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Ist das deutsche Apotheken-Logo so scheiße und Fraktur eine „Nazi-Schrift“, wie Jan Böhmermann behauptet?

Apotheken Logo, Quelle: Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker
Apotheken Logo, Quelle: Avoxa - Mediengruppe Deutscher Apotheker

In der „Fest & Flauschig“-Folge „Gesund durch die Schwangerschaft“ geht der Satiriker/Podcaster/Entertainer Böhmermann auf das Logo und Markenzeichen der deutschen Apotheken ein. Böhmermann erklärt, das Logo, ein rotes „A“, das in den 1930er-Jahren entworfen wurde, sehe „völlig scheiße“ aus, und er verstehe nicht, weshalb Apotheken heute noch eine „alte Nazi-Schrift“ im Logo verwendeten.

Dass Apotheken in Deutschland dieses „Nazi-Zeichen“ heutzutage auf ihren Schildern verwenden, wie Böhmermann ausführt, könne er nicht verstehen. Europaweit würden Apotheken fast durchgehend ein grünes Kreuz als Erkennungszeichen nutzen, nur in Deutschland (u. Österreich, Schweiz) werde dieses „Fraktur-A“ verwendet, das „Nazi-Ursprünge“ aufweise. Aber stimmt das denn alles, was Böhmermann behauptet? Zusammenfassend lässt sich sagen: nur teilweise.

Die Entstehung des Apotheken-Logos wird auf der Website der Deutsche Apotheken Museum-Stiftung ausführlich beschrieben. Offenbar dienten vor allem die auf der Seite „Geschichte des Apothekenwahrzeichens“ aufbereiteten Informationen Böhmermann als Grundlage für dessen Einschätzungen und Behauptungen. Die Angaben dort, soviel sei gesagt, sind zum Teil nicht korrekt. So sind etwa Geburts- und Todesjahr des verantwortlichen Gestalters des Apotheken-A-Logos, Ernst Paul Weise, falsch (korrekt ist 1890-1981). Weise starb 1981 im Alter von 91 Jahren in seinem Atelier am Breitenbachplatz in Berlin. Es dient dem besseren Verständnis des nachfolgenden Textes, wenn die oben verlinkte Seite zuvor zumindest überflogen wurde.

Nun einmal ganz konkret. Was ist dran an Böhmermanns Aussagen und Einschätzungen? In vielen anderen Ländern nutzen Apotheken in der Tat ein grünes Kreuz als Erkennungszeichen. Drogerien übrigens auch, was die Differenzierung erschwert. In vielen Ländern sind zudem andere Erkennungszeichen und Verkehrszeichen in Gebrauch, um beispielsweise Autobahnen, Haltestellen oder Stadtnamen kenntlich zu machen. Bushaltestellenschilder sind in Deutschland grün und mit einem H gekennzeichnet. In Italien, Spanien und Polen sind die Schilder blau und zeigen ein Bus-Symbol. In England hingegen ist die Farbe der Schilder rot/weiß bzw. rot/schwarz. Selbst die Kennzeichnung von Krankenhäusern ist europaweit uneinheitlich, wie der Vergleich europäischer Verkehrszeichen zeigt. Und diese Heterogenität zeigt sich auch im privatwirtschaftlichen Umfeld, wo Farben und Markenzeichen etwa von Postbetrieben, Supermärkten und anderen Unternehmen im Ländervergleich variieren. Eine einheitliche Kennzeichnung in Bezug auf Krankenhäuser wäre sicherlich hilfreich. Die Frage, ob die Durchsetzung einer europaweit einheitlichen Symbolik für Apothekenbetriebe sinnvoll und darüber hinaus überhaupt möglich ist, lasse ich zunächst einmal unbeantwortet.

Das Apotheken-A ist in der Tat, und in diesem Punkt stimme ich mit Böhmermann überein, ein eigenartiges, seltsames Zeichen. Auch mich fasziniert die Rebus-artige, rätselhafte Bildsprache dieses Zeichens seit Kindheitstagen. Ich sah in der Darstellung, Schlange (Äskulapnatter) + Kelch, stets eine Art Springbrunnen, wobei mir nicht klar gewesen ist, dass es sich um einen Arzneikelch handelt und nicht etwa um ein Champagnerglas, wie ich vermutete. Wie auch die Podcast-Folge aufzeigt, bietet das Logo ganz unterschiedliche Lesarten. Böhmermann stellt das A-Signet in Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus.

Böhmermann kritisiert die Form des „A“ und das typographische Zeichen als solches: das „A“ basiere auf einer „alten Nazi-Schrift“, so Böhmermann (Min. 21:35). Darüber hinaus erklärt er, das Logo sei eine „gestalterische Beleidigung, hinter der die Nazis stehen“. Weiter führt der Podcast-Macher aus, der Alternativentwurf aus dem Jahre 1929 (Arzneiflasche mit drei Löffeln, Abbildung) gefalle ihm viel besser als diese „Scheiß-Fraktur“. An die Adresse von Apothekenbetreibern in Deutschland gerichtet regt er dazu an, sich „out of the box“ ein neues Logo auszudenken.

