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New York City Oper bringt es auf den Punkt

New York City Opera Logo
New York City Opera Logo

New York City Opera Logo

Vor zwei Tagen wurde hier das neue Design der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg vorgestellt. Der musikalische Ausflug führt uns heute über den Atlantik. Die New York City Oper hat sich eine neues Erscheinungsbild verpasst und wirft damit erneut die Frage auf: Kann ein Kreis ein Logo sein?

Für das neue Corporate Design der New York City Oper zeichnet 2×4 verantwortlich. Deren Kreativdirektorin Susan Sellers sagte bei der Vorstellung des neuen Designs: “Opera deals with darkness and schizophrenia, and in a time when we’ve been so deluded, that directness is reassuring.” Nach Ansicht der betreuenden Agentur verkörpert die neue Bildmarke und das Design: “inclusiveness, enduring presence and powerful modernity”.

New York City Opera Logo

Das neue Logo des Nachrichtensenders Euronews sorgte vor gut einem Jahr in diesem Blog für eine spannende Diskussion. Ist ein simpler Kreis den komplexen Aufgaben gewachsen, die ein Design im Rahmen einer visuellen Identität erbringen muss? Ist die schwarze Kreisfläche nun die auf den Punkt gebrachte Essenz des Ganzen oder verliert sich dieses dunkle Etwas in der Beliebigkeit? Wenn, wie in diesem Fall, das Hereininterpretieren esotherische Züge annimmt, habe ich Probleme dies als Design zu erkennen. Dann bewegen wir uns im Umfeld der Kunst. Design aber soll und muss auch selbstsprechend sein. Ein mit schwarzer Farbe gefüllter Kreis ist das genaue Gegenteil.

Kasimir Malewitsch Schwarzer Kreis

Beim neuen Design der New York City Oper wird mehr als deutlich, dass sich die Kreativen bei Kasimir Malewitsch frech bedient haben. Nicht nur der schwarze Kreis selbst, sondern auch die damit verbundenen Schlagworte – das Absolute, die Leere, die totale Abgründigkeit – wurden kurzerhand übernommen. Wer also von einer kreativen Leistung spricht, sollte vielmehr über den Maler der Russischen Avantgarde sprechen und nicht über eine Agentur aus New York City.

Genug zum farblosen Kreis. Wie sieht es denn mit der neuen Schrift aus? Ist die Typografie so einzigartig, dass eine Verwechslung ausgeschlossen werden kann oder zumindest unwahrscheinlich ist? Fette Groteskschriften mit engem Zeilenabstand liegen im Trend. Gerade die Helvetica erlebte so in den letzten Monaten/Jahren eine Renaissance. Aber was ist das für eine Schrift, die hier zum Einsatz kommt? Es ist ein neuer Font namens “Gerard”. Namensgebend ist der im Januar durch George Steel abgelöste ehemalige Direktor des Opernhauses Gerard Mortier. Ein Corporate Font als Reminiszenz. Schöne Idee. Aber ist sie in der Lage, ein Fehlen von Originalität in der Bildmarke zu kompensieren? Ich denke ja. Die neue Designlinie wird ganz wesentlich von der Typografie bestimmt. Man schaue sich nur die frisch relaunchte Website an. Zwischen all den animierten und in sIFR angelegten Großbuchstaben fällt kaum auf, dass das Logo außer im Favicon gar nicht in Erscheinung tritt. Von “nachhaltiger Präsenz” also keine Spur.

New York City Opera

Man hätte auch gut auf dieses Alibi von einem Logo verzichten können, vielleicht sogar müssen. Eventuell verspricht man sich von der Neubesetzung des Malewitsch’en schwarzen Kreises und seinen im Suprematismus verankerten Ideen eine höhere Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit ist ihnen gewiss. Der Kunstraub ist entdeckt.

Dieser Beitrag hat 43 Kommentare

  1. Erinnert mich an “Die Schatzinsel”. Muss man, wenn man eine Eintrittkarte in der Hand hält, Angst haben, tot umzufallen?

