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Ist das deutsche Apotheken-Logo so scheiße und Fraktur eine „Nazi-Schrift“, wie Jan Böhmermann behauptet?

Apotheken Logo, Quelle: Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker
Apotheken Logo, Quelle: Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker

In der „Fest & Flauschig“-Folge „Gesund durch die Schwangerschaft“ geht der Satiriker/Podcaster/Entertainer Böhmermann auf das Logo und Markenzeichen der deutschen Apotheken ein. Böhmermann erklärt, das Logo, ein rotes „A“, das in den 1930er-Jahren entworfen wurde, sehe „völlig scheiße“ aus, und er verstehe nicht, weshalb Apotheken heute noch eine „alte Nazi-Schrift“ im Logo verwendeten.

Dass Apotheken in Deutschland dieses „Nazi-Zeichen“ heutzutage auf ihren Schildern verwenden, wie Böhmermann ausführt, könne er nicht verstehen. Europaweit würden Apotheken fast durchgehend ein grünes Kreuz als Erkennungszeichen nutzen, nur in Deutschland (u. Österreich, Schweiz) werde dieses „Fraktur-A“ verwendet, das „Nazi-Ursprünge“ aufweise. Aber stimmt das denn alles, was Böhmermann behauptet? Zusammenfassend lässt sich sagen: nur teilweise.

Die Entstehung des Apotheken-Logos wird auf der Website der Deutsche Apotheken Museum-Stiftung ausführlich beschrieben. Offenbar dienten vor allem die auf der Seite „Geschichte des Apothekenwahrzeichens“ aufbereiteten Informationen Böhmermann als Grundlage für dessen Einschätzungen und Behauptungen. Die Angaben dort, soviel sei gesagt, sind zum Teil nicht korrekt. So sind etwa Geburts- und Todesjahr des verantwortlichen Gestalters des Apotheken-A-Logos, Ernst Paul Weise, falsch (korrekt ist 1890-1981). Weise starb 1981 im Alter von 91 Jahren in seinem Atelier am Breitenbachplatz in Berlin. Es dient dem besseren Verständnis des nachfolgenden Textes, wenn die oben verlinkte Seite zuvor zumindest überflogen wurde.

Nun einmal ganz konkret. Was ist dran an Böhmermanns Aussagen und Einschätzungen? In vielen anderen Ländern nutzen Apotheken in der Tat ein grünes Kreuz als Erkennungszeichen. Drogerien übrigens auch, was die Differenzierung erschwert. In vielen Ländern sind zudem andere Erkennungszeichen und Verkehrszeichen in Gebrauch, um beispielsweise Autobahnen, Haltestellen oder Stadtnamen kenntlich zu machen. Bushaltestellenschilder sind in Deutschland grün und mit einem H gekennzeichnet. In Italien, Spanien und Polen sind die Schilder blau und zeigen ein Bus-Symbol. In England hingegen ist die Farbe der Schilder rot/weiß bzw. rot/schwarz. Selbst die Kennzeichnung von Krankenhäusern ist europaweit uneinheitlich, wie der Vergleich europäischer Verkehrszeichen zeigt. Und diese Heterogenität zeigt sich auch im privatwirtschaftlichen Umfeld, wo Farben und Markenzeichen etwa von Postbetrieben, Supermärkten und anderen Unternehmen im Ländervergleich variieren. Eine einheitliche Kennzeichnung in Bezug auf Krankenhäuser wäre sicherlich hilfreich. Die Frage, ob die Durchsetzung einer europaweit einheitlichen Symbolik für Apothekenbetriebe sinnvoll und darüber hinaus überhaupt möglich ist, lasse ich zunächst einmal unbeantwortet.

Das Apotheken-A ist in der Tat, und in diesem Punkt stimme ich mit Böhmermann überein, ein eigenartiges, seltsames Zeichen. Auch mich fasziniert die Rebus-artige, rätselhafte Bildsprache dieses Zeichens seit Kindheitstagen. Ich sah in der Darstellung, Schlange (Äskulapnatter) + Kelch, stets eine Art Springbrunnen, wobei mir nicht klar gewesen ist, dass es sich um einen Arzneikelch handelt und nicht etwa um ein Champagnerglas, wie ich vermutete. Wie auch die Podcast-Folge aufzeigt, bietet das Logo ganz unterschiedliche Lesarten. Böhmermann stellt das A-Signet in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus.

Böhmermann kritisiert die Form des „A“ und das typographische Zeichen als solches: das „A“ basiere auf einer „alten Nazi-Schrift“, so Böhmermann (Min. 21:35). Darüber hinaus erklärt er, das Logo sei eine „gestalterische Beleidigung, hinter der die Nazis stehen“. Weiter führt der Podcast-Macher aus, der Alternativentwurf aus dem Jahre 1929 (Arzneiflasche mit drei Löffeln, Abbildung) gefalle ihm viel besser als diese „Scheiß-Fraktur“. An die Adresse von Apothekenbetreibern in Deutschland gerichtet regt er dazu an, sich „out of the box“ ein neues Logo auszudenken.

So weit, so unterhaltsam. Ich finde es schlicht großartig, wenn ein Kommunikationsdesignthema wieder einmal eine breite Öffentlichkeit findet. Denn man verkennt ja doch eines sehr leicht: wir alle sind von Kommunikationsdesign umgeben – selten genug nehmen wir die damit verbundenen Botschaften jedoch bewusst wahr. Böhmermann und Schulz haben sich die Mühe gemacht, ein Logo einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich möchte den Blick gerne gemeinsam mit der dt-Leserschaft weiter schärfen, auch weil hier doch von den beiden Machern des Podcast einige Vorurteile bedient werden. Ergänzungen und Korrekturen sind herzlich willkommen.