So weit, so unterhaltsam. Ich finde es schlicht großartig, wenn ein Kommunikationsdesignthema wieder einmal eine breite Öffentlichkeit findet. Denn man verkennt ja doch eines sehr leicht: wir alle sind von Kommunikationsdesign umgeben – selten genug nehmen wir die damit verbundenen Botschaften jedoch bewusst wahr. Böhmermann und Schulz haben sich die Mühe gemacht, ein Logo einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Ich möchte den Blick gerne gemeinsam mit der dt-Leserschaft weiter schärfen, auch weil hier doch von den beiden Machern des Podcast einige Vorurteile bedient werden. Ergänzungen und Korrekturen sind herzlich willkommen.

Frakturschriften haftet seit Jahrzehnten das Stigma von „Nazi-Schriften“ an. Ein Thema, das innerhalb der Designszene bereits oft und ausgiebig diskutiert wurde. Von der rechten Szene wurden/werden Frakturschriften und andere sogenannten gebrochenen Schriften vereinnahmt und instrumentalisiert. Auf den Punkt gebracht möchte ich hier schon einmal festhalten: die Annahme, Nazis hätten Frakturschriften entworfen, ist falsch.

Zur geschichtlichen Einordnung: Frakturschriften entstanden bereits im 15. Jahrhundert. Mitte des 16. bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren Frakturschriften die meistbenutzten Druckschriften im deutschsprachigen Raum. Ich darf mich kurz outen? Frakturschriften sind, zumindest größtenteils, absolut hinreißende, großartige, handwerklich wie künstlerisch wertvolle typographische Werke. Oder um es mit den Worten von Judith Schalanskys zu sagen: „Fraktur mon amour“. Diese meine Liebeserklärung möchte ich bitte nicht als Deutschtümelei, wie sie etwa der „Bund für deutsche Schrift und Sprache“ betreibt, missverstanden wissen. Gebrochenen Schriften sind ein tief verwurzelter Bestandteil europäischer Schriftkultur. Dieser ausgeprägte geschichtliche Zusammenhang wird von Böhmermann und Schulz leider gänzlich ausgeblendet. * Lieber Jan, lieber Olli: es gibt u.a. in Berlin so viele handwerklich gut ausgebildete Schriftgestalter, die über so viel mehr typograpisches Wissen verfügen als ich: vielleicht besucht ihr mal den ein oder die andere, um in die Thematik tiefer einzusteigen? *

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die politische Auseinandersetzung rund um den Antiqua-Fraktur-Streit im Detail auszubreiten. Deshalb in aller Kürze: Die Nationalsozialisten hatten, angetrieben von ihrer menschenverachtenden Ideologie, im Rahmen ihrer Schriftpolitik gebrochene Schriften zunächst zur „Normalschrift“ erklärt, um schließlich 1941 die Abkehr von der bis dahin weit verbreiteten Schrift Schwabacher zu vollziehen, von den Nazis als „Judenschrift“ diskreditiert. Dass hierbei die tatsächliche Entstehungsgeschichte dieser Schrift und die damit verbundenen Realitäten komplett verkehrt wurden, kennzeichnet die von Desinformation und Manipulation geprägte Politik der Nazis. Auf gebrochene Schriften folgten zu Zeiten der Nationalsozialisten die sogenannten Antiqua-Schriften, jene Schriftarten (mit und ohne Serifen), die wir größtenteils heute in Medienanwendungen sehen. So kommen beispielsweise auch beim „ZDF Magazin ROYAL“-Logo Antiqua-Schriften zum Einsatz.

Da gebrochenen Schriften, insbesondere die Fraktur, über 400 Jahre lang die Buch- und Verkehrsschrift der Deutschen gewesen ist, greift die verkürzte Bezeichnung „Nazi-Schrift“ zu kurz. Richtig ist hingegen, dass die Nationalsozialisten mit gebrochenen Schriften ihre Propaganda betrieben haben. Dieser Eindruck hat sich in den Köpfen der Menschen, über Generationen hinweg, eingeprägt. Und dieser Eindruck wird nun gewissermaßen durch Böhmermanns Aussage weiter manifestiert. Das ist sehr schade, denn auch wenn Satire zuspitzen und verzerren darf, wird diese Form der Simplifizierung der Sache und der damit verbundenen Kulturgeschichte nicht gerecht.

Simplifizierung innerhalb der Kommunikation hat einen großen Vorteil: in kurzer Zeit können vergleichsweise viele Informationen übertragen werden, gleichzeitig bleibt die Aufmerksamkeit des Empfängers hoch. Ein bewährter Kniff, den sich Designer, Werber wie auch Entertainer gleichermaßen zu nutze machen. Der Haken dabei ist: wichtige Details bleiben dabei oftmals auf der Strecke, so auch in diesem Fall.

Weder ist die Fraktur eine Nazi-Schrift, noch handelt es sich beim roten Apotheken-Logo um ein „Fraktur-A“, wie Böhmermann behauptet. Auch auf der verlinkten Seite der Deutsche Apotheken Museum-Stiftung ist fälschlicherweise von Frakturschrift die Rede. Außerhalb der Gestalterszene wird dieser Begriff oftmals Synonym für gebrochene Schriften verwendet.

