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PLAIN MILCH – Pseudo-Lifestyle-Slow-Food-Getränk meets Real Humans

Plain Milch

Die Aufmerksamkeit ist der vor gut einem Jahr gestarteten Marke „PLAIN MILCH“ sicher, zumindest für einen kurzen Moment. Zwei Stuttgarter wollen mit hochpreisiger Milch aus Finnland den Getränkemarkt aufmischen. Dank geplant provozierendem Werbespot ist PLAIN MILCH derzeit in aller Munde.

„Mutter“ lautet der Spot, der innerhalb einer Woche auf YouTube immerhin über 300.000 mal angeschaut wurde. Eine Frau stillt in einer artifiziellen Umgebung statuengleich auf einem Sockel sitzend ihr Baby. Wie sich herausstellt ist sie ein humanoider Roboter, ein Milch-und-Still-Automat, der nur funktioniert, wenn dieser mit PLAIN MILCH befüllt wird. Real Humans (arte.tv) lässt grüßen. Völlig zusammenhanglos erscheint am Ende des Spots noch eine Blondine mit Milchbart: „Muh“. Fertig ist der Aufreger.

Aufreger, weil er die Mutter-Kind-Beziehung in Frage zu stellen scheint, diese instrumentalisiert, um Werbung für ein neues Produkt zu machen. Auch wenn es der Spot und der zugehörige Slogan „Mama’s Milch war gestern“ sicherlich suggeriert – PLAIN MILCH ist kein Milchprodukt für Neugeborene. Positioniert wird es als eine Art puristisches Lifestyle-Slow-Food-Getränk in erster Linie für Erwachsene. Die Aufmachung als Dose, ein Verbundstoff namens „LamiCan (lamican.com)“, soll als Alleinstellungsmerkmal dienen.

Auf Focus.de hat man die Idee hinter der Marke bzw. den Spot noch nicht so ganz verstanden, was die Redaktion freilich nicht davon abhalten konnte, einen sinnfreien Artikel zu veröffentlichen. Die beiden Macher hinter PLAIN MILCH, Patrick Schick und Florian Haug, die mit ihrer Idee Anfang 2014 in Stuttgart gestartet sind, dürfte dies kaum kümmern. Als Start-Up freut man sich über jede Publicity, wohl auch die schlechte, und davon gibt es momentan reichlich. „Teurer Scheiß, den niemand braucht…“ schreibt etwa ein Nutzer auf der Facebook-Fanpage von PLAIN MILCH. 1 Liter PLAIN MILCH von „glücklichen Kühen aus dem kalten Finnland“, wie es auf der Website heißt, kosten 4,36 Euro.

Wer auf Erdbeeren im Dezember nicht verzichten kann, seinen Salat nur mit Salz aus dem Himalaya verfeinert und das Eis für seinen Whiskey vom Nordpol einfliegen lässt, wird wohl auch bedenkenlos zu PLAIN MILCH greifen. Konsum ohne nachzudenken. Wir machen es, weil wir es können. Da passt ein Milchprodukt, dessen Energiebilanz alles andere als „klimafreundlich“ sein dürfte, weil es nämlich, um in unsere Supermärkte zu gelangen, 2.000 Kilometer auf Europas Autobahnen zurücklegt, bestens hinein, ebenso das minimalistisch-stylische Gewand, das Premiumanspruch verheißt und trotz allem Aufwand nicht zu kaschieren vermag, dass PLAIN MILCH ein von Grund auf fragwürdiges Produkt ist. Beworben mit Hilfe eines irreführenden Spots, der im Grunde die ganze Naivität hinter dem Konzept zum Ausdruck bringt, Hauptsache man ist im Gespräch.

Abgesehen vom hohen Preis, der für PLAIN MILCH fällig wird, habe ich starke Zweifel, dass man mit einem solchen Produkt die erfreulicherweise immer kritischer werdenden Konsumenten überzeugen kann. Keine Verpackung, wie etwa bei Unverpackt, ist immer noch die beste. Ein solches Produkt, das als „neue Art, Milch zu trinken“ verkauft wird, ist schlichtweg nicht zeitgemäß. Erstklassige, wirklich klimafreundliche, zudem viel günstigere Milch gibts beim regionalen Landwirt.

Für den Spot zeichnet die Werbeagentur Stormingdesign verantwortlich.

Plain Milch

Dieser Beitrag hat 42 Kommentare

  1. Die Milch den Kühen!
    (Hust)

    Ansonsten: Widerspruchsfreie Zustimmung zu Achims Ausführungen.

    Gestaltung und Atmo: ist wie bei Calvin Kleins Just Be, das Model im Abspann ist genau im Kate-Moss-Lookism gekastet. Inzwischen dürfte das lediglich als Retro-Minimalismus durchgehen. Packaging mit Anleihen aus dem Body-Milk-Packaging. Über die nicht nur peinlich-deutlichen Religion-Hints sag ich jetzt mal nix (prä-raffaeletische Kitsch-Gottesmutter mit Kind – und der Typ, der diesen Mutter-Computer bestückt, ist wie ein Orthodoxer gekleidet …, sehr merkwürdig alles).