Frakturschriften haftet seit Jahrzehnten das Stigma von „Nazi-Schriften“ an. Ein Thema, das innerhalb der Designszene bereits oft und ausgiebig diskutiert wurde. Von der rechten Szene wurden/werden Frakturschriften und andere sogenannten gebrochenen Schriften vereinnahmt und instrumentalisiert. Auf den Punkt gebracht möchte ich hier schon einmal festhalten: die Annahme, Nazis hätten Frakturschriften entworfen, ist falsch.

Zur geschichtlichen Einordnung: Frakturschriften entstanden bereits im 15. Jahrhundert. Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Frakturschriften die meistbenutzten Druckschriften im deutschsprachigen Raum. Ich darf mich kurz outen? Frakturschriften sind, zumindest größtenteils, absolut hinreißende, großartige, handwerklich wie künstlerisch wertvolle typographische Werke. Oder um es mit den Worten von Judith Schalanskys zu sagen: „Fraktur mon amour“. Diese meine Liebeserklärung möchte ich bitte nicht als Deutschtümelei, wie sie etwa der „Bund für deutsche Schrift und Sprache“ betreibt, missverstanden wissen. Gebrochenen Schriften sind ein tief verwurzelter Bestandteil europäischer Schriftkultur. Dieser ausgeprägte geschichtliche Zusammenhang wird von Böhmermann und Schulz leider gänzlich ausgeblendet. * Lieber Jan, lieber Olli: es gibt u.a. in Berlin so viele handwerklich gut ausgebildete Schriftgestalter, die über so viel mehr typograpisches Wissen verfügen als ich: vielleicht besucht ihr mal den ein oder die andere, um in die Thematik tiefer einzusteigen? *

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die politische Auseinandersetzung rund um den Antiqua-Fraktur-Streit im Detail auszubreiten. Deshalb in aller Kürze: Die Nationalsozialisten hatten, angetrieben von ihrer menschenverachtenden Ideologie, im Rahmen ihrer Schriftpolitik gebrochene Schriften zunächst zur „Normalschrift“ erklärt, um schließlich 1941 die Abkehr von der bis dahin weit verbreiteten Schrift Schwabacher zu vollziehen, von den Nazis als „Judenschrift“ diskreditiert. Dass hierbei die tatsächliche Entstehungsgeschichte dieser Schrift und die damit verbundenen Realitäten komplett verkehrt wurden, kennzeichnet die von Desinformation und Manipulation geprägte Politik der Nazis. Auf gebrochene Schriften folgten zu Zeiten der Nationalsozialisten die sogenannten Antiqua-Schriften, jene Schriftarten (mit und ohne Serifen), die wir größtenteils heute in Medienanwendungen sehen. So kommen beispielsweise auch beim „ZDF Magazin ROYAL“-Logo Antiqua-Schriften zum Einsatz.

Da gebrochenen Schriften, insbesondere die Fraktur, über 400 Jahre lang die Buch- und Verkehrsschrift der Deutschen gewesen ist, greift die verkürzte Bezeichnung „Nazi-Schrift“ zu kurz. Richtig ist hingegen, dass die Nationalsozialisten mit gebrochenen Schriften ihre Propaganda betrieben haben. Dieser Eindruck hat sich in den Köpfen der Menschen, über Generationen hinweg, eingeprägt. Und dieser Eindruck wird nun gewissermaßen durch Böhmermanns Aussage weiter manifestiert. Das ist sehr schade, denn auch wenn Satire zuspitzen und verzerren darf, wird diese Form der Simplifizierung der Sache und der damit verbundenen Kulturgeschichte nicht gerecht.

Simplifizierung innerhalb der Kommunikation hat einen großen Vorteil: in kurzer Zeit können vergleichsweise viele Informationen übertragen werden, gleichzeitig bleibt die Aufmerksamkeit des Empfängers hoch. Ein bewährter Kniff, den sich Designer, Werber wie auch Entertainer gleichermaßen zu nutze machen. Der Haken dabei ist: wichtige Details bleiben dabei oftmals auf der Strecke, so auch in diesem Fall.

Weder ist die Fraktur eine Nazi-Schrift, noch handelt es sich beim roten Apotheken-Logo um ein „Fraktur-A“, wie Böhmermann behauptet. Auch auf der verlinkten Seite der Deutsche Apotheken Museum-Stiftung ist fälschlicherweise von Frakturschrift die Rede. Außerhalb der Gestalterszene wird dieser Begriff oftmals Synonym für gebrochene Schriften verwendet.

Ein Fraktur-A sieht typischerweise ganz anders aus. Nach heutigem Empfinden wirkt das „A“ der Frakturschriftart Schwabacher eher wie ein „U“:

Schwabacher Fraktur – Großbuchstabe A
Schwabacher Fraktur – Großbuchstabe A

Die politische Aufladung, wie sie das Apotheken-Logo durch Böhmermann erfährt, erscheint mir ungerechtfertigt. Die Nationalsozialisten haben, dies ist soweit korrekt, unter der Leitung von Reichsapothekerführer Albert Schmierer durchgesetzt, dass Apotheken in Deutschland mit einem roten A auf dem Schild ausgestattet wurden, und zwar mit der Version mit eingebetteter Lebensrune (Elhaz). Die Lebensrune, wie auch einige andere Runen, werden ebenso wie gebrochene Schriften von der rechten Szene vereinnahmt. Die rechtsextreme schwedische Partei Svenskarnas parti (2015 aufgelöst) nutzte diese Rune innerhalb ihres Parteilogos. Andere Runenzeichen, darunter die Siegrune und die Odalrune, gehören zu den Symbolen, deren Verwendung heutzutage verboten ist.