Ein Fraktur-A sieht typischerweise ganz anders aus. Nach heutigem Empfinden wirkt das „A“ der Frakturschriftart Schwabacher eher wie ein „U“:

Schwabacher Fraktur – Großbuchstabe A
Schwabacher Fraktur – Großbuchstabe A

Die politische Aufladung, wie sie das Apotheken-Logo durch Böhmermann erfährt, erscheint mir ungerechtfertigt. Die Nationalsozialisten haben, dies ist soweit korrekt, unter der Leitung von Reichsapothekerführer Albert Schmierer durchgesetzt, dass Apotheken in Deutschland mit einem roten A auf dem Schild ausgestattet wurden, und zwar mit der Version mit eingebetteter Lebensrune (Elhaz). Die Lebensrune, wie auch einige andere Runen, werden ebenso wie gebrochene Schriften von der rechten Szene vereinnahmt. Die rechtsextreme schwedische Partei Svenskarnas parti (2015 aufgelöst) nutzte diese Rune innerhalb ihres Parteilogos. Andere Runenzeichen, darunter die Siegrune und die Odalrune, gehören zu den Symbolen, deren Verwendung heutzutage verboten ist.

Wer Runen und Frakturschriften ausschließlich mit dem Nationalsozialismus assoziiert, verkennt dabei, dass ihre Geschichte sehr viel weiter zurückreicht. Ihre vermeintlich nationalsozialistische Anmutung ist ein Produkt, das der heutigen Assoziation entstammt, wie Ralf Herrmann treffend in seinem lesenswerten Aufsatz „Wie viel Politik steckt in gebrochenen Schriften?“ formuliert. Runen und Frakturschriften stehen in engem Zusammenhang mit der Geschichte des Nationalsozialismus. Das ja! Dies alleine macht sie jedoch nicht generell zu Nazi-Zeichen und -Schriften.

Das einzige „Nazi-mäßige“, wie Böhmermann es formuliert, das dem alten Apotheken-Logo anhaftet, ist das auf Geheiß Schmierers eingebettete Runen-Symbol. Darüber hinaus vermag ich keinen unmittelbaren Zusammenhang mit einer von den Nazis betriebenen Propaganda zu erkennen, weder in Bezug auf das alte Apotheken-Logo, noch in Bezug auf die aktuelle Version mit Schlange.

Dass Böhmermann, Schulz und womöglich viele andere Menschen die Gestaltung des A-Signets scheiße finden, sei ihnen unbenommen. Ich persönlich halte die Formgebung des „A“ für ziemlich ausgeklügelt und raffiniert, vor allem dank des roten Kreuzes, welches sich darin verbirgt und auf diese Weise, zum Kontext passend, medizinische Hilfe kommuniziert:

Apotheken Logo (animiert)
Apotheken Logo (animiert), Quelle: Avoxa – Mediengruppe Deutscher Apotheker, Bildmontage: dt

Der zur linken Seite herausragende Querstrich mit senkrechtem Abschluss im „A“, mit dessen Hilfe das Kreuz gebildet wird, ist ein für gebrochene Schriften absolut untypisches Stilelement. Bedingt durch die ursprüngliche Verwendung mit Schreibfeder sind Querstriche in gebrochenen Lettern in aller Regel angewinkelt. „Gebrochen“ übrigens deshalb, weil Schreiber und Kalligraphen mit ihrer Feder abrupte Richtungswechsel vollziehen, wodurch die Lettern wie abgehackt, eben gebrochen wirken. Daher auch die Bezeichnung Fraktur, in Anlehnung an den Knochenbruch (lateinisch: fractura).

In diesem Punkt der Gestaltung hat sich Ernst Paul Weise also ganz bewusst von der traditionellen Anmutung gebrochener Schriften gelöst, um so einen kontextualisierten, inhaltlichen Bezug herzustellen. Der Originalentwurf von Weise zeigt ein „A“ ohne Schlange, dafür mit zusätzlichem weißen Kreuz im unteren Bereich:

Entwurf für das Apotheken-A (Ernst Paul Weise, 1936)
Entwurf für das Apotheken-A (Ernst Paul Weise, 1936), Quelle: Wikipedia

Gebrochene Lettern zeichnet aus, dass sie über einen vergleichsweise hohen Strichstärkenkontrast verfügen. Bei dem von Weise gezeichneten „A“ sind die Striche jedoch annähernd gleich breit. Anhand der genannten Merkmale wird klar, so hoffe ich, dass es sich bei dem A-Signet eben nicht um eine gewöhnliche gebrochene Schrift und schon gar nicht um eine Fraktur handelt. * Edit 02.09., 14:40 Uhr: siehe Kommentar von Florian * In dem A-Signet werden vielmehr jene in der Gesellschaft der 1930er-Jahre vorherrschenden Geschmacksvorstellungen aufgegriffen und mit dem für Apotheken (und das Themenspektrum Medizin insgesamt) gebräuchlichen Kreuzsymbol kombiniert.

