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Neues Erscheinungsbild für das Staatstheater Mainz. Zwischen Military-Look und Markensportschuh.

Das Staatstheater Mainz hat zur neuen Spielzeit 2014/2015 ein neues Erscheinungsbild erhalten. In jeder der fünf Sparten Oper, Schauspiel, Tanz, Kinder- und Jugendtheater sowie Konzert möchte man „möglichst Spitze werden“, wie es der neue Intendant Markus Müller formuliert und damit gleichzeitig die Entscheidung für das neue Logo des Hauses begründet, einem von einem Ring eingeschlossen fünfzackigen Stern.

Neben Müller wechselten zum 01. August auch viele Künstler und Regisseure zum Mainzer Staatstheater. Neue Gesichter, ein neues Konzept und ein neues Erscheinungsbild – so wird am 2. Oktober die Spielzeit 2014/2015 öffnet werden. Bereits heute schon vermittelt die Gestaltung des Erscheinungsbildes einen Eindruck von Müllers Ideen. Ideen, die der neue Logostern in keinster Weise transportiert.

Im Spielzeitheft 2014/2015 (PDF) wird das neue Erscheinungsbild mit keiner Zeile erwähnt, was schade ist, weil so nämlich die Chance vertan wird, das Stammpublikum auf die visuellen Veränderungen vorzubereiten, sie mitzunehmen im Prozess der Neukonzeption. Fast wirken Müllers einleitende Worte, („Das ganze Theater in einer Box, die ganze Welt in einem Theater.“) als bezögen sich seine Aussagen auf das bisherige, quadratische Signet. Auch Termini wie „Kiste“, „Raum“ und eben „Box“, mit denen Müller die Transformation eines schlichten Raumes hin zu einer Theaterspielstätte beschreibt, scheinen der viereckigen Wortbildmarke (Abb. unten links) wie auf den Leib geschrieben zu sein.

Logo – vorher und nachher

Staatstheater Mainz Logo – vorher und nacher
Staatstheater Mainz Logo – vorher und nacher

Im gleichen Widerspruch begegnen sich im neuen Logo die in Serifen gesetzte Wortmarke (Suisse Works) und der Stern als Bildmarke. Die Wortmarke, visuell eher konservativ-klassisch ausgerichtet, trifft auf einen Stern, der irgendwo zwischen Military-Look und Markensportschuh liegt. Ein Zusammenspiel findet nicht statt. Tatsächlich wirken Wort- und Bildmarke, sieht man von der zentrischen Ausrichtung ab, die beide gemeinsam haben, weitestgehend bezugslos zueinander. Der Kontrast könnte kaum größer sein.

Auch insgesamt wirkt das Logo wie ein Fremdkörper. Anstatt die Form des Sterns in irgendeiner Weise zu zitieren, wird in der Gestaltung wie auch in der Fotografie das Bild von der Kiste, vom Menschen in der Holzbox aufgemacht, das, wie bereits erwähnt, konzeptionell eher auf das Vorgängerlogo abgestimmt zu sein scheint, weil in beiden Fällen die Quadratform eine wesentliche Rolle spielt. Auch das Cover des Spielzeitheftes zeigt besagte Box.

Warum also ein neues stern- beziehungsweise ringförmiges Logo aus der Kiste holen, das nicht einmal über die erforderliche Originalität verfügt, wenn doch das bisherige quadratische Signet viel besser die Idee hinter der Metapher der Box/Kiste veranschaulicht?

Kunst ist mitunter unerklärlich – das darf sie sein. Kommunikationsdesign hingegen erklärt, zumindest sollte es wie ein Vermittler fungieren, weil nämlich an die Form eine konkrete Funktion geknüpft ist. Ziel ist es, eine bestimmte Aussage in eine passende Form zu überführen, sodass diese, möglichst ohne viele Worte verlieren zu müssen, von Rezipienten verstanden wird. Zumindest in Bezug auf die Form des neuen Logos funktioniert dies beim Staatstheater Mainz ganz und gar nicht (mehr).