Wer Runen und Frakturschriften ausschließlich mit dem Nationalsozialismus assoziiert, verkennt dabei, dass ihre Geschichte sehr viel weiter zurückreicht. Ihre vermeintlich nationalsozialistische Anmutung ist ein Produkt, das der heutigen Assoziation entstammt, wie Ralf Herrmann treffend in seinem lesenswerten Aufsatz „Wie viel Politik steckt in gebrochenen Schriften?“ formuliert. Runen und Frakturschriften stehen in engem Zusammenhang mit der Geschichte des Nationalsozialismus. Das ja! Dies alleine macht sie jedoch nicht generell zu Nazi-Zeichen und -Schriften.

Das einzige „Nazi-mäßige“, wie Böhmermann es formuliert, das dem alten Apotheken-Logo anhaftet, ist das auf Geheiß Schmierers eingebettete Runen-Symbol. Darüber hinaus vermag ich keinen unmittelbaren Zusammenhang mit einer von den Nazis betriebenen Propaganda zu erkennen, weder in Bezug auf das alte Apotheken-Logo, noch in Bezug auf die aktuelle Version mit Schlange.

Dass Böhmermann, Schulz und womöglich viele andere Menschen die Gestaltung des A-Signets scheiße finden, sei ihnen unbenommen. Ich persönlich halte die Formgebung des „A“ für ziemlich ausgeklügelt und raffiniert, vor allem dank des roten Kreuzes, welches sich darin verbirgt und auf diese Weise, zum Kontext passend, medizinische Hilfe kommuniziert:

Apotheken Logo (animiert)
Apotheken Logo (animiert), Quelle: Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker, Bildmontage: dt

Der zur linken Seite herausragende Querstrich mit senkrechtem Abschluss im „A“, mit dessen Hilfe das Kreuz gebildet wird, ist ein für gebrochene Schriften absolut untypisches Stilelement. Bedingt durch die ursprüngliche Verwendung mit Schreibfeder sind Querstriche in gebrochenen Lettern in aller Regel angewinkelt. „Gebrochen“ übrigens deshalb, weil Schreiber und Kalligraphen mit ihrer Feder abrupte Richtungswechsel vollziehen, wodurch die Lettern wie abgehackt, eben gebrochen wirken. Daher auch die Bezeichnung Fraktur, in Anlehnung an den Knochenbruch (lateinisch: fractura).

In diesem Punkt der Gestaltung hat sich Ernst Paul Weise also ganz bewusst von der traditionellen Anmutung gebrochener Schriften gelöst, um so einen kontextualisierten, inhaltlichen Bezug herzustellen. Der Originalentwurf von Weise zeigt ein „A“ ohne Schlange, dafür mit zusätzlichem weißen Kreuz im unteren Bereich:

Entwurf für das Apotheken-A (Ernst Paul Weise, 1936)
Entwurf für das Apotheken-A (Ernst Paul Weise, 1936), Quelle: Wikipedia

Gebrochene Lettern zeichnet aus, dass sie über einen vergleichsweise hohen Strichstärkenkontrast verfügen. Bei dem von Weise gezeichneten „A“ sind die Striche jedoch annähernd gleich breit. Anhand der genannten Merkmale wird klar, so hoffe ich, dass es sich bei dem A-Signet eben nicht um eine gewöhnliche gebrochene Schrift und schon gar nicht um eine Fraktur handelt. * Edit 02.09., 14:40 Uhr: siehe Kommentar von Florian * In dem A-Signet werden vielmehr jene in der Gesellschaft der 1930er-Jahre vorherrschenden Geschmacksvorstellungen aufgegriffen und mit dem für Apotheken (und das Themenspektrum Medizin insgesamt) gebräuchlichen Kreuzsymbol kombiniert.

Man bedenke: Gebrochene Schriften haftete zu damaliger Zeit nichts Anrüchiges an, im Gegenteil. Sie waren populär und überall auf Plakaten, Flugblättern und Schildern zu sehen, so auch an der Fassade der ersten Filiale der Brüder Albrecht (später ALDI). Überdies waren gebrochene Schriften in keiner Weise politisch aufgeladen. Kommunisten, Nationalisten und auch unpolitische Gruppen (soweit dies damals möglich war) verwendeten gebrochene Schriften.

Indem der Gestalter Weise die Formgebung des „A“ frei von Schnörkeln und Schweifen angelegt hat und bewusst das traditionelle Aussehen gebrochener Lettern veränderte, schlug er gewissermaßen eine Brücke hinüber zur gestalterischen Avantgarde und zur Moderne. Heutzutage ist „Bauhaus-Design“ durchweg positiv besetzt, und konnotiert Werte wie Anspruch, Haltung, Qualität und Ästhetik. Zu Zeiten der Weimarer Republik wurden Arbeiten der „Bauhäusler“ jedoch von großen Teilen der Gesellschaft als „spinnerte“ Ideen abgetan, an denen sich lediglich die Elite erfreute.

Schriften wie die von Paul Renner 1927 entworfene Futura wurden, ob ihrer für das damalige Empfinden höchst ungewöhnlichen, vermeintlich abstoßenden Form, als grotesk bezeichnet. Diesen Klassifizierungsnamen – Groteske – haben serifenlose Linear-Antiqua-Schriften bis heute beibehalten. Wollte man als Unternehmer wie auch als Gebrauchsgrafiker eine breite Masse ansprechen und positive Assoziationen wecken, musste man also auf andere Gestaltungsmittel zurückgreifen.

