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Quo vadis, Designpreise in Deutschland?

Nirgends floriert das Geschäft mit den Preisen besser als in der Designbranche in Deutschland. Für Unternehmen und Institutionen wie iF International Forum Design, Red Dot oder den Rat für Formgebung ist die Ausrichtung von Designwettbewerben, die von Jahr zu Jahr mehr Auszeichnungen hervorbringen, äußerst einträglich. Was für Branchenfremde grotesk anmutet, hat innerhalb der Designbranche Tradition: Preisträger zahlen einen hohen Preis dafür, ausgezeichnet zu werden. Ein jämmerliches Bild, das Deutschland auf diese Weise als Designstandort abgibt.

Preise für Design gibt es heutzutage wie Sand am Meer. Immer mehr Unternehmen haben in den letzten Jahren das Geschäft mit den Awards für sich entdeckt und so fällt es mittlerweile schwer, zwischen all den Wettbewerben den Überblick zu behalten. Folgerichtig nimmt auch die Anzahl an auf diese Weise ausgezeichneten Arbeiten zu, denn – wer will es den Unternehmen verdenken –, lässt sich mit jeder Auszeichnung Einnahmen generieren. Diese belaufen sich im Fall der oben genannten Unternehmen auf eine Summe zwischen 2.000–4.000 Euro pro Auszeichnung. In den Teilnahmebedingungen werden diese Gebühren mitunter als „Winner-Package“ bezeichnet, die grundlegende Idee einer Auszeichnung verhöhnend und ad absurdum führend. Während beispielsweise Buchautoren, Musiker und bildende Künstler für ihre ausgezeichneten Leistungen mitunter beträchtliche Summen an Preisgeld erhalten, werden Designer kräftig zu Kasse gebeten. Eine Perversion, wie sie in dieser Ausprägung nur in der Designwirtschaft vorkommt.

Je mehr ausgezeichnet wird, desto weniger ragt heraus

Die Preisträgerschwemme führt zu dem Dilemma, dass wirklich herausragende Produkte, Konzepte und Designs in der Flut an Preisträgern schlichtweg unter gehen. Das Ziel eines Designpreises, Exzellenz sichtbar zu machen, wird bei Geschäftsmodellwettbewerben in der Regel verfehlt. Allein der Red Dot Award wurde im vergangenen Jahr 2.037 mal vergeben. Es ist dies tatsächlich die Zahl der Preisträger, nicht die der Einreichungen. 569 mal wurde der rote Punkt in der Sparte Communication Design vergeben, 228 mal in der Sparte Design Concept und 1.240 mal in der Sparte Product Design. Bei 4.928 Einreichungen in letztgenannter Sparte bedeutet dies eine Auszeichnungsquote von 25%. Beim iF Award liegt diese Quote sogar bei bis zu 37%.

Dass ein Award, der derart oft vergeben wird, kaum Strahlkraft entfalten kann, versteht sich von selbst. Das Ergebnis ist ein Designpreis, dessen Aussagewert vergleichbar mit einem Discounter-Bio-Label ist. Konsumenten wissen längst, dass ein solches Label mehr Schein als Sein ist. Mutmaßliche Qualitätssiegel haben sich zu Allerweltszeichen verkehrt, die auf lange Sicht den jeweiligen auslobenden Unternehmen mehr schaden als dass sie von Nutzen wären, zumindest, wenn man neben rein wirtschaftlichen Aspekten auch das Renommee berücksichtigt.

Berechtigte Kritik am früheren Bundesdesignpreis

Die zu hohen Teilnahme- wie auch Auszeichnungsgebühren sind immer wieder Anlass für Kritik aus der Designszene, zu Recht. Als die Berliner Gestalterin Juli Gudehus im Sommer 2006 einen Offenen Brief an den damaligen Wirtschaftsminister Michael Glos verfasste und sie darin Kritik am Designpreis der Bundesrepublik Deutschland übte, war der Zuspruch und die Unterstützung aus der Designszene wie auch von Seiten der Politik so groß, dass dem Rat für Formgebung, dem von je her für die Ausrichtung des Designpreises zuständigen Organ, das Privileg, die offizielle Designsauszeichnung der Bundesrepublik Deutschland ausschreiben zu dürfen, in letzter Konsequenz entzogen wurde.

