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Interview mit Peter Schreyer, Chefdesigner von Kia/Hyundai

dt: Sie sind Designchef sowohl von Kia wie auch von Hyundai. Wie unterscheiden sich die beiden Marken?

Genau an diesem Thema arbeiten wir derzeit sehr intensiv. Wenn man so will, ist dies ein Mutter-Tochter-Verhältnis. Hyundai ist die Mutter. Die Produktpalette hat sich relativ parallel entwickelt. Fast in jedem Segment gibt es Modelle von beiden Marken. Eine meiner Aufgaben ist es, dies zu entzerren und den einzelnen Fahrzeugen einen eigenständigeren Charakter zu geben. Auch wenn es viele Synergien zwischen den Plattformen gibt, müssen wir versuchen, Unterschiede herauszuarbeiten. Kia ist die junge, frechere Marke, vielleicht der Herausforderer, im Design enger, knackiger geschnitten, wie zum Beispiel der Sportage. Kia ist der Schneekristall, eher architektonisch. Hyundai hingegen ist in der Formensprache wie ein Wassertropfen, eher fließend.

dt: Schaut man sich aktuelle Kia-Modelle an, etwa den Sportage oder den Rio, dann fällt der geringe Anteil von Glasfläche und der große Anteil von Metallfläche auf. Was hat es mit diesen Proportionen auf sich? Welche Idee steckt dahinter?

Ein kleines Greenhouse (Passagierkanzel) erzeugt einen sportlich gedrungenen Eindruck und zugleich von Innen das Gefühl der Geborgenheit. Als Fahrer fühlt man sich beschützt. Das kann man allerdings nur machen, wenn man relativ große Räder hat. Sonst schaut das a biserl komisch aus. Ob dieses Prinzip jetzt nun für immer und ewig so bleiben muss, weiß ich nicht.

dt: Welche weiteren stilprägenden Elemente gibt es bei Kia?

Der Kühlergrill ist sehr markant und lässt sich zudem in verschiedenen Varianten, abhängig vom Modell, weiterentwickeln. Das ist ein andauernder Prozess, eine Evolution. Der Grill ist sicherlich das wichtigste Element, weil man es auch aus größerer Entfernung erkennt. Dessen Gestaltungsprinzip haben wir bei einigen Modellen auch auf die Oberkante der Frontscheibe übertragen. Solch ein Merkmal hat keine andere Marke. Ansonsten sind es Proportionen und auch die Art der Fenster-Grafik.

dt: Sie bezeichnen den Kühlergrill mit seiner Doppeltrapezstruktur als „Tigernase“. Hatten sie von Anfang an die Idee, den Kia-Modellen eine neue Nase zu verpassen?

Mir war von Anfang an klar, dass man etwas in dieser Art braucht. Ich denke, es ist sehr gut, dass wir die „tiger nose“ haben. Das hat uns einen großen Schritt nach vorne gebracht. Die Form ist eine Art Super-Zeichen. Es ist in der Wiedererkennung so stark, dass man es sich leisten kann, das Kia-Logo auf die Kühlerhaube zu setzen.

Kia „Tiger Nose“Abb. Tigernase / Konstruktionsprinzip des Grills, Bildquelle: Kia

dt: Sie malen auch leidenschaftlich gerne, sind dabei völlig frei. Wie viele Kompromisse müssen sie in Bezug auf das Design eingehen?

Das unterscheidet sich natürlich fundamental von einander. In der Malerei kann ich mich selbst ausdrücken, hier muss ich an keine Vorgaben und keine Kosten denken. Im Design ist man natürlich von einem Geschirr aus technischen, kostenrelevanten und auch gesetzlichen Vorgaben umgeben. Es ist einfach schön, einen Batzen Farben zu haben. Ein schöner Ausgleich. Meist male ich zuhause. Man möcht ja eingerichtet sein.

dt: Wann endet Design und wann beginnt für sie Style?

Das ist ein fließender Übergang. Wenn es übertrieben und nicht mehr ehrlich ist, dann ist es Styling, dann sind es nur kosmetische Linien.

dt: Im Kommunikationsdesign respektive Webdesign ist Flat Design eine der prägenden Trends. Sehen sie vergleichbare Entwicklungen im automobilen Design?

Ich finde schon, dass im automobilen Design in letzter Zeit eine gewisse Verschnörkelung stattgefunden hat. Also eher das Gegenteil. Wobei ich eher in einer anderen Richtung unterwegs bin.

„Es dauert sehr lange,
das Image einer Marke zu verändern.
Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg dort hin.“

dt: Gibt es ihrer Meinung nach bemerkenswerte Designentwicklungen bei anderen Automarken?