Ich halte die von Böhmermann getroffene Zuschreibung, das aktuelle A-Signet sei „Nazi-mäßig“, auch deshalb für kritisch und für eine starke Form der Verzerrung, weil hierbei der Person Weise einerseits wie auch dem Apothekenverband (ABDA) anderseits das Etikett angeheftet wird, sie verträten rechtsextremes Gedankengut. Auch wenn Böhmermann dies tatsächlich so nicht ausgesprochen hat, verbreitet sich diese Aussage gleich einem Meme nun im Netz, größtenteils unmoderiert, unkommentiert, unreflektiert. Nun bin ich nicht Lobbyist des Apothekenverbandes – dieser darf sich hierzu gerne selbst äußern. Eine Anfrage meinerseits wurde am Telefon zwar freundlich aufgenommen, bisher jedoch schriftlich nicht beantwortet. [Edit 02.09. 19:22 Uhr: Antwort siehe Kommentar]

Was mich wirklich stört, ist, dass der von den Nazis ausgegrenzte Gebrauchsgrafiker Weise das Label angedichtet bekommt, er sei quasi Erfüllungsgehilfe der Nazis gewesen. Kurz nachdem Weise mit seinem Entwurf für das A-Signet den ersten Preis in dem vom „Amt für Werbung der Deutschen Apothekerschaft“ ausgeschriebenen Wettbewerb erzielte, wurde Weise von der Reichskulturkammer das Berufsverbot ausgesprochen. Böhmermann geht auf diesen Umstand auch in der Podcast-Folge in einem Nebensatz ein. „Nur die politischen Ereignisse verhinderten letztlich eine große Karriere des Berliner Grafikers“, wie Uwe Westphal im Buch „Werbung im Dritten Reich“ (1989, Transit Buchverlag) schreibt.

Nach Einschätzung Westphals, mit dem ich gestern ein Gespräch führte, galt Weise damals als einer der profiliertesten Gestalter in Deutschland. Beeinflusst waren Weises Arbeiten für Kunden wie Flohr, Daimon, Schocken, Continental, u.a., wie Westphal im Buch schreibt, zunächst vom Jugendstil und zunehmend „von der Sachlichkeit des Werkbundes und der klaren Linienführung des Bauhauses“. Nicht nur Weises Ehefrau, Eva Stern, hatte jüdische Wurzeln, laut Westphal galt dies auch für Weise selbst. Westphal stützt sich hierbei auf Aussagen der Tochter von Ernst Paul Weise.

Ich zitiere weiter aus dem Buch: „Die spätere graphische Arbeit spielt sich bei Weise später eher im Verborgenen ab. Erfolge im Berufsleben bedeuteten jetzt eine große Gefahr. Die Anonymität seiner Arbeiten wurde nun zur Voraussetzung des Überlebens“. Die Kriegsjahre waren bei Weise, wie bei so vielen anderen von den Nazis verfolgten Menschen, von Flucht und Vertreibung bestimmt.

Es wäre ein Unrecht, wenn der Eindruck entstünde, die Arbeiten Weises, wozu auch das Apotheken-A zählt, sei das Ergebnis von Nazi-Loyalität. Das A-Signet ist alles: eigenartig, rätselhaft, kantig, grob-klotzig, verschroben – nur „Nazi-mäßig“ ist es nicht. Bei genauer Betrachtung, und wenn man etwas länger hinschaut, wird man dies auch erkennen. In Zeiten, in denen die Aufmerksamkeitsspanne oftmals nicht einmal für ein 30-sekündiges Video auf TikTok reicht, ist auch dieser Text wahrlich eine Zumutung. Deshalb hier der Versuch das Geschriebene auf einen Satz zu verdichten, ohne dabei zu simplifizieren, versteht sich:

Das Apotheken-A ist nicht etwa eine Manifestation und Visualisierung nationalsozialistischer Ideologie, sondern vielmehr Ausdruck des damaligen Zeitgeschmacks.

So wie der bis heute nahezu unveränderte verschnörkelte Coca-Cola-Schriftzug Ausdruck des damaligen Zeitgeschmacks ist. Und so wie Design insgesamt, somit auch Kommunikationsdesign und Corporate Design, stets modischen Einflüssen unterliegt.

Wenn wir Symbole, Zeichen und Logos betrachten und bewerten, dann möglichst ganzheitlich, nicht bloß aus dem verengten Blickwinkel der Gegenwart heraus. Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung, vom Verfassungsschutz als klar rechtsextremistisch eingestuft, setzen in ihrer Kommunikation auf ganz andere, die wahre Gesinnung kaschierende Stilmittel. Deshalb müssen und sollten wir den Blickwinkel weiten. Nicht nur Tradiertes hinterfragen, sondern auch das im Gewand des Gefälligen kommunizierte. Die IB setzt auf Farben, Formen und Schriften, die weniger bis kaum geschichtlich belastet und deshalb auch nicht rechtsextrem konnotiert sind. Als wäre Sprache und visuelle Kommunikation, und dessen Rezeption, heutzutage nicht schon anspruchsvoll genug, gilt es nun auch noch Verschleierungstaktiken zu decodieren.

Abschließend möchte ich Jan Böhmermann in einem weiteren Punkt widersprechen: der von Rudolf Weber gestaltete grüne Entwurf „Arzneiflasche mit drei Löffeln“ ist nicht etwa „mega slick“, sondern er schaut aus, wie Olli Schulz treffend formuliert, dabei seinem Podcast-Kollegen in bester Sidekick-Manier in die Parade fahrend, wie ein „Mann mit Zylinder, der dreimal mit einem Löffel durchstochen wurde“. Die Fernwirkung dieses grünen, illustrativen Zeichens, das eher ein Piktogramm darstellt, denn ein Logo, ist im Vergleich zum prägnanten roten „A“ sehr bescheiden und deshalb wenig geeignet. Das von Weise geschaffene „A“ ist um so viel schlichter, prägnanter, ausdrucksstärker und entspricht unserem heutigen Verständnis hinsichtlich reduzierter Formsprache viel mehr, als das doch recht naive Signet mit Arzneiflasche.

