Die Polytechnische Universität Mailand (Politecnico di Milano), 1863 gegründet, erhält im Zuge einer veränderten Kommunikationsstrategie eine neue visuelle Identität. Erstmals überhaupt wird das Erscheinungsbild der Hochschule in einem gesamtheitlichen Corporate Design gebündelt.
Die Politecnico (Abk. „Polimi“) gilt als eine der führenden europäischen Hochschulen für Ingenieurwesen, Architektur und Design. Zu den ehemaligen Professoren gehören unter anderem Ettore Sottsass (Designer) und Gio Ponti (Architekt, Designer). Viele bekannte Architekten, Designer und Ingenieure haben an der Politecnico di Milano studiert, darunter Adriano Olivetti (Ingenieur), Renzo Piano (Architekt), Giovanni Battista Pirelli (Ingenieur) und Massimo Vignelli (Designer).
Die Universität beschäftigt derzeit 2.919 Mitarbeiter (Professoren, Dozenten, Verwaltung); in 12 Fachbereichen sind aktuell knapp 48.000 Studierende eingeschrieben. Seit 2023 ist Donatella Sciuto Rektorin der Politecnico – sie ist die erste weibliche Rektorin der Polytechnischen Universität Mailand. Im Rahmen eines im vergangenen Jahr veröffentlichten Strategiepapiers erklärte Sciuto, die Politecnico müsse „als solider, erkennbarer und verlässlicher Bezugspunkt sowohl in Italien als auch im Ausland zu erkennen sein“.
Vor dem Hintergrund des 160-jährigen Jubiläums, das die Universität im vergangenen Jahr gefeiert hat, wurde in diesem Sommer die Markenkommunikation und Außendarstellung grundlegend erneuert. Mitte Juni wurde die digitale Präsenz aktualisiert und modernisiert – hierzu gehören der Webauftritt der Universität (polimi.it), neun Webauftritte einzelner Institute, ebenso die von der Universität genutzten Social-Media-Kanälen. Zum ersten Mal basieren alle Webauftritte auf dem gleichen Designsystem und der gleichen Informationsarchitektur.
Ebenfalls ein Novum für die Uni in dieser Form: umfangreiche Brand Guidelines (PDF) sollen fortan für ein einheitliches, konsistentes Erscheinungsbild sorgen. Alle Primär- und Sekundärfarben wurden neu definiert. Mit der Manrope (Gent), einer modernen Serifenlosen, legt sich die Universität zudem eine Hausschrift zu, um so auch im Schriftbild für Einheitlichkeit zu sorgen.
„Die Stärke einer Marke liegt in ihrer Konsistenz und ihrer Fähigkeit, ihre Werte bei jeder Interaktion klar zu kommunizieren. Deshalb ist es wichtig, dass jede Person an der Politecnico das Wesen zutiefst versteht“, erklärt Dr. Marcella Logli, Direktorin des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation.
Auch das Logo der Universität wurde überarbeitet, wenngleich nur dezent. Die Bildmarke besteht aus einer grafischen Darstellung einer Gruppe von Philosophen und Wissenschaftlern in lebhafter Diskussion – das von Raffael geschaffene Gemälde “Schule von Athen” zitierend.
Die Darstellung der Personen bleibt, obschon die Abbildungsqualität in kleinen Größen leidet, unverändert, die Anzahl der im Kranz enthaltenen Strichsegmente wurde hingegen verringert. Die Wortmarke „Politecnico Milano 1863“ ist weiterhin zweizeilig in Versalien gesetzt, allerdings schließen die Zeilen nun bündig ab. Die bevorzugte/primäre Darstellungsform der Wort-Bildmarke wurde von vertikal/untereinander auf horizontal/nebeneinander umgestellt, die Primärfarbe zugleich von Schwarz auf Dunkelblau.
Entstanden ist die neue visuelle Identität in Zusammenarbeit mit der Agentur Lundquist (Mailand).
