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Obamania bei der ÖVP

Als Partei hat man es nicht leicht mit den digitalen Medien, heutzutage mehr denn je. Es war klar, dass die weltweit auf großes Interesse stoßende Wahlkampagne von Barack Obama Nachahmer finden wird. Dass der Schatten so groß sein wird, den der “Obama-Stil” werfen würde und das Maß der – sagen wir einmal “Anlehnung” – so hoch, dass verwundert dann doch. Die ÖVP, eine der beiden großen Volksparteien Österreichs, hat ihren Internetauftritt runderneuert und vollzieht dabei eine Gratwanderung zwischen Anbiederung an eben diese im amerikanischen Wahlkampf gebräuchlichen stilistischen Mittel und dem Versuch sich zeitgemäß zu präsentieren.

Die (Gestaltungs)Ära Obama

Der neue Webauftritt der ÖVP, wie übrigens auch der Auftritt des Herrn Althaus (d-althaus.de), zeigen eines ganz unverblümt. Wenn es darum geht Wähler über das Internet zu erreichen, gibt es zuweilen keinerlei Scham bewährte Gestaltungsansätze zu kopieren. Bevor man neue Wege geht, schlägt man lieber einen Weg ein, der von anderen bereits erfolgreich beschritten wurde. Die neue Dominanz der Farbe Blau allein, gäbe sicherlich noch keinen Anlass den Machern eine Vorliebe für die Obama-Kampagne zu unterstellen. Es sind dann aber doch zu viele Details, die zeigen, dass beim Relaunch der Blick über den Atlantik eine nicht unwesentliche Rolle gespielt hat: Blattmetapher und Schattenwurf zu beiden Seiten. Glanzlichter und Verläufe, die eine Hochwertigkeit verkörpern. Cyanblautöne, die es ohne Obama wohl kaum bei der ÖVP gegeben hätte. Rot ist die neue Akzentfarbe. Wäre es mit Blick auf Plakate und Anzeigen nicht stringenter auch im Web auf den Gelbgrünton zurückzugreifen? Natürlich ist es legitim die Hausfarbe Rot stärker einzusetzen. Aber auch hier wage ich zu bezweifeln, dass es etwa die horizontal verlaufenden roten Schmucklinien ohne den amtierenden Präsidenten der USA in dieser Form gegeben hätte. Nutzer, die sich weniger mit Design beschäftigen, dürfte der Auftritt vielleicht sogar gefallen, da er scheinbar solide ist. Wer die Websites rund um die Person Barack Obama aber schon einmal angesteuert hat, dem wird die Ähnlichkeit im Design nicht verborgen bleiben.

Internet zuerst

Der konzeptionelle Ansatz erscheint ja durchaus ehrbar: “Wir wollen eine einfache Homepage, die den unterschiedlichen Zielgruppen etwa den Politikinterressierten einen zielgerichteten Zugang zu Informationen bietet”, so Generalsekretär Fritz Kaltenegger bei der Präsentation des neuen Auftritts, die erstmalig exklusiv vor Online-Journalisten und Bloggern Mitte April abgehalten wurde. Auf der begleitenden Seite zum Relaunch heißt es weiter: “Internet zuerst”, womit unterstrichen werden soll, dass zukünftig Onlinemedien “besonders rasch bedient werden”. Die digitalen Medien erfahren hierdurch eine spürbare Aufwertung, zumindest wenn man diesen Worten Glauben schenken darf. Wer sich das etwas abgegriffene Etikett “Web 2.0” anheftet, der muss auf Worte auch Taten folgen lassen. Twittern gehört heute zum Politikerhandwerk. Man sollte sich nur nicht dabei erwischen lassen, dass man eine Agentur mit der Erstellung der Tweets beauftragt hat.

Parteien und das Zauberwort Web 2.0

Die ÖVP versteht unter Web 2.0 offenbar, ein YouTube-, Flickr- und ein Facebook-Kanal reichten aus, und schon würde man die Nutzer mit einbinden, was natürlich naiv gedacht ist. Das Kommentieren der angelegten Artikel ist jedenfalls bei oevp.at nicht möglich. Passt das zusammen? Wie glaubwürdig ist eine Partei, die von “Meilensteinen” im Umgang mit dem Internet spricht aber beim Relaunch außer einem Kontakt-Button dem Nutzer keine Möglichkeit bietet sich einzubringen? YouTube-Kommentare können als “Stimme des Volkes” wohl kaum herhalten. Der vollzogene Schritt zeigt viel mehr, dass Parteien im Allgemeinen, und die ÖVP im Besonderen gerade dabei sind Web 1.0 für sich zu entdecken. Immerhin.

