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Licher „1854 Kellerbier“ im neuen Design – „Hessenmädchen“ wird Dachmarke

Licher 1854 Kellerbier, Quelle: Bitburger Braugruppe
Licher 1854 Kellerbier, Quelle: Bitburger Braugruppe

Die Licher Privatbrauerei hat die Etiketten und Verpackungen der Sorte „1854 Kellerbier“ auf ein neues Design umgestellt. Im Zuge des Redesigns erfolgt zudem eine signifikante Umstellung des Markenabsenders.

Lange Zeit war Licher Bier im Bundesland Hessen die beliebteste Biermarke. Angaben der Brauerei zufolge übernahm Licher Bier dort im Jahr 1988 die Marktführerschaft. Unter dem Einfluss des seit Jahrzehnten schrumpfenden Bierabsatzes in Deutschland gab Licher Bier vor wenigen Jahren die Spitzenposition an die Konkurrenz ab. 2020 belegte die Biermarke Licher hinter Krombacher und Bitburger Platz 3 (Quelle).

Die Licher Privatbrauerei wurde 1854 im hessischen Lich gegründet. Seit 2004 gehört die Brauerei einschließlich aller mit ihr verbundenen Marken zur Bitburger Braugruppe. Das heutige Erkennungszeichen der Marke Licher, ein Eisvogel, wurde 1995 als Keyvisual eingeführt. Da der Eisvogel an seinen Lebensraum und an die Qualität des Wassers in Bächen und Seen hohe Ansprüche stellt, transportiert er im Sinne eines „Markenbotschafters“ den mit der Marke verbundenen Qualitätsanspruch. Knapp zehn Jahre später ließ die Brauerei ein Markenlogo markenrechtlich schützen, das neben dem Schriftzug auch erstmals eine Vogeldarstellung beinhaltet. 2013 wurde schließlich das gesamte Markendesign auf den Eisvogel umgestellt und somit die Positionierung im Kontext Natur ausgebaut.

Ähnlich wie bei vielen anderen Brauereien versucht man auch bei Licher den Bierabsatz wieder anzukurbeln, indem man neue Sorten/Produkte in den Markt einführt. Bei dem kürzlich erfolgten Redesign der Sorte „1854 Kellerbier“ (seit etwa 8 Jahren im Handel, anfangs noch unter der Bezeichnung „Original 1854“) wird auf den für die Marke Licher seit Jahrzehnten typischen Naturbezug verzichtet.

Licher 1854 Kellerbier 6 x 0,33l – vorher und nachher, Bildquelle: Bitburger Brauerei, Bildmontage: dt
Licher 1854 Kellerbier 6 x 0,33l – vorher und nachher, Bildquelle: Bitburger Brauerei, Bildmontage: dt

Auf Verpackungen und Etiketten der Sorte „1854 Kellerbier“ fehlt nicht nur eine Darstellung des Eisvogels, auch das Licher-Markenlogo sucht man hier vergebens. Stattdessen wird der Sortenname prominent in Szene gesetzt. Anstelle des Eisvogels als Bildmarke kommt nunmehr die Illustration einer weiblichen Gestalt zum Einsatz.

Hierbei handelt es sich um eine bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit der Marke Licher verwendete Figur: dem „Licher Hessenmädchen“, so die offizielle Bezeichnung. 1923 wurde das „Hessenmädchen“ als Markensymbol eingeführt, allerdings im Stile eines schlichten, Logo-ähnlichen Zeichen. Die nun auf dem Etikett abgebildete im Retro-Look gehaltene Illustration einer blonden Kellnerin greift im Sinne einer Paraphrase das traditionelle Markensymbol auf und interpretiert das Thema neu. [Edit 04.01.2023: siehe mein Kommentar vom 04. Januar]

Ihre Premiere feierte die Illustration der blonden Kellnerin 2019 auf dem Etikett der Sorte Licher „Hessenquell Landbier“. Im gleichen Jahr wurde die Illustration als geschütztes Markenzeichen registriert. Sorten-übergreifend fungiert das „Hessenmädchen“ damit quasi als Dachmarke. Die eigentliche Marke, Licher Bier, tritt in beiden Fällen in den Hintergrund.