Unter der Administration Philip Rösler wurde nämlich einige Jahre später die Entscheidung getroffen, die Ausrichtung des Preises erstmalig auszuschreiben. In dem vom Wirtschaftsministerium ausgeschrieben offenen Wettbewerbsverfahren konnte sich schließlich die Berliner Agentur DMY gegen neun andere Bewerber durchsetzen. Das Regelwerk wie auch die Gebührenordnung des Designpreises wurden im Zuge der Neuausrichtung in wesentlichen Zügen reformiert. So konnten Designer und Unternehmen erstmals ihre Produkte und Arbeiten direkt einreichen, anstatt dass diese gewissermaßen per Akklamation in einem intransparenten Verfahren durch den Rat für Formgebung bestimmt wurden. Da in diesem Zuge die Teilnahmegebühr sogar auf 350 Euro angehoben wurde, eine Dotierung über die Nachwuchsdesigner-Kategorie hinaus jedoch nicht vorgenommen wurde und darüber hinaus im ersten Jahr des Wettbewerbs 2012 eine Benennung der Jury-Mitglieder ausblieb, fand der Bundesdesignpreis auch in dieser Konstellation wenig Zuspruch. Auch das war nicht der Staatspreis für Design, den sich so viele Designer erhofften.

Guter Rat ist teuer

Der Rat für Formgebung wiederum lancierte 2011 mit dem „Designpreis Deutschland“ einen eigenen Designwettbewerb, dessen Name jedoch fast zum Gegenstand eines Gerichtsprozesses mit dem BMWi wurde. In gütlicher Einigung wurde vereinbart, um Verwechslungen mit dem Designpreis der Bundesrepublik Deutschland zu vermeiden, dass der Rat den vom ihm ausgerichteten Wettbewerb zukünftig unter der englischen Bezeichnung „German Design Award“ ausrichten werde. Es ist dies der „Premiumpreis für Design“, wie der Award vom Rat beworben wird. An dem seinerzeit von vielen Designern kritisierten intransparenten Prozedere wie auch den hohen Gebühren hält der Rat für Formgebung allerdings noch heute fest. Gleichwohl lobt dieser in einem separaten Wettbewerb einen Preis für Nachwuchsdesigner aus, der mit 25.000 Euro dotiert ist. Bei mehreren Millionen Euro Einnahmen pro Wettbewerb eine Summe, die vergleichsweise überschaubar erscheint.

Der Entzug des Bundesdesignpreises markierte für den Rat, der 1953 auf Antrag der SPD-Fraktion vom Bundestag auf den Weg gebracht wurde, zugleich die Loslösung von der öffentlichen Hand. Seitdem steht dieser vor der Herausforderung, nunmehr stärker denn je den Einflüssen der Privatwirtschaft ausgesetzt, sich selbst finanzieren zu müssen. Weder erhält der Rat für Formgebung heute noch Gelder vom Bund, noch von der Stadt Frankfurt, wie er sie für viele Jahre bezog. Die Durchführung von Designwettbewerben ist also für das Fortbestehen des Rates von großer Bedeutung. Ähnlich wie andere Unternehmen, die kontinuierlich neue bzw. veränderte Produkte auf den Markt bringen, lanciert der Rat für Formgebung für ein zahlungskräftiges Klientel Wettbewerbe. Als Preisträger des erstmals im vergangenen Jahr ausgeschriebenen German Brand Awards müssen Teilnehmer, so sie sich denn Preisträger nennen wollen, mindestens 3.150 Euro investieren. Bedenkt man, dass der Rat nach wie vor in der Rechtsform einer gemeinnützigen Stiftung fungiert, eine geradezu obszöne Preisansage. Designpreise lohnen sich nur für die Auslober, wie der Designer und Buchautor Prof. Florian Pfeffer die Misere mit den Awards zusammenfasst.

„Wer nicht will, zahlt nix“, wie Erik Spiekermann, eines von zwölf Präsidiumsmitgliedern im Rat für Formgebung, die Logik hinter einem solchen Geschäftsmodell-Wettbewerb auf meine Anfrage hin kommentiert. Wer keine 300 Euro als Teilnahmegebühr aufbringen mag, so Spiekermann weiter, der will auch nicht am Markt erscheinen. Widerspruch! Von nicht wollen kann nämlich keine Rede sein, wie die immer wieder aufflammenden Diskussionen über Designpreise in Fachmedien zeigen. Der Punkt ist, dass sich insbesondere kleine Agenturen und selbstständige Designer einen solchen Preis schlichtweg nicht leisten können und sie deshalb auf die Teilnahme verzichten müssen.