    Insgesamt etwas für all die Business-Kasper mit Profilneurose. Und für all die Riebesehls in den Meetings (“Mensch Riebesehl, kannst du nicht normal Milch trinken wie andere Leute auch …?). Welche wohl auch Witze toll finden, wie man heutzutage Leute entlässt (‘man stelle ihnen zur Begrüßung im Büro einen schicken ‘Koffee to Go’ hin …’)

  2. “Wer auf Erdbeeren im Dezember nicht verzichten kann,”
    Off Topic: Wenn man sich mal genauer ansieht, wo Erdbeeren im Dezember Saison haben, ist das gar nicht am anderen Ende der Welt, wie beispielsweise bei Mangos oder Bananen:
    https://krautreporter.de/219–das-erdbeer-dilemma

    Die kriegsgebeutelten Menschen in Gaza würden sich vermutlich freuen, wenn mehr Europäer zu Weihnachten mal ein paar Erdbeeren kaufen. Ägypten ist auch nicht viel weiter weg, denen ist im “Arabischen Frühling” fast der komplette Tourismus weg gebrochen. Die “Weihnachtserdbeeren” sind für mich ein klassischer Fall einer stark vereinfachenden Sichtweise in einer komplizierten Welt.

    1. Die “Weihnachtserdbeeren“ sind für mich ein klassischer Fall einer stark vereinfachenden Sichtweise in einer komplizierten Welt.

      Weihnachtserdbeeren stehen ebenso sinnbildlich für eine pervertierte Konsumwelt wie etwa Bio-Kartoffeln aus Afrika oder 5-Euro-Jeans aus China. Natürlich lässt sich dieses Thema nicht mit ein, zwei Halbsätzen abhandeln. Wichtig ist, die Dinge zu hinterfragen, das eigene Kaufverhalten, die Produkte, die Aufmachung von Produkten … anstatt auf eine Werbeidee/-lüge hereinzufallen.
      Mangos oder Bananen wachsen nun einmal nicht in Europa/Deutschland. Das macht sie freilich noch nicht zu Produkten, die man hierzulande bedenkenlos konsumieren sollte. Milch ist hingegen ein Produkt, dass es in unseren Breitengraden in Hülle und Fülle gibt. Zum Import gäbe es eine echte Alternative.

  3. Nach dem überteuerten Mineralwasser Voss auf Norwegen, nun also überteuerte Milch aus Finnland. Man kann mit Werbung ja leider auch für ein Angebot eine Nachfrage schaffen, wo es vorher weder das eine noch das andere gab.

  4. ich muss ehrlich sagen: ich finde den spot saugeil!
    klar kann man sich jetzt über ausbeutung der milchindustrie aufregen und warum zur hölle sollte ich premium milch kaufen?
    aber mein gott! der spot haut allen, die gräser und glückliche kühe und herrn hipp auf der alm sehen wollen mal schön in die fresse.

  5. Das schlimste für mich ist der Deppenapostroph. Es gehört nicht nur gute Gestaltung zu einem guten Produkt … es sollte auch die jeweilige Sprache beachtet werden. Da nützt es nicht, aus dem Englischen zu übersetzen und einfach zu übernehmen.

    Da dreht sich mir alles um. Schon allein deshlab würde ich ein Produkt nicht kaufen. Denn das sagt mir, dass Sorgfalt bei dem Untenehmen wohl keine Rolle spielt.

  6. Leute die diesen Blödsinn gut finden oder gar kaufen, sind genau diejenigen, die sich aufregen, wenn deutschlands Bauern ZU RECHT mit ihrer “fairen Milch” den Discounter-Niedrigstpreis überbieten wollen, um 40 Cent pro Liter für sich zu erhalten. Hier wird trotz der vielleicht “pfiffigen Idee” in die falsche Richtung gesteuert…

  7. Das ganze ist doch ein Epic Fail. Zunächst einmal die Idee selbst, die hinter einer überteuerten Milch steckt, die eine absolut unterirdische Klimabilanz hat. Dann diese irreführende Werbung mit dem Spruch “Mama’s Milch war gestern” – welcher Eindruck soll denn sonst entstehen, wenn nicht der, dass Plain Muttermilch ersetzen soll? Wenn dieser Eindruck sich nicht einstellen soll, sondern ein ganz anderer (welcher sonst, ist mir ein Rätsel), dann ist dieser Spot nichts anderes als ein Fehler. Er mag zwar technisch überzeugen, aber vom Script her und der Idee ist er einfach nur unterirdisch.