Übrigens: In der Podcast-Folge „Todesengel Maischberger“ wird das Design Tagebuch ausführlich von Jan Böhmermann gewürdigt (ab Minute 31). Nochmals danke und liebe Grüße!

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Dieser Beitrag hat 56 Kommentare

  1. Zwischenzeitlich wurde meine gestrige Anfrage vom Apothekenverband (ABDA) beantwortet.

    Wie bewerten Sie Böhmermanns Aussagen? Insbesondere bezogen auf den Vorwurf, beim Apotheken-A hätten Nazis Hand angelegt?

    ABDA: Der Grafiker Paul Weise, der das Apotheken-A in einer ursprünglichen Form in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gestaltet hat, war sicher kein Nationalsozialist. Er war mit einer jüdischen Frau verheiratet und hatte während des Dritten Reichs unter einem Berufsverbot zu leiden. Bei der Gestaltung des Logos hat er eine gebrochene Schrift eingesetzt. Solche Schriften gibt es schon seit etlichen hundert Jahren. Sie wurden vor und nach 1945 auf vielfältige Weise eingesetzt, sind also nicht spezifisch nationalsozialistisch. Es stimmt, dass das Apotheken-Logo wie viele andere Gestaltungselemente während der Hitler-Diktatur um eine Rune als nationalsozialistisch aufgeladenes Symbol ergänzt wurde. Sie wurde aber 1945 umgehend wieder entfernt. Das Apotheken-Logo, für das 1951 die Markenrechte eingetragen wurden, beinhaltet einen Kelch und einen Äskulapstab. Diese beiden Symbole stehen für den Umgang mit giftigen Substanzen und die Heilkunst. Auch das Erscheinungsbild des A wurde in der Nachkriegszeit verändert.

    Was halten Sie von Böhmermanns Idee, einen Gestaltungswettbewerb mit dem Ziel zu initiieren, ein neues Apotheken-Logo zu finden?

    ABDA: Ob man das Apotheken-Logo schön findet oder nicht, ist eine Geschmacksfrage. Fakt ist aber, dass es eines der stärksten Markensymbole ist, die es im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus gibt. Fast alle Menschen in Deutschland kennen das Logo. Es trägt dazu bei, dass Apotheken im Straßenbild schnell gefunden werden, ist positiv aufgeladen wird verbunden mit schneller und kompetenter Hilfe. Das ist auch der Grund, weshalb es viele Markenrechtsverletzungen gibt und immer wieder dagegen vorgegangen werden muss, dass unbefugte Dritte versuchen, das Logo zu nutzen. Eine so starke Marke aufzugeben, wäre weder klug, noch wäre es finanzierbar. Wenn 18.000 Apotheken in Deutschland ihre Geschäftsausstattung ändern müssten, würden die Kosten hunderte von Millionen Euro betragen.

    Wie ist die Haltung Ihres Verbandes in Bezug auf das aktuelle Apotheken-Logo? Sehen sie, unabhängig von Böhmermanns Kritik, Handlungsbedarf hinsichtlich der Gestaltung?
    ABDA: Nein.

    1. Sehr angenehme Stellungnahme, und schön, dass nicht jeder sich zum Handeln genötigt fühlt, nur weil ein berufsmäßiger Säue-durchs-Dorf-Treiber eine Sau durchs Dorf treibt.

      Es wäre unserem Land geholfen, wenn wir wirklichen Rechtsradikalismus und wirkliches rechtes Gedankengut in allen Ausprägungen bekämpfen würden, anstatt uns in künstlicher Empörung ergehen über alles, was, wenn überhaupt, irgendein Nazi mal gemacht hat und alles was irgendwie aussieht wie was, was auch die Nazis mal genutzt haben.

      Böhmermann hat ein Publikum, dass auf so etwas abgeht. Das weiß Böhmermann.

      Ich find das Apothekenlogo o.k. so, ich erkenne daran eine Apotheke. In anderen Ländern erkenne ich sie an was anderem. Meist steht auch dran, dass es eine ist, und Google Maps weist mir den Weg.

      Wenn allerdings dieses Logo das letzte spezifische einer deutschen Innenstadt sein soll, wie einige hier schreiben, dann ist das auch ein bisschen wenig, oder? Wobei ich zugegeben muss, seit Jahren nicht mehr bewusst in so einer Fußgängerzone gewesen zu sein. Ich wüsste nicht, was ich da sollte.

  2. Tannenberger und National lieben es mit Fraktur verwechselt zu werden.

    Den Rechten ruf hat old english übrigens wegen neonazis

  3. Der inflationäre Dauergebrauch der Nazikeule bagatellisiert den Rechtsextremismus. Wenn an allem und jedem ein Nazi-Etikett klebt, klebt in Wahrheit an nichts und niemandem ein Nazi-Etikett mehr.

    1. Das stimmt insofern, da in der Tat der Eindruck entsteht, und ich beziehe mich ausschließlich auf den hier besprochenen Sachverhalt, das verwendete typographische Merkmale – gebrochene Schrift – lasse sich eindeutig einer politischen Haltung zuordnen. Daher mein Verweis im Beitrag auf die IB. In den letzten Jahren lässt sich eine Umkehrung beobachten. Menschen und Organisationen mit einer nationalistischen Haltung bedienen sich in ihrer Sprache, und das gilt für die gesprochene, geschriebene wie auch für die visuelle, euphemistischen Mitteln, um so ihre Haltung akzeptabler erscheinen zu lassen.