Wettbewerbe wie Red Dot, iF und German Design Award sind lediglich dem Anschein nach für jeden Designer offen. Tatsächlich verhindern die zu hohen Auszeichnungsgebühren einen freien und echten Wettbewerb. Während sich große Agenturen auf diesen Deal – zahl einen Preis und du bekommst deinen Preis – nach wie vor einlassen, schließt ein solches System kleine Unternehmen und Selbstständige in großem Umfang aus. Diese bilden jedoch, und das wissen auch die großen, vielfach mit den Bezahl-Awards ausgezeichneten Agenturen, das Rückgrat der hiesigen Kultur- und Kreativwirtschaft.

„Made in Germany“ ist ohne Design undenkbar

Eine Parallelwelt entsteht, wie es der Designer Daniel Hyngar nennt. Kürzlich für einen solchen German Brand Award nominiert, verfasste er dieser Tage einen Offenen Brief, den er an den Geschäftsführer des Rat für Formgebung Andrej Kupetz richtete. Unumwunden bekannte Hyngar darin, dass er den Preis lieber nicht gewinnen möchte. Eben jene Absurdität ist es, die den Design-Award-Betrieb hierzulande charakterisiert und die ein so schlechtes Bild auf Deutschland als Designstandort wirft. Dabei sollte doch eigentlichen allen klar sein, dass das Gütesiegel „Made in Germany“ ohne herausragendes Design undenkbar wäre.

„Es ist offensichtlich, dass das Thema Designaward in Gänze eine Reform braucht“, wie es Heinrich Paravicini, Geschäftsführer der Agentur Mutabor, auf den Punkt bringt. Es brauche jemanden, der vorangeht, so Paravicini. „Wer wäre da besser geeignet als der Designpreis der Bundesrepublik. Der Preis der weltweiten Design-Exportnation Deutschland. Und dieser Preis muss erhaben sein über Geschäftsmodelle, Winner-Packages und dubiose Jurytätigkeiten. Das Problem: Wenige Jahre nach Reformierung des „Preis der Preise“, wie der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland gerne betitelt wird, wurde er wieder eingestellt. Und so wird der Bundesdesignpreis seit 2015 nicht mehr vergeben. Als Leuchtturm in einem Wirrwarr aus Wettbewerben wäre ein offizieller Designpreis Deutschlands dringender erforderlich denn je.

Bestärkt vom Eindruck, mit seinem Offenen Brief den Finger in die Wunde gelegt zu haben, startete Hyngar vor wenigen Tagen eine Petition, in der er die Wiederaufnahme und eine grundsätzliche Neuausrichtung eines echten Designpreises der Bundesrepublik Deutschland anregt. Eine Petition, die jede Unterstützung verdient. Claudia Siebenweiber, Präsidentin des Berufsverband der Kommunikationsdesigner (BDG), hat die Petition unterschrieben, weil sie sich von einem abermals neujustierten Bundesdesignpreis eine Signalwirkung erhofft, sowohl in Bezug auf den Designstandort Deutschland wie auch hinsichtlich anderer Designwettbewerbe, für die dieser als Vorbild wirken könnte.

Die Petition richtet sich namentlich an Frank Fischer, Leiter des Referat VIA5 Kultur- und Kreativwirtschaft und Ministerialrat im Bundesministerium für Wirtschaft, der für den Bundesdesignpreis zuständig ist. Auf die Gründe für die de facto Einstellung des Preises angesprochen antwortete mir das dortige BMWi-Referat: „Vor dem Hintergrund der Vielzahl an Designpreisen, die sowohl bundesweit als auch auf Länderebene vergeben werden, hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die Designförderung neu ausgerichtet und die Auslobung des Designpreises der Bundesrepublik Deutschland eingestellt.“ Eine Kapitulation also? Mehr als deutlich unterstreicht dieser Rückzug die Vormachtstellung der Geschäftsmodellpreise wie auch die Notwendigkeit eines Bundesdesignpreises, der, wie Paravicini es formuliert, über den Dingen steht. Eben weil es so viele Preise gibt, für die man zahlen muss und die gleichzeitig an Aussagewert verlieren, bedarf es einer Instanz, die den in weiten Teilen pervertierten Design-Award-Betrieb ordnet.