    Vermutlich wollten hier die Macher, und auch die dahintersteckende Agentur, etwas völlig absolut -endgeil-neues-yolomäßiges machen, und haben alles verfügbare aus ihren sicherlich so erfahrenen Gehirnen zusammengeklaubt. Was dabei entstanden ist, könnte genauso gut aus einem Horrorkabinett stammen. Der Spost ist für mich in seiner Anmutung einfach nur ekelhaft, widerlich und dümmlich. Genauso wie die Idee, die hinter dem Produkt steckt.

    Aber was solls, den Machern, dem Produkt und auch der Agentur sind die 5 Minuten Internetruhm ja schon sicher.

  8. Wer tatsächlich “einfach” Milch haben möchte, gehe am besten zu nem regionalen Bauern …

    Der Spot hat eine Idee, die provozieren soll, bringt gegen Ende dann nochmals eine andere Story hinzu – wozu? Dass man sieht, dass das Getränk auch ohne künstliche Muttermaschine getrunken werden kann? Ich weiß es nicht … Will ich eigentlich auch gar nicht!

    Ich wünsche den Machern dieses Produkts und dieser Idee den entsprechenden Erfolg – eine hohle Story für ein hohles Produkt. Es muss nicht auch noch Milch durch die halbe Welt gekarrt werden (wobei ich fürchte, dass das längst der Fall ist). Die einzige Innovation die ich erkenne ist die Dose (sofern das eine ist) womit aber gleich mal das Thema Müll wieder die nächste Schwierigkeit mit sich bringt.
    Die Verpackung an sich erinnert mich ein wenig an Parfums aber auch an Energiedrinks – beides eine recht andere Art von Produkt, wobei zu letzterem will man vielleicht eine Alternative sein? Auf jeden Fall alles schön clean, weiß und “designig” – das Design wird es schon richten und den Erfolg bringen. Herzlichen Glückwunsch, nun haben wir wohl endlich auch die Designer Milch! Wer hätte das gedacht? Wer hätte das gebraucht?

  9. Völlig zurecht muss ich allen Vorrednern zustimmen! Die Klimabilanz dürfte furchtbar und die Notwendigkeit für dieses Produkt absurd sein. Die Aufmachung der Dose sticht wohl neben Energy-Drinks auch auf Dosen-Prosecco an, und könnte damit vor allem junge Frauen als Zielgruppe sehen.

    Ich teile leider nicht den Optimismus, dass die Kunden immer kritischer werden und daher so etwas keinen Erfolg haben kann. Es gibt eben dieses Klientel, bei dem sich das schon angesprochene Mineralwasser in die Status-Objekt-Welt einfügen muss. Es wird für solche erfreulich sein, endlich nicht mehr mit den Tetrapaks des niederen Volkes aufwarten zu müssen und den üblichen Ruf der Milch als gesund und naturnah mit edel und lifestyle zu vermengen.

    Gerade das Trashige, Groteske, Brainfucking, dass dieser Spot hat, wird ihm zu seinem Ruhm verhelfen; denn es wirkt weit weg von allem anderen, und somit moderener als modern, der übernächste Trend – so werden es jedenfalls viele sehen und sich davon einlullen lassen.

    Für mich zeigt die Idee nur, dass alle Märkte des Bedarfs längst übersättigt sind. Das für das Wirtschaftswachstum unabdingliche Schaffen neuer Märkte wird somit zunehmend banal und nimmt sinnbefreite, aber dank moderner, ausgetüfftelter Werbung erfolgsversprechende Formen an.

    Auch wenn ich dieser Milch keinerlei Erfolg wünsche, ich befürchte es doch.

    1. Mit Deiner Befürchtung könntest Du leider sehr recht haben. Lass die Werbung ein paar Tage in den Werbeblocks zwischen DSDS, Junglecamp und Berlin Tag und Nacht laufen, dann haben die aufgeweichten Gehirne schon angeschlagen… Arme Welt!

  10. Willkommen im Turbokapitalismus …

    Für die Hedonisten dieser Welt sicher eine tolle Sache, um mal wieder eine Nasenlänge voraus zu sein. Schlecht gemacht ist dieser Spot sicher nicht, die Macher kennen bestimmt das Björk-Video von Chris Cunningham und ein bisschen “Got Milk?” ist am Ende des Spots auch eingeflossen.

    Trotzdem wirkt das alles seltsam überflüssig und, wenn man sich den Kampf der Milchbauern mit den Einkäufern der Discounter in Erinnerung ruft, irgendwie pervers.

    Mir sind noch zwei Dinge aufgefallen: Milchfirma und Agentur sitzen im selben Haus in Leonberg, da scheint es also eine enge Beziehung zu geben. Kann natürlich aus PR-logistische Gründe haben.

    Und der Hinweis “Ungekühlt haltbar” im Shop weist ja auch nicht unbedingt auf eine “naturbelassene” Milch hin, sondern geht schon eher in Richtung H-Milch. Bäh …

Kommentare sind geschlossen.

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