Das Redesign von „1854 Kellerbier“ beinhaltet neben neuen Etiketten und Verpackungen auch ein veränderte Flaschenform. Statt auf Steinie (Stubbi) bzw. Longneck setzt man fort auf die Euro-Flasche bzw. „kleine Halbe“.

Kommentar

Schwierige/herausfordernde marktwirtschaftliche Umstände spiegeln sich auch im Design wider, teilweise recht deutlich, siehe Schlecker, Globetrotter, Galeria, u.a.. Zu viele in kurzer Zeit vollzogene Redesigns können ein Indikator für die finanzielle Schieflage eines Unternehmens sein. Ganz allgemein gesprochen. Auch die Bierbranche sieht sich seit längerem marktwirtschaftlichen Herausforderungen gegenüber und versucht diesen unter anderem mit kreativem Marketing zu begegnen.

Die farblich weiterhin ähnlich gehaltenen Etiketten und Verpackungen von „1854 Kellerbier“ kaschieren den in vielerlei Hinsicht krassen Richtungswechsel, der mit diesem Redesign einhergeht. Die Marke Licher tritt völlig in den Hintergrund! Ersetzt wird das Markenlogo durch die Illustration einer „drallen Blondine“, so O-Ton FAZ. Der kleine Eisvogel und die damit verbundene Naturidylle machen Platz für ein rustikales Keller-Ambiente verbunden mit zünftiger hessischer Gemütlichkeit, könnte man sagen.

Ich trinke tatsächlich gerne Kellerbiere und habe schon die Flaschen vieler Marken in Händen gehalten. In meiner Wahrnehmung wirkt die Markeninszenierung / Produktpräsentation aufgesetzt. Die auf Used-Look getrimmte Typo soll Handwerk / Handmade suggerieren. Dabei werden gebrochene Ziffern („1854“), Scriptual-Schrift und serifenlose Antiqua kombiniert – in dieser Zusammenstellung, Anordnung und Stilistik zweifelsfrei eine neuzeitliche Gestaltung. Gepaart wird der in die heutige Zeit passende Typo-Mix mit einer Illustration, die wiederum eine Ästhetik aufweist, wie sie in den 1920er- bis 1930er-Jahre in der Werbung international üblich und verbreitet gewesen ist, siehe z.B. Rama-Markenhistorie. Unter anderem der für seine Santa-Claus-Darstellungen und Pin-Ups bekannte US-amerikanische Grafiker und Cartoonist Haddon Sundblom pflegte einen solchen Stil.

Insgesamt wirkt die Markeninszenierung auf mich wie ein MashUp der Gestaltungsstile unterschiedlicher Epochen. Die Gestaltung vermittelt weniger 160-jährige Brautradition, als vielmehr Zeitgeist. Nicht dass die Aufmachung handwerklich schlecht gemacht wäre, nur Authentizität vermittelt sie keine.

Die Badische Staatsbrauerei Rothaus verwendet beim „Tannenzäpfle“ seit Jahrzehnten auf Etiketten und Verpackungen eine in Landestracht gekleidete weibliche Figur. Eine Biermarke, die sich bei vielen jungen Menschen großer Beliebtheit erfreut. Möglicherweise dient diese Marke/Figur, auch aufgrund ihres wirtschaftlichen Erfolges, im Zuge der Neuinterpretation des „Hessenmädchens“ als eine Art Vorbild.

Interessant ist das Redesign insbesondere in Bezug auf die Herauslösung eines Produktes als eigenständige Marke respektive Submarke. Viele Autohersteller wie Seat (-> Cupra) oder Fiat (-> 500) setzen zunehmend auf Subbranding, umso die Kommunikation der Marke noch stärker auf die jeweilige Zielgruppe hin ausrichten zu können. In Branchen wie der Kosmetikbranche ist die Herauslösung eines einzelnen Produktes, etwa eines Parfums, als eigenständige Marke gang und gäbe. Auch innerhalb der Brauwirtschaft kommt diese Strategie verstärkt zum Einsatz.

