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Mia san mehr – Initiative für mehr Toleranz

So hat man die Wappenfigur von München, das Münchner Kindl, noch nicht gesehen. Über dem für die Figur charakteristischen gelben Kreuz stehen im „Open Kindl“, wie das von der Münchner Agentur Martin et Karczinski entwickelte Zeichen heißt, Halbmond und Davidstern.

Das rote Eidbuch in der Linken zieren hinduistische und buddhistische Symbole. Die fünf Weltreligionen Christentum, Buddhismus, Hinduismus, Islam und Judentum in einem Zeichen vereint. Ein Zeichen zur richtigen Zeit. „Open Kindl“ nennen es ihre Schöpfer. Die Stadtverwaltung duldet die Modifizierung der Wappenfigur im Rahmen der Initiative, wie Agenturchef Peter Martin gegenüber Süddeutsche.de sagt.

Natürlich soll die offizielle Wappenfigur, 1957 vom Grafiker Eduard Ege gezeichnet, nicht abgelöst werden. Es geht um mehr. Den Initiatoren geht es darum, München als eine weltoffene Stadt zu präsentieren. „Die Vielfalt der Weltanschauungen macht München lebenswert“, wie es auf der vor wenigen Tagen gelaunchten Website mia-san-mehr.de heißt. Das Open Kindl steht dort für jeden zum Download bereit. All diejenigen, die die Initiative auch finanziell unterstützen möchten, können dies mit Erwerb des sogenannten „Open Kindl Kit“ tun, eine Art Merchandising-Paket. 45 Euro kostet es (inkl. Spende).

Aus dem „Mia san mia“, das noch aus Zeiten Kaiser Franz Josephs stammt und Ausdruck eines Überlegenheitsgefühls ist, wird beim Open Kindl ein sympathisches „Mia san mehr“. Eben mehr als Christen. Eine richtige wie wichtige Feststellung, mehr denn je. Die ausgestreckten Arme werden zur Einladung, und der abgrenzende Charakter des (FC) Bayern-Mottos löst sich in einer Geste von Weitsicht und Weltoffenheit auf.

Eine großartige Idee und eine einnehmende Initiative. Ein seit langem überfälliger Beitrag direkt aus der Kreativbranche, mit dem die Debatte um unterstellte Überfremdung in eine Richtung gelenkt wird, die ein Willkommenskultur zum Ziel hat.

Darüber hinaus freilich auch, soviel darf gesagt werden, eine clevere Kampagne in eigener Sache, die nicht nur kurzfristig für beste PR sorgen wird. Je größer und positiver die Resonanz auf die Initiative, umso wahrscheinlicher, dass man bei der Stadt die bislang lediglich geduldete Aktion aktiv unterstützt. Wünschenswert wäre es. Schau’n mer mal, wie sich das Open Kindl entwickelt.

Dieser Beitrag hat 43 Kommentare

  1. “… der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund liegt mit 34 % höher als beispielsweise im ultrahippen Berlin oder Hamburg. ”

    Du scheinst “ultrahippe” Städte wie Berlin oder Hamburg noch nicht bereist zu haben.
    Es geht eben nicht nur um die Statistik, sondern um das “Gefühl” sich innerhalb der Stadt auch international oder multikulturell zu fühlen. Und da spielt München dann doch nur in der Kreisliga…

    Nichtdestotrotz eine gelungene Aktion.
    Finde ich die grafische Umsetzung hübsch?
    Nein.

    1. Meine Frau kommt aus Berlin, ich habe dort viel Zeit verbracht, danke. Heute war ich beim Arzt, im Wartezimmer wurden drei Sprachen gesprochen (vier wenn man Bayerisch mitzählt), eine Sprechstundenhilfe trug Kopftuch. Mehr Multikulti geht für mich kaum.

      1. Ja genau.
        Vielen Dank für das wunderbare “Multikulti”-Beispiel in München.
        Ich lebe jetzt seit einigen Jahren in München, habe selbst einen Immigrationshintergrund und es ist eine Unverschämthet, wie sich “einige” Münchner als “weltoffen” und tolerant geben.

