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Kommunikationsdesign in der (lokalen) Berichterstattung

Im Zusammenhang mit der Vorstellung des neuen Corporate Designs der Stadt Kassel erscheint es mir sinnvoll, ein paar allgemeine Dinge anzusprechen. Wieder einmal wird deutlich, dass Kommunikationsdesign außerhalb der Kreativbranche zum Teil schwer(st) vermittelbar ist, vor allem die Notwendigkeit für Kommunikationsdesign. Seit vielen Jahren beobachte ich das im Umfeld zumeist lokaler Nachrichtenorgane stets sich auf die gleiche Weise abspielende Prozedere. Auch der Fall Kassel macht hier keine große Ausnahme.

Eine Stadt erhält ein komplett neues Erscheinungsbild. Ein Lokalredakteur nimmt sich der Sache an und berichtet: „Neues Logo der Stadt hat 50.000 Euro gekostet!“ (oder ähnlich). Was schon allein deshalb grober Unfug ist, da das Erscheinungsbild weit mehr umfasst als lediglich ein Logo. Schon allein die Überschrift samt Ausrufezeichen verdeutlicht, dass es dem Verfasser nicht um eine faire geschweige denn fundierte Berichterstattung geht, sondern um Meinungsmache. Der besagte Artikel wird durch eine tendenziell populistisch gefärbte Onlineabstimmung ergänzt, bei der sich schließlich mindestens 80% der Leser gegen das neue Logo aussprechen. In Folge des Artikels entsteht eine feurige, meist unsachlich geführte, weil kaum die eigentliche Gestaltung des Erscheinungsbildes betreffende Diskussion, die letztendlich aber doch den Artikel zum meistgelesenen Beitrag des Tages macht. Ziel erreicht? Wohl kaum.

Stadtlogos emotionalisieren

Ende 2011 schlugen in Oberbayern die Wellen hoch, als die Stadt Burghausen ihr neues Design präsentierte. Das Wochenblatt ließ sich damals zu der Überschrift hinreißen: „99 Prozent hassen das neue Burghausen-Logo“. Der verantwortliche Redakteur war vollkommen überzeugt davon, die gerade einmal etwa 300 Leser, die sich an einer Onlineumfrage beteiligten und mehrheitlich gegen das neue Logo stimmten, seien die notwendige Legitimation dafür, im Namen aller Bürger der Stadt sprechen zu dürfen, so zumindest liest sich die Überschrift. In diesem Fall war weniger das fehlende Fachwissen Grund für eine fruchtlose Berichterstattung samt nachfolgender Diskussion, sondern vielmehr der Hang zur Unsachlichkeit, mit der sich das Wochenblatt des Themas Redesigns näherte.

In einem Kommentar hier im dt bestritt der verantwortliche Redakteur Mike Schmitzer seinerzeit, die Onlineumfrage sei in irgendeiner Weise manipulativ, obwohl die Fragestellung eigentlich keine andere Deutung gestattet, da sie wie folgt formuliert war: „Soll die Stadt Burghausen ein neues Logo in Auftrag geben, das sympathisch wirkt und die Burg als Wahrzeichen miteinbezieht?“ Die Fragestellung impliziert, das jüngst vorgestellte Logo sei unsympathisch, weswegen ein weiteres neues Zeichen entwickelt werden müsse. Ein Rechenfehler, der dem Redakteur zudem unterlief, wirft ebenfalls kein gutes Licht auf die lokale Berichterstattung in diesem Fall. Tatsächlich votierten 90,6% und nicht 99% im Sinne des Fragestellers. Zu verdanken ist dieses Ergebnis vor allem der zum Teil von Polemik durchzogenen Berichterstattung des Redakteurs.

Kritik, die an der Sache vorbei geht

Auch wenn im Fall Kassel der ursprüngliche Artikel der Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) durchaus aufzeigt, dass ein Erscheinungsbild aus weitaus mehr als nur aus einem Logo besteht, wird das neue, rein typographische Logo von der Leserschaft verrissen, zu Unrecht wie ich meine. Wenn Steuergelder im Spiel sind, ist es um die Sachlichkeit oft schlecht bestellt. Dessen sollten sich Redakteure bewusst sein. In einer Rangliste der am dringlichsten benötigten Maßnahmen würden Bürger ein zeitgemäßes Erscheinungsbild ihrer Stadt vermutlich auf den allerletzten Platz manövrieren. Während in anderen Bereichen des Designs etwa im Möbel- und Produktdesign wie auch im automobilen Design die grundsätzliche Notwendigkeit von Design allgemein erkannt, anerkannt und ja sogar geschätzt wird, ist es im Kommunikationsdesign nach wie vor so, dass dieser Disziplin jeglicher Bedarf aberkannt wird. „Überflüssig wie ein Kropf“, heißt es dann gerne in Kommentaren und Artikeln.