Ein starkes Markenzeichen für mehr Sichtbarkeit von Design

Mit der genannten „Neuausrichtung der Designförderung“ verweist das BMWi auf die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung, die 2007 ins Leben gerufen worden ist. Seitdem sei die Zusammenarbeit mit der Designwirtschaft und den Verbänden intensiviert worden. Der zuletzt im November durchgeführte Kongress „Design.Innovation.Europe“ wie auch der Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten“ wurden hierfür in einer Stellungnahme seitens des BMWi als Beleg angeführt. Seit Anfang des Jahres gibt es in Berlin zudem das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Ungeachtet der durch die Politik angeschobenen, ausdrücklich lobenswerten Initiativen mangelt es allerdings einem Wettbewerb wie dem der „Kultur- und Kreativpiloten“ an Zugkraft. Kreativpiloten – noch nichts davon gehört? Eben. Eine Einschätzung, mit der in keiner Weise die Leistung der jeweils Ausgezeichneten geschmälert werden soll, die jedoch den Ruf nach einer gerade im Ausland wahrnehmbareren Marke Bundesdesignpreis verstärkt. Erkennt das BMWi denn nicht die Chance, die solch eine global sichtbare Marke bietet? Unternehmer und neue Themen ins Rampenlicht zu stellen, wie es das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft als eines der zentralen Ziele formuliert – keine Bühne wäre dafür besser geeignet als ein offizieller Designpreis der Bundesrepublik Deutschland.

Die Bedeutung eines offiziellen Preises für die Wirtschaft ist enorm und lässt sich in harten Zahlen fassen, wie beispielsweise der Computerspielpreis aufzeigt, der seit 2009 verliehen wird. Seit dessen erstmaliger Auslobung 2008 stieg die Anzahl an Unternehmensgründungen innerhalb der Software-Branche sprunghaft an (Abb. unten). Das Signal, das ein so hoch dotierter Preis an die kreativen Spieleentwickler sendet ist klar: seht her, eure Leistung wird belohnt! Durchaus neidvoll blickt man als Designer auf die geradezu irrwitzig anmutende Summe von 470.000 Euro, mit der der Preis dotiert ist. Getragen von den Branchenverbänden BIU e. V. und G.A.M.E. e. V. und dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) geht der Computerspielpreis auf einen Bundestagsantrag aus dem Jahr 2007 zurück. Eine ähnliche Unterstützung seitens der Politik wäre auch für die Designwirtschaft wünschenswert.

Gründungsdynamik in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland 2002-2014 nach Teilmärkten, Quelle: BMWi
Gründungsdynamik in der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland 2002-2014 nach Teilmärkten, Quelle der Ursprungsgrafik: BMWi

Vorbild für andere Designwettbewerbe

Der Computerspielpreis könnte ebenso als Vorbild für einen neujustierten Designpreis der Bundesrepublik Deutschland dienen, zumindest in Bezug auf die finanziellen Rahmenbedingungen, wie die von einigen Bundesländern ausgelobten staatlichen Designpreise: Bayern (dotiert mit 52.000 Euro), Sachsen (dotiert mit 50.000 Euro), Brandenburg (dotiert mit 20.000 Euro), und Saarland (undotiert). Auch die von europäischen Fachmagazinen in Eigenregie ins Leben gerufenen European Design Awards (kurz ED-Awards) seien explizit als positives Beispiel genannt.

Herausragende Produkte und Leistungen in den Bereichen Produkt- und Kommunikationsdesign brauchen einen ebenso herausragenden Preis. Einen fairen und transparenten Preis, von dem alle Seiten partizipieren, nicht nur der Auslober. Einen Preis, den man sich als Designer leisten kann. Einen Preis, der der großen Bedeutung von Design für den Standort Deutschland gerecht wird und der das Qualitätsversprechen „Design made in Germany“ auf internationalem Terrain zu einem vertrauensstiftenden Markenzeichen macht.