Fünf Zacken als einzige Referenz zum Haus mit seinen fünf Sparten ist, wie ich meine, zu dünn, um ein stichhaltiges visuelles Konzept abzuliefern. Manchmal ist es besser, der Versuchung nach einem neuen Erkennungszeichen zu widerstehen. Anstatt dem in der Kulturlandschaft so weit verbreiteten Automatismus zu folgen, mit Beginn einer neuen Intendanz ein neues Logo als erste Duftmarke zu präsentieren, sollte man die Möglichkeit in Erwägung ziehen, eine bestehende Form mit neuen Inhalt, mit neuem Leben zu erfüllen. Dann nämlich hätte sich in diesem Fall tatsächlich die Form auf den Inhalt bezogen, würde die Form eine passende visuelle Entsprechung der Ideen des künstlerischen Leiters darstellen. So aber bleibt ein vergleichsweise generischer Stern, mit dem offenbar weder die Verantwortlichen so recht etwas anzufangen wissen und womöglich auch dem Publikum in und um Mainz bezugslos erscheint.

Verantwortlich für das neue Design zeichnet Neue Gestaltung, Berlin.

Spielzeitheft 2014/2015

Staatstheater Mainz Spielzeitheft 2014/2015 Cover
Staatstheater Mainz Spielzeitheft 2014/2015 Cover

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Dieser Beitrag hat 60 Kommentare

  1. Wir haben eine Zeit erreicht, in der es vieles schon mal gab. Auch Sterne. Viele verbinden damit bereits grosse bekannte Marken, Unternehmen oder Weltanschauungen. Kein Flair, nichts einzigartiges, zu reduziert. Es hebt sich nicht ab. Schade :(

  2. Also da war das alte Logo noch Aussagekräftiger.
    Schauspiel out of the Box.

    Ansonsten wurde schon alles zu dem Logo gesagt.

  3. Das neue Logo wird viele kontroverse Diskussionen auslösen und polarisiert sehr stark. Das sieht man alleine schon an den vorangegangenen Kommentaren. Dies nenne ich eine gekonnte Marketingmaßnahme für ein Theater. Ob es wirklich ein gutes Logo ist, tritt in den Hintergrund. Sehr mutig und fast schon revolutionär! Chapeau!

    1. „Gekonnte Marketingmaßnahme“ setzt nach meinem Verständnis voraus, dass eine solcher Diskurs, wie er hier gerade stattfindet, tatsächlich auch intendiert ist, was ich in diesem Fall nicht erkennen kann. Weder handelt es sich um eine geplante Provokation, etwa wie in der mittlerweile abgegriffenen und totgerittenen SIXT-Werbung, noch um ein unter dem Etikett der Kunst lanciertes Konzept, wie zum Beispiel das Spiel mit dem Adler der Kunsthalle Wien, das ganz gezielt die Kontroverse herbeiführen soll.

      Im Gegensatz zu Deinem Kommentar, mit dem Du in der Tat gegen den Strom schwimmst, kann ich im Corporate Design des Staatstheaters nichts Mutiges, schon gar nichts Revolutionäres erkennen. Eine Kontroverse, die nicht gelenkt oder begleitet wird, ist zunächst einmal ein Problem beziehungsweise könnte zum Problem werden. Vor diesem Hintergrund den Hut zu ziehen, halte ich offen gesagt für unangebracht.

      Und noch ein Indiz dafür, dass es sich nicht um eine „gekonnte Marketingmaßnahme“ handelt. Wäre dem so, würde man auch andernorts über das neue Konzept sprechen, auf der Straße, beim Friseur oder am Stammtisch und nicht nur innerhalb einer designaffinen und -interessierten Leserschaft ;-)

      1. Ich muss eingestehen, dass dies wahrscheinlich nicht unbedingt eine geplante Marketingmaßnahme ist, die eine kontroverse Diskussion auslösen soll. Eher zufällig wird somit vielleicht eine Diskussion entfacht, die eventuell mediale Aufmerksamkeit erzeugt.