HNA-Redakteur Mark-Christian von Busse behauptet in seinem für die HNA verfassten Kommentar, die einzige zulässige Schreibweise im neuen Stadtlogo Kassels wäre „Kassel, documenta-Stadt“. Kurios: während er das Fehlen des Bindestrichs moniert, wird die Kleinschreibweise von „documenta“ mit keiner Silbe beanstandet. Die Kritik gilt zudem allein dem Logo, das aufgrund dieses scheinbaren Rechtschreib-Fauxpas eine „Torheit“ sei, ohne dass Bezug zum damit in Verbindung stehenden Erscheinungsbild genommen würde. Im Grunde genommen ist dies, als würde man den Inhalt eines Buches auf Grundlage seines Buchdeckels bewerten. Kann man machen, eine wertvolle Rezension sieht allerdings anders aus. Auch der Verweis auf das Regelwerk der Rechtschreibung geht an der Sache vorbei. Genauso gut könnte man kritisieren, die Logos, um nur einige wenige zu nennen, des Robert Koch-Instituts, des Vitra Design Museums oder der Konrad-Adenauer-Stiftung (kas.de) seien allesamt falsch, da hier die Orthografie nicht befolgt würde.

Banalisierung des Kommunikationsdesigns

Nicht, dass ich den Mangel an Fachwissen in Sachen Design/Kommunikationsdesign in Redaktionen beklagte, nichts läge mir ferner. Wer allerdings in dieses Themenfeld vorstößt und (ein) Design in Frage stellt, von dem darf erwartet werden, zumal ein Verlagshaus im Hintergrund steht, dass man sich ernsthaft mit dem Thema befasst, bevor Artikel verfasst werden. Und es darf erwartet werden, dass sich der Autor der Verantwortung bewusst ist, die er in Bezug auf die Meinungsbildung hat. Beides geht der allgemeinen Berichterstattung über Kommunikationsdesign leider meist ab.

Während in Nachrichtenhäusern Themen wie Politik, Wirtschaft, Technik, Sport, Theater oder Literatur nur von den jeweiligen verantwortlichen Redakteuren bespielt werden, laufen Designthemen gerne schon einmal unter Panorama – und hier darf offenbar Jeder schreiben, ungeachtet seines Schwerpunktes. Die Art und Weise der Berichterstattung ist mitverantwortlich für das verhältnismäßig schlechte Image, das Kommunikationsdesign in weiten Teilen der Gesellschaft genießt. Gerade auch ihr ist es zu verdanken, dass es den Werbefuzzi, den Videofritzen und den überbezahlten, unterbeschäftigten Grafiker gibt und kaum jemand im Stande ist zwischen Designer und Werber zu unterscheiden, mal abgesehen von Designern und Werbern.

Nach Jahrzehnten der Oberflächlichkeit auf Seiten der Nachrichtenredaktionen hat sich dieser zum Teil negative Eindruck von Kreativschaffenden eingestellt. Ich stelle mir vor, wie Autoren in hitzigen Diskussionen in Dialog mit der eigenen Leserschaft träten, um zu vermitteln, zu erklären, zu relativieren, um Substanz und Polemik zu sortieren. Moderation innerhalb der durch eigene Artikel angestoßenen Diskussionen findet in großen wie in kleinen Nachrichtenhäusern kaum statt, so zumindest mein Eindruck, was allerdings ein großes Manko darstellt, denn gerade auch der Dialog mit den Lesern/Zuschauern/Hörern zeichnet einen zeitgemäßen Journalismus aus.