Und noch ein Thema, das in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist und insbesondere von politischer Seite Aufmerksamkeit verdient: Die Neuausrichtung eines Designpreis der Bundesrepublik Deutschland sollte man zum Anlass nehmen, das jedenfalls wäre mein Wunsch, die in vielen Fällen unlauteren Teilnahmebedingungen von Designwettbewerben wie auch die zunehmend unfairen Bedingungen von Ausschreibungen/Pitches insbesondere durch behördliche Stellen (dt berichtete) zu reformieren. Hier darf der Bund gerne als Vorbild vorangehen, um die richtigen Signale auch in die Wirtschaft hinein zu senden. Die Bekämpfung unfairer Designwettbewerbe fördert sehr wohl, um damit einer Aussage des Bundeswirtschaftsministeriums entgegen zu treten, die Existenz von Gestaltern, weil nämlich auf diese Weise zum Ausdruck gebracht wird, dass Design eine Leistung ist, die man nicht für lau bekommt. Bedauerlicherweise hatte der Verein „FIDIUS – Faire Designwettbewerbe“ seine Arbeit vor vier Jahren Mangels finanzieller Unterstützung einstellen müssen. Eine Reaktivierung wäre ein Gewinn für jeden Designer, weil FIDIUS die Designwertdebatte wieder beflügeln würde.

Zu einer solchen Debatte trägt unbedingt auch die von Daniel Hyngar verfasste Petition bei. Noch einmal möchte ich dazu einladen, diese zu unterstützen, sie zu unterzeichnen und sie zu teilen.

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Dieser Beitrag hat 61 Kommentare

  1. Chapeau, das ist ein hervorragender Artikel zu einem absurden Thema, danke dafür.

    Eine Korrektur: Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft KKW ist nicht in enger Verbindung zu den Designverbänden. Auch unser Angebot, bei einer Neuausrichtung des Designpreises mit zu helfen, wurde höflich ausgeschlagen. Die KKW ist in meinen Augen nur dazu da, um die Branche zu vermessen, nicht um etwas zu verbessern. Das müssen wir selber tun und das lautstark einfordern. Die Politik hat leider immer noch nicht verstanden, was Design ist und schiebt uns 138.000 Designer daher ratlos von Tisch zu Tisch. Man muss nur in eines unserer Nachbarländer schauen, um zu sehen, wie ein intelligenter Designbegriff das beste aus der Branche rausholt. Ich werde wahllos hoffen.

  2. Preise in dieser Art und Weise zu vergeben, unterstreicht eine Design-Auffassung, der ich mich so nicht anschließen möchte, die Peter Zec in den 90ern so aber formulierte: “Design ist Dekoration”.
    Vielleicht geht es aber auch schon eher in Richtung “Design dient dem Konsum”?
    Die Preise sind auch ein Ausdruck dessen, wie Laien Design deuten; nämlich als stylisches Zugabe zur bloßen Funktion. Design gilt als Synonym zur Kunst, wird ausgeübt von kreativen Freigeistern, die ein Talent dafür haben etwas hübsch zu machen.
    Solange sich an dieser Auffassung nicht etwas ändert, solange Design keine Disziplin wird, wird auch die Akzeptanz eines neuen Preises leider schwer fallen. Die alten Methoden bleiben öffentlichkeitswirksam bestehen, wenn sich damit Geld verdienen lässt. Die Marketing-Abteilung bedankt sich. Oftmals übernimmt sie ja auch das Design und sucht sich eine Agentur, die es ausführt.
    Um noch mal auf einen neuen Preis zurückzukommen: Wenn Design und Wissenschaft vereinbar sind, wenn sich das Ganze und nicht nur die Hülle nach systematischen Kriterien bewerten lässt, diese Darlegung zugänglich wäre, Die “Experten” die entsprechende Ausbildung hätten und unabhängig Objekte auswählen und innerhalb ihres Kontextes korrekt zuordnen könnten (das Ganze nach strengen und vielleicht auch aufwändigen Methoden), dann käme man einen unabhängigen Designpreis schon näher. Eine Art Stiftung Warentest nur fürs Design. Und eine Zielgruppe, die hoffentlich über die kreative Community (gibt es die?) hinausgeht.
    Daran müssen schon mehr Verantwortliche als nur die Preisausschreiber rütteln – das betrifft auch die Designer und deren Hochschulen.