Man bedenke: Gebrochene Schriften haftete zu damaliger Zeit nichts Anrüchiges an, im Gegenteil. Sie waren populär und überall auf Plakaten, Flugblättern und Schildern zu sehen, so auch an der Fassade der ersten Filiale der Brüder Albrecht (später ALDI). Überdies waren gebrochene Schriften in keiner Weise politisch aufgeladen. Kommunisten, Nationalisten und auch unpolitische Gruppen (soweit dies damals möglich war) verwendeten gebrochene Schriften.

Indem der Gestalter Weise die Formgebung des „A“ frei von Schnörkeln und Schweifen angelegt hat und bewusst das traditionelle Aussehen gebrochener Lettern veränderte, schlug er gewissermaßen eine Brücke hinüber zur gestalterischen Avantgarde und zur Moderne. Heutzutage ist „Bauhaus-Design“ durchweg positiv besetzt, und konnotiert Werte wie Anspruch, Haltung, Qualität und Ästhetik. Zu Zeiten der Weimarer Republik wurden Arbeiten der „Bauhäusler“ jedoch von großen Teilen der Gesellschaft als „spinnerte“ Ideen abgetan, an denen sich lediglich die Elite erfreute.

Schriften wie die von Paul Renner 1927 entworfene Futura wurden, ob ihrer für das damalige Empfinden höchst ungewöhnlichen, vermeintlich abstoßenden Form, als grotesk bezeichnet. Diesen Klassifizierungsnamen – Groteske – haben serifenlose Linear-Antiqua-Schriften bis heute beibehalten. Wollte man als Unternehmer wie auch als Gebrauchsgrafiker eine breite Masse ansprechen und positive Assoziationen wecken, musste man also auf andere Gestaltungsmittel zurückgreifen.

Ich halte die von Böhmermann getroffene Zuschreibung, das aktuelle A-Signet sei „Nazi-mäßig“, auch deshalb für kritisch und für eine starke Form der Verzerrung, weil hierbei der Person Weise einerseits wie auch dem Apothekenverband (ABDA) anderseits das Etikett angeheftet wird, sie verträten rechtsextremes Gedankengut. Auch wenn Böhmermann dies tatsächlich so nicht ausgesprochen hat, verbreitet sich diese Aussage gleich einem Meme nun im Netz, größtenteils unmoderiert, unkommentiert, unreflektiert. Nun bin ich nicht Lobbyist des Apothekenverbandes – dieser darf sich hierzu gerne selbst äußern. Eine Anfrage meinerseits wurde am Telefon zwar freundlich aufgenommen, bisher jedoch schriftlich nicht beantwortet. [Edit 02.09. 19:22 Uhr: Antwort siehe Kommentar]

Was mich wirklich stört, ist, dass der von den Nazis ausgegrenzte Gebrauchsgrafiker Weise das Label angedichtet bekommt, er sei quasi Erfüllungsgehilfe der Nazis gewesen. Kurz nachdem Weise mit seinem Entwurf für das A-Signet den ersten Preis in dem vom „Amt für Werbung der Deutschen Apothekerschaft“ ausgeschriebenen Wettbewerb erzielte, wurde Weise von der Reichskulturkammer das Berufsverbot ausgesprochen. Böhmermann geht auf diesen Umstand auch in der Podcast-Folge in einem Nebensatz ein. „Nur die politischen Ereignisse verhinderten letztlich eine große Karriere des Berliner Grafikers“, wie Uwe Westphal im Buch „Werbung im Dritten Reich“ (1989, Transit Buchverlag) schreibt.

Nach Einschätzung Westphals, mit dem ich gestern ein Gespräch führte, galt Weise damals als einer der profiliertesten Gestalter in Deutschland. Beeinflusst waren Weises Arbeiten für Kunden wie Flohr, Daimon, Schocken, Continental, u.a., wie Westphal im Buch schreibt, zunächst vom Jugendstil und zunehmend „von der Sachlichkeit des Werkbundes und der klaren Linienführung des Bauhauses“. Nicht nur Weises Ehefrau, Eva Stern, hatte jüdische Wurzeln, laut Westphal galt dies auch für Weise selbst. Westphal stützt sich hierbei auf Aussagen der Tochter von Ernst Paul Weise.

Ich zitiere weiter aus dem Buch: „Die spätere graphische Arbeit spielt sich bei Weise später eher im Verborgenen ab. Erfolge im Berufsleben bedeuteten jetzt eine große Gefahr. Die Anonymität seiner Arbeiten wurde nun zur Voraussetzung des Überlebens“. Die Kriegsjahre waren bei Weise, wie bei so vielen anderen von den Nazis verfolgten Menschen, von Flucht und Vertreibung bestimmt.

Es wäre ein Unrecht, wenn der Eindruck entstünde, die Arbeiten Weises, wozu auch das Apotheken-A zählt, sei das Ergebnis von Nazi-Loyalität. Das A-Signet ist alles: eigenartig, rätselhaft, kantig, grob-klotzig, verschroben – nur „Nazi-mäßig“ ist es nicht. Bei genauer Betrachtung, und wenn man etwas länger hinschaut, wird man dies auch erkennen. In Zeiten, in denen die Aufmerksamkeitsspanne oftmals nicht einmal für ein 30-sekündiges Video auf TikTok reicht, ist auch dieser Text wahrlich eine Zumutung. Deshalb hier der Versuch das Geschriebene auf einen Satz zu verdichten, ohne dabei zu simplifizieren, versteht sich:

Das Apotheken-A ist nicht etwa eine Manifestation und Visualisierung nationalsozialistischer Ideologie, sondern vielmehr Ausdruck des damaligen Zeitgeschmacks.