Polarisieren statt erklären

Stattdessen wird Öl ins Feuer gegossen, wie etwa im Fall Zwickau, wo im März 2009 die Freie Presse zu einer fragwürdigen Unterschriftenaktion aufrief (dt berichtete: Wieviel Demokratie verkraftet das Design in Zwickau?), in der Hoffnung, damit die Einführung des neuen Stadtlogos zu stoppen. Die Agentur ö_konzept aus Zwickau sah sich seinerzeit massiver Kritik ausgesetzt, ungerechtfertigterweise, denn die Arbeit ist handwerklich sauber und visuell ansprechend. Mit einigen Hundert Unterschriften einen Prozess stoppen zu wollen, der zum Teil viele Monate, im Einzelfall sogar Jahre in Anspruch genommen hat – das ist töricht!

Ein gelungenes Konzept tauscht man nicht aufgrund eines Anflugs von Kritik aus. Hier heißt es auf Seiten der Verantwortlichen kühlen Kopf bewahren. Je besser die Implementierung des Designs gelingt, und hiervon hängt letztlich der Erfolg des gesamten Entwicklungsprozesses ab, um so wahrscheinlicher ist, dass aus anfänglicher Kritik Zuspruch wird.

In knapp 7 Jahren, in denen ich im dt schreibe, sind gerade einmal zwei Fälle dokumentiert, in denen die Einführung eines neuen Logos aufgrund eines Aufbegehrens gestoppt wurde. Gegen das Logo der University of California wehrten sich tausende Universitätsangehörige, gegen das GAP-Logo gar hunderttausende auf Facebook. Solch ein Einlenken respektive Einknicken auf Seiten der Verantwortlichen ist jedoch sehr selten, die Wahrscheinlichkeit, mit solch einer Unterschriftenaktion Erfolg zu haben, ist sehr gering.

Michael Rösch, Vorstand und Managing Director der Designagentur wirDesign, die im Sommer 2011 ein neues Erscheinungsbild für die Stadt Nürnberg entwickelt hat, ist sich sicher: „Corporate Design für öffentliche Einrichtungen ist ein Prozess, der nur dann zum Erfolg führt, wenn die Qualität der Implementierung stimmt. Deshalb ist es unerlässlich, frühzeitig die richtigen Personen zusammenzubringen, um emotionale Barrieren zu vermeiden. Der eigentliche Faktor, der öffentlichkeitswirksam kommuniziert werden muss, ist der Einsparungseffekt, der durch ein neues Corporate-Design-System erreicht wird.“ Hierzu später noch mehr.

Im Kommunikationsdesign stößt das Duden-Regelwerk an seine Grenzen

Bei der visuellen Kommunikation gelten die in der Rechtschreibung in Bezug auf die Lesbarkeit von Text vorgegeben Regeln in besonderer Weise. Während das Hinzufügen eines Bindestrichs in der Regel die Lesbarkeit eines Wortes innerhalb eines Textes verbessert, wirkt sich ein Bindestrich innerhalb eines Logos, das vor allem in puncto Einfachheit überzeugen muss, eher negativ aus. Schnelle Erfassbarkeit, leichte Reproduzierbarkeit und selbstverständlich auch formalästhetische Aspekte (Form, Ausdruck, Originalität), die allzu oft in derlei vorgetragener Kritik ausgeblendet werden, stehen im Kommunikationsdesign VOR der orthografischen Korrektheit!

Bekanntermaßen sind visuelle Zeichen um so verständlicher, je einfacher sie gestaltetet sind. Denken wir an Piktogramme und Verkehrsschilder, die uns den Weg weisen. Zusätzlicher visueller Ballast wie Verzierungen erschwert die Verständlichkeit ebenso wie zu eng gesetzte Buchstaben. Auch die Typographie verfolgt ähnliche Ziele. In einem über mehrere Jahretausende hinweg andauernden Prozess haben sich stets die Schriftzeichen mit den besten Leseeigenschaften durchgesetzt. In solch einer Evolution, wie sie etwa Adrian Frutiger in seinem Buch: „Der Mensch und seine Zeichen“ aufzeigt, gibt es kein richtig oder falsch, eben nur ein besser bzw. ein weniger gut. Die Formensprache, in der Reduktion die vielleicht wichtigste Erfordernis überhaupt im Design darstellt, ist keinem Rechtschreibregelwerk verpflichtet, sondern zunächst einmal der Form selbst.

