Neues visuelles Erscheinungsbild: das Thalia Theater wird bunter, diverser
Das Thalia Theater in Hamburg befindet sich inmitten einer Phase des Wandels und der Erneuerung. Unter der neuen künstlerischen Leitung – zur Spielzeit 2025/26 übernimmt Sonja Anders die Intendanz – positioniert sich das Theater stärker als politischer Ort für gesellschaftliche Debatten und setzt auf Diversität in Regie und Autorenschaft. Im Visuellen wird der Neustart durch ein neues Corporate Design unterstrichen.
Das Thalia Theater ist eines der drei staatlichen Sprechtheater in Hamburg. 1843 gegründet, zählt es heute zu den renommiertesten Bühnen Deutschlands. Erstmals in seiner 182-jährigen Geschichte wird das Thalia Theater nun von einer Frau geleitet. Sonja Anders, die neue Intendantin, bringt ein neues künstlerisches Leitungsteam mit, bestehend aus der Chefdramaturgin Nora Khuon und der Regisseurin Anne Lenk.
„Das Thalia Theater wird sich in vieler Hinsicht verwandeln“, wie es seitens des Theaters anlässlich der Vorstellung der neuen Spielzeit heißt. Programmatisch setzt man auf eine Mischung aus Kontinuität und Innovation, mit einem klaren Fokus auf Diversität, gesellschaftspolitische Themen und künstlerische Experimente. Auch das visuelle Erscheinungsbild vollzieht einen Wandel.
Auszug der Pressemeldung
„Gerade jetzt, in einer Zeit des Falschsprechens, der Angstmacherei und Abgrenzungsreflexe, ist der direkte Kontakt zwischen Menschen elementar. Wir brauchen den Austausch unterschiedlicher Perspektiven auf unsere Welt und unser Miteinander, brauchen Gegenerzählungen, die sich auf die Würde des Menschen berufen, die zu Achtung und Toleranz anregen. All dies müssen und wollen wir als offener Ort der Kunst und Diskussion leisten“, so Intendantin Anders.

Das Thalia Theater wird bunter, diverser – wortwörtlich. Farben nehmen fortan mehr Raum in Anspruch, und dienen im neuen visuellen Erscheinungsbild vermehrt als vollflächiges Gestaltungselement. Während unter der Intendanz von Joachim Lux (2009–2025) Schwarz bestimmend ist und bunte Farben eher akzentuierend wirken, präsentiert sich das Thalia Theater fortan farblich plakativ, offensiv, auch expressiv..
Von Pro Quote Bühne, einem Verein Theaterschaffender, der sich für eine „paritätische, diverse und inklusive Besetzung im Theater stark macht“, so die Eigenbeschreibung, wurde Lux dafür kritisiert, dass während seiner gesamten Amtszeit, insbesondere in der letzten Spielzeit, fast ausnahmslos Männer Regie führten. Vor diesem Hintergrund kann das neue Erscheinungsbild auch als politisches Statement verstanden werden – soll es auch, wie es anhand der vom Theater veröffentlichten aktuellen Medien und Pressemeldungen abzulesen ist.
Entgegen des für Schauspielhäuser oftmals geltenden Musters, wonach mit dem Beginn einer Intendanz ein von Grund auf verändertes Corporate Design und Logo Einzug halten, bezieht sich das neue Logo unmittelbar auf frühere Logos des Theaters, beschreibt das neue Logo eine Weiterentwicklung. Eine Anlehnung an das Gendersternchen ist dabei unverkennbar. Zumindest gestattet das neue Zeichen eine solche Lesart.

Im Gegensatz zum Asterisk-Schriftzeichen, das im Kontext Gendering im Sprachlichen verwendet wird, hat das neu geschaffene Zeichen jedoch nicht fünf Zacken, sondern sieben – zudem stellen diese weniger eckige Zacken dar, als vielmehr abgerundete, strahlenartige Linien.