Kommentar
Beibehaltung der historischen Form, oder doch Vereinfachung? Eine Frage, die sich so oft im Zusammenhang mit Logos etablierter Marken stellt. Die historische Politecnico-Bildmarke zu vereinfachen, dazu war man offenbar nicht bereit. Wie sagt man Kuddelmuddel auf Italienisch? Manch Traditionalist wird sagen: gut so! Lediglich der Ring/Kranz, der die Personengruppe umgibt, wurde vereinfacht. Womöglich hätte man darauf dann auch verzichten können.
Die von Lundquist entwickelten Brand Guidelines sind derart umfassend und hochprofessionell aufbereitet, und das damit einhergehende Designsystem ist so klug und ganzheitlich angelegt, dass sicherlich auch die Möglichkeit eines stärkeren Eingriffs am Logo durchgespielt wurde. Denn, wie bereits im Beitragstext angerissen: die Darstellungsqualität der Bildmarke leidet doch stark. Selbst in der hier gezeigten Größe ist nicht mehr als ein Knäuel aus Linien auszumachen.
Viele Universitäten nutzen als Basis für ihr Logo ihr historisches Siegel. Komplexität, das ist soweit bekannt, ist bei einem Logo eher hinderlich. Die Universität Heidelberg beispielsweise macht aus der Not eine Tugend, indem sie das komplexe Liniengeflächt der Bildmarke tiefrot einfärbt, sodass weniger entscheidend ist, ob das Auge nun den unter einem Baldachin sitzenden Apostel Petrus erkennt, welcher darin dargestellt ist, oder etwas anderes. Es ist vielmehr der Siegelstempel-gleiche Duktus als solcher, der der Uni-Heidelberg-Bildmarke Prägnanz und Eigenständigkeit verleiht.
Über eine ähnliche Prägnanz verfügt die Politecnico-Bildmarke nicht, nicht ansatzweise. Eine vereinfachte Linienführung könnte die Darstellungsqualität verbessern. Sicherlich. Die Gefahr besteht, dass bei einer zu starken Vereinfachung der Charakter der Bildmarke und ihr geschichtlicher Bezug verloren gehen. Wie bei der Überarbeitung des Siegels der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) dokumentiert.
In Mailand konnte man sich lediglich zu einem vereinfachten Kranz durchringen, welcher die Gelehrtengruppe umgibt. Während der neue Kranz in Kombination mit dem „Polimi“-Schriftzug gut harmoniert, wirkt dieser in Verbindung mit der Gelehrtengruppe aufdringlich, insbesondere aufgrund der größeren Linienstärke. Die Verringerung der Anzahl der Liniensegmente macht den Kranz/Ring durchlässiger, und das Wissen der Gelehrtengruppe somit gleichwohl zugänglicher, könnte man interpretieren. Die Politecnico di Milano bekennt sich zu den Zielen der EU-Initiative New European Bauhaus, die als zentrale Werte die Verbindung von Nachhaltigkeit, Ästhetik und Inklusivität adressiert. Inklusivität, die Zugänglichkeit von Angeboten, Inhalten und Informationen, ist ein Aspekt, der unter dem Einfluss der digitalen Transformation stark an Bedeutung gewonnen hat (siehe „Corporate Wording: wie Corporate Identity, Corporate Design und die Schreibweise des Markennamens zusammenhängen“)
Das Logo in Summe verkörpere die „Verbindung von Tradition und Fortschritt“, heißt es in den Brand-Guidelines (PDF). Die Guidelines wie auch das darin dokumentiert Designsystem sind in vielerlei Hinsicht außerordentlich, und mehr als nur einen Blick Wert. Auch der neue Webauftritt (polimi.it) ist top. Nach 161 Jahren verfügt die Universität nun über eine visuelle Identität, die ihre Exzellenz und ihr Renommee tatsächlich auch nach Innen wie nach Außen kommuniziert.
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