Es ist wichtig, das Duden-Regelwerk zu kennen. Im Bedarfsfall ist es jedoch im Kommunikationsdesign unerlässlich, sich über geltende Rechtschreibregeln hinwegzusetzen. Dabei gilt für Kommunikationsdesign das gleiche wie für Rechtschreibregeln: in beiden Fällen ist die Verbesserung der Kommunikation das Ziel! Zweifelsfrei gibt es genügend Beispiele, die diesen theoretischen Ansatz untergraben, wohlgemerkt in beiden Bereichen. Verallgemeinerungen wie: falsche Orthografie = schlechtes Design sind ebenso unangebracht wie die Behauptung, Lokaljournalismus sei durchweg oberflächlich.

Corporate Design als Chance begreifen

Kommunikationsdesign stellt in weiten Teilen unserer Gesellschaft ein rein Kosten verursachendes Übel dar. Die Chancen und die positiven Effekte, die mit einem konsequenten, durchdachten und ansprechendem Corporate Design verknüpft sind, bleiben den Menschen meist, gerade in der lokalen Berichterstattung, verborgen. Ich stelle mir vor, wie ein Redakteur in seiner Recherche herausfände, dass mit Hilfe des neuen Corporate Designs die Ausgaben in der Stadtverwaltung in den vergangenen 10 Jahren um 10–20% gesenkt werden konnten. Initiale Kosten relativieren sich sehr schnell, wenn man das Thema Nachhaltigkeit berücksichtigt.

Denn natürlich lassen sich Kosten senken, indem Broschüren, Plakate, Briefpapier und viele andere Medien mittels einheitlicher Gestaltung entworfen und gedruckt werden. Wo früher vielleicht 5 oder 6 Werbeagenturen beauftragt worden sind, zahlreiche Meetings geführt werden mussten, braucht zukünftig nach Implementierung eines neuen Designs womöglich nur noch ein Dienstleister aktiv werden. Auch das spart Geld, Zeit obendrein, weil Verantwortlichkeiten eindeutig und Abläufe klar sind.

Oftmals gleicht das Erscheinungsbild einer Stadt vor Beginn eines Redesigns einem bunten Wirrwarr. Dass sich solch ein Flickenteppich-Äußeres schlecht verkaufen lässt, sollte sich auch Nicht-Designern erschließen. Denn natürlich muss auch eine Stadt für sich werben, will sie Investoren und Touristen anlocken, möchte sie in der Gunst der Bürger bestehen.

Fair und fundiert, statt zugespitzt und oberflächlich

Wer Design als ein wichtiges Kriterium für den Kauf eines Autos, eines Smartphones, einer Markenjeans, von Schuhen oder der Wohnzimmereinrichtung nennt, und das tun weitaus mehr Menschen als in der Kreativbranche tätig sind, der dürfte die Bedeutung einer ansprechenden und in sich stimmigen Gestaltung im Bereich des Kommunikationsdesigns, zudem auch die Gestaltung eines Stadtlogos zählt, eigentlich nicht in Abrede stellen, schon gar nicht, wer aufgrund seiner schreibenden Profession in der Verantwortung steht, eine inhaltlich überzeugende, gerne kritische aber doch insgesamt faire Berichterstattung abzuliefern. Der Nachholbedarf auf Seiten der schreibenden Zunft ist diesbezüglich immens, ebenso der Hang zur Meinungsmache, gerade im Umfeld der angesprochenen Medien. Neu ist das nicht, auch keineswegs ein rein deutsches bzw. deutschsprachiges Phänomen, goutieren muss man es deshalb aber noch lange nicht.

Ich stelle mir vor, Nachrichtenredaktionen wiesen in ihren Meldungen über Design auf all diese Chancen hin, zumindest ansatzweise, die Design insbesondere Corporate Design bietet, anstatt wiederholend „Düsseldorf-Logo kostet 160.000 Euro“ zu kolportieren oder von „Steuerverschwendung“ zu sprechen. Die Motivation auf Seiten der verantwortlichen Autoren, in solch einem Maße zu polarisieren ist ausgeprägter als meine Naivität. So dürfte es beim frommen Wunsch bleiben. Und dennoch. Design scheint immer nur Schuld an allem zu sein. Darüber, wozu es gut ist, ließt man hingegen nur selten etwas, und damit meine ich keine „Unternehmen XY hat XY-Award in Silber gewonnen“-Meldungen, die sich in Selbstbeweihräucherung verlieren. Auch das muss sich ändern.