So wie der bis heute nahezu unveränderte verschnörkelte Coca-Cola-Schriftzug Ausdruck des damaligen Zeitgeschmacks ist. Und so wie Design insgesamt, somit auch Kommunikationsdesign und Corporate Design, stets modischen Einflüssen unterliegt.

Wenn wir Symbole, Zeichen und Logos betrachten und bewerten, dann möglichst ganzheitlich, nicht bloß aus dem verengten Blickwinkel der Gegenwart heraus. Gruppierungen wie die Identitäre Bewegung, vom Verfassungsschutz als klar rechtsextremistisch eingestuft, setzen in ihrer Kommunikation auf ganz andere, die wahre Gesinnung kaschierende Stilmittel. Deshalb müssen und sollten wir den Blickwinkel weiten. Nicht nur Tradiertes hinterfragen, sondern auch das im Gewand des Gefälligen kommunizierte. Die IB setzt auf Farben, Formen und Schriften, die weniger bis kaum geschichtlich belastet und deshalb auch nicht rechtsextrem konnotiert sind. Als wäre Sprache und visuelle Kommunikation, und dessen Rezeption, heutzutage nicht schon anspruchsvoll genug, gilt es nun auch noch Verschleierungstaktiken zu decodieren.

Abschließend möchte ich Jan Böhmermann in einem weiteren Punkt widersprechen: der von Rudolf Weber gestaltete grüne Entwurf „Arzneiflasche mit drei Löffeln“ ist nicht etwa „mega slick“, sondern er schaut aus, wie Olli Schulz treffend formuliert, dabei seinem Podcast-Kollegen in bester Sidekick-Manier in die Parade fahrend, wie ein „Mann mit Zylinder, der dreimal mit einem Löffel durchstochen wurde“. Die Fernwirkung dieses grünen, illustrativen Zeichens, das eher ein Piktogramm darstellt, denn ein Logo, ist im Vergleich zum prägnanten roten „A“ sehr bescheiden und deshalb wenig geeignet. Das von Weise geschaffene „A“ ist um so viel schlichter, prägnanter, ausdrucksstärker und entspricht unserem heutigen Verständnis hinsichtlich reduzierter Formsprache viel mehr, als das doch recht naive Signet mit Arzneiflasche.

Übrigens: In der Podcast-Folge „Todesengel Maischberger“ wird das Design Tagebuch ausführlich von Jan Böhmermann gewürdigt (ab Minute 31). Nochmals danke und liebe Grüße!

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Dieser Beitrag hat 56 Kommentare

  1. Lieber Achim,

    vielen Dank für diesen sehr ausführlichen, wohl recherchierten Artikel! So geht wirklicher Journalismus und zeigt mal wieder, dass Böhmermann eher ein Mainstream-Clown denn ein wirklich ernstzunehmender Zeitgenosse ist – leider trifft er mit seinen “30 Sekunden TikTok Video”-Aussagen vielmehr den heutigen Zeitgeist und trägt damit ganz klar zu einer verzerrten Meinungsmache bei. Schade, dass an dieser Stelle in einem öffentlich-rechtlichen Medium so wenig Verantwortung getragen wird.

    Keine Frage, Satire muss sein, in unserer Zeit wird eh zu wenig gelacht, alle nehmen sich viel zu ernst. Aber bitte bei den Fakten bleiben und nicht aus Unwissenheit Fehlinformationen in die Welt setzen!

    1. Lieber Tobias,
      Du schreibst „ Schade, dass an dieser Stelle in einem öffentlich-rechtlichen Medium so wenig Verantwortung getragen wird.“.
      Leider hast du vergessen dich genauer mit der Materie auseinanderzusetzen. Denn F&F ist ein Podcast bei Spotify, also quasi so weit weg von öffentlich-rechtlichen Medien wie es nur geht.
      Daher zitiere ich dich und schließe mich dir an:
      „ bitte bei den Fakten bleiben und nicht aus Unwissenheit Fehlinformationen in die Welt setzen!“

      1. Hi Christopher,

        du hast völlig Recht, ich hatte den Podcast mit den ZDF-Formaten gleichgesetzt..
        Ob ÖR oder nicht, die Aussage bleibt die gleiche: Bei so einer Reichweite sollte doch etwas genauer geschaut werden, wie man mit solchen Themen umgeht..

