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Helvetica statt 025aPlotter – Ein Paradigmenwechsel beim Museum Angewandte Kunst Frankfurt

Das Museum Angewandte Kunst Frankfurt hat sich ein neues Corporate Design zugelegt, still und heimlich, und das ist durchaus so gewollt. Die in diesem Jahr abgeschlossenen Umbaumaßnahmen – der Richard-Meier-Bau des Museums wurde 27 Jahre nach seiner Errichtung in seinen Originalzustand versetzt – überschatteten die Neuerungen im Bereich der visuellen Identität, die gleichwohl eminent sind und nichts anderes als einen Paradigmenwechsel in der Frage der Außenwahrnehmung. Eines der spannendsten Logo-Redesigns der vergangenen Jahre.

Museum Angewandte Kunst Frankfurt Logos

Auch wenn sich farblich wenig verändert hat – größer könnte ein Unterschied zwischen zwei Zeichen, zwei Ideen nicht sein. Auf der einen Seite das von der Agentur Vier5 im Jahre 2005 entworfene Logo, das bis zum Sommer in Verwendung gewesen ist und vor allem eines tat: anecken. Die in der Schrift 025aPlotter angelegte, sich überlagernde Wortmarke machte es Betrachtern von je her nicht leicht. „Das Logo ist kaputt“ haben nicht nur Drucker immer wieder gesagt, als diese Kataloge für das Museum drucken sollten und sogleich um eine nicht-beschädigte EPS-Datei baten. Auch von Medienschaffenden, Kunstliebhabern und Besuchern verlangte das bisherige Logo viel ab.

Die Auseinandersetzung mit der Kunst, mit Zeichen, auch mit dem Logo des Museums, war bislang Teil der Programmatik, Teil des Konzeptes, ebenso die Unangepasstheit des Logos. Um aufzufallen war man bereit, formalästhetische Gesichtspunkte in den Hintergrund zu stellen. Ein scheinbar unbeabsichtigt zusammengeworfener Letterhaufen, der dem menschlichen Bedürfnis nach Harmonie und Struktur so gar nicht entsprach. Und doch bleibt dieser aufgrund seiner zur Schau gestellten Unschönheit in Erinnerung, eben drum. Genau dies sollte ein gutes Logo unter anderem leisten. Schon allein aufgrund des Corporate Designs war das Museum im Gespräch.

Die 025aPlotter als Hausschrift zu wählen war mutig, Andere werden sagen töricht. Die in ihr gesetzten Medien, seien es Kataloge, die Geschäftsausstattung oder das Leitsystem des Museums, waren für Jeden eine echte Herausforderung, denn das Lesen der Texte nahm aufgrund der bewusst deformierten Schriftzeichen mehr Zeit als üblich in Anspruch. Zeit, in der man sich auch mit anderen Themen hätte beschäftigen können, etwa mit einem Ausstellungsstück oder einem Künstler. Wie sich nun nach acht Jahren zeigt, hat sich die Idee überlebt.

Den Raum der 025aPlotter nimmt nun die Helvetica ein, der vielleicht konformistischsten aller Schriftarten. In ihr gesetzt wurde die neue Wortmarke des Museums. Fast beiläufig wirkt diese nun, unabhängig vom jeweiligen Anwendungskontext. Bloß nicht auffallen, bloß nicht den Raum mit Zeichen zustellen, die von der Kunst ablenken könnten. Das neue Logo nimmt sich in der Tat zurück. Es tut dies in einem Maße, dass nur noch ein Minimum an visuellem Absender hinterlässt. Während es bislang schwer fiel, das Auge vom Museumslogos abzuwenden, besteht nun die Herausforderung, es zu finden. Welch ein Kontrastprogramm! Das neue Museumslogo ist, anders als sein Vorgänger, nicht Kunst, steht nicht selbst im Mittelpunkt, sondern tritt hinter die Kunst zurück, ordnet sich ihr unter.

Nichts am bisher öffentlich gewordenen neuen Corporate Design, für das die hauseigene Art Direktorin Jasmin Kress verantwortlich zeichnet, erweckt Aufmerksamkeit, keine Farbe, keine Formen, kein Gestaltungsduktus. Aber genau das ist eine der Kernanforderungen, die an ein Corporate Design gerichtet werden: eine Identität stiften, die in Erinnerung bleibt, visuelle, möglichst originäre Anreize setzen, die dazu einladen, sich eingehender mit einer Sache zu beschäftigen. Vom neuen Logo für das Museum Angewandte Kunst Frankfurt bleibt lediglich in Erinnerung, dass es kaum auffällt. Nüchtern, pragmatisch, generisch, fast behördlich wirkt es.