Fazit

Als Partei hat man es wirklich nicht leicht sich im digitalen Zeitalter im Web zu präsentieren. Das Mindeste aber, was man als Nutzer und Politikinteressierter von einer Partei erwarten darf, ist Authentizität. Ein Plagiat als Webauftritt ist sicherlich keine Hilfe, wenn es darum geht ein eigenes Profil zu entwickeln.

  • www.oevp.at
  • ÖVP gibt sich neues Gesicht | derstandard.at

Dieser Beitrag hat 34 Kommentare

  1. Dein Fazit trifft den Nagel auf den Kopf: Aber es ist auch eine sichtbare Bankrotterklärung, daß das aktuelle, politische Spitzenpersonal oft überfordert ist und daher lieber kopiert anstatt mit Augenmaß und Charakter ein eigenes Profil, eine eigene Indentität zu entwickeln und zu schärfen. Die Wahlbeteiligungen und die entsprechenden Wahlergebnisse sind ja das Ergebniss dieses weichgewaschenen, “wir-wollen-es-allen-recht-machen” me-2-Konzepts.

  2. Sieht wirklich klasse im Safari aus. Einfach nur peinlich, diese Nachahmung und damit verbundene Hoffnung “Hey, wenn Obama damit Erfolg hat.. dann mach das machen wir das auch so.” Erzwungen 2.0 …

  3. Interessant, der obere Teil mit Headerbild und Navi sieht eher übersichtlich aus, außer dass das Menü sehr klein ist. Das Logo wirkt verloren (fast deplatziert). Im oberen Teil wird wiel Raum verschenkt zwischen Menüleisten und Bild. Der Begriff “Top-Stories” klingt nach eher nach Soap, als nach Politik. Wenn man dann nach unten scrollt, wird die Seite wirr und kleinteilig.
    Das dunkle Blau (jaja, Blau wirkt seriös) wirkt auf mich eher bedrohlich und undurchsichtig. Außerdem hat die Seite eher einen schweren, strengen und ernsten Charakter – wenn eine Partei gewählt werden will, sollte sie doch Offenheit zeigen und Übersichtlichkeit in ihren Inhalten.
    Das vorhergehende Layout war zwar auch sehr Textlastig und vollgestopft mit Infos, jedoch in der Gesamtwirkung freundlicher.
    Schade, dass soviele auf diesen Obama-Corporate-Zug aufspringen – meiner Ansicht nach ist das nur peinlich. Das Junge Ensemble Stuttgart, kurz JES, wirbt zur Zeit zum Beispiel auf Plakaten mit dem Slogan “JES, WE CAN!”.

  4. Man könnte es auch so sehen: Die ÖVP hat nicht bei Obama dreist geklaut, sondern bei der FPÖ, die bei Obama dreist geklaut hat. Schon bei solchen realpolitisch eher unwichtigen Dingen wird klar, wo die Politik in Österreich (und wohl auch in Deutschland) moralisch steht.

  5. Optisch betrachtet hast Du mit Deiner Analyse recht. Wenn es aber ums Inhaltliche geht, dann muss man schon differenzieren und beachten, dass es in der Politik schwierig genug ist, die Zukunft vorherzusagen und dass man daher schnell auf Modelle zurückgreift, die schon als “best practice” gelten. Daher erstaunt es mich nicht, dass so viele Seiten auch auf den Stil von Barack Obama zurückgreifen, der ja anerkanntermaßen mit seinen Online-Maßnahmen im Wahlkampf einen “benchmark” gesetzt hat. Best practice pur in der heutigen Zeit.

    Da bin ich als Internetnutzer froh, dass das politische Angebot langsam aber sicher auch an das viel zitierte Web 2.0 herangeführt wird. Wobei ich es erstaunlich finde, dass zu dem Promotionvideo der Althaus-Seite auf Youtube grandiose 6 Kommentare abgegeben wurden. Das Interesse scheint da wohl nicht allzu groß zu sein…

    Aber wie gesagt, einen guten Internetauftritt kann man sicherlich auch mit anderen Farben und Stilmitteln im ursprünglichen CD super verkaufen, ohne, dass jetzt jeder auf das Vertrauen erweckende Dunkelblau setzen muss.

  6. @Michael: Sehr lustige Geschichte mit dem FPÖ-Plagiat! Habe selten eine lächerlichere Image-Seite gesehen, als die vom Strache (https://www.hcstrache.at/). Mit einem Rap zum Runterladen als Klingelton und einem Comic von ihm im Supermankostüm… Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.

  7. Öhm, habt ihr mal in diesem “Top Stories”-Bereich die Bilder durchgeklickt? Mich fragt Firefox dabei jedes Mal, ob ich “das Passwort speichern” möchte. Sehr strange, denn ich habe natürlich nirgends ein Passwort oder _irgendwas_ eingegeben.