    2. Dieser Kommentar wirkt eher wie eine Abarbeitung an der Person Böhmermann als eine echte Auseinandersetzung damit was er in welchem Kontext gesagt hat. Schon die Formulierunge n”Mainstream-Clown” oder auch “Meinungsmache” deuten darauf hin.
      – Er hat die Äußerung nicht im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gebraucht.
      – Er hat ebenfalls dem Apotheken-A mehr als 30 Sekunden, und auch kein TikTok-Video gewidmet.
      – Der Podcast, in dem er diese Äußerungen getroffen hat, erhebt nicht im Mindesten den Anspruch, ein journalistisches Produkt zu sein.
      – Seine Äußerungen waren auch sicher nicht satirisch gemeint. Er hat seine Meinung basierend auf den Informationen, die ihm zur Verfügung standen, kundgetan.
      – Er hat intensiv aus einem auch in diesem Artikel erwähnten Artikel zitiert und darauf auch transparent hingewiesen. Dass dieser Artikel selbst in Teilen irreführend ist, wurde ja in dem Beitrag auf dieser Seite erläutert.

      Die Forderung, “nicht aus Unwissenheit Fehlinformationen zu verbreiten” ist einigermaßen absurd – wie soll man das denn anstellen? Woher soll man denn wissen, dass man gerade eine Fehlinformation verbreitet, wenn man es schlicht nicht weiß?

      Ich weiß, dass Böhmermann-Bashing teilweise in Mode ist, aber ich selbst würde mir wünschen, wenn dieses etwas substantiierter ist.

      1. Hallo Philipp,

        es geht mir hier garnicht um Böhmermann-Bashing, da mir die Person an sich eigentlich herzlich egal ist.

        Mir gehts nur um die Nazivergleiche, welche sehr gern mal gezogen werden um wieder Aufmerksamkeit für ein Thema zu erregen. Kann man machen wenns richtig und begründet ist, wer sich aber mit einem Mindestmaß der Thematik widmet (was er ja angeblich getan hat, da er den hier zitierten Artikel ebenfalls zitiert), sollte nicht zu Aussagen wie “das „A“ basiere auf einer „alten Nazi-Schrift“, „gestalterische Beleidigung, hinter der die Nazis stehen“ kommen.

        Das ist doch genau das Ding, warum heute so viel Fehlinformation im Umlauf ist: Leute hören sich das an, glauben das, denken die “scheiß Fraktur” ist ein Nazisymbol und stehen dann irgendwann vor den Apotheken (vielleicht eine sehr alte, welche auch noch den Namen in Fraktur überm Eingang hat?) und beschimpfen die Angestellten oder Eigentümer als Nazis. Klingt überspitzt, nur leider wird sowas schneller Realität als sich unsereins das hier vorstellen kann..

        Wie gesagt, ich habe hier nix gegen Meinungsäußerung, lediglich etwas gegen Meinungsmache anhand von falscher Fakten. Und ja, ich sehe das als Meinungsmache, denn solche Aussagen haben das Potential, andrer Meinung zu Bilden.

        1. @Tobias

          Als kleine Randnotiz ist es übrigens interessant, dass du hier ein gern genommenes Wording vom rechten Rand benutzt (Mainstream-Clown), dich aber wahrscheinlich dagegen wehren würdest, nach Meinung anderer Leute von eben diesem Rand zu kommen.

          Genau so, wie du es mit dem A beschrieben hast. Es gibt Leute, die sind der Meinung, dass es eine “Nazi-Schrift” ist. Weil es sie daran erinnert. Ob faktisch begründet oder nicht. Die Meinung ist da.

    3. Hallo Tobias,
      nur eine kleine Ergänzung wegen Fehlinformationen: Spotify und Fest und Flauschig ist kein öffentlich-rechtliches Medium, sondern ein börsennotiertes Unternehmen.
      Viele Grüße

  2. „So sind etwa Geburts- und Todesjahr des verantwortlichen Gestalters des Apotheken-A-Logos, Ernst Paul Weise, falsch (korrekt ist 1880-1981). Weise starb 1981 im Alter von 91 Jahren in seinem Atelier am Breitenbachplatz in Berlin.“
    Nach meinen umfangreichen Berechnungen muss der Mann 101 Jahre alt geworden sein. :)

  3. Wenn einem etwas nicht gefällt und einem zu anstrengend ist, das zu erläutern, dann kommt halt was mit Nazis.

    Böhmermann hat viel Gutes gemacht. Irgendwann ist ihm das dann aber alles zu Kopf gestiegen.

  4. Du schreibst “Ich sah in der Darstellung, Schlange (Äskulapnatter) + Kelch, stets eine Art Springbrunnen, wobei mir nicht klar gewesen ist, dass es sich um einen Arzneikelch handelt”

    Gut möglich, dass bei der eigenartigen Schlangen/Kelch Abbildung auch ein biblischer Bezug enthalten ist. Da gibt es in 4. Mose 21,4-9 die abgefahrene Geschichte: “Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.
    Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.”

  5. Lustig, dass ihm der Entwurf mit dem grünen Logo besser gefällt. Ich erinnere mich noch gut an das neue Logo vom Domradio, wo lauter Leute Nazivorwürfe gemacht haben, weil da ein Dreieck zu sehen ist und die Nazis haben ja auch Dreiecke benutzt, um Gefangene zu kategorisieren und deswegen ist das ein Nazilogo! So dumm.