Dieser Beitrag hat 115 Kommentare

  1. „… würde der Pöbel über einen entsprechenden Wortschatz oder eine entsprechende Bildung verfügen, anders zu diesem oder jenem Logo stehen. Das offenbart eine gewisse, man möge es mir verzeihen, Arroganz gegenüber den Unstudierten, denen für die Beurteilung einer solchen Arbeit nichts anderes zur Verfügung steht als ihr ganz ureigenes subjektives Geschmacksempfinden.“

    Jeder darf und soll seine Meinung offen Kund tun. Aber wenn Mann/Frau innerhalb von einer Sekunde ein Urteil fällt, dann wird das dem Erscheinungsbild nicht gerecht. Die Wortmarke ist ein – wenn auch wesentlicher – Bestandteil des CDs, aber eben nicht alles. Schade nur, dass solche Meinungen instrumentalisiert und zur Deutungshoheit missbraucht werden. Damit ist niemandem geholfen. Die Arroganz gegenüber den „Unkundigen“ nehme ich gerne in Kauf. Wenn ich mich nur nach dem Massengeschmack richte, wird sich nichts ändern in unserer visuellen Kultur.

    Dieses Beispiel ist natürlich in allen Facetten viel komplexer und wirft auf dem zweiten Blick unbequeme Fragen auf. Warum ist die visuelle Geschmackskultur in unserem Land so unterentwickelt (z.B. verglichen mit den Niederlanden)? Liegt es an der Mentalität der hiesigen Bewohner? Liegt es an fehlender kulturellen Bildung? Liegt es an der Medienlandschaft? Oder sind Kommunikationsdesigner ein Stück weit selbst mitverantwortlich, weil sie sich als Berufszweig in der Öffentlichkeit nicht oder falsch positionieren?

  2. Nur eine kleine Randbemerkung zu den Brüdern Grimm: Kassel ist nicht die einzige Brüder-Grimm-Stadt (z.B. trägt Hanau diesen Titel auch offiziell), aber definitiv die einzige Documenta-Stadt – und wird weltweit wesentlich stärker mit letzterer in Verbindung gebracht.

  3. Danke für diesen offenbar mit Herzblut, aber doch sachlich geschriebenen Beitrag. Es ist nur zu hoffen, dass er die Adressaten auch auf die eine oder andere Art wirklich erreicht. Es wäre wirklich ein enormer Fortschritt, wenn über Design und insbesondere Kommunikationsdesign nicht nur in der Lokalpresse endlich einmal weitgehend kompetent und differenziert geschrieben würde.

    Leider passsiert dies jedoch nicht einmal zwingend in der Fachliteratur – wenn auch in anderer Hinsicht: ich kann mich z.B. erinnern, vor Jahren reumütig beschlossen zu haben, nach den ersten beiden Ausgaben nie wieder einen Band “Graphis Corporate Identity” zu kaufen, weil die dort vorgestellten und offensichtlich für vorbildlich erachteten Beispiele nahezu vollkommen kontextlos und hoffnungslos “unterkommentiert” präsentiert wurden.

    Diese Reduktion auf die formalästhtetische Erscheinung, ggf. noch ergänzt mit dem quasi-Gütesiegel des Verweises auf den oder die real oder auch nur vermeintlich hochqualifizierten Schöpfer stellt meiner Ansicht eine Art Gegenpol zu populistischer Stimmungsmache wie der im Artikel beschriebenen dar. Beides ist nicht gut, um fundiert über Design zu sprechen – oder auch zu streiten.

  4. Liebe Vroni,

    Nein.
    So ein Stadtmarketingzeichen ist ein Akquisitionszeichen. Ak-quise! Kundengewinnung, Werbung. Es ist für die gedacht, die NOCH NICHT da sind. Aber bitte kommen mögen zur Imageverbesserung und zur Verbesserung des Stadtsäckels. Städte sind ja neuerdings jetzt auch neoliberalerweise als Unternehmen zu betrachten … ^^
    So einfach ist das.

    Es freut mich zu lesen, dass ich nun doch verstanden wurde. Genau das von dir (ich bleib jetzt mal beim höflichen, forenüblichen “du”) Beschriebene müssen nicht die Planer ausführen und ausbaden, sondern diejenigen, die mit den Kunden zu tun haben. Was nützt denn ein tolles neues Zeichen, wenn nichts dahinter ist? Wenn es keiner verwendet, weil es nicht gut ankommt? Es wird nur im Gesamtpaket funktionieren – vom ersten Kontakt des Beworbenen oder Interessenten über Web-Auftritte, Printmedien, Social Media und so weiter bis zum gebrandeten Schokotäfelchen, das auf dem Kopfkissen thront. Wie das durchstrukturiert funktioniert, machen uns beispielsweise Südtirol als Regionenmarke und Roter Hahn als Dienstleistungmarke wunderbar vor.

