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Kleine Hommage an eine Wortmarke – Canton

Als die Firma Canton den Auftrag zur Erstellungen eines neuen Firmensignets vergab, waren gerade einmal 35 Mitarbeiter damit beschäftigt Lautsprecher zu entwickeln und zu montieren. Im ersten Jahr nach der Gründung am 01. Januar 1973 verwendete man noch einen provisorischen hausgemachten Schriftzug. Nicht in einer Garage, wie so viele prominente Software-Unternehmen, sondern im Wohnzimmer entwickelte man damals noch die ersten Modelle. Mit dem Erfolg der ersten Lautsprecher stiegen die Anforderungen an ein prägnantes Erscheinungsbild, dass ganz auf die Themenwelt Musik abgestimmt sein sollte.

So trat Canton mit Sitz in Weilrod im Jahr 1974 an Christof Gassner heran mit der Bitte, er möge ein Logo gestalten, das das Thema Musik in bester Manier transportiere und zudem zu den entwickelten HiFi-Produkten optimal passe. Gassner hatte zu dieser Zeit ein Designatelier in Frankfurt am Main und machte sich sodann an die Arbeit.

Canton Logo

Am Ende des Gestaltungsprozesses stand die hier abgebildete Wortmarke. Grundlage ist die von Herb Lubalin wenige Jahre zuvor geschaffene Typo Avant Garde und zwar in fünf Schriftschnitten. Daran sieht man, dass auch damals die Designer und Gestalter für neue Trends und Moden innerhalb der Typografie durchaus empfänglich waren. Eine Schrift, die für ein US-Kulturmagazin entwickelt wurde und zu jener Zeit in Deutschland noch eher wenig Verbreitung fand, verströmte offensichtlich eine große Anziehungskraft auf die Gestalter dieser Dekade.

Die Wortmarke im Detail

Von links nach rechts nimmt die Schriftstärke zu. Wie ein leiser Ton, der langsam an Lautstärke gewinnt, nimmt die Fläche der Buchstaben an Volumen zu. Christof Gasser selbst sieht in dem Logo: “Klangkontraste wie hohe und tiefe Töne, Lautstärken von piano bis forte”. Die Buchstaben “N” und “T” vollziehen im Zentrum der Wortmarke eine Teilung. Auf diese Weise wird das Prinzip der Stereophonie verdeutlicht, denn bekanntermaßen sind mindestens zwei Schallquellen für den akustischen Genuss erforderlich. “Canton” kommt von “cantare“, was im italienischen “singen” bedeutet. Logo und Firmenname bilden in der ausdrucksstarken Form von Christof Gassner eine einzigartige Symbiose.

Erco Canton Ambiente Logos

Welches ist das Original?

Die auffällige Ähnlichkeit zum Firmenlogo der Leuchtenfirma Erco wurde bereits in den Kommentaren dieses Beitrags im Design Tagebuch angesprochen. Auch die Wortmarke des Mode-Labels Ambiente zeigt unverkennbar eine Verwandschaft. Der ein oder andere wird sich vermutlich schon einmal gefragt haben: Welches ist das Original? Hier kommt die Antwort.

Otl Aicher, der für das Erscheinungsbild der Marke Erco maßgeblich verantwortlich war, kreierte das Firmenlogo ebenfalls im Jahr 1974. Anders als Gassner entschied sich Aicher aber für die Univers als Schrift. Die zugrunde liegende Idee, und daraus folgend die Interpretation der Wortmarke, dürfte nicht ganz unähnlich gewesen sein. Statt Musik ist jedoch hier Licht das tragende Thema. Die vier Buchstaben werden von links nach rechts immer dünner. Als ob jemand das Licht dimmt bis nur noch ein angenehmes Glimmen sichtbar ist.