Egal wie schrecklich man vielleicht das bisherige Erscheinungsbild samt Logo finden beziehungsweise gefunden haben mag, so wurde es doch von einem kreativen Leitgedanken, ja fast von einer Art missionarischem Pathos getragen, stets dem Ziel verpflichtet, den Diskurs über und die Auseinandersetzung mit der Kunst anzuregen. Das kreative Moment im neuen Erscheinungsbild fehlt gänzlich. Bleibt die Frage, ob von einem erfolgreichen Redesign die Rede sein kann, wenn statt des Vorwurfs der Hässlichkeit und des unterstellten Defektes nun der Vorwurf der Ideenlosigkeit erhoben werden kann.

Programm

Museum Angewandte Kunst Frankfurt – Programm

Neue Website

Museum Angewandte Kunst Frankfurt Website

Für die im Sommer ins Netz gestellte Website des Museums zeichnet Orange Hive verantwortlich. Der explorative Zugang mag vielleicht bei dem ein oder anderen Anklang finden – mir persönlich erscheint er zu verkopft, weil zu stark die Frage nach dem Gebrauch der Website im Vordergrund steht, anstatt der Inhalt selbst, was wiederum zum krassen Widerspruch zum neuen, oben angesprochenen Konzept steht. Aus Sicht der Nutzerführung ist vor allem problematisch, dass die Hauptnavigation auf Unterseiten nicht ansteuerbar ist. Dieser Ebenenkonflikt ließe sich relativ schnell korrigieren, die konzeptionelle Widersprüchlichkeit hingegen bliebe auch weiterhin erhalten.

Dieser Beitrag hat 34 Kommentare

  1. Auf der Website ein NoGo: Fehlende Unterstützung des Zurückbuttons, Navigation lässt sich nicht mehr klicken, wenn ich einen Artikel geöffnet habe (zumindest in Chrome) und generell die fehlende Orientierung auf der Website (keine Breadcrumb, nur eine URL), die mich als Nutzer total verlassen auf der Seite dastehen lässt.

  2. Na, jetzt sieht es aus wie ein seriöses Logo für ein anscheinend grottenlangweiliges, seriöses Museum. Das einzig Interessante sind die “halben Leerzeichen”, der Rest sieht aus wie schon irgendwo gesehen. Ein bisschen fett, ein bisschen Kleinbuchstaben. Gähn. Die Webseite habe ich mir erst gar nicht angeschaut, aber die Screenshots machen den Eindruck einer Vorlage für “moderne” Layouts: viel Weißraum, Bilder irgendwie verteilt, ein bisschen Text. Bei der Gestaltung sowohl des Logos als auch des Auftritts drängen sich mir kurzhaarige, junge Grafikdesigner auf, die große, schwarze Hornbrillen tragen und in weißen Räumen sitzen und Kaffee mit Sojamilch aus weißen Tassen trinken. Die formalästhetisch sicherlich gut sind, aber sooooooowas von laaaaaaaangweilig und schon 1.000mal gesehen.

    Als ich hingegen das alte Logo sah (das ich vorher nicht kannte), dachte ich: “Hoppla! Was ist das denn Abartiges?” Kaputt, anstrengend, hässlich, wie ein Druckfehler! Aber man bleibt dran kleben; man fragt sich: “was erlauben die sich?!” Einfach große Klasse, weil es empört und dazu anregt, sich die ganzen krummen Buchstaben und ineinanderlaufenden Texte genauer anzuschauen. Das ist für mich angewandte Kunst, meine Damen und Herren!

  3. Ein toller Text! Danke, Du hast mir das alte Logo näher gebracht. Empfand ich es doch immer als völlig unpassend für ein Museum, das der angewandten Kunst gewidmet ist.

  4. Typische Hipster Gestaltung. Ich finde es sehr generisch und einfallslos. Man sollte finde ich das Corporate Design nie seinem eigenem Geschmack unterwerfen. Gerade heutzutage sieht man das finde ich zu oft :(

    Eine Verbesserung in jedem Fall, aber keine Entwicklung.