  5. Lieber Der Gast,
    ich fürchte, wir haben uns immer noch nicht ganz verstanden:
    Ich machte sehr wohl einen Unterschied zwischen Einwohner-Bürger der Stadt selbst und den Adressaten draußen.

    Insgesamt – obwohl ich natürlich den Marketingkram auch runterbeten kann und die Denke kenn’ , leider möcht ich fast sagen – fühle ich mich nicht ganz wohl, eine Stadt zu einem Unternehmen umzufunktionieren und ihr ein Marketing-Branding zu verpassen. Irschendwie ist mir das zu kurzgesprungen in den letzten Jahren bei vielen Städten mit ihrer Selbstvermarktung.

    Von daher rühren vermutlich auch die Proteste mancher Bürger. Ohne dass sie richtig wissen warum, passt ihnen diese Unternehmens-Soße eben nicht. Was ich gut verstehen kann, eine Stadt ist mehr als eine GmbH.

    Oder ganz anders, richtig polemisch ausgedrückt hier:
    https://www.blog.vroni-graebel.de/logisches/2013/01/haben-deutsche-geschmack/

    Ausschnitt:

    Immerhin haben Kassel und seine Designer nicht die Gebrüder Grimm und die Dokumenta gleichzeitig im Stadtzeichen zusammengeschweißt. Uff! Etwas besseres als den Tod findet man überall … möchte man dankbar rufen. Wenn nur nicht jetzt der depperte Bindestrich gewesen wäre, der manchem Bürger fehlt, weil der Duden ist ja wichtig – wären fast alle zufrieden.

    [Sorry Achim, für einen echten Trackback war ich zu dusselig, wie geht das hier, wo ist der Knopf …]

  6. Ein super Artikel von Achim, der mal wieder rein haut!

    ——————————————————————————————————————————–

    @ Vorni: Herrlisch! Ein Traum! ///
    Design ist keine Demokratie! Yes.
    Verband tut nix! Find ich auch. Vor allem nix für die Kleinen oder gar ganz Kleinen.

    @ Vorni/Wolle: Danke! Ich hab dann eigentlich nur noch eure Postings gelesen.

    Gruß aus dem Norden!

  7. @Achim Schaffrinna
    “Lesefluss ist nicht das, worum es bei der Darstellung eines Zeichens, eines Logos geht.”

    Gut – dann verwende ich den im Artikel gewählten Begriff: Lesbarkeit. Wie es auch ein anderer User schon geschrieben hat, stören auch mich Rechtschreibfehler ungemein und erwecken für mich den Anschein von fehlender Professionalität. Ich versuche meist automatisch zunächst davon auszugehen, dass der Satz oder der Name richtig geschrieben ist – und schaffe es dann nicht, irgendeinen Sinn hineinzuinterpretieren. Bis ich dann feststelle, dass es sich schlicht um einen Fehler handelt. Das sage ich als jemand, der selber textet. Auch wenn ich weiß, dass viele Designer das anders sehen.

  8. @ Liebe/r funk,
    verstehe Ihren Einwand.
    Zeichen werden sowohl gelesen als auch optisch als Bild erfasst.
    Vor allem Wort-Zeichen werden als erstes gelesen.

    Der Typograf/Designer in mir erfasst Buchstaben immer auch als Bild, als Figur, die für sich steht. Gehe aber davon aus und stelle in Rechnung, dass die meisten Menschen das gerade nicht tun. Sie, funk, sind in bester Gesellschaft. Ist o.k.
    Mein Mann, ein Lesemensch, kann auch keinen Text vernünftig inhaltlich beurteilen oder genießen, bevor nicht die Rechtschreibfehler verschwunden sind.

    Zur allgemeinen Debatte:

    Mögliche Thesen zu all den bis jetzt gewesenen Bürger-Ablehnungen von Zeichen:

    1. Einwände wie fehlende Leerzeichen oder “falsche Schreibweise” stellen für den Bürger ideale Einwände dar. Um das Zeichen in seiner Gänze abzulehnen und nicht ganz von der Hand zu weisend dagegen zu opponieren.

