Im Herbst letzten Jahres hatte der börsennotierte Baustoffkonzern Heidelberg Cement die Umbenennung angekündigt – seit gestern nun tritt das Unternehmen offiziell unter dem Namen Heidelberg Materials auf. Begleitet wird die Umwandlung von einem neuen Markenauftritt.
Heidelberg Materials ist, eigenen Angaben zufolge, einer der weltweit größten integrierten Hersteller von Baustoffen und -lösungen mit führenden Marktpositionen bei Zement, Zuschlagstoffen und Transportbeton. Das 1874 in Heidelberg gegründete Unternehmen ist heute mit 51.000 Beschäftigten an knapp 3.000 Standorten in mehr als 50 Ländern tätig. Ein modernes visuelles Erscheinungsbild solle dabei unterstützen, die angestrebte Vorreiterrolle des Unternehmens auf dem Weg zur CO2-Neutralität und Digitalisierung in der Baustoffindustrie zu unterstreichen. Die neue Marke transportiere den Anspruch, offen für Veränderungen zu sein, dabei aber nahbar und authentisch zu bleiben, so das Unternehmen.
Auszug der Pressemeldung
„Auf unser Zementgeschäft sind wir stolz – gleichzeitig werden unsere Produkte, unsere Materialien vielfältiger und unser Leistungsspektrum geht somit über Zement hinaus“, sagt Christian Knell, Sprecher der Geschäftsleitung Deutschland. „Jede Tradition benötigt eine Zukunft. Unsere ist nachhaltig und digital. Mit der neuen Marke unterstreichen wir daher unsere Vorreiterrolle auf dem Weg zur CO2 -Neutralität und Digitalisierung in der Baustoffindustrie. Wir treiben den nachhaltigen und digitalen Wandel in unserer Industrie weiter voran – zum Nutzen unserer Kunden, unserer Beschäftigten und der Gesellschaft.“
Die letzte signifikante Anpassung des Corporate Designs erfolgt vor 20 Jahren im Zuge der Umbenennung von Heidelberger Zement AG in Heidelberg Cement (2003). Mit der nun vollzogenen erneuten Umbenennung ändert das Unternehmen auch sein Logo. Eine aus zwei Segmenten bestehende „h“-Minuskel fungiert fortan als Bildmarke.
Die Bildmarke kombiniere, so das Unternehmen, Ratio und Emotion und vereine die traditionellen Werte sowie die Zukunftsfelder des Konzerns. „Die größere Fläche stellt ein Bauelement dar und steht für die technischen Stärken von Heidelberg Materials. Das kleinere Element symbolisiert die Zukunftsfelder des Konzerns“, wie es in der offiziellen Beschreibung heißt.
Neben dem Logo wurden zudem weitere Marken-Assets modifiziert und aktualisiert. Als Hausschrift setzt das Unternehmen zukünftig auf die Lexend Exa. Grün bleibt als Hausfarbe grundsätzlich erhalten, allerdings wurden die Farbwerte neu definiert – zudem wurde das Farbschema durch einen Dunkelgrün-Wert erweitert.
Innerhalb des frisch relaunchten Webauftritts kommt das neue Branding bereits zur Anwendung. Sukzessive sollen in den kommenden Monaten nationale und internationale Tochtergesellschaften den neuen Namen und das neue Branding erhalten.
Für Markenstrategie und Design zeichnet MetaDesign (Düsseldorf) verantwortlich.
Kommentar
Grün, organisch, mit floraler Note – so präsentiert sich der zweitgrößte Kohlendioxid-Emittent unter den börsennotierten Konzernen (nach RWE) als Marke. Naturschutzorganisationen wie Robin Wood und die radikale Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion kritisieren, das Unternehmen missachte Klimaschutz und betreibe Greenwashing.
Beton gilt als Klimakiller. Insbesondere der Brennvorgang bei 1450 Grad verursacht große Mengen an CO2-Emissionen. Wolfgang Dienemann, Leiter der Forschungsabteilung bei Heidelberg Materials, erklärte zuletzt, das Unternehmen strebe bis 2050 Klimaneutralität an. Unter anderem mit Hilfe von Beton-Recyling solle dieses Ziel erreicht werden.