  3. Ein toller und wichtiger Artikel, den ich später nochmals in Ruhe ausführlich lesen werde …

    Bezüglich der Titelierung “Preis der Preise” habe ich noch eine Ergänzung – laut meines Wissens beruht dieser Titel auf der Tatsache, dass für eine Nominierung für den Designpreis der Bundesrepublik Deutschland nur durch eine andere Auszeichnung möglich war. Man konnte sich nicht selbst bewerben sondern musste bereites einen Award in der Tasche haben. So hatte ich das damals vermittelt bekommen – zumindest hatte ich das Regelwerk und die Erklärung auf der Verleihung 2012 so verstanden. Ich empfand das damals als den Gipfel der Absurdität …

  4. Ehrlich gesagt: die Einführung der Förderung von Computerspielen und entsprechende Preisvergaben sind totaler Humbug und scheinbar auf erfolgreiche Lobbyarbeit zurückzuführen. Da ist es tatsächlich beschämend, dass die übrigen Designsparten da nur fassungslos hinstarren können, da wohl so ziemlich jeder andere Designbereich mehr Gewicht und Wichtigkeit hat, als Computerspiele.

    1. 42 % der Deutschen spielen Computerspiele, Tendenz steigend. Unwichtig? Im Übrgen sieht man in vielen Bereich Anlehnung an und Aufgriff von Computerspiel-Ästhetik, sei es im Grafik-Design, Produktdesign, Film etc. Sicherlich ist das eine Verzahnung, die weiter zunehmen wird.

    2. Wer die Gamingbranche (dazu gehören im übrigen auch Mobile und Social Games) scheinbar strikt von der Designbranche zu trennen, hat wohl wenig bis keine Erfahrung mit der Branche über die er urteilt. Ich kann in diesem Zusammenhang nur empfehlen, sich mit Spielen wie “Monument Valley” (iOS/Android) oder “Firewatch” (PC/Mac) auseinanderzusetzen, um nur zwei von vielen Beispielen zu nennen.

      Insbesondere letzteres Spiel ist hier hervorzuheben, wurde das Gesamt-Erscheinungsbild doch vollständig von Olly Moss (https://ollymoss.com), einem Illustrator entworfen, der bis dato keinerlei Erfahrung mit dem Design von Spielen hatte.

      Kein Spiel funktioniert ohne durchdachtes und intuitives Interface- und Menüdesign, das mussten auch große Publisher schon schmerzhaft erfahren, die an eben diesem Punkt gespart hatten.

  5. Kann mich der Aussage von Emmanuel Henné oben nur anschließen. Wozu bitte eine Förderung des Bereichs Computer-Games? Spiele-Programmierer mögen sich selbst ja gerne als »Designer« und ihre Arbeit als in hohem Maße »kreativ« ansehen. Aber das tun die Betreiber von Nagel- und Tattoo-Studios auch.

    Ich (Dipl. Grafikdesigner) boykottiere seit vielen Jahren diese »Bezahl-Preise« und reiche dort schon lange nichts mehr ein. Bei einer Eigeninvestition von bis zu 3.000,- Euro pro Award hätte ich das Gefühl, nicht für meine KREATIV-Leistung ausgezeichnet worden zu sein, sondern für meine GELD-Leistung.

    Vor diesem Hintergrund ist mir auch die Aussage von Herrn Spiekermann ( = ein Designer wolle im Markt nicht präsent sein, wenn er solche Teilnahmegebühren nicht akzeptiert) völlig unbegreiflich. Für mich ist das eine Verhöhnung aller rechtschaffenen Kollegen, die noch einen Rest Berufsehre (und keinen Gummischlauch als Rückgrat) im Leib haben und daher auch nie auf die Idee kämen, sich ihre Design-Auszeichnungen zu erkaufen.

    1. Wenn man doch scheinbar so wenig Ahnung von Ästhetik und Design in Computerspielen hat, warum muss man sich dann dazu äußern? Mag an der geringen Anerkennung liegen, die die »wirklich kreativen Gestalter« in Ihren Augen bekommen.

  6. Bin ich eigentlich der einzige Designer, der auf die Idee gekommen ist, die Gebühren vom Auftraggeber bezahlen zu lassen? Schließlich verdient der mit einem {RedDot|iF|…} ja auch viel Geld. Nur mal als Denkanstoß …

  7. Lieber »Matthias«,

    bitte nehmen Sie es als Computerspiele-Fan nicht allzu persönlich, wenn ich mit dieser Materie nichts am Hut habe. Die Inhalte, die Ästhetik oder gar das Design von Computerspielen interessieren mich wie der sprichwörtliche Sack Reis in China. So gesehen gebe ich Ihnen natürlich vollkommen recht: Ich habe keine Ahnung von der Materie. Mit diesem fragwürdigen Wissensdefizit werde ich wohl weiterleben müssen.