    2. Neue Stadtzeichen sind in der Regel Marketing-gesteuert, d. h. sie verstehen durchglobalisiert und verkommerzialisiert ihre Stadt als GmbH, statt wie früher als Bürger-Gemeinschaft. Diese forsche wie unterschwellige Botschaft vieler neuer Stadtzeichen verstört den Bürger. Er lehnt dann die neuen Stadtzeichen emotional ab, ahnt die Ursache, warum er sie ablehnt, aber kommuniziert genau diese Ursache eben nicht.

    Weil er sich seiner Emotionen nicht ganz klar ist und sie nicht ausdrückt, greift er zur Rationalisierung. (Normal, macht fast jeder, dem seine Gefühle noch nicht recht klar sind, aber was Gehaltvolles dagegen sagen will).
    Z.B. zu dem willkommenen rationalisierbaren Anlass wie Punkt 1.

    Oder falls es bei Rechtschreibung keine ausreichende Angriffsfläche gibt, greift der Bürger zu mehr oder weniger rational anmutenden Design-Argumenten, die er aber nicht zur Gänze beherrscht. Dann treten sofort die einen oder anderen Designer auf den Plan, um den Bürger zu “korrigieren” (Experte-Laien-Dilemma). Nie treten auf den Plan: die Designer, die das Zeichen gemacht haben.

    Diese 2 denkbaren Thesen untermauern recht schön die Kommunikation hinter der Kommunikation.

    Kommunikation hinter der Kommunikation tritt im Designer-Alltag durchaus auf. Und es ist Sache des Designers, das geschickt und diplomatisch anzugehen, indem er (die richtigen) Fragen stellt: Z.B.
    Nicht: “Warum wollen Sie denn die Headlines jetzt so riesig und in Rot?” (Gern mit unterschwelligem Tonfall ‘das sieht doch sch*** aus’)
    Sondern: “Sie wollen das, was die Headline sagt, noch mehr in den Vordergrund rücken? Es ist Ihnen sehr wichtig? Sie finden, es geht derzeit etwas unter?”

    Fragen nach den Inhalten sind immer die probateren. Das ermöglicht, dass das Design nach wie vor der Designer macht. Und nicht der Kunde/Auftraggeber/Bürger. Ein Designer, der das zulässt, macht sich überflüssig. Was zuweilen auch geschieht.

    Der Bürger kann und soll sich inhaltlich äußern. Er kann und soll sagen, dass er es für Mist halte, er sich unwohl fühlt, wenn seine Stadt jetzt auch den ganzen modernen Marketingzirkus mitmacht. Dass er sich damit nicht vertreten fühlt (das tut ein solches Zeichen in der Regel auch nicht). Das ist voll o. k..

    Nicht fragen jedoch soll der Designer den Bürger so: Ob er jetzt fände, dass sein toller Fluss jetzt untergehe und ob er zu dem Kultur-Dings dazu soll. Der Laie will so gut wie immer alles-auf-einmal (Käsekästchen und Anreicherung), statt zu pointieren und Schwerpunkte zu leben. Denn wer Schwerpunkte legt, muss auf etwas verzichten. Wäre zwar vorbildliche demokratische Haltung, sich mit seinen persönlichen Interessen zugunsten der Gemeinschaft zurückzunehmen, liegt aber nicht all zu vielen. Der Internet-Bürger hat das “Ich, ich ich!” entdeckt.

    Zu guter Letzt:
    Ganz verstehen kann ich es auch nicht, dass nur allzuoft ein neues kommunales Zeichen nicht genügend in der Öffentlichkeit vorbereitet wird und dann auch noch solche Steilvorlagen geliefert werden.

  9. Leider ist und bleibt Deutschland in den Bereichen Modernes Design und Kunst anscheinend ein eher geiziges Land. Schaut man sich die Gehälter vieler Kommunikationsdesigner an oder aber einige Preisvorstellungen von Kunden verwundert einen diese Verständnislosigkeit nur noch bedingt. Deutsche sind klar strukturiert denkende Köpfe, die leider viel zu oft nur nach dem direkten eigenen Vorteil Ausschau halten. Hauptsache das Auto und die Kaffeemaschine sind groß genug.

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