Dass im Corporate Design, und noch viel stärker in der Werbung, eine Überhöhung der Realität geschieht, ist unbestreitbar. Eine professionelle Außendarstellung verleiht selbst einem Kleinstbetrieb die Ausstrahlung eines größeren Unternehmens, lässt diesen attraktiv, kompetent und geeignet erscheinen. So weit, so unbedenklich. Die Grenze der Überhöhung ist erreicht, wenn das im Visuellen/Textlichen dargestellte etwas suggeriert, was nicht ist, wenn das so Dargestellte nicht der Realität entspricht und von Außenstehenden als irreführend wahrgenommen wird. Wie etwa ein in Regenbogenfarben gehaltenes UEFA-Logo – ein völlig unglaubwürdiges Statement und offensichtliches Beispiel für Pinkwashing.
„Ästhetik ohne Ethik tendiert zur Täuschung“, so schrieb Otl Aicher, einer der prägendsten deutschen Gestalter des 20. Jahrhunderts, in seinem Buch „Die Welt als Entwurf“ Anfang der 1990er-Jahre. Die von ihm und seinem Team geschaffen Erscheinungsbilder für Lufthansa, Braun, Erco, die Olympischen Spiele 1972 in München u.a. folgen einer Haltung und Auffassung, bei der das Äußere als das Bild des Inneren zu verstehen ist. Ihm ging es stets „um das Produkt als Ganzes, nicht allein um seine äußere Form“: ein authentisches visuelles Erscheinungsbild als Ausdruck von Haltung, Identität und Wertevorstellung.
Im Greenwashing, Pinkwashing und auch im Social Washing wird lediglich so getan und suggeriert, als stehe das Äußere für das Bild des Inneren. Auch mehr als zwanzig Jahre, nachdem sich BP in Anlehnung an das Symbol des griechischen Sonnengotts Helios ein gelb-grün strahlendes Firmensignet zugelegt hat, erwirtschaftet das britische Mineralölunternehmen den bei weitem größten Umsatz nicht etwa, wie es das Design suggeriert, mit regenerativer Energiequellen, sondern mit Öl. Rein rechtlich betrachtet ist ein auf diese Weise suggerierter „Öko-Anstrich“ nicht irreführend und unlauter. Und doch stellen sich viele Fragen die Ethik betreffend, im besonderen Maße für Kreativschaffende.
Ist es unethisch, für ein Unternehmen zu arbeiten, das zu den größten CO2-Emittenten zählt? Die Frage ist, wo man diesbezüglich die Grenze zieht. Ist es beispielsweise als Agentur in Ordnung, obschon man es ablehnt für eine Zigarettenmarke Werbung zu machen, für den dahinter stehenden Tabakkonzern Kommunikation zu betreiben? Ist es in Ordnung, vor dem Hintergrund von Waffenlieferungen in Kriegsgebiet, mit einer Regierung einen Rahmenvertrag abzuschließen? Was ist mit einer Kampagne für eine politische Partei? Wie verhält es sich mit an Kinder gerichteten Produkten mit hohem Zuckeranteil? Kann man – guten Gewissens – einen solchen Auftrag annehmen? Gilt dies auch für Produkte, die einen bedenklich hohen Fettanteil aufweisen? Und für Elektroautos, die mit Umwelt-schädlichen Lithium-Ionen-Akkus ausgestattet sind? Generell für Produkte, die in Plastik eingepackt sind? Oder für in der Cloud vorgehaltene Apps? Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen.
Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, ist wichtig. Denn sie stellen sich überall, nicht nur im Kontext von Marken und Unternehmen, die zu den größten CO2-Emittenten zählen.
Wer über sein Erscheinungsbild spricht, sollte auch, der Auffassung Aichers folgend, über sein Vorstellungsbild sprechen. Und das Vorstellungsbild von Heidelberg Materials, so deute ich das aktuelle Rebranding, ist stark von der Vorstellung geprägt, ein klimaneutrales Unternehmen zu werden. Das Logo bildet, in meiner Wahrnehmung, weniger den Ist-Zustand ab, als vielmehr jenen Zustand, den man in einigen Jahren erreicht haben möchte. Eine im Visuellen kommunizierte Absichtserklärung also. Eine Überhöhung. Nun gilt es für das Unternehmen Heidelberg Materials diese Absichten auch in Fakten zu konkretisieren.