    Die Typo ist ziemlich heftig – im positiven Sinne. Naja, irgendwie muss die Schrift ja gegen dieses große runde Ding ankommen. Wobei das “Logo” nur als Favicon und im Mediaplayer auf der Internetseite verwendet wird.

    Ist der Kreis vom ehemaligen C abgeleitet?

  2. das logo ansich gefällt mir eher weniger. ich finde den kreis irgendwie zu “wuchtig”. die homepage hingegend finde ich sehr ansprechend. ich habe zwar keine ahnung ob die ny-oper geld sparen muss, aber mit ihrem s/w konzept tun sie es auf jedenfall bei den printmedien.

  3. Die neue Seite ist klasse, liegt genau im reduzierten “Presse-Trend” 2009-2010. Die Idee mit dem Logo in Bezug auf die Aussage, “Opera deals with darkness and schizophrenia …” finde ich gut – allerdings mag ich auch den sehr reduzierten Stil.

    Ob man einen schwarzen Kreis für sich beanspruchen kann (bezgl. Kasimir Malewitsch) ist so eine Frage, ebenfalls ob dieses Symbol als Bildmarke ausreicht. Beim dem Bekanntheitsgrad der NY-Oper vielleicht schon. Die Aussage des Künstlers zu adaptieren ist natürlich nicht so gut, aber anscheinend hat es eben genau gepasst.

    Das Ergebnis überzeugt in jedem Fall.

    Grüße
    Till

  4. “Creative Direktorin”?! Puh-leeeze! Also entweder “Creative Director” stehen lassen (im Englischen ist das die korrekte weibliche Form), oder “Kreativdirektorin” draus machen. Aber so sieht das nach “gezwungen offensichtlich politisch korrekt” aus.

  5. Also ich finde das toll. Das sind Verkaufstalente, die von 2×4! Ich habe mal in meine Glaskugel geschaut und ihren nächsten Streich gefunden.

    Nach dem schwarzen Loch folgt dann das (unsichtbare) Bermuda Dreieck, im Folgenden zu sehen:

  6. Zugegeben ein Kreis trägt als Symbol weit mehr Bedeutungen in sich als jede andere denkbare Form. Diese brauchen an dieser Stelle gar nicht erwähnt werden, denn allen ist es bewusst. Disqualifiziert jedoch diese Tatsache den Kreis oder hier viel mehr den Punkt als grundlegende Form für eine Marke? Ich denke nicht, denn im Angesicht der Geometrie steht ein Kreis auf der gleichen Stufe wie Quadrat, Dreieck oder andere elementare Formen.

    Elementare Formen wurden nicht nur von Bauhaus propagiert, sondern erfüllten auch ihre Funktionen im Suprematismus Malewitsch’s, Futurismus, Kubismus und weiteren Kunstrichtungen, die sich der Abstraktion verschrieben hatten.

    Doch worum geht es bei Corporate Identity? Oder was für eine Wirkung strebt eine Bild- oder Wortmarke an? Übereinstimmend könnten wir doch behaupten, dass es dabei genau um eben diese Abstraktion geht.

    Jan Tschihold, den wir hoffentlich alle als einen der wichtigsten Begründer der Neuen Sachlichkeit kennen, bezieht sich in seinen Schriften auf eben diese metaphysische und kaum fassbare Kraft der Abstraktion, die mehr sagt als Tausend Worte. Ihm nach wirkt Design auf einer abstrakten Ebene und kommt im besten Fall ohne Symbolismen aus. Es braucht also keine Vermittlung durch die Vernunft, die sich um die Übersetzung der abgebildeten Inhalte kümmern muss. Es muss bloß nur sich selbst bedeuten und die Art und Weise wie es dies tut ist entscheidend.

    Einfachheit ist das, was wir heute mehr brauchen denn je. Und was gibt es einfacheres als einen schwarzen Kreis, das Schwarze Loch, die Sonne, die Bühne, den offenen Mund eines Sängers, das “O”, die Mitte, die Erde etc.. Kultur wirkt durch Gefühl und ist nicht greifbar, und genau das macht die Faszination aus, die von dieser ausgeht.

    Deswegen auch Malewitsch.

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