Sowohl der konzeptionelle Ansatz, als auch das Resultat zeigen verblüffende Ähnlichkeiten. Sollte Aicher hinüber nach Frankfurt geschaut haben, wo zeitgleich das Canton-Logo entstand? Kaum vorstellbar. Oder war es umgekehrt? Ließ der Frankfurter Designer sich vom damals schon bekannten Gestalter aus Rotis anstecken? Keines von beiden ist zutreffend. Vielmehr ist dies ein wunderbares Beispiel dafür, dass mehrere Gestalter eine ganz ähnliche Idee haben können und diese, ohne vom anderen zu wissen, jeder für sich entwickeln. Prof. Christof Gassner schilderte mir seine Sichtweise: “Beide Logos kamen zur gleichen Zeit auf den Markt. Abgeschaut hat keiner vom anderen.” In diesem Sinne möchte ich eine sprichwörtliche Redewendung einmal umformulieren: “Zwei Gestalter – ein Gedanke”.

Canton Plakat

Zwei Originale

Dennoch, und das ist meine persönliche Meinung, ist die Formensprache des Canton-Logos ungleich spannender und lebendiger, als seine artverwandte Schwester. Auch die Grundidee ist einen Tick raffinierter und präziser. Denn im Gegenzug zum Erco-Logo vollziehen die Buchstaben von links nach rechts eine positive Steigerung und gewinnen an Volumen wogegen die vier Erco-Lettern immer dünner und schwächer werden. Aber natürlich muss man auch dem sehr puristischen Erco-Signet eine sehr hohe Gestaltungsqualität zusprechen.

Dem Logo der Modemarke Ambiente darf man da schon eher eine “Nachahmung” attestieren. Wie heißt es so schön: “Eine Kopie ist die höchste Form der Auszeichnung”. So könnte man es sagen, denn als Michael Boveleth das Mode-Label 1985 gründete, gab es die beiden besagten Wortmarken bereits ein Jahrzehnt. Der Firmengründer ließ in der Wortmarke, die ebenfalls aus der Avant Garde zusammengestellt wurde, seine Initialen “MB” hervorheben. Wie dem auch sei. Auch das Ambiente-Logo überzeugt durch eine gelungene Formensprache. Wer aber die ganze Geschichte kennt, weiß dieses Logo einzuordnen.

Von Dauer

Die Zusammenarbeit zwischen der Firma Canton und Christof Gassner währte knapp 20 Jahre. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Arbeiten, die teilweise vielfach ausgezeichnet wurden. Einige Plakatserien hängen heute im Museum Folkwang, dem Deutschen Plakat Museum in Essen. Zwei Plakate, die mir noch aus den Achtzigern als Jugendlicher gut in Erinnerung geblieben sind, sind in diesem Beitrag abgebildet. Seit 1993 ist Prof. Christof Gassner an der Kunsthochschule Kassel beschäftigt, wo er heute noch tätig ist.

In Zeiten wo Schatteneffekte, Reflexe, Spiegelungen und Transparenzen regieren, empfinde ich es als sehr angenehm, wenn das Auge an klaren originären Formen haften bleibt. Ich glaube jeder Gestalter wünscht sich, dass seine Arbeiten von Dauer sind. Mir selbst zeigen Arbeiten, wie die für die Firma Canton worauf es einfach ankommt. Es ist leicht modischen Trends zu folgen. Davon spreche ich mich selbst keinesfalls frei. Manchmal gibt es keine andere Möglichkeit, als sich auf einen Kompromiss mit dem Kunden und Auftraggeber einzulassen. Zähneknirschend. Ich glaube es lohnt aber die Energie aufzubringen, um nicht modischen Linien hinterher zu laufen. In diesem Sinne. Frohes Schaffen.

Dieser Beitrag hat 21 Kommentare

  1. Juristisch handelt es sich nur dann um eine reine Wortmarke, wenn es nur um eine Zeichenkette geht. Sobald gestalterische Elemente ins Spiel kommen (die Anordnung der Buchstaben auf eine bestimmte Art im Raum oder ein bestimmter Font), geht es um eine Wortbildmarke.

    Mag aber sein, dass Werber und Designer die Termini anders verwenden; daher habe ich ja ein “?” hinterhergeschickt.