      Auch die NPD verwendet auf Plakaten und Bannern seit je her keine gebrochenen Schriften, sondern Linear-Antiqua-Schriften und scriptuale Fonts, um so gefälliger zu wirken. Im Rahmen ihrer Wahlkampagne 2017 nutzte die NPD die Schriftart Neue Helvetica, eine der verbreitetsten Schriften überhaupt. 2014 nutzte die SPD die gleiche Schrift im Rahmen ihrer Wahlkampagne. Bis 2013 war die CDU-Helvetica die Hausschrift der CDU. Anhand der Verwendung dieser Schriftart lassen sich also keinerlei Rückschlüsse hinsichtlich politischer Standpunkte ableiten.

      Ohne geschichtlichen Zusammenhang und ohne Kenntnis der Intention des Gestalters wie auch des Verwenders bleibt jede Zuschreibung eine Mutmaßung. Ganz allgemein gesprochen: Es ist naiv zu glauben, heutzutage lasse sich allein anhand der Form eines Signets oder anhand der Verwendung bestimmter Schriften eine politische Haltung erkennen. Es ist komplizierter.

  4. So aufmerksam und spitzfindig Böhmermann sein kann, so reißerisch und oberflächlich ist er auch manchmal. Das Apotheken-A ist allerdings nicht mehr zeitgemäß in seiner Gestaltung. Bemerkenswert, dass die EU-Regulierungswut hier noch nicht zugeschlagen hat.

  5. Ich mag das Apotheken-A. Es ist eines der wenigen Erkennungszeichen, an dem sich europäische Innenstädte zwischen den ganzen H&M und Stackbucks noch unterscheiden lassen. Was in Frankreich die Tabac-Raute ist, ist in Deutschland das Apotheken-A. Umso trauriger, dass es immer häufiger von einem grünen Kreuz begleitet wird, als müsste man es übersetzen. (Die Böhmermannschen Ergüsse zu dem Thema sind hingegen so von Unkenntnis und Krawall-Populismus geprägt, dass sie kaum der Gegenrede wert sind – danke, dass Achim Schaffrinna das dennoch übernommen hat.)

  6. Hallo,
    vielen Dank für den Artikel! Sehr interessant und aufschlussreich.
    Ich beschäftige mich sonst nicht so mit Designfragen, aber ich bin als angestellter Apotheker durch die unheimlichen Googlealgorithmen auf den Beitrag hier gestoßen.
    Daher möchte ich nicht Mitglied werden und monatlich finanziell beitragen, würde aber einmalig 10€ springen lassen, wenn es so eine Möglichkeit, z.B. per Pay Pal gäbe.

  7. Für mich gibt es dazu nur wenig zu sagen. Kann den konstruierten Bezug zum Nationalsozialismus nicht nachvollziehen. Wenn man sich auf den ästhetischen Aspekt des Apotheken-Kennzeichens bezieht, dann muss ich einer Kritik an der Ästhetik auch widersprechen. Ob man das Logo nun schön findet oder nicht, bleibt es wohl eines der bekanntesten Markenzeichen innerhalb des deutschen Kosmos. Jeder kann Apotheken hier spielend leicht an diesem Zeichen erkennen und der Wiedererkennungswert ist auch fast unvergleichlich hoch. Da ich eine Kritik an der Historie des Logos für absolut unbegründet halte und es jeden Zweck eines Kennzeichens oder Logos erfüllt, wäre eine Änderung absolut nicht sinnvoll und kontraproduktiv.

  8. Danke für den tollen Beitrag und den Hinweis auf das „versteckte Kreuz” in dem A.
    Für mich ist dieses Logo allgemein gelernt und sollte nicht verändert werden, wenn auch mit dem heutigen Zeitgeist ein völlig anderer Entwurf enstehen würde, der etwas gefälliger wäre.
    Ich frage mich die ganze Zeit, wie evtl die Wahrnehmung auf das Logo ausfallen würde, wenn es nicht Rot, sondern Grün oder gar Blau wäre.

    1. Danke auch Dir für Deinen Kommentar JayKay.

      In diesem Beitrag gehe ich zwar nicht explizit darauf ein, aber tatsächlich ist die Farbgebung, neben der Formgebung, ein weiteres zentrales Gestaltungsmerkmal, das maßgeblichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung hat. Die meisten Designer wissen das, aber da aktuell über F&F ja doch sehr viele Nicht-Designer vorbeischauen, schreibe ich lieber eine Erklärung zu viel als eine zu wenig. Ebenso wie Formen transportieren auch Farben Botschaften. Bestimmte Farben wecken bestimmte Assoziationen. So steht beispielsweise die Farbe Grün für Umwelt/Bio. Rot ist eine im höchsten Maße ambivalente Farbe, die je nach Kontext und in Abhängigkeit von weiteren Farben und Gestaltungsmerkmalen im Corporate Design ein unvergleichlich großes Spektrum an Werten und Zwecken sowie die unterschiedlichsten Inhalte und Emotionen transportieren kann. Rot ist aufgrund ihrer Aufmerksamkeitsstärke Logofarbe Nummer eins. Und diese enorme Bandbreite zeigt sich auch im politischen Kontext. Rot wurde in der Vergangenheit und wird zum Teil nach wie vor von den unterschiedlichsten Parteien genutzt. Kommunisten, Sozialisten, Nationalsozialisten, Linke, Rechtsextreme Parteien, Sozialdemokraten und auch Satireparteien verwenden Rot als Hausfarbe. Rot im Zusammenspiel mit den Farben Schwarz und Weiß forciert in diesem Kontext Assoziationen, die im Zusammenhang mit dem Dritten Reich stehen. Was gleichwohl die LINKE nach wie vor nicht davon abhält dieses Farbspektrum zu verwenden. Es ist hier ein bisschen wie mit den gebrochenen Schriften. Nicht jeder, der das Farbspektrum Schwarz/Weiß/Rot verwendet vertritt eine rechtsextreme Haltung! Aber zahlreiche Gruppierungen, die eine rechtsextreme Haltung vertreten, verwenden, in Anlehnung an die Reichsflaggen, das Farbspektrum Schwarz/Weiß/Rot. Das gilt es für uns Gestalter im Hinterkopf zu behalten.