    Aber das zeigt halt das Problem heutzutage. Halbwissen gepaart mit “hat irgendwas mit Nazis zu tun” und schon wird irgendwas kategorisch abgelehnt…

  6. Bleibt die mindestens ärgerliche aber existente Vereinnahmung der gebrochenen Schriften durch die rechte Szene…

  7. Ich hätte mir in diesem Text eine Differenzierung zwischen Frakturschriften im allgemeinen und den mindestens im zeitlichen Zusammenhang mit dem NS stehenden gebrochenen Grotesken gewünscht. Die deutlich geringeren Unterschiede in der Strichstärke sowie das allgemeine Erscheinungsbild des Buchstabens “A” sind für diese anscheinend typisch (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Gebrochene_Grotesk).

      1. Vor diesem Hintergrund finde ich den Vorwurf, das “A” entstamme einer “Nazi-Schrift”, dann doch nicht so weit hergeholt. Trotzdem spannende Einblicke zur gestalterischen Verarbeitung hin zum fertigen Logo. Vielleicht könnte sich das “Apotheken-A” auch gerade deshalb loslösen von “Nazi-Assoziationen”(?) – vergleichbar mit Logos von einigen Metal-Bands (z.B. ACDC), die ebenfalls gebrochene Grotesken verarbeiten.

    1. Das ist mir auch aufgefallen, Florian.
      Bei Schriften wie Tannenberg, National oder Potsdam gibt es deutliche Ähnlichkeiten zum Apotheken-A.

  8. Hallo Achim, 3 Anmerkungen habe ich hierzu:

    1) Wie fast jeder Typografie-Nerd habe auch ich mich etwas mit diesem zunächst doch etwas rätselhaften Zeichen beschäftigt. Daher zunächst einmal vielen Dank für die profunde, sachliche Darstellung. Ich konnte keine Ungenauigkeiten feststellen. Und es gefällt mir, wie du deine Erwiderung geschrieben hast, ohne Böhmermann gegenüber ausfallend zu werden und auf der anderen Seite dich dennoch einer Vereinnahmung von Rechts zu verwehren. So kann (und sollte) ein wertschätzender Diskurs im Internet also auch aussehen.

    2) Einige Kommentare zeigen das Gegenteil. Statt sich mit dem Thema dieses Beitrags (zur Erinnerung: „Ist das Apotheken-Logo so scheiße und Fraktur eine »Nazi-Schrift«, wie Jan Böhmermann behauptet?“) auseinanderzusetzen, wird polemisiert, ob nicht vielleicht nun Böhmermann scheiße sei, und ob er zu leichtfertig mit der „Nazi-Keule“ schwinge. Schön, dass wir jetzt nochmals gesehen haben, dass es offenbar auch substanzlos geht.

    3) Inhaltlich hast du das Thema bereits recht ausführlich behandelt, daher nur noch angerissen, welche Punkte bei einer solchen Diskussion evtl. noch interessant sein könnten:
    a) Schaut man sich alte Denkmäler an, bestehen Texte auf diesen häufig aus Antiqua-Versalien. Die Antiqua, volkssprachig auch „Lateinische Lettern“, war die Schrift der Gelehrten und Herrschenden, die selbst dann verwendet wurde, wenn man sich an die Untergebenen wendete, sich aber nicht auf Augenhöhe begeben wollte. Dann gerne noch in Versalien (also Großbuchstaben) um seine eigene Bedeutung nochmals zu unterstreichen. Das normale Volk verwendete damals (wenn überhaupt) die Fraktur (volkssprachig aber nicht ganz richtig auch „Deutsche Schrift“, siehe auch Gutenbergs industriell hergestellte Bibel, dort die Textura, eine Variation der gotischen Minuskel, da diese Publikation für das Volk und nicht wie bisher die Gelehrten gedacht war). Die längste Zeit waren in Deutschland also gerade die gebrochenen Schriften das Mittel der Wahl, wenn man sich von „Führern“ und „Eliten“ separieren wollte.
    b) Die NSDAP, in Person von Martin Bormann, hat am 3. Januar 1941 in einem Führer-Erlass die Frakturschrift sogar verboten. Schon zuvor waren viele Publikationen der NSDAP aus Antiquaschriften gesetzt – lediglich wenn das Volk angesprochen und aktiviert werden sollte, wurden die Vorlieben der „kleinen Leute“ berücksichtigt. Wenn die Fraktur als Nazi-Schrift angesehen wird, dann kommt das also weniger daher, dass die Nazis sie damals so gemocht hätten, sondern weil man nach dem Krieg einen Neuanfang wagen und vieles Alte schlicht weghaben wollte.
    c) Yvonne Schwemer-Scheddin hat am 6. Juli 1999 in einem vielbeachteten Vortrag vor der Typographischen Gesellschaft München „Gebrochene Bilder – Über den Missbrauch der Fraktur“ die Fraktur unterschieden von der von ihr so genannten „Schachtstifel-Grotesk“, also der gebrochenen Grotesk, auf die auch Florian Kronenberg weiter oben in den Kommentaren schon hingewiesen hat.
    d) Bei einer umfangreichen Betrachtung zum Thema kann man auch erwähnen, dass (gefühlt) die meisten deutschen Brauereien mit dem Einsatz von gebrochenen Schriften in ihrem Logo auf die vermeintlich „gute alte Zeit“ verweisen (siehe auch deinen schönen Beitrag zum neuen Oktoberfest-Logo) und selbst in Zeitschriften-Köpfe kann man diese Schrift noch manchmal sehen (z.B. Frankfurter Allgemeine), was ebenfalls für Bodenständigkeit und positiv verstandenes Traditionsbewusstsein stehen soll. Immer wieder tauchen gebrochene Schriften auch in der Subkultur auf, beispielsweise in der Musik-Szene von Gothic über Heavy Metal bis hin zu Hip-Hop. Man käme auch hier nicht auf die Idee, den Absender alleine deshalb mit dem Nationalsozialismus in Verbindung zu bringen.