BMW setzt schon ein Zeichen mit den i-Modellen. Ich finde es klasse, was BMW macht und dass sie sich das trauen. Was mich auch von je her fasziniert ist die Geschichte vom 911er. Wenn man sich überlegt, wie das Auto immer wieder neu erfunden, weiter verbessert wurde und doch im Ausdruck gleich geblieben ist. Das ist schon bemerkenswert.

dt: Sie haben einmal Kia mit IKEA verglichen. Ansprechende Produkte zum guten respektive günstigen Preis. Welche Rolle spielt nachhaltiges Wirtschaften bei Kia? Welchen Einfluss nehmen sie diesbezüglich?

Das ist mir sehr wichtig – Beständigkeit und Nachhaltigkeit, auch Nachhaltigkeit im Design. Wir sind beim Thema Brennstoffzellen relativ weit, im Vergleich zu anderen. Unsere Fabriken gehören zu den umweltfreundlichsten, die es gibt. Da legen die Koreaner großen wert drauf. Unsere Autos sind verbrauchsarm und wir versuchen den Verbrauch weiter zu verringern.

dt: Nach einer derartigen Markentransformation, wie sie Kia in den vergangenen Jahren vollzogen hat, wäre es dann nicht an der Zeit für ein neuen Markenzeichen, ein neues Logo?

Wenn sie so ein Spezialist sind. Drehen wir den Spieß doch einmal um. Was sagt ihnen denn das Kia-Logo? (Schreyer reicht mir das Kia-Emblem)

Antwort dt: Samsung verfügt über ein ähnliches „A“ im Schriftzug. Es transportiert gewissermaßen das Koreanische der Marke. Auch die kleinen, linksseitigen Serifen verhelfen der Wortmarke zur Eigenständigkeit. Würden beide Merkmale fehlen, wären die Buchstaben neutral, wäre die Wortmarke sehr gewöhnlich. Das Oval trägt eher wenig zur Eigenständigkeit bei. In den letzten Jahren sind viele Autobauer dazu übergegangen, Logos zugunsten der Embleme aufzugeben (siehe Citroën). Wenn fast jede Automarke über ein Chromzeichen als Absender verfügt, fällt es immer schwerer, die einzelnen Markenzeichen von einander zu unterscheiden.

Kia LogoDas Kia-Logo in der Werbung ist nach wie vor rot. Es ist halt eine Wortmarke. Die Leute kennen es und natürlich haben wir schon viele Diskussionen darüber geführt. Koreanische Journalisten fragen uns auch gerne danach. Was würde es denn bringen, eine Bildmarke neu einzuführen? Ich finde das unpassend. Wir haben schon viele Formen, etwa auch Tigernasen in Entwürfen probiert. Künstlich etwas im Nachhinein zu erfinden, davon halte ich wenig. Die Tatsache, dass sich in den letzten Jahren so viel bei Kia getan hat, verringert die Notwendigkeit, das Logo zu ändern. Jeder kann sehen, dass Autos von Kia anders ausschauen. Ich halte es allerdings schon für wichtig, die Wortmarke weiter zu verfeinern und zu präzisieren, was übrigens in der Vergangenheit auch schon gemacht wurde. Nur sollte man das Logo nicht gänzlich neu erschaffen oder gar verleugnen.

dt: In den ersten Jahren bei Kia Motors gaben sie selbst das Ziel aus, dass man Kia in drei bis fünf Jahren als Marke erkennt. Sehen sie sich nun am Ziel angekommen? Welche Entwicklung planen sie?

Für beiden Marken gilt: Ich möchte weiterhin die Linie verfolgen, dass ein Kaufentscheid nicht nur aufgrund eines günstigen Preises oder einer Garantie erfolgt, sondern weil man das Auto einfach haben will. Und weil man stolz darauf ist, wenn man es besitzt. Um das zu erreichen, werden wir uns auch im Interior-Design immer weiter verbessern. Es dauert sehr lange, das Image einer Marke zu verändern. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg dort hin.

dt: Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.

– Das Gespräch führte Achim Schaffrinna

Zur Person: Peter Schreyer studierte in München und am Londoner Royal College of Art. Als Designchef von Audi und später Chefdesigner im Volkswagen-Konzern prägte er unter anderem Modelle wie den Audi TT und den VW Passat. Heute ist er Chefdesigner von Kia/Hyundai sowie Präsident von Kia Motors Corporation. Schreyer ist verheiratet und hat zwei Kinder, er wohnt nach wie vor in Ingolstadt.

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