  2. Eine schöne Aktion – wenn sie denn hoffentlich auch fruchtet. Kürzlich auf Wohnungssuche musste ich leidlich feststellen, dass “mia” eben gar “net mehr san” sondern man wohl lieber unter sich bleibt. Kein akzentfrei-gesprochenes Deutsch genügte oft schon als Ausschlusskriterium für Wohnungssuchende, um ein Beispiel zu nennen. München, die Weltstadt mit Herz darf in Sachen Toleranz/Akzeptanz noch einiges dazulernen – so zumindest meine persönliche Erfahrung …

  3. ich finde es einfach nur fürchterlich (übrigens auch diese mohammed karikaturen von charlie hebdo).
    Zwar gehe ich nicht so weit, dass man diese Aktion durch den Urheberrechtsschutz verbieten lassen sollte, dennoch finde ich es geschmacklos und es stört mich. Es gibt sicherlich bessere Wege eine interkulturelle Gemeinschaftszugehörigkeit abzubilden, wie über ein traditionelles Stadtwappen.
    Rein statistisch gesehen liegen Muslime bei 3-4 Prozent und Personen jüdischen Glaubens bei 0,3 % (noch hinter Buddhisten und gleichauf mit den Zeugen Jehovas) und spiegeln somit auch nicht die Bevölkerungsanteile, wie abgebildet, wider. Man sollte einfach mal eine Grenze des guten Geschmacks ziehen und nicht nur durch provokante Äußerungen oder Darstellungen versuchen seine Meinung an die Bürger zu bringen. Die Personen in München sind ohnehin interkulturell und sozial offen, aber auch in der Masse überdrüssig von solchen Darstellungen (Beispiel u.a. Familienpass 2014, indem keine Familie im Sinne “Mutter-Vater-Kind” mehr abgebildet wurde). Diesen “Mehrheits-Bürgern” sollte man die eigene Identität und Tradition auch zugestehen und gewisse Symbole und Traditionen nicht verschandeln. Also Finger weg vom Stadtwappen und dem Brauchtum. Integration geht auch ohne Provokation.

    1. Danke! Zumindest gibt es noch jemanden, der nicht blind beifallklatschend jeden – manchmal fragwürdigen – Trend unterstützt. Die erwähnte Mutter-Vater-Kind Rolle ist gleichermaßen auf der Kippe und ein weiteres Beispiel. Man sollte ruhig mal wieder mutig sein und sich ein bisschen zur Wehr setzen…

      Wollte ursprünglich einen eigenen Beitrag zu diesem Thema verfassen, da dieser aber zu umfangreich wurde und die Meisten einem eh nur die Worte im Munde umdrehen wollen, lass ich es an dieser Stelle.

      Zum Schluss noch ein Zitat: “Wer für Alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.”

      1. Ich denke der Knackpunkt sind doch nicht irgendwelche Zahlen – ob statistisch belegt oder nicht. Die Wahrheit dieser Angaben bestreitet keiner. Mir persönlich geht es mehr darum, dass aus diversen Religionen eine Einheit dargestellt werden möchte, welche (bis auf die enge Verbindung zwischen Juden und Christen) einfach nicht existent ist. Die verschiedenen Weltbilder sind einfach inkompatibel. Und sind wir mal ehrlich, welcher ernsthaft Gläubige (welcher Glaubenrichtung auch immer er angehört) möchte sich mit anderen Religionen gleichstellen oder in einem Logo darstellen lassen? Wem soll diese Darstellung dienen, außer den Leuten, denen Glaube sowieso egal ist und die nur wieder nach dem Motto hantieren: “alle Religionen sollen sich endlich die Hand reichen”. Das Zusammenleben oder besser “nebeneinander Leben” mag wohl aus menschlicher Sicht funktionieren aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sich die Leute niemals zum gemeinsamen Gebet treffen und immer andere Meinungen haben werden, da sie unterschiedliche Götter haben. Hier wird nur wieder versucht alles unter einen Hut zu bringen, damit zumindest oberflächlich eine heile Welt vorgetäuscht wird.

      2. mir geht’s nicht um Religion sondern eher um eine grundsätzliche Debatte ob mal wieder über das Ziel hinausgeschossen wird. Ein gutes Beispiel ist die “Gender Mainstream” Debatte. Hier ufert es dahingehend aus, dass nun Wörter mit Unterstrich im Plural geschrieben werden um auch geschlechtsneutrale Personen nicht in der Menschenwürde zu verletzen. Der wichtige Aspekt, eine Gleichberechtigung in den Löhnen zw. Mann und Frau zu erwirken geht hier komplett am Thema vorbei. Stattdessen wird mit Zahlen hantiert (22 Prozent) bei dem Äpfel mit Birnen oder auch der Ingenieur mit der Friseuse verglichen wird. Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut kommt man dennoch auf etwa 7 %. Diejenigen die hier nicht sofort nach einem Gleichbehandlungsgesetz oder Quote schreien und weiter nachforschen, werden erkennen, dass der Lohnunterschied signifikant auf Fehlzeiten zurückzuführen ist. Da geschlechterspezifisch die Erziehungszeiten mehr von Frauen als von Männern wahrgenommen werden, sollte man eher hier den Grund suchen als stattdessen mit feministischen-pseudowissenschaftlichen Thesen eine Ungerechtigkeit zu begründen. Sobald der Staat die Anreize schafft, dass Elternzeiten paritätisch zw. Männlein und Weiblein (oder auch in anderen Formen) aufgeteilt werden, werden auch die signifikanten Gehaltsunterschiede verschwinden. Ein Unternehmen würde somit wahrscheinliche Fehlzeiten gleichwertig berücksichtigen und der Lohnunterschied wäre nur noch individueller Natur. Also lieber mal etwas anpacken, Probleme wenn vorhanden klar benennen, lösen und sich stärker darauf fokussieren. Niemanden nützt weder eine Reform der maskulinen Substantive noch ein Münchner Kindl mit Koran und Davidstern.