  8. Nun, man kann nicht sagen, dass es handwerklich schlecht ist. Mir persönlich ist einen Tick zu viel Blau-in-Blau und zu viel Glow-Effekt. Ansonsten muss man sich nicht verstecken. Über das Abkupfern kann man unterschiedlicher Meinung sein. Deutlich wird halt nur wieder einmal eine Maxime, deren wir in der Werbebranche uns auch nur zu gerne unterwerfen: was einmal funktioniert hat, funktionert auch ein zweites und drittes Mal. Oder anders gesagt: Warum das Rad neu erfinden, wenn es jemand anders schon zum Rollen gebracht hat. Ähnliches war ja auch in der jüngeren Vergangenheit bei den Nachrichtenportalen zu erleben, wo sich die Zweispaltigkeit mit der horizontalen Navigation mit Dropdowns zum Quasi-Standard entwickelt hat. Und grundsätzlich ist doch nichts Verwerfliches daran, eine gute Idee zu adaptieren – solange man sie nicht blindlinks 1 zu 1 kopiert, sondern bei aller “Fremdinspiration” seine Eigenständigkeit behält. Und ich denke, die ÖVP hat das geschafft.

    Jetz mal noch eine Anregung: Auch die deutschen Volksparteien von links bis rechts haben in der letzten Zeit ihre Webauftritte überarbeitet bzw. teilweise gerelauncht. Über einige wurde hier bereits berichtet (SPD), über andere noch nicht (z.B. B90/Grüne). Was würdet Ihr – und vor allem Du, Achim – denn angesichts der bevorstehenden Europa- und Bundestagswahl denn davon halten, die Auftritte der fünf großen mal einem Vergleich aus gestalterischer Sicht zu unterziehen? Man könnte dabei auf die Web 2.0-Affinität ebenso eingehen wie auf die Darstellung des eigenen Partei-Profils und natürlich auf die Gestaltung allgemein. Was haltet Ihr davon? Ich stelle das hier mal so zur Diskussion.

  9. Das Video ist an Peinlichkeit kaum zu übertreffen. Das meinen die nicht Ernst, oder?
    Kompliziert aussehende Screens und blinkende Server. Wow, das muss das 22. Jahrhundert sein!

    »100% Eigenproduktion / Mark ÖVP«
    – Wie sehr Eigenproduktion das ist, hast Du ja schon oben erläutert

    »mehr als 27.500 Zeilen Quellcode«
    – Witzigerweise ist bei der Webprogrammierung viel Code eigentlich ein schlechtes Zeichen.
    Wenig Code ist übersichtlicher. Abgesehen davon sind 27.500 Zeilen nun auch nicht die Welt,
    wahrscheinlich wird sogar jede HTML-Seite als Quellcode mitgerechnet.

    »Informationen, Berichte, Fotos, Videos«
    – Wahnsinn! Sowas gab es noch nie auf einer Website. Das Internet neu erfunden!

    Aber zur Website:
    Wie schon von jemandem erwähnt gibt es auf Safari einige Fehler, z.B. einen weissen vertikalen Balken rechts neben Logo und Head. Dafür gibt es beim Firefox eine weisse 1px-Linie auf der rechten Seite. Und der komplette Login-Bereich ist bei mir ein weisses Rechteck.

    Der Header wirkt vollkommen unausgeglichen. Durch zu viel blau in blau zerfallen die Elemente und finden keinen richtigen Halt. Das ÖVP-Logo klemmt oben recht und hat keinen Raum zum Atmen. Die Topnavi hat eine viel zu kleine Schirift, welche auch noch aus Grafiken besteht. Die Pulldown-Hintergründe hätten einen Tick mehr Deckungskraft benötigt, damit man die Untermenü-Punkte ohne Probleme lesen kann. Aus einem mir unerfindlichen Grund ist der TopStory-Block noch einmal von blauen Flächen eingerahmt. Hier wäre es sicher besser gewesen, die volle Höhe von Unterkante Topnavi bis Oberkante »Medienservice …«-Navi voll auszunutzen.

    Der Contentbereich ist einigermassen solide. Bei der Zeitanzeige des Flash-Videoplayers wurde vergessen, die Schrift einzubetten, weswegen sie ausfranst.

    Die Innenseiten gefallen mir von Aufbau besser (z.B. JOSEF PRÖLL). Hier wirkt der Header viel geschlossener, wenn auch immer noch sehr blau in blau.

    Alles in allem denke ich, dass die ÖVP besser beraten gewesen wäre, etwas wirklich Eigenständiges entwickeln zu lassen. Denn es ist zu befürchten, dass noch weitere Parteien sich der Obamania anschliessen und bald viele Seiten im Obama-blau erscheinen. können.

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