Dir gebührt großer Respekt, dass du auch solche Aspekte – unabhängig von ihrer konkreten Bedeutung – hier auch thematsierst! Sowas gehört nicht in Special-Interest-Blogs, sondern mitten in unseren Alltag. Danke!

Kommentare sind geschlossen.

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