      Ich habe mich ebenfalls gefragt, ob diese Diskussion stattgefunden hätte, wäre das Apotheken-A (zum Beispiel) grün. Ich finde die Frage sehr spannend. Ohne sein starkes Rot wirkt das Apotheken-A weniger laut. Ich habe das A einmal in den Farben der AOK (dunkelgrün), Spotify (hellgrün) und der Techniker Krankenkasse (blau) angelegt, um so einen neuen Assoziations- und Interpretationsraum zu öffnen (hoffe ich bekomme deswegen von der ABDA keine Abmahnung):

      Apotheken-A Farbvariationen, Bildquelle: ABDA, Bildmontage/Farbmodifikation: dtApotheken-A Farbvariationen, Bildquelle: ABDA, Bildmontage/Farbmodifikation: dt

      1. Danke Achim für die Farbvariationen. Du hast auch sehr gute Beispiele genommen.
        Genau das war auch mein Gedanke. Das Zusammenspiel von Form UND Farbe bestimmt die Wahrnehmung. Zwischen dem Rot und dem Hellblau / Hellgrün liegen Welten im Gesamteindruck
        Die soften Farben mildern die scharfkantige Formsprache deutlich ab und verringern jegliche Assoziationen (sei es auch fälschlicherweise) zu einer Nazi-behafteten Gestaltung, zumindest aus meiner Sicht.

  9. Vielen Dank für diese ausführliche Erklärung. Seit dem Hören der F&F Folge, habe ich nur darauf gewartet, dass sich das Designtagebuch mit einer „Klarstellung“ zu Wort meldet.

    Da die fachliche Erklärung durch das Designtagebuch und weitere Kommentare schon umfassend geliefert wurde, möchte ich nur kurz noch etwas ergänzen:
    Hätte sich die damalige Diktatur für eine andere Schrift in ihrem Erscheinungsbild entschieden, dann würde diese heutzutage negativ konnotiert. Ich selber bin auch ein Liebhaber von Frakturschriften, du mich gerade mit dem geschichtlichen Hintergrund sehr schwer. Außer Zeitungen, Versicherungen und Brauereien fallen mir auf die Schnelle keine etablierten Marken ein, die solche Schriften in ihrem Erscheinungsbild haben, die nicht negativ auf die Wahrnehmung der Marke abstrahlen. Wie man sieht, trägt Gestaltung immer zur öffentlichen Wahrnehmung bei.

    Ich finde allerdings viel interessanter, dass es sich hierbei wieder einmal um ein Paradebeispiel handelt, wie heutzutage mit Gestaltung umgegangen und beurteilt wird.

    Zum einen die Experten (zu denen ich mich als studierter Kommunikationsdesigner zähle), die oft – unabhängig vom Auftrag – ihrem eigenen Geschmack und ihrer Selbstverwirklichung zum Opfer fallen. Auf der anderen Seite steht die Gesellschaft, die meistens ein zu schnelles oberflächliches Urteil fällt. Beide Seiten haben zu gleichen Teilen Recht, aber auch Unrecht.

    Durch verschiedene Kommentare, finde ich schade, wie manche in ihrer Expertensicht festhängen und das Hineinversetzen / den Perspektivwechsel in die Gesellschaft nicht mehr schaffen. (Auch wenn ich mir nicht alle Kommentare durchgelesen habe :) Auch ich war nicht gründlich genug in meiner Recherche :))

    Die Gestaltung sollte immer der Zielgruppe entsprechen. Intuitiv selbsterklärend und begründbar. Nicht mehr und nicht weniger. Doch das ist nicht so leicht und das eben das Herausfordernde. Noch dazu sehr schwer bis ins Ziel / zur Veröffentlichung zu bringen (erschwerende Faktoren: Projektauftrag, Projektbeteiligte, Auftraggeber …).

    Von der Gesellschaft kann man einfach nicht erwarten, dass sie sich immer in die Materie einarbeitet, bevor sie ein Urteil fällt. Das sollte man immer den Experten überlassen und dem Journalismus dabei helfen, den Sachverhalt wahrheitsgemäß darzustellen.

    Deswegen kann ich die Aufregung um Herr Böhmermanns Äußerungen nicht ganz nachvollziehen. Ja, er hat bei manchen Sachen nicht ausführlich genug recherchiert. Seinen persönlichen Geschmack darf er (als Teil der Gesellschaft) gerne äußern. Er ist eben keiner vom Fach. Noch dazu hat der Podcast keinerlei journalistischen Auftrag und dient zur reinen Unterhaltung. Nehme ich ihm also nicht krumm. Wäre dieses Thema aber Bestanteil einer Neo Magazin Royal Sendung gewesen, dann dürfte dieser Recherche-Fehler natürlich nicht passieren.

    Da ich ein treuer Hörer des F&F Podcasts bin, weiß ich natürlich auch, dass Herr Böhmermann eigentlich Befürworter und Fan des Designtagebuchs ist. Daher glaube ich eher, dass es sich bei seinen Äußerungen um eine versteckte Aufforderung in Richtung Designtagebuch handelt, damit sich Experten um die Klarheit des Themas kümmern. Das hat hiermit funktioniert :)

    Abschließend ist doch schön zu sehen, dass es solche Themen immer wieder gibt, sonst wäre das Dasein des Designtagebuchs überflüssig.

    Gestaltung kann eben auch zur Aufklärung der Gesellschaft beitragen.

    Bitte macht weiter so :)

    PS: Bin gespannt, ob Herr Böhmermann auf diesen Artikel noch reagiert.