  4. Schön, jetzt kenn ich auch endlich das Münchner Stadtwappen. Zeigt die Figur jemandem den Mittelfinger?

  5. Was soll eigentlich „MIR SAN MEHR:“ bedeuten?
    Daß wir nicht nur „MIA SAN MIA“ sind sondern noch mehr?
    Was besonderes?
    Und aus dem Kofessionskonglomerat springt mir doch ein gutes Stück Hilflosigkeit, „Toleranz“ zu visualisieren, entgegen.
    Aber bei der bis ins komische verfloskelten Sprache der Agentur wundert eine so ganz nah an der Oberfläche sich bewegende Arbeit dann natürlich nicht mehr sonderlich.
    Wär’s denn nicht ein so durchsichtiger Marketinggag könnt man wenigstens den „guten Willen“ noch als Entschuldigung geltend machen. Aber so … .

  6. Absolut zum _otzen! Warum müssen wir unsere Kultur auf die Müllhalde der Geschichte werfen? Übrigens, bin konfessionslos: Ich möchte ich nicht zwischen Pest und Cholera entscheiden müssen. Religion sind PRIVATSACHE und haben im öffentlichen Raum keinerlei Hoheitsrechte! Schon gar keine Religionen, die so massiv frauenverachtend sind wie die unter dem Halbmond!

  7. Danke Uli, für den Hinweis!

    Das ist natürlich schade. Erst duldet die Stadtverwaltung die Aktion, um sie kurz nach Publikwerden und Diskurs in den Medien wieder zu untersagen. Was soll man dazu sagen!?

    Hier ein Screenshot der Website, wie sie sich nun darstellt:

    Open-Kindl

  8. Für mich ist es leider auch nicht zu Ende gedacht. Hier gebe ich vielen Vorredner mit gewissen Bedenken Recht – zu wenig umfassend. Und es gibt eben eine Lesrichtung, wenn ich jetzt davon ausgehe, dass der deutsche Leser/Betrachter angesprochen werden soll. Wenn Intellektuelle die Adressaten sein sollen, die ja dann verstehen, “dass alles nicht so eng zu sehen ist und es keine Hierarchie gibt”, dann brauch ich doch so was gar nicht machen. Also es kann mir doch keiner erzählen, dass es dafür keine andere Lösung gegeben hätte. Jetzt hab ich die letzten Posts gerade erst gesehen. Die Entscheidung spricht natürlich nicht für die Stadt. Aber hätte man das Ganze bis zu Ende gedacht, wäre es auch weniger angreifbar gewesen.

  9. Das mit der Integration ist immer so eine Sache. Die für die Kampagne verantwortliche Agentur stellt selbst offenbar keine jüdischen, muslimischen, behinderte, schwarze oder Menschen aus sonst irgendwie ausgegrenzten Gruppen ein. Zumindest sind auf den Fotos der Website keine Kopftücher, Kipas, Schwarze oder Rollstühle (übrigens auch keine Frauen in Führungspositionen) zu sehen. Ich bezweifle auch, dass sie den Flüchlingen deren Schulabschluss sie mit dieser Kampagne (was ja erst mal schon gut ist) unterstützen, dann später auch eine Lehrstelle anbieten werden. Die bleiben wohl doch auch lieber unter sich…

    1. Wie wäre es denn, anstatt auf Basis von ein paar wenigen Fotos die womöglich falschen Rückschlüsse zu ziehen, direkt in Kontakt mit den Machern zu treten? Abgesehen davon – nur weil man keine Kippa oder Kopftuch trägt, ist dies ja wohl kaum ein Beleg dafür, dass man nicht jüdischen oder muslimischen Glaubens ist.

      1. Ja, das stimmt. Mir geht es mehr darum, dass es einfach ist Toleranz zu fordern (von anderen), solange die eigenen Privilegien nicht angetastet werden.

Kommentare sind geschlossen.

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