Da die untere vertikale Linie innerhalb der Sternform fehlt, entsteht ein Freiraum. Erst durch Auslassung dieser Linie und Schaffung des Freiraums kann das Zeichen auch als eine Art vereinfachte menschliche Figur gelesen und angesehen werden – mit Beinen, die im 90-Grad-Winkel gespreizt sind. Eine Figur, die Standfestigkeit vermittelt, ohne dabei statisch zu wirken. Gleichsam ein Zeichen, das Offenheit signalisiert, und eine lebensbejahende Botschaft transportiert, ähnlich einer grafischen Sonnendarstellung. Auch die Schriftzeichen, mit denen im neuen Logo der Name „THALIA“ gesetzt ist, sind abgerundet (ähnlich der VAG Rounded).
Für die Gestaltung des Logos und des visuellen Erscheinungsbildes zeichnet der Designer Johannes Erler verantwortlich. Bereits das unter der Intendanz von Ulrich Khuon in den Jahren 2000–2009 vom Theater verwendete Logo hatte Erler entworfen. Im aktuellen Theater-Magazin (PDF) erläutert der im Hamburg lebende Designer Hintergründe zu beiden Zeichen, die Idee zum alten und die zur weiterentwickelten Form.
Erste Anwendungen, etwa das Spielzeitheft und ein Magazin, wurden bereits realisiert und veröffentlicht. Ein Ausblick auf das neue Thalia Theater findet sich im Web zudem unter neu.thalia-theater.de.
Mediengalerie
- Thalia Theater Logo – vorher und nachher, Bildquelle: Thalia Theater, Bildmontage: dt
- Thalia Theater Logo, Quelle: Thalia Theater
- Thalia Theater, Magazin, Quelle: Thalia Theater
- Thalia Theater Logo, Quelle: Thalia Theater
- Thalia Theater Logo, Quelle: Thalia Theater
- Thalia Theater Logo, Quelle: Thalia Theater, Facebook
- Thalia Theater Logo, Quelle: Thalia Theater, Facebook
Weiterführende Links
Persönlich finde ich den Trend vieler Theater wenig ansprechend. Viel Brutalismus, oft ein Schlag ins Gesicht. Auffällig, aber unangenehm.
Vergleiche Tiroler Landestheater, Schauspiel Leipzig, Staatstheater Leipzig, Volkstheater Wien, Bayrische Staatsoper und viele mehr.
Schwarz auf weiß, riesige abgehackte Titel, Webdesign wie zu Zeiten von Frames: Alles nicht gefällig fürs Auge, eine kalte Ästhetik.
Soweit, so allgemein. Und konkret zum neuen Design des Thalia Theaters?
Ich persönlich bin enttäuscht vom neuen Logo und der Designsprache. Ich verstehe die Intentionen und Beschreibungen, die es ausdrücken soll. Ich finde Vielfalt und Zugänglichkeit extrem wichtig. Und trotzdem wirkt es, als hätte man diese Attribute so banal wie möglich umgesetzt und im Nachhinein mit viel Pathos aufgeladen. Viele dieser Zuschreibungen, die auch hier im Text Erwähnung finden, kann ich schlicht nicht nachvollziehen (es ist keine menschliche Figur, beim besten Willen nicht). Ich finde das Thalia-Theater rutscht mit diesem neuen Logo visuell in die Beliebigkeit. Es sind keine Brüche, keine Konflikte erkennbar, keine Kanten und Ecken. Das Logo und Design will um jeden Preis und ohne Tiefe gefallen. Das ist, jedenfalls meiner Auffassung nach, nicht, was ein Theater sein sollte. Ich hätte mir gewünscht, dass die Themen von Vielfalt, Gleichberechtigung, Offenheit mit mehr Mut umgesetzt werden und nicht mit großen farbigen Flächen und profillose Rundungen.
Das alte Logo war als stilisierte Person zu erkennen. Aber inwiefern soll ein siebenzackiger Stern als menschliche Figur erkennbar sein? Dass unten ein Freiraum ist reicht da wohl kaum aus.
Ich sehe …
Vitruvianischer Mensch, Leonardo da Vinci | Visualisierung Bewegung, erstellt von A. Schaffrinna, auch unter Verwendung von KI-Werkzeugen (Perplexity, Flux)
Das 2000er-Logo hat viel Deutungsspielraum in seiner Gestaltung: ein Bühnenvorhang, ein Mensch (mit beiden Beinen auf den Theaterbrettern), zwei T für Thalia Theater… Die “gekappten” Enden des Sterns haben Charakter und könnten als Asteriks genutzt werden.