        Das das neue Corporate Design “mutig oder revolutionär” sein soll habe ich nie behauptet. Ich spreche allein von der Verwendung des neuen Logos.

        Mit Verlaub, aber wer denkt bei der Zielgruppe eines Theaters an “Straße, Friseur oder Stammtisch”? Ich habe da eher an die Zielgruppe(n) des Theaters gedacht. Oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass Grafiker, bzw. Designer bei ihrer Arbeit häufig und schnell die Zielgruppe(n) aus den Augen verlieren. Sie möchten häufig eine Arbeit realisieren, die allein ihren Ansprüchen von guter Gestaltung gerecht wird, bzw. ihrem Geschmack entspricht. – Das alleine reicht nicht. Dies stelle ich recht häufig hier in Deinem Blog fest.

    1. Fabelhaft, wie Stick Up Studio die Form des bisherigen Logos aufgegriffen und daraus ein Bildsprach- und Claimkonzept abgeleitet hat! Das neue Design ist auffällig anders und doch ist der Bezug zum Bisherigen wiedererkennbar. Ein gelungener Spagat. Mir scheint es die ideale visuelle Entsprechung für das zu sein, was der Intendant in Worte gefasst hat.

      Danke für den Link Alex.

  4. Ich habe auch erst an “Converse” gedacht.
    Schließe mich aber der Meinung an, dass der Schriftzug und die Bildmarke nicht zusammen passen und der Stern meiner Ansicht nach nicht wirklich was mit dem Unternehmen zu tun hat. Mutig hin oder her – die Idee von Stick Up Studio wäre eindeutig die bessere Wahl gewesen.

  5. Tatsächlich stört mich der Stern oder etwa der Bezug zu Converse, der russischen Armee oder sonstwen überhaupt nicht. Es ist ja auch immer ein anderer Kontext. VIel mehr ist es dieses zusammenhanglose Design.

    Wir haben eine Schrift mit Serifen, recht dünn gehalten.
    Daneben (darunter) einen Kreis, der den Stern stützt.
    Die Bildsprache aller weiteren Medien ist ohne ein klar zu verfolgendes Konzept.

    Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich behaupten das wäre kalkül.
    Was ist ein Künstler? Im ENdeffekt erschafft ein Künstler. Er schafft sich auch seine eigenen Regeln.
    Er bricht Sie auch. Ok. Unter dem Ansatz wäre das alles ja ok, wäre da nicht der Mensch an den sich die Kommunikation richtet. Und hier sieht so ziemlich jeder einen Fehler. Eventuell ist das schlecht. Eventuell aber auch total beabsichtigt.

    Auf jeden Fall ist es Publicity, ob die Stücke jetzt schlechter werden? zu bezweifeln.
    Ob weniger Leute das Theater besuchen? Nö.
    Was solls, ich bin fasziniert von soviel Cojones etwas derart verwurstetes hervorzubringen.

  6. Gerade die Seite 118-119 sieht aus, als hätte sie ein Laie in Word zusammengebastelt. Ob es tatsächlich Absicht war oder nicht, dass für Daten und Preise keine Tabellenziffern verwendet wurden, wird der Betrachter wohl nie wirklich wissen.
    Hat wohl seine Verwandtschaft zu Trashfilmen – die sind mal auch mal beabsichtigt oder nicht trashig.

  7. Das Theater Kiel https://www.theater-kiel.de trägt seit vielen Jahren einen Stern in seinem typografischen Logo, der ebenfalls für die fünf Sparten steht. Als Landeshauptstadt am Meer sind es jedoch kleine Stege, die in die Inszenierungen führen. Denn nicht die Marke selbst, sondern die Produktionen stehen im Zentrum, und zwar derart konsequent, dass man auf der Website sogar den Content dimmen und ausblenden kann.

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