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Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Eine „dralle Blondine“ als Keyvisual einer Biermarke gehört für mich ins Jahr 1854. Im Jahr 2023 will ich so etwas nicht im Regal stehen sehen.

    1. Es ist einfach die Illustration einer Kellnerin. So sehen die nun mal oft aus. Die Dame ist weder besonders aufreizend noch sexualisiert dargestellt. Oder sollte man im Jahr 2023 grundsätzlich keine Frauen mehr abbilden?

      1. Es ist einfach die Illustration einer Kellnerin. So sehen die nun mal oft aus.

        Das sehe ich ganz anders. So wie dargestellt und gekleidet sehen Kellnerinnen heutzutage im allgemeinen sicherlich nicht aus, weder in Hessen, noch anderswo. Die Darstellung der in Tracht (Schwälmer?) gekleideten Frau einschließlich roter Kappe (Geschappel) als Kopfbedeckung lässt eindeutig einen geschichtlich/traditionellen Bezug erkennen.

        Nachdem ich noch einmal recherchiert habe, muss ich meine Aussage im Beitrag in Bezug auf die Illustration revidieren und richtigstellen. Ich nahm zunächst an, es handele sich hierbei um eine erst vor wenigen Jahren entstandene, im Retro-Look gehaltene Darstellung, um eine Neuinterpretation. Offenkundig ist die Illustration jedoch historisch und wurde im Zusammenhang mit dem Launch der Sorte „Hessenquell Landbier“ reaktiviert. Keine Paraphrase also, sondern eine zeitgenössische Darstellung von früher. Genau datieren kann ich die Illustration nicht, ich nehme jedoch an, dass diese aus der gleichen Zeit stammt, in der das „Hessenmädchen“ als „Markensymbol“ eingeführt wurde, also um das Jahr 1923.

        Hessenquell Pilsener – historische Werbung Hessenquell Pilsener – historische Werbung

        Es gibt gewiss Kellnerinnen, die über eine ähnliche Körperstatur verfügen, Typ „Maßkrugjongleurin“. Die Haltung der Arme innerhalb der Illustration, die Bierkrüge seitlich abspreizend, wirkt jedoch sehr unnatürlich. Es erfordert weniger Kraft, Gegenstände direkt vor der Brust haltend zu halten/tragen. So dass in diesem Fall der Eindruck entsteht, die Blickführung sei (damals) gezielt auf die Oberweite hin ausgerichtet worden. Schaut man sich Werbeschilder und -Karten aus der damaligen Zeit in diesem Kontext an (Gastronomie/Alkohol), stellt man fest, dass diese Form sexualisierter Darstellung früher gang und gäbe war.

        1. Naja, hier im süddeutschen Raum ist es zumindest in eher touristischen Wirtshäusern, auf Volksfesten etc. schon noch üblich, dass die Bedienungen Dirndl oder ähnliche traditionelle Outfits tragen. Insofern fand ich die Darstellung nicht so abwegig, kann aber natürlich nicht beurteilen, wie verbreitet sowas in Hessen noch ist. Und gleichzeitig ist ja auch klar, dass die Illustration etwas Retro-Charme verbreiten soll bzw. ja sogar wirklich so alt ist. Aber das ist ja noch kein Grund, warum man sie nicht auch noch im Jahr 2023 nutzen könnte.
          Dass die Bierkrüge so gehalten werden, dass der Fokus auf die Oberweite gelenkt wird, okay, darüber kann man wohl diskutieren. Aber ist das schon sexualisierend? Das Dekolletee wird nicht betont und der Ausschnitt ist komplett bedeckt. Vielleicht wollte man auch einfach aus ästhetischen Gründen mehr von der Frau und der Tracht zeigen, anstatt quasi nur einen Kopf mit Bierkrügen drunter. Zumal es bei vier Bierkrügen auch nicht völlig unmöglich ist, dass diese seitlich getragen werden, siehe z.B. hier.
          Letztendlich bleibe ich dabei, dass ich es für völlig übertrieben halte, bei so einer nun wirklich harmlosen Darstellung gleich wieder mit Sexismusvorwürfen um sich zu werfen.

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