    1. Dank Dir Janosch, für Deinen Kommentar.
      Ich habe Deine Aussage, außer Zeitungen, Versicherungen und Brauereien fielen Dir spontan keine etablierten Marken ein, die solche Schriften in ihrem Erscheinungsbild haben, zum Anlass genommen und kurz recherchiert. Hier ein erstes Ergebnis:

      Markenzeichen und Logos mit gebrochenen Schriften Markenzeichen und Logos mit gebrochenen Schriften

      Es sind dies wohlgemerkt Beispiele, die veranschaulichen, dass gebrochene Schriften auf der Kommunikationsebene nicht nur eindimensional einen „Stärke-Härte-Kampf-Kanon“ transportieren, wie man ihn bei World of Warcraft, ACDC, Motörhead u.a. propagiert, sondern eben auch gänzlich andere Werte: Tradition, Bezug zum Mittelalter/Märchen (Disneyland), Gastfreundlichkeit, Handwerk, Exzellenz (Journalismus), ja sogar „Hipness/Coolness“, wie das als angesagt geltende Modelabel Palm Angels zeigt.
      Das Logo vom Gasthof „Zum Brenner“ steht hier exemplarisch für unzählige Gasthäuser, Restaurants, Hotels, Backstuben und Biergärten, die auf diese Weise, hierzulande wie auch anderswo, „German Gemütlichkeit“ vermitteln, wie zum Beispiel auch in der „Radegast Hall“ in New York City.

  10. Wieder mal eine leidige Diskussion, diesmal angestoßen von Kasper Böhmermann. Man sollte gleich einen Kreuzzug zusammentrommeln und alle Nazi-A’s von den Apotheken reißen. Wenn man schon dabei ist, kann man auch gleich bei zahlreichen Zeitungen vorbei schauen, die auch Frakurschrift verwenden, ebenso wie Traditionsvereine und sonstige Lokalitäten. Vielleicht sollte man ja gleich alle alten Schriften für Verboten erklären und die öffentliche Darstellung unter Strafe setzen…

    Darf man das? Ist das Böse? Is das noch gut oder kann das weg? Ganz ehrlich Leute, wer sich auf immer die gleichen stumpsinnigen Themen, über Kritiken an Unzähligem, was seit Jahrzehnten für normal befunden wurde, ernsthaft einlässt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

    Aber verstehe schon, man braucht immer wieder was, um sich von den wahren Problemen in der Welt abzulenken. Gute Unterhaltung!

    1. Ich finde es sehr befremdlich, dass erwachsene Leute mit dem Argument kommen, das etwas, was seit Jahrzehnten für normal befunden wurde, bitte nicht angetastet werden solle. Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert – und zum Glück haben sich viele Dinge geändert, die vor Jahrzehnten noch als normal befunden wurden. Rauchen in Kneipen ist nicht mehr erlaubt, Homesexualität nicht mehr verboten. Frauen dürfen arbeiten auch gegen den Willen ihres Mannes und Ausländer werden nicht mehr einfach Kanacken genannt. Jeder, der sich mal lustige Filme von vor 30 oder 40 Jahren anschaut, merkt, dass sich auch der Humor sehr stark verändert hat. Deswegen kann es nur sinnvoll sein, liebgewonnene Gewohnheiten zu hinterfragen, um herauszufinden, ob es nicht einfach nur liebgewonnene Dummheiten sind.

      1. Lieber Christoph, ein weiterer Punkt, den ich gerne immer wieder anprangere ist, dass man heute alles in denselben Topf wirft, so wie Du es wieder demonstriert hast.

        Ich habe es satt, dass heute mit dem Blick durch die Regenbogenbrille ohne mit der Wimper zu zucken, jeder mit derselben Marke gebrandmarkt wird, der in dem ein oder anderen Bereich eine abweichende/traditionelle/konservative Meinung hat! Es muss immer jedes Thema für sich betrachtet und bewertet werden. Das ist flexibles Denken/Abwägen, deshalb muss ich nicht gleich einen Alufolie-Helm tragen, Reichsbürger oder Nazi sein.

        Die extrem linksliberale Ecke sollte sich mal Gedanken machen, ob das so fair ist oder wer hier wirklich die Scheuklappen aufhat. Man kann nicht nur in eine Richtung alles für gut befinden. Die Gesellschaft ist nämlich wirklich “bunt”, denn die verschiedensten Meinungen von liberal bis konservativ sind auch Schattierungen unserer Gesellschaft. Ein gesundes Mittelmaß wäre die Lösung; und um damit zum Thema zurück zu kommen: Die Kritik am Apotheken-A ist für mich definitiv außerhalb dieses Bereichs.

        Freundliche Grüße.

        1. Lieber Paddy. Die Beispiele sind zugegeben etwas extrem ausgewählt. Aber es gibt auch 1000 andere Kleinigkeiten, die einem immer wieder auffallen, wenn man mit offenen Augen und Ohren z. B. Fernseh- oder Radiomitschnitte der 70er und 80er Jahre hört. So wahnsinnig viele Einstellungen, die damals völlig normal waren, werden heute zumindest als merkwürdig angesehen. So viele Witze, die damals gemacht wurden, sind beim besten Willen nicht mehr als lustig zu bezeichnen. Es wurden uns damals so viele Einstellungen mitgegeben, zum Thema Auto, zum Thema andere Länder, die aus heutiger Sicht beim besten Willen nicht mehr als neutral oder ausgewogen bezeichnet werden können. Ich freue mich über jeden, der sich Gedanken macht, wie man die Welt verbessern und unser Leben angenehmer machen kann. Das Apotheken-A ist mir persönlich ziemlich wumpe – aber sich darüber Gedanken zu machen, finde ich völlig ok und begrüßenswert.

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