Das neue Stern/Mensch-Gebilde ist wirklich beliebig (ähnlich wie zuletzt gesehen bei Barmenia Gothaer). Optisch stört mich, das es nach links verschoben ist, um H und I zu treffen, so unausgewogen. Die Schriftart (Arial Rounded Extra Bold?) ist für vieles verwendbar…
Erstaunlich, dass alle drei Logos vom gleichen Designer, Johannes Erler, stammen.
Möchte noch dem Kommentar von Chris voll zustimmen :)
Für das 2009er-Design/Logo zeichnet Bureau Borsche verantwortlich, nicht Erler.
Die Schrift ist zudem nicht die Arial Rounded.
“Bereits das unter der Intendanz von Ulrich Khuon in den Jahren 2000–2009 vom Theater verwendete Logo hatte Erler entworfen.”
Pardon, das hatte ich nicht richtig gelesen.
Die Schriftart sieht für mich der Arial Rounded Extra Bold sehr ähnlich, mit Ausnahme des kürzeren Arms bei T und L (A und I sind ein fast perfekter Match).
Anmerkung: Ich habe vor fünf Jahren eine Umschulung zur Mediengestalterin Digital und Print absolviert, war aber nie als solche tätig. Damit das gelernte Wissen nicht gänzlich verloren geht, gestalte ich mit Inkscape & Co im Hobbykeller weiter. Und lese dt. I love it.
Ich mochte das vorherige Design von Mirko Borsche immer unfassbar gerne. Die typografischen Plakate waren seinerzeit immer ein Hingucker. Das neue CD gefällt mir auch ganz gut, nur irgendwie fehlt mir noch etwas, was ich noch nicht ganz fassen kann. Möglicherweise verschwindet dieses Gefühl aber wieder, sobald es mehr Anwendungen gibt.
Wie die vormals zwei Elemente (Stern + Balken-Konstrukt) zu einem einzigen Signet vereint wurden und trotzdem beides widerspiegelt, finde ich pfiffig gelöst.
Das Layout der Broschüre bzw. des Magazins finde ich dann doch etwas zu uninspiriert. Der fast fehlende Zeilenabstand im Fließtext macht das Lesen sehr ermüdend. Auch die fehlende (typo)grafische Hilfe der Lesbarkeit im Programm (Seite 4-5) hilft der Übersicht nicht wirklich.
Ich sehe eher ein Hausdach, von dessen First Strahlen ausgehen. Auch das natürlich passend für ein Theater. Eine Person mit gespreizten Beinen? Empfinde ich als eher problematisch … Eine Frau? Das weckt schnell anzügliche Assoziationen. Ein Mann? Das könnte man als “Manspreading” lesen, was ja gerade im feministischen Kontext angeprangert wird.
Aber deuten kann man vieles … als misslungen empfinde ich es wegen der absoluten Spannungslosigkeit der verwendeten Grundform (abgerundete Linie), ohne jegliche Kontraste oder Überraschung. Schlicht langweilig. Aber das passt ja in den Trend der Rückkehr zu öden, generischen Helvetica/Futura-Verschnitten (“Font nicht gefunden”, denke ich da immer).
“VAG Rounded? echt jetzt? …” war mein erster Gedanke bei diesem Entwurf. Die Schrift ist mindestens seit der Jahrtausendwende völlig abgenutzt und steht für Langeweile, Risikovermeidung und Spießigkeit. Da hat sich in meiner Empfindung auch nichts dran geändert; auch hier gelingt es nicht, diese altbackene Schrift irgendwie neu mit Spannung aufzuladen. (Ich weiß nicht, welcher Font es genau ist, aber die Ähnlichkeit ist mehr als hinreichend.)
Was dieses Logo mir am allerwenigsten vermittelt, ist Vielfalt oder Diversität. Für einen proklamierten “Wandel” hätte ich entschieden mehr Mut erwartet.