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Weiterführende Links
Das ist schon heftiges Greenwashing. Mit grünen Blättchen haben deren Business einfach gar nichts zu tun. Selbst wenn sie irgendwann mal klimaneutral arbeiten. Das ist einfach nur eine optische Lüge.
ich weiß nicht wieso aber mein erster Gedanke war Tic Tac hat ein neues Logo.
Ich finde das ebenfalls eine spannende Frage. :-)
Ein Corporate Design ist immer Ausdruck einer Corporate Identity. Und somit hat es auch eine Innenwirkung.
Wenn ich jeden Tag in den Spiegel schaue und ein T-Shirt mit dem Titel “Fleisch ist mein Gemüse” trage, werde ich mich damit identifizieren und in dieser Identität bestätigen.
Wenn ich jeden Tag in den Spiegel schaue und ein T-Shirt mit dem Titel “Klimaretter” trage – ist das Greenwashing? Oder ist das eine Maßnahme, um meine Identität in dieser Realität hineinzuentwickeln?
Natürlich: Greenwashing ist sch***. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst machen, dass wir als Gesellschaft gerade bei CO2-intensiven Branchen eine Neuerfindung der Unternehmenskulturen benötigen. Und auch hier zeigt die Gewohnheitstheorie, dass eine Veränderung der äußeren Umstände, eine Veränderung der inneren Einstellung begünstigt, wenn nicht sogar erst ermöglicht.
Mit altem Corporate Design bleibt man auch in alter Corpoate Identity. Und damit bliebe Heidelberg Materials auch in ihrer alten Identität als Klimakiller.
Um es einmal salopp zu formulieren: Wenn Heidelberg Materials vom CO-Schreck zum Klimaheld wird, indem jedem Mitarbeiter zukünftig die Markenidentität so klar vor Augen gehalten wird, dass in der Beschaffung wie selbstverständlich nur noch Recyling-Klopapier bestellt wird, dann ist das Ziel erreicht. :-)
Danke, dass ihr das Design in so einen ausführlichen Kontext setzt. Das ist hilfreicher und gemeinwohldienlicher Journalismus!
Danke schön Robert.
Spontane, unreife Idee dazu: Wenn Heidelberg es ernst meint, dann müsste die Absichtserklärung sich im Logo widerspiegeln.. Dann wäre das Logo heute grau und würde Jahr für Jahr grüner werden, bis es 2050 die jetzt vorweggenommenen Farben erhält. Ist nicht praktikabel, schon klar.
Der Markenauftritt von Tschernobyl basiert exakt auf solch einem „fluiden“ Konzept. Mit jedem Jahr verringert sich die Länge der Strahlen im Logo.
Nur eine Anmerkung am Rande: Neben der Lexend Exa (weitestgehend für Überschriften im Einsatz) wird ebenfalls die Lexend für Fließtexte verwendet. Vielleicht noch bemerkenswert ist auch, dass sich ein Unternehmen dieser Größe für einen Google-Font noch dazu ohne Italics entschieden hat.
Scharfe Kritik an Heidelbergers Gedanken, was ihr neues Logo transportieren möchte. Recht so! Immerhin heißt es im Text, dass sie umweltfreundlicher (und digitataler) werden *wollen*, es noch nicht sind. Klar, das Ziel „klimaneutral 2050“ ist weit weg und eigentlich müsste es für Deutschland und sicher einige weitere Staaten nach nationalen Plänen weit früher sein.
Unternehmen, die diesen Weg gehen, sind zu loben – vor vielleicht zehn Jahren. Heute ist das Ziel Klimaneutralität ein gelutschter Drops, der lediglich zeigt, dass man nicht mehr Vorreiter ist. Schade für Heidelberger.
Interessant ist der Vergleich mit BP: Vor 20 Jahren waren sie in der Tat Vorreiter – als Greenwasher?
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[…] wo sie unter anderem das visuelle Erscheinungsbild von Unternehmen und Marken prägen, siehe u.a. Heidelberg Materials: mit neuem Markenauftritt auf dem Weg zur CO2-Neutralität). Der Wechsel des Expedia-Logos lässt sich als direkte Auswirkung einer immer intensiver […]
[…] zugelegt, ein nunmehr in grüner Farbe gehaltenes. Ähnlich wie zuletzt etwa der Baustoffkonzern Heidelberg Cement knüpft der Flughafenbetreiber das neue visuelle Erscheinungsbild an das Ziel, mittel- bis […]