  5. Also ich fand das alte Logo richtig schick. Wo sonst darf es sowas denn schon mal geben, wenn nicht in der Kunst? Und gerade bei Kunstgallerien muss man sich absetzen, eine Richtung finden. Die meisten großen Museum verwenden ja Helvetica oder etwas ähnliches, das kennt man einfach, das riecht nach U-Bahn-Werbung, städtischem Museum und gequälten Schülergruppen, die reihenweise durch die sterilen Räume getrieben werden. Das alte Logo wirkte hingegen unangepasst, ein bisschen avantgardistisch und ich finde rein optisch ist es eigentlich auch recht nett. Aber klar, nach acht Jahren muss man so etwas markantes dann doch mal auswechseln, zumal es durchaus schwer zu lesen ist und das künstlerische “Spiel mit Sehgewohnheiten” sich auch inzwischen etwas abgenutzt hat.
    Das neue Logo hingegen sieht eigentlich aus, als wäre es 2001 entstanden und seitdem nicht mehr geändert worden… Alles klein und zusammen schreiben, untersschiedliche Schriftstärken in einem Logo… Das hatten wir doch alles erst vor ein paar Jahren und man findet diese Art von Gestaltung wirklich bei jedem Provinzunternehmen. Überhaupt nicht das richtige für Kunst.

    “Das hier finde ich im übrigen eines der best gelungensten Logos für ein Museum :)

    https://www.tate.org.uk
    Lieber Timo Wagner, meinen Sie das ernst? Ich weiß nicht, ob ich mich hier an Neville Brody in den 90ern oder an meine erste Bravo Hits erinnert fühlen soll… Originell ist das auf keinen Fall.

  6. Leute: Das soll weder Hipster-Design noch langweilige Gestaltung sein. Natürlich habt ihr es schon 1000 Mal gesehen – es ist nüchternes und funktionales “Swiss-Design”.

    Ich finde es von der Grundidee sinnvoll das Corporate Design so stark in den Hintergrund treten zu lassen. Mir fehlt dennoch ein I-Tüpfelchen, das den Eindruck von “langweilig” hin zu “interessant” verschiebt!

  7. Grundsätzlich ist das eine ziemlich beängstigend, einfallslose Entwicklung in der Werbebranche- wozu bedarf es eigentlich noch Werbeagenturen und Creative Direktoren? Die Logos reduzieren sich im Warp-Tempo auf das unkenntlich, minimalitisch Mögliche- genau das absolute superextrem zum 3D-Button-Glossy-Wahn vor 2-3 Jahren. Von einem Extrem zum nächsten. Bedenklich wirds nur, wenn “die Sekretärin” durch “kurzes rumstochern im Indesign” mal eben das fertige Logo präsentiert. Verkommen hierbei Logos zur Beliebigkeit und Beiläufigkeit? Wo ist der Hirnschmalz und der “Kreativ-Orgasmus” abgeblieben?

  8. @ Martha Reiser
    Gebe Ihnen in Allem Recht.

    — Diese Ihre Sätze müsste man als immergleiche Forumsignatur unter fast alle Logobesprechungen der letzten Zeit setzen. —-

    Fehlt jetzt nur noch (nein fehlt mir nicht^^) jemand, der aufschlägt und sagt, es sei alles Schuld der Agentur, nur eine Sache der richtigen Beratung, dann würde Design-Beliebigkeit nicht passieren …

    Viele Grüße von einer, die in der letzten Zeit auffällig oft vom Hipsterlogo-Wahn ausgehend von Auftraggebern heimgesucht wurde. Egal welches Produkt, egal welche Botschaft: Hauptsache Hipster-Optik. Und eiskalt gekickt wurde, als ich mich doch nicht so recht fügen wollte …
    Dieser Wahn ist erst dann vorbei, wenn Seniorenwindeln mit Hipsteroptik … ach ich hör schon auf
    Lebbe geht weida.

    Erinner mich noch unscharf (als Angestellte), als Kunde dank neuen Marketingleiters ergo BMW-Fans diese automotive technophile BMW-Logo-3D-Optik wollte, egal ob für Klopaper oder für Haushaltswaren. Nach kurzer Zeit hatten sie wieder ihr altes – leider wirklich krank hässliches Strichlogo … warum: erneut neuer Marketingleiter. …
    Sachtjetztnix …

Kommentare sind geschlossen.

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