    Aber um die Sinn-haftig- oder -losigkeit von Computerspielen geht es hier auch gar nicht. Ich empfehle: Einfach mal nach oben scrollen und die Artikel-Überschrift lesen! ;-)

    1. Es ging Matthias ja auch nicht um die Sinn-haftig- oder -losigkeit von Computerspielen, sondern darum, Ihnen aufzuzeigen, dass Sie es sich nicht verkneifen konnten, die Sinn-haftig- oder -losigkeit von Designpreisen für Computerspiele sowie die kreative Leistung von Spieleentwicklern vorverurteilend generell in Frage zu stellen und abschätzig zu kommentieren.

      1. Ich gebe dir da Recht “Christian”.

        Desweiteren finde ich, dass jemand der sich so über eine Sparte des Designs äußert die er nicht so schätzt, auch nicht besser ist als Menschen die Design als “Deko” bezeichnen.

        Und ich habe mit Game-Design nichts am Hut. Ich respektiere aber jede Form des Designs oder der Kunst und manche “Welten” die im Game-Design geschaffen werden sind schlichtweg “KUNST”.

  8. Nur ganz kurz als Erläuterung, bzw. Hintergrund meiner Aussage: ich arbeite seit Mitte der 90er Jahre in der Spielebranche, sowohl als Gamedesigner, als auch als Art Director, und unterrichte das Fach “Game Design und Development” sowie “3D Gestaltung” seit Jahren an Hochschulen. Zu meinen Kunden zählen unter anderem Ubisoft, EA, Vivendi.

    Gruss,
    Emmanuel

    1. Was spricht denn gegen „fair ausgerichtete“ Preisvergaben und Förderungen in der Spielebranche? Oder gibt es die Ihrer Meinung nach nicht?

  9. Danke für den Artikel ! Ich glaube die Kreativen sollten kreativ werden! Das Herr Spiekermann sich seinerzeit als Jury den ersten Platz vergibt sagt doch alles aus ! Und die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft des BMWI ist Geldverbrennung mit Behördenstatus..

    1. ” … die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft des BMWI ist Geldverbrennung mit Behördenstatus…”

      Ja, scheint so.

      Spiekermann hingegen überrascht mich ein wenig.
      Hätte mehr über seine Motivation gehört, warum er sagt, dass wer im Markt sein will, für das potenzielle (oder tatsächliche, mer wass es net …) Bekommen von Designpreisen zuvor ordentlich zu löcken hätte.

      Bis dahin kommt es mir mit solchen Aussagen so vor, wie wenn mit diesem Geldfilter, welcher ja eine Zugangsbeschränkung darstellt, eine Kastenbildung bevorzugt wird: Oben die Design-Bramahnen – unten das einfache Designvolk. Und dass das gefälligst so bleibt. Könnt’ ja jeder kommen und einen echten Leistungs-Wettbewerb wollen.

      Gruß
      der Mor

      – der sich selbst auch schon überlegt hat, doch einfach einen eigenen Designpreis herauszugeben. Natürlich sitz’ ich zerschteinmal in der Jury (was meinem fiesen Naturell, über andere bestimmen zu wollen, sehr entgegenkommt) – und dann veranstalte ich als alter Maniker fette, ähm rauschende Parties. Wofür ich ebenfalls ein Faible habe. Natürlich nur von einem Teil des Geldes, das ich für die Teilnahme von den Leuten kassier’. Vom Rest lebe ich dann bis zm nächsten Jahr und brauche keinen Strich Grafik mehr machen. Nicht, das ich nicht gerne grafikern tätentäte, doch in der letzten Zeit wurde es mir immer mehr verleidet. Achims lesenswerter Artikel heute trug leider auch etwas dazu bei, meine Branche wieder einmal zu verwünschen. Aber warum leiden, wenn man selbst auf den Fettaugen der sonst mageren Suppe schwimmen könnte mit ein bisschen Rafinesse? Scheint ja prächtig zu funktionieren. Und ist nicht die dümmste Idee; habe schon dümmere Ideen gesehen …

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