  2. Meine kleinen Canton-Boxen, die früher von vielen belächelt wurden, als es ein Muss war schrankartige Boxen sakral anmutend im Wohnzimmer zu präsentieren, verrichten auch nach Jahrzehnten noch ihren guten Dienst. Mittig unten erfreut mich das perfekte Canton-Wortbild. Ich bin nicht sicher, ob die C-A-Ligatur eine kleine Schwäche in der Wortmarke darstellt. Manchmal machen ja auch die kleinen “Ecken und Kanten” die besondere Raffinesse aus. Hübsch ist das Canton-Plakat, das Schaffrinna oben in diesem Canton-Beitrag eingestellt hat. Hier wird die Ligatur schmeichlerisch überspielt – und fast sieht der Schriftzug so noch besser aus, oder?

  3. ich bin gerade auf das designtagebuch gestoßen und wollte ein großes lob loswerden. tolle artikel, gut geschrieben und ich hab schon viel wissenswertes entdeckt und gelernt. gleich mal ab in die favoritenleiste.
    lg, manu

  4. Also ich konnte das Canton-Logo noch nie leiden! Ich mag zwar die Avant Garde Alternates, aber wie schon oben geschrieben sind die runden Buchstaben (C, O) optisch kleiner und mir war schon immer das N zu dick. Wir werden keine Freunde!

  5. Eine Anmerkung zu der Erco-Bildmarke. Ich finde nicht, das es so aussieht “Als ob jemand das Licht dimmt bis nur noch ein angenehmes Glimmen sichtbar ist.” Im Gegenteil: Die Marke wird doch nach rechts immer heller, das Licht wird also eingeschaltet. Das ist zumindest mein Eindruck.

  6. > Was auffällt, ist die fehlende Überschneidung der Rundformen (C,O) über die Ober- und Unterkante, was die Buchstaben optisch kleiner erscheinen läßt.

    Sehr gutes Auge, Fred! Tatsächlich war die bis eben abgebildete freigestellte Wortmarke nicht die finale Version, was mir auch Prof.Gassner mitgeteilt hat. In der finalen Version, die ich soeben hochgeladen habe, findet sich der angesprochene Höhenausgleich berücksichtigt. Hintergrund für dieses Malheur ist der Umstand, dass bei Brands of the World eine nicht finale Version des Logos hinterlegt ist, das in diesem Beitrag zum Einsatz kam. Nun sind alle Abbildungen korrekt.

  7. Sehr schöner Artikel, bin zum ersten mal auf deinem Tagebuch, lesenswert. Allerdings muss ich Stefan rechtgeben, hier wurde sehr wohl ein neuer Trend aufgegriffen. Du wiedersprichst Dir in diesem Punkt auch im Text;
    Zitat: “Daran sieht man, dass auch damals die Designer und Gestalter für neue Trends und Moden innerhalb der Typografie durchaus empfänglich waren”

    Wer mag schon sagen wie Signets in Zukunft bewertet werden? Es hat manchmal den Anschein als erwarte man eine Rückkehr zu den “guten Zeiten” der Qualitätsgestaltung, von derer aus dann die FX-Logos belächelt würden. Ich kann mir jedoch vorstellen das Symbole mit Spiegelung aus einer Zukunft mit animierten Bildfolgen auf E-Paper (wenn es denn mal kein Papier mehr gibt, hehe) auch wie echte gute Handarbeit wirken könnten.

  8. Das Canton-Zeichen kann sogar noch mehr: Es spielt nämlich wunderschön mit den Artikulationsorten der Vokale: bei TON ist das ziemlich offenkundig, das O ist wohl der Buchstabe mit der intuitiv transparentesten Laut-Zeichen-Beziehung. Wenn ich mir nun die Silbe CAN ansehe, symbolisiert das C ähnlich transparent die Artikulation des A (ein ungerundeter offener Zentral- oder Vorderzungenvokal ;)). Man kann sich dabei einen seitlichen Schnitt durch den Mundraum vorstellen, der bei der Artikulation von A in etwa die Form des C annimmt. Um das Bild ein bisschen weiter zu strapazieren singt das C den ANTON und bewegt sich dabei von einer großen zu einer kleinen Öffnung des Mundes, von viel Raum (schmal) zu wenig Raum (fett).

    Ja, ein schöner Artikel, und eine schöne Website.

  9. AMBIENTE ist nicht Avant Garde, sondern Futura (oder höchstens noch Century Gothic). Zu sehen etwa am spitzen N, das die Avant Garde nicht hat.

Kommentare sind geschlossen.

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