    Jan Böhmermann hat einen Blick auf dieses Thema, wie eben die meisten typografischen Laien. Dass das Apotheken-Zeichen gar kein Fraktur-A darstellt (wie von dir erläutert) wissen viele nicht. Auch nicht, dass die echte Fraktur durchaus auch reizvoll sein kann (trotzdem muss man sie nicht überall verwenden ;–). Deshalb mache ich Böhmermann auch gar keinen Vorwurf sondern bin ihm, ganz im Gegenteil, sogar dankbar, dass er mit seiner Reichweite dieses Thema nochmals auf die Tagesordnung gebracht hat, damit wir hier so schön fachsimpeln können.

    1. Vielen Dank Michael, für Deine bereichernden Ergänzungen!

      Ich freue mich gerade tierisch über die bisher entstandene Diskussion. Beleidigungen und Bashing tragen dazu jedoch nicht bei. Finde es gut, dass Tobias nach seinem anfänglichen Kommentar, der auch mir eher negativ aufgestoßen ist, noch einmal klarer formuliert, worum es ihm geht. Und ich muss sagen, die Gefahr, dass Hass/Gewalt in den digitalen Medien zu Gewalt „auf den Straßen“ führt, ist leider weniger abstrakt, als man es sich wünschen würde. Wie ein einziger Tweet das Leben eines Menschen zerstören kann, Jon Ronson in der NYTimes | Schnelljustiz in Medien und Politik, Lucien Scherrer in der NZZ

  9. (zu schnell gesendet)

    4) Die Fußgängerzonen unserer Städte schauen aktuell sowieso alle fast gleich aus – überall gibt es die gleichen Läden. Mir tut’s gut zu sehen, dass die Leuchtreklamen der Apotheken noch Eigenständigkeit bewahrt haben. Ähnlich gehts mir beispielsweise, wenn ich die markanten Tabacchi-Schilder sehe; ich weiß sofort: ich bin in Italien.

  10. Mit großen Hallo habe ich den Stern-Artikel von Böhmermanns Verriß gelesen. Verhilft er etwa damit uns Designer zu einem neuen Auftrag? ;-)

    Wohl eher nicht. Wenn man sich die Trivia der bislang entstandenen Logos durchliest, stellt man fest, dass man sich bei nahezu allen Turningpoints das Thema Relaunch immer bislang äußerst schwer getan hat oder gar nicht zu einer Einigung kam. Es wurde vertagt. Das wäre meine Einschätzung, würde man da heute noch mal “ran wollen”.

    Leider: Erst den Nazis und damit einem total-authoritäres System gelang von oben herab die Gleichschaltung und einheitliche Wiedererkennbarkeit. Einerseits durch Hackordnung aber auch durch ein geschicktes Manöver “” man schmiß den Apothekerbesitzern das neue Logo als Schild einfach on top nach.

    Ein ähnliches Schicksal der kompletten Verseuchung und einem anschließenden sicheren Exitus durch die Nazis erfuhr das deutsche Liedgut. Keiner singt und geschweige denn kennt alte deutsche Lieder und pflegt dessen Kultur, so wie es zum Beispiel die Türken vermögen. Weil sie sowas von tot sind und vorher durch die Nazis mißbraucht worden sind. Wofür die damalige deutsche Liederkultur, welches um vieles älter als das 1000-jährige Reich war, eigentlich überhaupt nichts kann.

    Handwerklich, da stimme ich Achim zu, ist das Logo meisterhaft in seiner jetzigen Form sehr durchgecheckt. Die Schlange und der Kelch sind mir zu wummselig und lange nicht mehr zeitgemäß für den Gebrauch. “A” wie Apotheke “” signifikanter geht es (vielleicht) nicht mehr. Hier hat der gute Jan leider nichts überzeugendes an Argumenten zu sagen.

    Dennoch klingt in mir Böhmermanns Rant an einer Stelle nach: Dieses Logo entstammt einer Zeit, in der die Nazis mit ihrem entmenschlichten Geist alles sauber versaut haben, was man nur versauen konnte. Trägt das Logo dann nicht mit seiner Geburtsstunde, als anno 1936 Deutschland braun wie Scheiße war, dieses “Erbe” weiterhin in die Gegenwart mit und kommuniziert damit weiter herum? Wäre es nicht für eine Identität befreiender, sich von diesem Scheiß endlich zu befreien? Wäre hier nicht ein Neubeginn und das Umschreiben des eigentlichen Geistes des Apotheker-Wahrzeichens sinnvoll?

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